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Full text of "Untersuchungen über den Mechanismus der Gebirgsbildung, im Anschluss an die geologische Monographie der Tödi-Windgällen-Gruppe"

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W. Or. ^.8a/tf, 










Untersuchungen 



ÜBER DEN 



Mechanismus der Gebirgsbildung 



IM ANSCHLUSS AN DIE 



Geologische Monographie 



DER 



TÖDI -WINDGÄLLEN - GRUPPE 



VON 



ALBERT HEIM, 

PROFESSOR DER GEOLOGIE AM EIDGENÖSSISCHEN POLYTECHNIKUM 

UND DER UNIVERSITÄT IN ZÜRICH. 



MIT EINEM ATLAS. 



II. BAND. 



Basel. 

jSenno 3chwabe, yerlagsbuchhandlung. 

1878. 



irs7. vf ^ 

-P 



Inhalt des IL Bandes. 



IL Theil. 

Allgemeine Untersuchungen Aber den 
Mechanismus der Gebirgsbildjmg. 

Seite. 

Abschnitt I. Die mechanische Gesteinsum- 
formung bei der Gebirgsbildung ... 3 

A. Nachweis, dass die Gesteine bei 

der Umformung schon fest waren 5 

B. Die Umformung der Gesteine 
durch Bruch 12 

C. Die Umformung der Gesteine 

ohne Bruch 31 

1) Die Gesetze der Erscheinung ... 31 
Das 1. Gesetz der Erscheinung . . 35 

««•»i» n . . OD 

» 3. n » n . . 38 

„ 4. „ . n „ . . 40 

» 6. „ „ „ . . 51 

. 7. . . , . . 54 

» 8. „ „ „ . . 56 

« "• 1* « i» 01 

* 10. „ „ . . 61 

» 11« 1» n » . . 61 

„ 12. „ ■ . . 62 

. 13. „ , . . 68 

, 14. . „ . . 71 

„ 15. n n * . . 74 

» 16. „ „ „ . . 75 

2) Einfluss der Schichtung anf die Um- 
formung 75 

D. Die Theorie der mechanischen Ge- 
steinsumformung 79 

Deductionen aus derselben ... 93 
Weiterer Metamorphismus durch 

Druck 97 

E. Fortwirkende mechanische Vor- 
gänge, Folgerungen und Anwen- 
dungen 99 



Seite. 

Abschnitt II. Die Centralmassive der Alpen 111 

A. Die alpinen Eruptivgesteine, ihr 
Alter 114 

B. Die Verhältnisse im Berner Ober- 
land 130 

C. Die innere Structur der Central- 
massive 137 

D. Die Beziehungen in den Lage- 
rungsverhältnissen zwischen kry- 
stallinischen Gesteinen und Sedi- 
menten 146 

1) Central massivgesteine im Gontact mit 
Sedimenten 147 

2) In das Centralmassiv eingeklemmte 
Sedimentmulden 154 

3) Sedimente als Central massivgesteine 161 

E. Beweis gegen die vermuthete La- 
teralwirkung der Centralmassive 165 

F. Das Alter der Centralmassive . . 173 

G. Erklärung der Centralmassive 
durch die gewonnenen Resultate 177 

Abschnitt III. Ueber den Bau und die Ent- 
stehung der Kettengebirge 187 

A. Einleitung (Arten der Gebirge, 
Geschichte der Erkenntniss) . . 187 

B. Die Dislocationen in den Ketten- 
gebirgen 194 

C. Der Zusammenschub der Erdrinde 210 

D. Verbreitung und Vertheilung des 
Horizontalschubes in der Erdrinde 215 

E. Stauungsreihenfolge der Falten 
eines Kettengebirges 227 

F. Verhältniss der Kettengebirge zu 
den Continenten und anderen Ge- 
birgen, — letzte Ursachen ... 236 



II. THEIL. 



Allgemeine Untersuchungen 



UEBER DEN 



MECHANISMUS DER GEBIRGSBILDUNG. 




I 



Abschnitt I. 



Die mechanische Gesteinsumformung bei der Gebirgsbildung. 



"Während Werner's System Bewegungen der Erdrinde als Ursache einer 
Aufrichtung und Faltung der Rindenstücke noch nicht kannte, sind heutzutage die 
thatsächlichen Beweise für diese Erscheinungen so sehr gehäuft, dass der Streit 
hierüber vollständig zur Ruhe gekommen ist. Es kann jetzt Niemandem mehr ein- 
fallen, zu behaupten, die gefältelten Schichten, die mächtigen Umbiegungen, die 
Ueberkippungen in der Lagerung seien ursprüngliche Erscheinungen, die Schichten 
hätten sich in dieser Weise gebildet; sondern wir unterscheiden alle den Bildungs- 
prozess der Gesteine von den späteren Lagerungsstörungen. Unsere Unkenntniss 
der Vorgänge bei Gebirgsbildung ist dadurch nicht gehoben, sondern nur auf einen 
anderen Punkt in der Richtung der fortschreitenden Erkenntniss vorgeschoben. 
Jetzt lauten die zwei grossen Fragen, welche bis jetzt noch von keiner Forschung 
zur reinen Lösung gebracht worden sind: 

1) Wie konnten die Gesteine die thatsächlich vorhandenen Lagerungsstörungen 
eingehen? 

2) Welches ist die letzte Ursache dieser Lagerungsstörungen? 

m 

Das erste ist die Frage nach dem Mechanismus der Gesteinsumformung durch 
die Gebirgsbildung, das zweite diejenige nach der mechanischen Ursache der Ge- 
birgsbildung überhaupt. Wir behandeln zuerst die erste Frage, weil sie nicht wie 
die zweite nach den letzten Ursachen fragt, sondern auf näheren Ursachen ruht. 
Um die zweite Frage herum, welche sich auf die grossen Züge der Erscheinung 
und ihre letzten Ursachen bezieht, sind eine grosse Zahl sich widersprechender 
Hypothesen erdacht worden. Im folgenden Kapitel werden wir durch Beobachtung 
von Erscheinungen, welche bisher nicht die genügende Beachtung gewonnen haben, 
die Hypothesen sichten und der Antwort näher rücken. Wir werden auf dem 



4 Die Aufgabe dieses Abschnittes. 

Wege der reinen Beobachtung, jeder Hypothese fern bleibend, nachweisen, dass die 
Alpen nicht durch Eruption von Gesteinen, nicht durch lokale Senkungen oder 
Hebungen, sondern durch eine Zusammenschiebung der Erdkruste als ein System 
von Falten entstanden sind; dass also ein Tangent ialschüb die gebirgsbildende Ur- 
sache war. Die Ursache dieser Ursache, also die Erklärung für den nachgewiesenen 
Tangentialschüb können wir hingegen durch Naturbeobachtung bis heute noch 
nicht dem Gebiete der Hypothesen entreissen und noch nicht in einen einfachen 
Schluss aus den Beobachtungen umwandeln. 

Bei der ersten, in diesem Haupttheile zu behandelnden Frage suchen wir 
Vorgänge der Gesteinsumformung zu begreifen, deren Endresultat vor uns liegt, 
deren lokale Ursache nur Druck sein konnte. Damit stimmen Forscher, welche 
die Gebirge durch Eruptivkräfte sich gehoben denken, gerade so überein, wie die- 
jenigen irgend welcher anderen Anschauungsweisen. Druck im weitesten Sinne 
des Wortes hat Fältelung der Schichten, Clivage, Rutschstreifen, Zer- 
spaltungen erzeugt, gleichgültig was die Ursache des Druckes war. Aber wie 
konnte Druck solche Gesteinsumformung zu Stande bringen? Kraft und Resultat 
kennen wir, allein wir hätten der Kraft diese Leistung nicht zugetraut. 
Bis jetzt ist die Wissenschaft im Gefühl der Ueberwältigung durch die Thatsache 
nur betrachtend und constatirend vor der Erscheinung stehen geblieben. Der meines 
Wissens einzige Versuch, nach bestimmter Forschungsmethode zur Erklärung der 
physikalischen Möglichkeit von Gesteinsumformungen zu gelangen, der über die 
blosse Vermuthung sich erhebt, stammt von Dr. Baltzer. 1 ) Wir kommen auf den- 
selben zurück. 

In diesem Abschnitte wollen wir nicht nur die Biegungen besprechen, son- 
dern auch alle anderen mechanischen Umformungen der Gesteinsmassen betrachten 
und untereinander in erklärende Verbindung zu bringen versuchen. Es kann sich 
dabei nur um einen Anfang, einen Versuch handeln. Einige Jahrzehnte werden 
das Gebiet mechanischer Geologie, welches wir hier in Angriff nehmen, sicherlich 
durch zahlreiche Beobachtungen und durch Experimente bereichern und umgestalten, 
und diejenige Klarheit in der Erkenntniss schaffen, welche wir gegenwärtig noch 
nicht zu erreichen vermögen. 

Alle hier zu besprechenden Gesteinsumformungen finden wir in ausgedehntem 



l ) „Der Glärnisch, ein Problem alpinen Gebirgsbaues", Zürich bei Caesar Schmidt 1873 S. 48 bis 51. 



^n 



Zeit zur Erhärtung vor der Umformung. 5 

Maasse nur in den bestehenden, oder durch Verwitterung und Erosion reducirten 
oder abgehobelten Gebirgen, und zwar vorwiegend in den Kettengebirgen;, sie fehlen 
in Ländern, wo die Schichten ungestört liegen, sie sind um so häufiger und auf- 
fallender, je stärker die Gesteinsdislocationen sind. Sie stehen somit mit den 
letzteren in einem ursächlichen Zusammenhang, sie sind Erzeugnisse der ge- 
birgsbildenden Kräfte. 



A. Nachweis, dass die Gesteine bei der Umformung schon fest waren. 

Verschiedene Forscher haben Angesichts der Faltung der Schichten und 
der verzogenen Petrefacten die Vermuthung ausgesprochen, dass zur Zeit des Fal- 
tungsprozesses die Schichten sich noch in einem weichen Zustande befunden . hätten, 
oder durch „metamorphische Prozesse" in einen solchen Zustand vorübergehend über- 
geführt worden seien. Der Ausdruck „metamorphische Prozesse" ist freilich so 
unklar, dass sich darunter ganz verschiedene Dinge und somit möglicherweise auch 
solche denken lassen, die eine gewisse Richtigkeit haben. In obiger Form ausge- 
sprochen hat aber diese Vermuthung keinen Werth, denn eine räthselhafte Erschei- 
nung lässt sich nicht durch noch viel räthselhaftere vermuthete und nie beobachtete 
Vorgänge erklären. Die Vertreter der Ansicht, dass die Gesteine damals noch gar 
nicht erhärtet waren, erkannten die Schwierigkeiten, welche dieser Vermuthung die 
Thatsache entgegenstellt, dass der Prozess des Schichtenabsatzes von demjenigen 
der Schichtenumformung nicht selten durch lange geologische Perioden getrennt ist; 
dass es also zwischen beiden Vorgängen an Zeit zur Erhärtung nicht gefehlt hat. 
Naumann betonte deshalb, dass es ganz alte Gesteine gebe, welche auch bis heute 
noch in gewissem Grade weich geblieben sind, und nennt als Beispiel einen sillu- 
rischen Thon aus den Umgebungen von Petersburg. Dieses Beispiel kann indessen 
die Schwierigkeit nicht heben, denn ein wirklicher Thon, ob alt oder jung, bleibt 
eben in feuchtem Zustande immer weich. Die Fältelung der Schichten linden wir 
aber ebenfalls in spröden petrefactenreichen Kalksteinen, und Fälle, wo ganz alte 
dichte Kalksteine auch heute noch „weich" d. h. gegenüber unserer Kraft unter 
gewöhnlichen Umständen plastisch geblieben wären, hat bis jetzt Niemand entdeckt. 
Man könnte einzig etwa die weisse Schreibkreide hierher rechnen. Es gibt heute 
sich bildende Sedimentgesteine, die gleich von Anfang an fest und hart sind; andere, 



Zeit zur Erhärtung vor der Umformung. 



die erst allmälig erhärten. Die Zeit zum Festwerden misst sich aber nicht nach 
geologischen Perioden. In den jungen tertiären Gebilden finden wir viele Kalk- 
steine, Sandsteine und Thonschiefer, welche an Härte und Festigkeit nicht hinter meso- 
litischen oder paläozoischen Gesteinen zurückstehen, nicht nur ausnahmsweise, sondern 
allgemein verbreitet. Diejenige Zeit aber, welche z. B. seit der Faltung der Alpen 
verstrichen ist, ist verschwindend klein im Vergleiche mit derjenigen Zeit, welche 
den Absatz der festen älteren Sedimentgesteine der Alpen von ihrer Faltung trennt. 
Wenn die Erhärtung der Gesteine mit der Zeit vorschreiten soll, und zur Zeit der 
Faltung die Gesteine noch weich gewesen wären, so hätten sie auch bis heute nicht 
mehr Zeit genug gehabt um zu erhärten. Es ist in höchstem Grade widernatürlich, 
sich Triaskalke, die jetzt fest und spröde sind, in der Zeit der Alpenfaltung, der 
Pliocenzeit, noch weich vorzustellen. Sind sie heute fest, so waren sie dies sicher- 
lich gerade so nicht nur in der Pliocenzeit, sondern auch schon in der Kreide- 
und Jurazeit. 

Wollte man behaupten, die Austrocknung in der Nähe der Oberfläche habe 
erst die Erhärtung bedingt, so widerspricht dies den im Inneren von Bergmassen 
durch Tunnel- und Bergbau erschlossenen wasserreichen Schichten, die gerade so 
hart und so fest sind, wie aussen. Wenn man auf eine Festlandsperiode mit Aus- 
trocknung zur Festwerdung abstellen wollte, so müssen wir an alte gefaltete 
Schichten erinnern, welche schon vor der Faltung zum Festlande gehoben worden 
waren, wie z. B. die eocenen Randzonen der Alpen, welche Gerolle für die Mio- 
cennagelfluh geliefert haben, aber erst nach Ablagerung der letzteren, selbst in ihren 
steifen Quarzitbänken, gefaltet worden sind. Da überhaupt die Kettengebirge keine 
Erscheinung des Meergrundes, sondern Mos der Festländer oder ihrer Randzonen 
sind, so ist auch die Faltung ihrer Gesteine eine Erscheinung des Festlandes. Die- 
jenigen Geologen, welche die Alpen der Kreidezeit schon als eilten zusammen- 
hängenden Festlandsstreifen betrachten, werden hiermit in besonderem Maasse ein- 
verstanden sein. Stellt man auf Belastung mit Gesteinen als Bedingung zur Fest- 
werdung ab, so müssen z. B. die triasischen und jurassischen Gebilde der Alpen 
zur Faltungszeit längst erhärtet gewesen sein, denn sie waren während der ganzen 
Kreide- und Eocenzeit von den mächtig wachsenden Schichtencomplexen dieser 
letzteren Perioden bedeckt. 

Die Annahme, dass die Gesteine zur Zeit der Faltung alle noch 
weich gewesen wären, ist im Widerspruch mit Allem, was wir von den 



Geröllbildung vor der Umformung. 7 

zur Erhärtung von Sedimenten nothwendigen Zeiten und Bedingungen 
kennen oder vermuthen, und was wir von dem relativen Alter der Bil- 
dungs- und Faltungsvorgänge verschiedener Gesteine kennen. 

Wir haben indessen noch eine Reihe directer Beweise dafür, dass die fal- 
tenden Kräfte die Gesteine schon so fest vorgefunden haben, wie wir sie jetzt 
beobachten. 

Der Flysch der nördlichen Alpenzonen enthält stellenweise in grossen Massen 
fremdartige gerundete Blöcke eingebettet, welche theils Versteinerungen des Lias 
und braunen Jura enthalten, theils aus einer Granitvarietät bestehen, die bisher 
noch nirgends anstehend gefunden worden ist. Blöcke von Gneiss, Talkschiefern etc. 
sind seltener. Diejenigen Fündlinge des Flysches aus dem Sihlthal, Toggenburg 
und Rheinthal, welche Petrefacten enthalten, entsprechen nach Zittel 1 ) in ihrer Facies 
in jeder Beziehung so sehr den Gesteinen der Pfonser-Alpe an der bairisch-tyro- 
lischen Grenze, dass man sie wohl von dort herleiten kann. Um grosse runde 
Gerolle zu bilden, und als solche bis in unsere Gegenden auf irgend welche Art 
transportirt zu werden, mussten aber selbstverständlich die Gesteine schon zur 
Flyschzeit vollkommen erhärtet gewesen sein. Die Einbettung derselben in den 
Flyschschichten ist aber viel älter, als die Faltung der Alpen, älter als die Bildung 
der starken Biegungen jurassischer und cretacischer Gesteine im Herkunftsgebiete 
der Fündlinge. Es folgt hieraus, dass die Gesteine auch in diesem Falle schon 
vor der Faltung hart waren. Selbst wenn diese Fündlinge aus irgend einer anderen 
Gegend der Alpen, oder aus dem im Wesentlichen gleich alten Kettenjura stammten, 
würde dieser Schluss seine Gültigkeit haben. 

Die miocene bunte Nagelfluh am Nordrande der Alpen besteht zum grössten 
Theil aus Gerollen von Gesteinsarten, deren Stammort nicht in den nächst gelegenen 
jetzigen Alpen gefunden werden kann. Weit grösser schon ist der Procentsatz 
alpiner Gerolle in der miocenen Kalknagelfluh. Viele von diesen letzteren im Ge- 
biete von Rigi, Speer etc. entsprechen nach Escher triasischen Kalken des Vorarl- 
berg und Graubündtens, andere, an Zahl freilich sehr zurücktretende, wie Kaufmann 
gefunden hat, den eocenen und cretacischen Schichten der nächstgelegenen Thal- 
gebiete der Alpen. Um solche Gerolle zu bilden, mussten jene Schichten schon 
lange erhärtet gewesen sein. Ihre Hauptfaltung, welche die sonderbaren Biegungen 



') Mündliche Mittheilnng. 



8 Geröllbildung, älter als die Umformung. 

ohne Bruch erzeugte, ist jünger als die Ablagerung des Nagelfluhconglomerates, 
indem sie sich ebenfalls auf dieses letztere erstreckte. 

Die harten Kalkgerölle der bei der Faltung der Alpen aufgerichteten Nagel- 
fluh sind vielfach verquetscht, oder die eine Hälfte an der anderen verschoben, 
ohne dass eine gänzliche Trennung, ein Zerspalten stattgefunden hätte. Vortreffliche 
Lokalitäten, um solche Erscheinungen zu beobachten, finden sich in den Kantonen 
Schwyz, Glarus, St. Gallen, z. B. „an den Mühlenen" oberhalb der Stadt St. Gallen 
und anderwärts. Es ist diese Erscheinung nicht mit den immer noch räthselhaften 
Gerölleindrücken in vielen Conglomeraten und auch in der gleichen Nagelfluh zu 
verwechseln. Diese letzteren finden sich auch in horizontalen Nagelfluhbänken, die 
Verschiebungen und Verquetsch ungen ohne Bruch, sowie die schönen Rutschstreifen 
auf der Oberfläche der Gerolle hingegen vielleicht nur in den dislocirten Schichten 
oder sind doch in ungestörten äusserst selten. Die Verschiebungen und Rutsch- 
streifen liegen in der Fallrichtung der Schichten, was ihren Zusammenhang mit der 
Aufrichtung am besten beweist. Diese Nagelfluhgerölle, welche ohne Bruch Ver- 
schiebungen ihrer Theile erlitten haben, waren aber ursprünglich, da sie sich in 
einem Delta ablagerten, gewiss ebenso hart, wie jetzt. Ohne vollständige Festigkeit 
wäre Geröllbildung unmöglich. Von irgendwelcher Substanzumwandlung, welche 
eine vorübergehende Erweichung erzeugt hätte, kann nirgends eine Spur beobachtet 
werden, sondern die gequetschten Stücke zeigen die genau gleiche Beschaffenheit, 
wie die entsprechenden nicht gequetschten in nicht aufgerichteten oder die nicht 
betroffenen Gerolle in den aufgerichteten Schichten. Also auch hier werden wir 
wieder zum Schlüsse geführt, dass die mechanischen Gesteinsumformungen am voll- 
ständig festen Gesteine sich vollzogen haben, so undenkbar dies auf den ersten 
Blick erscheinen mag (vergl. Taf. XIV Fig. 12). 

In der Regel wird beim Versteinerungsprozesse das Ausfullungsmaterial z. B. 
der Ammoniten- und Turrilitenkammern, der Hohlräume von Brachyopoden, Muscheln 
etc. fest, bevor die Schale verschwindet. Es besteht z. B. dieses letztere oft aus 
Krystallen von Calcit, Quarz etc., die kein plastisches Stadium durchlaufen haben, 
oder es sind die Steinkerne der Ammonitenkammern vollständig von einander ab- 
getrennt, während sie hätten verschmelzen müssen, wenn vor der vollständigen 
Steinwerdung der Ausfüllungsmasse die trennenden Wandungen aufgelöst worden 
wären. Bei verquetschten Turriliten und Ammoniten z. B. des Gault am Gries- 
stock sind die Kammersteinkerne noch vollständig deutlich getrennt. Die Schalen 



Umgeformte Petrefacten. 9 

« 

selbst bleiben oft sehr lange, sie verschwinden nicht selten während langen geolo- 
gischen Perioden nicht, sie gehen allmälig auf dem Wege der Verdrängungspseudo- 
morphose in Kiesel und andere ausdauernde Substanzen über, oder sind selbst bei 
paläozoischen Petrefacten manchmal noch als solche bis heute selbst in der feineren 
Structur erhalten. Wenn aber die Schalen meistens die Erhärtung des Versteine- 
rungs- und Einbettungsmateriales überdauern, so haben umformende Kräfte jeder- 
zeit einen festen, nicht einen weichen Gegenstand angetroffen und thatsächlich 
umgeformt. 

Endlich gibt es in Wirklichkeit Petrefacten mit noch erhaltener, wenn auch 
umgewandelter Schale, die ohne Risse verzogen oder verquetscht sind. Solche Stücke 
sind mir indessen — vielleicht wegen der im Allgemeinen nicht guten Erhaltung 
der Petrefacten in den Alpen erst wenige zu Gesichte gekommen. Die Sammlung 
des Polytechnikums besitzt einige platt gequetschte Seeigel und einen sehr schönen 
elliptisch gezogenen grossen Ammonites Wagneri? mit erhaltener ungebrochener 
Schale. 

Fig. 15 Taf. XIV stellt einen gequetschten verzogenen Ammoniten dar, 
dessen Schale partienweise erhalten und ohne Bruch verzogen ist. Auf dem- 
selben liegt ein Belemnitenrostrum, welches die innere radialfaserige und concen- 
trische Structur noch erkennen lässt. Der Belemnit ist an einer einzigen Stelle 
ganz gebrochen, im übrigen trotz seiner ursprünglichen und wohl nie verlorenen 
Festigkeit ohne Bruch dem Gestein, in welchem er liegt, entsprechend gestreckt. 
An einer Stelle sind einige innere Längskalkfasern zerrissen und der kleine Hohl- 
raum mit Calcit gefüllt, die übrigen umgebenden Theile sind gestreckt ohne zu 
zerreissen. Das Stück stammt aus einer Schutthalde der Obersandalp, und gehört 
dem Eisenoolit des braunen Jura an. 

Die Sammlung des Polytechnikums besitzt ein prachtvolles Exemplar eines 
Amm. Humphriesianus aus der Muverangruppe (Grenze von Waadt und Wallis), 
welches sehr regelmässig elliptisch-spiralig ohne jede Spur von Bruch gezogen ist. 
Die grosse Axe der ovalen Gestalt misst 25, die kleine 14 l / a Centimeter. Stellen- 
weise ist die Schale erhalten und dann ebenfalls bruchlos gestreckt. 

Fig. 4 Taf. XIV stellt einen Belemniten aus der eng gequetschten Jura- 
kalkmulde von Fernigen im Meyenthale (Kanton Uri) dar. Er ist partienweise 
zerrissen, und Calcit füllt die entstandenen Lücken aus; partienweise ist er aber 
gestreckt ohne Risse, dafür hat sich der Querschnitt verengt. Diese Belem- 



10 Gesteine vor der Umformung fest. 

niten sind es gerade, welche zu den solidesten Schalen theilen von Petrefacten 
gehören. 

Am sprechendsten dafür, dass die Hart werdung des Gesteines der Um- 
formung voranging, sind Stücke, in welchen wir sprödlinig gerissene, mit Sekret 
erfüllte, also Adern bildende alte Spalten durch einen späteren Prozess wie die 
übrigen Gesteinstheilchen durch Stauung ohne Bruch continuirlich gefältelt finden. 
(Verglichen Taf. XV Fig. 1 und näheres in Kapitel C vor Aufführung des „dritten 
Gesetzes der Erscheinung. a ) 

Häufig durchsetzen Zerreissungsklüfte von Quarz oder Calcit ausgefüllt oft 
in gesetzmässiger Anordnung Petrefacten, während die Zerreissungen nicht, oder 
nur wenig weit in's einbettende Gestein übergreifen, und ebenso nicht selten am 
Steinkernmaterial absetzen, also bloss die Schale betreffen. (Vergl. Taf. XIV Fig. 
1 bis 6.) Belemniten, Seeigel finden sich häufig in dieser Weise gestreckt. Das 
Gestein ist also ohne zu zerreissen gequetscht und gestreckt oder sonstwie umge- 
formt, die thierische Schale aber ist zerrissen. Die Ursache davon liegt jedenfalls 
in einer verschiedenen Sprödigkeit der beiden Substanzen, wie wir dieselbe auch 
gegenwärtig, obschon das Gestein vollkommen fest ist, beobachten. Der Schluss, 
dass hier das Gestein, noch weich gewesen sei, erscheint dennoch ungerecht- 
fertigt, denn hätte das Gestein einen bedeutend höheren Grad von Plasticität 
als die Schale gehabt, so hätten seine Bewegungen die Druckdifferenzen, welche 
die Umformungsuraache waren, ausgeglichen, ohne die feste Schale derart in der 
Verstellung der Theilchen mitzuschleppen, dass ihre Festigkeit überwunden wurde. 
Der Widerstand, den die Schale geliefert hat, war also nicht grösser, als derjenige, 
den das übrige Gestein der Umformung entgegenbrachte. Die einwirkenden Kräfte 
haben die Festigkeit beider in gleichem Maasse überwunden, nur haben sich die 
zwei verschiedenen Materialien als ungleich spröde, wenn auch nahezu gleich fest 
in ungleicher Art ergeben. Wir dürfen nicht die Begriffe fest und plastisch als 
sich widersprechend, und ebenso wenig fest und spröde als sich einschliessend be- 
trachten. Hierauf kommen wir eingehender zurück. Wäre die Gesteinsmasse wirk- 
lich bedeutend weniger fest gewesen zur Zeit der Umformung, als jetzt, so hätte 
sie zweifelsohne die Lücken, welche durch das Zerreissen der Schalen entstanden 
sind, ausfüllen müssen. Dies ist aber nur theilweise (Taf. XIV Fig. 2 und 3) 
meistens nur spurweise (Taf. XIV Fig. 4 und 5) sehr oft gar nicht der Fall (z. B. 
bei dem in Taf. XIV Fig. 6 abgebildeten Seeigel), sondern es sind dieselben zu- 



Nachweis durch umgeformte Petrefacten. 11 

nächst leer geblieben oder haben sich nur mit Sickerwasser vollgesogen; spätere 
weisse Calcit- oder Quarz-Sekretionen, ganz gleich denjenigen in anderen Klüften 
des Gesteines haben sie endlich ausgefüllt. Bei dem Seeigel Taf. XIV Fig. 6 
schneiden die mit Kalkspath erfüllten Zerreissungen am Steinkern haarscharf ab, sie 
setzen keine Spur in demselben fort. Allein schon ihre grosse Zahl und merkwür- 
dige Regelmässigkeit beweist, dass die Schale zwischen dem Steinkernmaterial 
und dem umgebenden Gestein fest eingeklemmt war, und beide, Schale und Stein- 
material, an Festigkeit sich nahe gleich gestanden haben. Bei bedeutenderer Nach* 
giebigkeit des Steinmateriales hätte sich an Stelle der vielen engen Zerreissungen 
eine einzige von der Weite gebildet, welche der Summe der Breiten aller bestehen- 
den Schalenzerreissungen entsprechen würde. Der Umstand, dass gestreckte Belem- 
niten und andere gestreckte Petrefacten nicht an einer, sondern an vielen Stellen 
vertheilt über die ganze Länge zerrissen sind, gibt zu erkennen, dass es für die 
Stücke schwierig war, am einbettenden Gesteine sich zu verschieben, dass die zer- 
reissende Kraft gleichförmig im Materiale sich vertheilte, und dass das umgebende 
Gestein an jedem Punkte wie eine feste Zange das Petrefact stärker als seine Co- 
häsion es ertragen konnte, zu fassen vermochte, was bei geringer Festigkeit des 
umgebenden Gesteines undenkbar wäre. An dem in Taf. XV Fig. 6 dargestellten 
Belemniten zählt man über 40 Zerreissungen auf etwa 28 Centimeter Länge. Der 
Belemnit ist indessen an beiden Enden unvollständig, die Zahl der Zerreissungen 
des Ganzen wäre noch bedeutend grösser. Das Exemplar wurde im Oxfordien von 
Frette de Saille am Muveran (Grenze von Waadt und Wallis) durch Herrn Prof. 
Renevier gefunden und wird in dessen Sammlung aufbewahrt. Bei diesem und bei 
manchen anderen zerrissenen Belemniten ist ausser der grossen Zahl der Zerreissungen 
trotz dem nicht so sehr bedeutenden Betrage der Streckung noch die Regelmässigkeit 
in den Distanzen der Zerreissungen höchst auffallend (Taf. XIV Fig. 2 und 3 und 
besonders Taf. XV Fig. 5 und 6). Sie zeigt, dass zwischen der Streckung des einbet- 
tenden Gesteines und der Zahl der Zerreissungen ein bestimmtes Verhältniss besteht. 
Solch gleichförmiges Mitschleppen des Belemniten bei der Gesteinsstreckung beweist, 
dass das Gestein in seiner Festigkeit dem Belemniten fast genau gleich war. 

Also auch hier, wo die Annahme der Unfestigkeit des Gesteines zur Zeit 
der Umformung auf den ersten Blick sich zu rechtfertigen scheint, stösst sie bei 
genauerer Betrachtung auf Widerspruch. 

In den zahlreichen, in Kapitel B zu besprechenden Fällen, wo mit den 



12 Gesteine vor der Umformung fest. 

Biegungen der Schichten eine Durchklüftung durch ganz oder theilweise wieder mit 
Sekretionsmaterial aufgefüllte Spältchen in Verbindung steht, wo solche Klüfte Pe- 
trefacten durchsetzen, und die beidseitigen Stücke aneinander verschoben sind, ist 
die feste, vielleicht sogar spröde Natur der Gesteine vor der Faltung ohne weitere 
Beweise klar, denn Spaltung kann nur bei festen spröden Materialien entstehen. 

Die sorgfaltige und genaue Prüfung alles mir zugänglichen Materiales war 
nicht im Stande einen einzigen Beweis dafür zu liefern, dass unter Umständen das 
Material zur Zeit der Umformung weniger fest gewesen wäre, als es heute ist. 

Diese der Beobachtung entnommenen Beweise und Wahrscheinlichkeiten be- 
rechtigen uns zu dem Satze: 

Alle Umformungen und kleinen wie grossen Faltungen der Gesteine, welclie 
mit der Entstehung der Alpen zusammenhängen, haben sich an Material vollzogen, 
welches längst annähernd in gleichem Grade fest und hart, sogar spröde geworden 
war, wie wir es heute vor uns sehen. 



B. Die Umformung der Gesteine durch Bruch. 

Wenn wir in den mesozoischen und tertiären Alpenzonen herumwandern, 
entdecken wir leicht in grosser Zahl prachtvolle Biegungen der Schichten. Schon 
aus der Ferne fallt der kühne Schwung der Linien auf, welche die kahlen Fels- 
bänder, mit den flacheren, von glänzendem Grün bewachsenen Grasterrassen an den 
Gehängen abwechselnd, bilden. Zur Winterszeit, wenn Schnee die Rasenbänder 
überdeckt, oder in den höchsten Regionen, wo dies immer der Fall ist, wird diese 
Structur in noch grössere Entfernung wahrnehmbar. Manche der Schichtenkrüm- 
mungen sind weit und gross, und die äussere Form von Berg und Thal zeichnet 
sie nach, oder gibt doch den wesentlichen Einfluss der Biegung auf sich zu erkennen. 
Solche Biegungen sind kettenbildend. Andere von geringerer Ausdehnung und 
kleinerem Krümmungsradius hingegen haben einen lokaleren Charakter, und erschei- 
nen nur als untergeordnete unregelmässigere Verbiegungen innerhalb der Ketten- 
falten. Wir wollen einige sehr ausgezeichnete und leicht zu beobachtende Beispiele 
für schöne grosse Biegungen anfuhren, die nicht in unsere Tödi-Windgällen- 
Gruppe fallen. 

Aus der Sentis-Gruppe, welche reich an schönen Biegungen der Kreide- 



Beispiele grosser Biegungen. 13 

schichten ist, hebe ich das ausgezeichnete Gewölbe aus Seewerkalk hervor, welches 
den Gipfel des Sentis selbst bildet. 

In der südwestlichen Verlängerung der Sentisfalten folgt am Nordufer des 
Walensee's die wunderschöne Mulde von Amden. Die Kreideschichten fallen vom 
scharfen Grat des Leistkamm 2100 M. in regelmässigem, nur im „Kapf u durch 
eine kleine Gewölbebiegung unterbrochenen Kreisbogen von 2000 bis 3000 M. 
Radius bis an das Ufer des See's hinunter, und steigen nordwestlich wieder auf 
den Gipfel des Mattstock 1951 M. hinauf. Die innere Fläche der weiten Mulde 
bilden Gault, Seewerkalk und Eocen, vom üppigsten Grün bekleidet, und mit den 
freundlichen Häusern der Dorfschaft Amden reich besetzt, während die steilen 
Pfade, die vom Seeufer in die Mulde fuhren, in Treppen zum Theii in den Fels 
gesprengt über die gebogene Schrattenkalk- und Neocomwand steigen. Das land- 
schaftliche Bild, welches durch diese Schichtenbiegung entsteht, ist unbeschreiblich 
schön. In der nur durch das Erosionsthal der Linth getrennten Fortsetzung der 
Amdermulde gegen WSW liegen der Ober- und Niedersee. 

Blicken wir von der Gegend, in welcher wir eben weilen, bei Mittag- oder 
Abendbeleuchtung das Walenseethal hinauf, so erblicken wir im Hintergrunde des See's 
einen hohen Gipfel, der sich durch eine herrlich geschwungene Biegung der sämmtlichen 
Kreideschichten vor allen anderen auszeichnet. Der Name des Berges, Sichelkamm, zeigt 
uns, dass den Bewohnern der Gegend von Walenstadt die Form längst aufgefallen ist. 

Steigen wir vom Ufer des Walensee's südlich über Obstalden zur Meerenalp 
auf, so beobachten wir ein wunderschönes Gewölbe der Juraschichten am Mürt- 
schenstock, und wenig südlicher reiht sich an dasselbe eine Mulde an, deren Süd- 
schenkel in Form enormer Kalkplatten steil gegen Norden aufsteigend den südlichen 
Gipfel des Berges bildet. 

Gehen wir in irgend eine andere Gegend der Kalkalpenzonen, so finden wir 
ganz ähnliche Erscheinungen. Wenn wir uns in Brunnen eingeschifft haben, um 
nach Flüelen zu fahren, so beachten wir zunächst, dass die Kreideschichten unter 
dem Axenstein ein regelmässiges flaches, weit gespanntes Gewölbe bilden, das auf 
der anderen Seite des Urnersee's unter Seelisberg seine Fortsetzung hat. Südlich 
reiht sich eine Mulde mit ihrem scharfen Knie gegen Süden gekehrt beiderseits 
des See's daran an. Im Axenberg und gegenüber folgen zahllose kleinere Zick- 
zackbiegungen. Andere schöne Biegungen liegen hoch oben. Der Oberbauenstock 
wird durch eine grosse liegende Falte gebildet etc. 



14 Beispiele grosser Biegungen. 

Am Pilatus sehen wir schon aus der Ferne bei günstiger Beleuchtung die 
herrlichsten Biegungen, schief stehende Gewölbe und Mulden. 

Zahllose Falten sind nicht durch die Verwitterung und Thalbildung gleich 
günstig blosgelegt worden, dass man sie ohne nähere Untersuchung auf den ersten 
Blick erkennt, wohl aber weist sie eine sorgfaltige Beobachtung nach. Die oben 
genannten wenigen Beispiele aus Tausenden herausgegriffen mögen genügen. Bei- 
läufig möchte ich schon hier darauf aufmerksam machen, dass im Gegensatz zu 
den Biegungen grössere Spaltenverwerfungen in den Alpen hie und da wohl nicht 
ohne Grund angenommen werden. Was man unmittelbar in den Alpen -sieht, sind 
zahllose Biegungen, und Biegungen, die in Knickungen und Verwerfungen über- 
gehen, allein reine Verwerfungen von kettenbildendem Betrage sind nur sehr selten 
nachweisbar, sie scheinen in den Alpen äusserst selten vorzukommen. Wenn Viele 
dennoch überall bei nicht vollständig aufgeschlossenen Dislocationen reine Verwer- 
fungen annehmen, so lassen sie den Wahrscheinlichkeitsschluss, der aus den deutlich 
aufgeschlossenen und ganz sichtbaren Dislocationen auf die halb verdeckten gezogen 
werden muss, ausser Acht, um unberechtigter Weise der Natur durch den persön- 
lichen Geschmack Zwang anzuthun. 

Diese Biegungen der Schichten erscheinen aus der Ferne oft vollständig 
homogen. Untersuchen wir sie in der Nähe, so finden wir, dass Mineraladern, am 
häufigsten Kalkspath oder Quarzadern, das Gestein durchziehen. Bald durchsetzen 
ihre weissen, oft haarfeinen oft breiten kräftigen Linien nur spärlich den grauen 
oder braunen Felsen, bald treten sie so massenhaft auf, dass lokal die Menge 
weissen Kalkspathes fast oder gar die Menge des eigentlichen Felsens überwiegt. 

Dafür, dass diese Mineraladern ! ) als Klüfte des Gesteines aufgefasst werden 
müssen, welche sich später mit Secretionsmaterial ausgefüllt haben, können wir 
leicht den Beweis leisten: 

Nicht selten werden Versteinerungen von Kalkspathadern durchsetzt. Wir 
sehen in einem solchen Falle immer, dass die Kalkspathader sich nicht auf Kosten 
des Volumens der Versteinerung gebildet hat, sondern dass die beiden Hälften der 
Versteinerung um denjenigen Betrag auseinandergerückt sind, welcher der Dicke 
der durchsetzenden Kalkspathader entspricht. Eine einfache Verlängerung der Um- 



*) Der Ausdruck Adern ist gebräuchlich, aber nicht sehr treffend, weil die Mineraladern nicht 
cylindrische sondern plattenfönnige Mineralmassen sind. 



Die Mineraladern. 15 

risse der Versteinerung bringt die Hälften beiderseits einer Mineralader nicht zum 
Passen, sondern wir müssen erst in Gedanken die Adermasse wegnehmen, um beide 
Hälften in ihre ursprüngliche gegenseitige Lage wieder versetzen zu können. Ganz 
ebenso verhält es sich da, wo Mineraladern grössere Krystalle durchsetzen, was 
freilich etwas seltener zu beobachten ist. Wo immer wir eine Gesteinsmasse in 
ihrer inneren Structur und nicht nur auf der Schichtoberfläche beobachten, betrachten 
wir sie auf einer Bruchfläche, d. h. auf einer Fläche, welche ursprünglich dem 
Inneren des Schichtkörpers angehört hat. Bildet die Lage dieser Bruchfläche keinen 
allzu ungünstigen schiefen Schnitt mit den Mineraladern, welche das Gestein durch- 
setzen, so können wir wahrnehmen, dass in allen Unebenheiten die beiden Begren- 
zungsflächen einer Ader in dem Sinne einander genau entsprechen, dass wir sie 
vollständig zum Ineinanderpassen bringen, wenn wir die Adersubstanz wegnehmen. 
Diese selbst ist eine einem Spaltenhohlraum entsprechend plattenförmige Mineral- 
masse. Adern durchsetzen sich gegenseitig, wie Klüfte sich durchsetzen. Neben 
den Mineraladern finden wir oft noch frische offene Klüfte, oder Klüfte, deren 
Wandungen nur von einem dünnen Beschlag von Adermaterial überzogen sind. 
Wenn der Beschlag zunimmt, so gehen diese Klüfte in Adern über, welche in der 
Mitte nur stellenweise einen hohlen Raum enthalten, gegen den die an beiden 
Seiten anwachsenden Aderminerale ihre Krystallspitzen weisen, und endlich bei 
vollständigem Verschluss in gewöhnliche Adern. Es gibt Stellen, wo wir alle 
Uebergangsformen beobachten können. 

Eine Trennungsfläche durchsetzte somit das Gestein, und die beidseitigen 
Felsmassen haben sich um die Aderbreite auseinander bewegt. Das Material dieser 
gewöhnlichen Gesteinsadern ist durch Auslaugung des Gesteines gewonnen, und 
deshalb in Kalksteinen meistens Kalkspath, in Sandsteinen, Thonschiefern etc. Quarz 
neben Kalkspath. Die färbenden Verunreinigungen des Kalksteines sind dabei nicht 
in gleichem Maasse in Lösung gegangen und zum Wiederabsatz gelangt, so dass 
die Calcitadern sich ausser ihrer Structur auch durch ihre Farbe vom Kalkstein 
unterscheiden. Flussspath, Brauneisenstein, Siderit, Dolomitspath, Glimmer, Zeolithe, 
Erze treten nur lokal als Gangminerale auf, und kommen für unsere Untersuchungen 
weniger in Betracht. 

Adern sind für uns gleichbedeutend mit alter Zerklüftung. 

Bei der gleichen Schicht in der gleichen Gegend nimmt die Durchklüftung 
(das Adernetz) mit der Dislocation zu. Geradlinige Strecken sind weniger von 



1 6 Anordnung der Mineraladern. 

Adern durchsetzt, als gebogene, gebogene von grossem Radius weniger, als stärker 
gebogene. 

Bei manchen Biegungen sind die Brüche, welche durch die Adern darge- 
stellt sind, ganz regelmässig angeordnet, so dass sie für die betreffende Lokalität 
als Folge einer einfachen, gesetzmässig wirkenden, resultirenden Kraft erscheinen, 
welche eine der Menge nach bestimmt beschränkte Wirkung zu erzeugen vermochte. 
Wir betrachten zunächst diese Fälle eingehender. 

Ueberall da wo Kräfte, die auf einen Körper einwirken, einer Ebene parallel 
liegen, gibt es eine Maximalzugrichtung und eine Maximaldruckrichtung, welche in 
jedem Punkte senkrecht auf einander stehen. Statt Maximalzugrichtung würden wir 
vielleicht besser allgemeiner von Minimaldruckrichtung sprechen. Senkrecht auf 
diese letztere, also in der Maximaldruckrichtung bilden sich dann die 
klaffenden Spalten. 

Soweit bis jetzt meine Beobachtungen reichen, ist der häufigste Fall ganz 
gesetzmässiger Lage der Zerklüftungen die Radialzerklüftung bei der Biegung 
von Schichten oder Schichtsystemen. Wird ein ganzes Schichtsystem gebogen, so 
finden wir, dass auf der inneren Seite desselben die Schichten zusammengedrückt 
werden, sie müssen sich verdicken und stauen. Je weiter die Zusammenbiegung 
vorrückt, desto verschiedenere Richtungen nimmt die resultirende Kraft für jene 
inneren Gesteinstheilchen an. Weil die resultirende Kraft hier ihre Richtung ver- 
ändert und weil bei sprödem Material in der Radialrichtung der Biegung ein 
Brechen, in der Tangentialrichtung aber gleichzeitig ein kraftvolles Sichübereinander- 
schieben und Verschieben der Theilchen eintreten muss, so entstehen unregelmässig 
sich durchsetzende Zerklüftungen und Verschiebungen der Bruchstücke. Die inneren 
Schichten eines biegenden Systemes werden um den Volumenbetrag dicker, um den 
sie kürzer geworden sind, vermehrt noch um den Volumenbetrag der Klüfte oder 
Adern. Ganz anders steht es mit den äusseren Schichten des Systemes. Diese 
werden in der Tangentialrichtung der Biegung auf Zug in Anspruch genommen. 
Brechen in Folge von Biegen ist eigentlich immer eine Ueberwindung der Cohäsion 
des Materiales durch Zug in den äussersten Fasern der convexen Seite, und insofern 
kann jedes „Brechen" auf Zug zurückgeführt werden. Für die äusseren Schichten 
mag die Biegung vorschreiten so weit sie kann, die Richtung des resultirenden 
Zuges bleibt für jeden Punkt immer in der Tangente, die wir an die Biegungs- 
krümmung angelegt uns denken. Bei sprödem Material werden sich immer nur 



Gesetzmässig angeordnete Mineraladern. 17 

mehr Radialklüfte öflhen, aber eine überschiebende Bewegung wird nicht von den 
Theilchen verlangt, sondern dieselben auseinander gezogen. Hierin liegt die Ur- 
sache für eine grosse Gesetzmässigkeit des Zerreissens. Zwischen den äusseren 
gezogenen und den inneren gestauten Schichten eines biegenden Systemes liegt eine 
neutrale Schicht, d. h. eine solche, welche weder auf Zug noch auf Druck in der 
Richtung der Schichtungsebene in Anspruch genommen wird, währenddem Druck 
in der Radialrichtung selbstverständlich nicht ausgeschlossen ist, indem unsere 
Schicht nicht frei liegt, sondern von anderen umhüllt ist, welche im Bogen gespannt 
auf dieselbe drücken. Je weiter wir von der neutralen Schicht nach Aussen gehen, 
desto mehr nimmt der Zug zu. In den äusseren Fasern einer Schicht ist er grösser, 
als auf der inneren Seite, die entstehenden Klüfte öffnen sich dort weiter als hier, 
sie erhalten die Form von radialen Ausschnitten. Gehen wir zu einzelnen Bei- 
spielen über. 

Der Weg von Amden ob dem Walensee nach Bättlis und der Sehrenmühle 
hinunter führt über die Schrattenkalk- und Neocomschichten der herrlichen Mulde 
von Amden. Dort zeigen sich besonders in den letzteren geradlinige Radialspalten 
von hoher Regelmässigkeit so weit wir den betreffenden Schichten nachklettern. 
Die äusseren Schichten sind reicher an radialen Zerreissungen, als die inneren, die 
hier immer noch ausserhalb der neutralen Schicht zu liegen scheinen. Wenn man 
indessen auf einer gewissen Strecke die Summe der Breite aller Radialadern von 
zwei verschiedenen Schichten misst, und miteinander vergleicht, so findet man, dass 
in dem genannten Beispiele die äusseren Schichten nicht um einen entsprechenden 
Betrag mehr durchklüftet sind, als sie im Vergleich mit den inneren mehr Streckung 
erfahren haben; wohl aber stimmt der Betrag, um welchen die Adern an der con- 
vexen Seite einer bestimmten Bank breiter sind, als an der concaven der gleichen 
Felsbank mit der berechneten von den Fasern der convexen Seite mehr geforderten 
Streckung bedeutend besser überein, so weit überhaupt eine Messung und eine Be- 
rechnung zu vergleichen sind, bei denen beiden die Fehlergrenzen ziemlich weiten 
Spielraum zwischen sich lassen. Es folgt hieraus, dass noch auf eine andere Weise, 
als durch Reissen von Radialklüften die Spannungsungleichheiten zwischen den ver- 
schiedenen Schichten sich ausgeglichen haben. Es kann dies nur auf zwei Weisen 
gedacht werden: 

1) Die einzelnen Schichten des gebogenen Systemes haben auf den Schicht- 
flächen sich übereinander verschoben, gerade so wie die Blätter eines Papier- 

3 



18 Gesetzmässig angeordnete Mineraladern. 

i 

stosses aneinander sich verschieben, wenn wir ihn biegen. Bei der Biegung ent- 
stehen übrigens in jedem Körper zwischen den Schichten starke scheerende Kräfte, 
welche solche Verschiebung befördern, und überall zur Erscheinung bringen, wo 
die Schichtenflächen nicht Mos in einem homogenen Körper theoretisch eingezeichnet 
worden sind, sondern wirkliche Flächen geringerer Cohäsion darstellen. 

2) Es waren gewisse Schichten durch Tangentialzug, dem der Radialdruck 
behülflich war, dehnbar, ohne zu zerreissen. 

Den ersteren Fall werden wir noch in diesem Kapitel, den letzteren hin- 
gegen erst im folgenden besprechen. Für jetzt wollen wir nur constatiren, dass 
die Radialklüfte bei Biegungen nicht immer allein die entstandenen 
Spannungen auszugleichen genügt haben können. 

Zum ganz gleichen Schlüsse wie durch Messung und Berechnung der Klüfte 
der Amdermulde gelangen wir bei Messung und Berechnung der ebenfalls sehr 
regelmässigen Radialklüfte des herrlichen viel enger gebogenen Sentisgipfelgewölbes. 
Da die Messung nur in seltenen Fällen möglich ist, war ich bis heute nicht im 
Stande, noch weitere Biegungen hierauf zu untersuchen. Nach dem blossen Augen- 
scheine sind allerdings noch bei zahlreichen Biegungen die Radialklüfte nicht ge- 
nügend, um die ganze Biegung zu erklären. Im Jura ist es jedenfalls leichter als 
in den Alpen, Beispiele zu finden, die eine wirkliche Messung ermöglichen. 

Die Adern, welche wir in schiefrigen Gesteinen zusammen mit gestreckten 
Petrefacten oder da finden, wo eine Streckung schon aus der Lagerung und einer 
gewissen Art faseriger Structur ersichtüch ist, zeigen noch besonders auffallende Er- 
scheinungen. Sie sind untereinander parallel, und stehen senkrecht auf der in der 
Streckungsrichtung entstandenen schiefrigen oder faserigen Structur des Gesteines. 
Sie verlaufen auf der Oberfläche einer Schieferplatte fast geradlinig auf eine ziem- 
liche Länge, und keilen sich dann beiderseits allmälig aus. Verfolgen wir sie aber 
in die bedeckenden oder unterliegenden Gesteinsschiefern, so finden wir, dass sie 
hier nach kurzem Verlauf ohne auszukeilen und ohne auch nur spurweise in die fol- 
genden Schiefern fortzusetzen, plötzlich aufhören. Diese letzteren haben andererseits 
an anderen Stellen ihre Aderrisse, welche wiederum in der Richtung senkrecht auf 
die Schieferung plötzlich abbrechen. Es sind also hier offenbar jeweilen nur ein- 
zelne stramm gespannte Schichten oder Fasern gerissen, und die einander berühren- 
den Schiefern mit und ohne Riss mussten sich übereinander um die Breite des 
Aderrisses verschieben. Niemals riss das ganze Schiefersystem durch, es rissen 



Regelmässige Zerklüftungen. 19 

immer nur einzelne Fasern oder Schiefern auf einmal, bald da eine, bald dort eine. 
Dass durch diese Einzelzerreissungen, so zahlreich sie auch sein mögen, nicht die 
gesammte Streckung neutralisirt ist, lässt sich erwarten. Durch Messung ist mir 
der bestimmte Nachweis, dass auch hier noch eine Dehnung ohne Bruch mit dem 
Zerreissen sich combinirt, zwar nicht gelungen, dagegen fehlt der noch sicherere 
Nachweis durch unzerrissen gestreckte Petrefacten der gleichen Schichten nicht. 

Die oben beschriebenen Erscheinungen von Zerreissungsadern beobachtete 
ich an vielen Stellen in eocenen Gesteinen aus dem Gebiete der Doppelfalte, ferner 
an Kalkschiefern der Juraformation, im Verrucano der Alpnoverplatten und den 
schiefrigen Verrucanovarietäten von Mels (vergl. Taf. XV Fig. 2). 

Manchmal beobachtet man sehr regelmässige Durchklüftungen des Gesteines, 
ohne die Beziehung zum Gebirgsbau und zur Lage der Schichten klar heraussehen 
zu können. Manche dieser Durchklüftungen sind haarscharf, die Fugen gar nicht 
oder nur wenig klaffend, oft mit Secretionen erfüllt, oft nicht. Oft lassen sich 
Verschiebungen längs derselben wahrnehmen, oft bleiben solche fraglich, sehr häufig 
aber lässt sich nachweisen, dass eine nur ganz unbedeutende, oder selbst nicht die 
geringste Verschiebung stattgefunden hat, obschon die kaum 1 Mm. klaffende Fuge 
sich weithin verfolgen lässt. Ziemlich häufig sind in den Alpen solche Kluftsysteme, 
welche senkrecht zur Streichrichtung der Schichten und der etwa vorhandenen 
Transversalschieferung stehen (z. B. im Schächenthal (verglichen Capitel C dieses 
Abschnittes nach dem 12. Erscheinungsgesetz), ferner an den Kalkwänden des Selb- 
sanft, der Linthschlucht etc.); an anderen Orten streichen sie wie die Schichten, 
aber fallen unter anderem Winkel ein (z. B. an den Wänden des Thierfehd). Ein 
ausgezeichnetes Beispiel hiefiir, wo aus der Ferne die gebogene Schichtung undeut- 
lich ist, und man, wie es mir ergangen ist, eher die Klüftung für Schichtung an- 
sieht, liefern nach den Untersuchungen von Baltzer die Hochgebirgskalkmassen des 
Eiger am Abhang gegen den Grindelwaldgletscher. Nicht selten wiederholen sich 
diese feinen, oft fast ganz ebenen Klüfte auf mehrere 100 M. in erstaunlich regel- 
mässigen Abständen und unter sich paralleler Lage. Ueber die Beziehungen vieler 
solcher Zerklüftungssysteme zum Mechanismus der Gebirgsstauung lässt sich noch 
wenig sagen. Wo sie, wie an einigen Stellen im Thierfehdgebiet und ähnlich am Eiger 
die gefalteten Schichten ganz eben und unbekümmert um deren Lage durchsetzen, sind 
sie jedenfalls nicht während der Faltung entstanden, sondern vielleicht erst später, da 
die Denudation die belastende Decke schon in gewissem Grade abgehoben hatte. 



20 Unregclmässige Adernetze, innere Zertrümmerung. 

Den Stellen mit regelmässiger Zerklüftung reihen sich nun solche an, wo 
wir in der Lage der Adern keine durchgreifende Gesetzmässigkeit mehr erkennen 
können. In vielfach krummen und gebrochenen oder in geraden verschieden ge- 
richteten Linien durchsetzen die Adern das Gestein, ihre Mächtigkeit wechselt stark, 
selbst bei der gleichen Ader. Die Mineraladern können sogar dem ursprüng- 
lichen Gestein an Menge des Materiales nahe kommen, oder dasselbe 
übertreffen. Da durch die verschiedene Farbe des Gesteines und der Adern auf 
einer Schliff fläche schöne Zeichnungen entstehen, so werden Kalksteine in diesem 
Zustande zu Tischplatten etc. sehr oft technisch unter dem Namen „Marmor" ver- 
wendet. Das Gestein kann dann von einem Trümmerhaufen, der durch Ader- 

m 

material verkittet ist, nur noch durch die Lagerung unterschieden werden, indem 
es einen Theil einer Schicht ausmacht, die in ihrer Fortsetzung an anderen Stellen 
nicht so sehr von Adern durchsetzt ist, und doch sich als das gleiche Material 
erweist, wie die von Adern umflochtenen Felsbrocken. In einem solchen Falle 
liegt eine mechanische Zertrümmerung innerhalb der Schicht vor uns, bei welcher 
die Trümmer nicht an einer Aussenfläche entstanden sind, von der sie abrollen 
konnten. Wenn wir es aber mit einer Schuttbildung einer früheren Periode zu 
thun hätten, welche sich dem neubildenden Materiale beimengte, so müsste das 
Adermaterial der die Schuttmasse einschliessenden Schicht mineralogisch und petro- 
graphisch entsprechen, hingegen das Schuttmaterial nach dem Alter und deshalb 
meistens auch nach der Beschaffenheit und den Einschlüssen verschieden sein, und es 
würden ferner die Trümmer fast immer theilweise Abnutzungen ihrer Oberfläche 
erkennen lassen, die bis zur Geröllbildung vorschreiten könnte. Ferner würden 
unter diesen Umständen die so zahlreichen sich innerhalb des Gesteines oft nach 
kurzem Verlaufe auskeilenden Adern unerklärlich sein. Endlich erkennen wir in 
solchen durch innere Zertrümmerung entstandenen Breccien oft die zusammenpassen- 
den wenig verschobenen Stücke wieder, während bei Verwitterungsbreccien kein 
Stück mehr neben seinem ursprünglichen Nachbar liegt. 

Innerhalb der Sedimentgesteine findet man, wenn die Entblössungen genügen, 
nicht häufig einen Fall, wo Einschluss alter Verwitterungstrümmer von mechanischer 
Zertrümmerung der Schichten durch Gebirgsfaltung nach Wiederverkittung der 
Trümmer nicht leicht durch die genannten Merkmale unterschieden werden könnte. 

Massenhafte unregelmässige Zerklüftung findet sich häufig, wo spröde Kalk- 
steinschichten den stark gequetschten und scharf gebogenen Kern eines Gewölbes 



Innere Zertrümmerung. 21 

oder einer Mulde, überhaupt einer Biegung bilden. Ein Gestein in solchem Zu- 
stande können wir mit Recht als „mechanisch metamorphosirt" bezeichnen. Wir 
werden indessen im Folgenden noch bessere Gelegenheit haben, auf die bisher 
unterschätzte Bedeutung des mechanischen Metamorphismus einzutreten. Dass wir 
alle möglichen Uebergänge von regelmässig durchklüfteten Gesteinen bis zu solch 
verworren durchklüfteten Massen selbst bei ein und derselben Schicht finden, 
bedarf kaum der Hervorhebung. Die ebenen Strecken solcher Schichten zeigen 
manchmal wenig innere Zertrümmerung, während dieselbe gegen Umbiegungen zu- 
nimmt. Ein Beispiel der Art, die Anthracitflötze am Bifertengrätli, haben wir im 
ersten Theil kurz beschrieben. Ein weiteres ist durch den Gotthardtunnel aufge- 
schlossen worden. Unter dem Urserenthal fand man dort eine Marmorschicht und 
von dieser durch glänzende schwarze Thonglimmerschiefer getrennt eine zweite in 
sich selbst zertrümmerte Kalksteinbank von verworren breccioser Structur. 

Ausgezeichnete Beispiele für innere Zertrümmerung durch die Gebirgsstauung 
haben wir im Abschnitt IV des ersten Theiles kennen gelernt. Der Lochseitenkalk 
im Gebiet der Glarner-Doppelfalte ist oft innerlich ganz zermalmt, so dass er beim 
Zerreiben in Kalksand auseinander fallt. (S. 198, 199, 189 etc.) Auch wo der 
Lochseitenkalk in Marmor übergeht, findet man oft brecciose Structur in demselben. 
Breccien von Hochgebirgskalk durch innere Zertrümmerung entstanden sind nicht 
sehr selten. 

Eine grosse Zahl von Beobachtungen lehrt uns, dass sehr oft die Adern 
der dislocirten Gesteine nicht nur Trennungen sind, bei denen die beidseitigen Ge- 
steinsmassen um die Aderbreite sich von einander entfernt haben, sondern dass 
Verschiebungen der Felsmassen nach den Klüften — jetzt Adern — stattgefunden 
haben. Es sind somit dadurch ausser den biegend brechenden oder ziehenden auch 
noch scheerende Spannungen ausgeglichen worden: 

Die beidseitigen Ränder der Adern passen erst dann ineinander, wenn wir 
sie in der Längsrichtung der Ader noch verschieben. Am deutlichsten ist dies 
wahrzunehmen, wo die Adern Petrefacten durchsetzen. Das eine Bruchstück liegt 
dann nicht demjenigen auf der anderen Seite der Ader gerade, sondern verschoben 
gegenüber, und wir können, da uns genaue Punkte bezeichnet sind, welche früher 
einander berührten, den Betrag der Verschiebung, der gewöhnlich „Sprungweite der 
Verwerfung" genannt wird, genau abmessen. (Taf. XIV Fig. 8 bis 10.) Wie 



22 Relatives Alter der Adern. 

Petrefacten, so können auch feine Schichtfugen oder Farbflecken des Gesteines uns 
dazu dienen, die Verwerfungen der Aderränder zu bestimmen. Wenn der grosse 
Dislocationsprozess der Gesteine ein langsamer und complicirter war, so lässt sich 
erwarten, dass auch die Adern nicht alle gleichzeitig sich gebildet haben. . In der 
That finden wir nicht selten Adern, welche sich so durchkreuzen, dass dabei die 
Adermineralien beider Arten nicht als zusammenhängende Sekretion erscheinen, 
sondern die eine Ader die andere unterbricht, und durchsetzt. Die eine musste 
schon als ausgefüllte Ader bestanden haben, bevor die zweite als Spalte sich riss. 
Aeltere Adern, welche von jüngeren durchsetzt werden, werden sehr häufig von 
denselben zugleich verworfen, sie setzen an der jüngeren Ader ab, und ihre Fort- 
setzung folgt jenseits an verschobener Stelle (Taf. XIV Fig. 8 und 11). Nicht 
selten wird ein regelmässiges System älterer Adern durch ein ebenso regelmässiges 
System jüngerer Adern durchsetzt, wobei an jeder Kreuzungsstelle Verschiebungen 
im gleichen Sinne beobachtet werden. Selbst mehrere verschieden alte Adersysteme 
verwerfen sich gegenseitig. Wo die Zerklüftung keine einfache regelmässige ist, 
oder nicht verschiedene Richtungen verschiedenen Zeiten angehören mit jeweilen 
dazwischen erfolgter Sekretion, können wir oft nicht verschiedene Zeiten der Zer- 
theilung nachweisen, wohl aber scheint fast jede Ader im Alter von den übrigen 
etwas verschieden zu sein. Rechnen wir noch die oft vorhandenen, noch nicht 
vollständig mit Sekret gefüllten Klüfte und die noch grösstenteils oder ganz leeren 
irischen Spalten dazu, so erscheint uns das Adernetz als ein allmälig bei 
den Dislocationen entstandenes und sich vermehrendes Bild des succes- 
siven Zerbrechens einer Felsmasse. Die alten Klüfte, welche ihren 
Dienst, die vorhandenen Spannungen, welche stärker als die Festigkeit 
warem, auszugleichen erfüllt haben, wachsen durch Sekretion wieder zu; 
neue, den neuen Spannungen der fortschreitenden Gebirgsfaltung ent- 
sprechend haben sich seither geöffnet. Die ganze Gebirgsmasse er- 
scheint uns nicht mehr als eine mechanische Einheit, deren Punkte 
keine relativen Verstellungen erleiden könnten. Der mechanisch ein- 
heitliche Zusammenhang ist gering im Vergleich zu den dislocirenden Kräften. 
Tausendfaltig ist er lokal aufgehoben worden, wie die Adern und Spalten es 
beweisen. 

Dass auch da, wo Adern die gebogenen Schichten in grosser Zahl durch- 
setzen, nicht alle Formveränderung durch die Aderbildung allein erklärt werden 



Piastizitat aus den Aderformen geschlossen. 23 

kann, haben wir oben schon aus Messung und Rechnung ersehen. Die Adern 
selbst enthalten weitere Beweise dafür: 

Man beobachtet unendlich häufig, dass Adern sich auskeilen. Bei absolut 
starrer gegenseitiger Lage der Theilchen eines Körpers müsste jede Spalte, die sich 
an einer Stelle öffnet, vollständig die ganze Masse durchreissen ; wenn sie dies 
nicht thut, sondern sich auskeilt, so kann dies nur auf Rechnung einer gewissen 
Duktilität der Theilchen, welche das auskeilende Spaltenende umgeben, geschehen. 
Selbst während kurzem Verlaufe kann eine nicht geringe Ader sich auf Nichts 
reduciren. Sehr häufig vertheilt sich eine Ader zuerst in einzelne dünnere Zweige, 
die sich dann jeder einzeln auskeilen. Es wird dadurch die den Theilchen am 
ausgekeilten Ende zugemuthete duktile Bewegung weniger auf eine einzelne Stelle 
gehäuft, und mehr auf eine grössere Masse vertheilt, wodurch sie leichter erledigt 
werden kann. (Taf. XIV Fig. 11.) Dieses Zertheilen der kleineren Gesteinsadern 
entspricht genau dem „sich in Trümmer zerschlagen" der grossen Mineral- (Erz-) 
Gänge. Ein schönes Beispiel für Adernauskeilen und theilweises Zertheilen, welches 
sich innerhalb eines Ammoniten abspielt, ist in Taf. XIV Fig. 7 abgebildet. Sehr 
häufig finden wir in der dislocirten Nagelfluh Geschiebe, welche am einen Ende 
durch einen Riss getheilt sind, nach welchem beide Theile verschoben sind. Der 
Riss setzt aber nicht durch das ganze Geschiebe durch, am anderen Ende sind 
beide Geschiebshälften vollständig unverschoben im Zusammenhang geblieben. 
Taf. XIV Fig. 12 stellt ein solches Nagelfluhgeschiebe von den Mühlenen bei 
St. Gallen dar, bei welchem der klaffende Riss sich auf der einen Seite zertheilt 

• 

und dann auskeilt. Den auffallendsten Beweis für eine gewisse Duktilität der von 
Aderspalten durchrissenen Gesteinsmassen liegt aber in denjenigen Fällen, wo an 
Stelle einer Spalte eine lange Reihe von kürzeren, beiderseits sich auskeilenden, 
unter sich parallelen, aber gesetzmässig nach einer Seite verschobener Spalten tritt 
(Taf. XIV Fig. 11). Die einzelnen kurzen Adern sind oft recht breit (bis ! /i der 
Länge habe ich sie beobachtet). Ein solches System intermittirender Spalten 
kann in homogenem Material durch einen Zug senkrecht auf die Richtung der 
Spalten und ein gleichzeitig wirkendes scheerendes, oder drehendes Kräftepaar, 
welches in der Summenrichtung der Spalten arbeitete, erzeugt worden sein. Noch 
leichter bildet sich statt einer Spalte ein System intermittirender Spalten, wenn die 
Richtung dieser einen sich erst bilden sollenden Kluft mit einer Structurrichtung 
des Gesteines einen kleinen Winkel bildet. Die Spalten reissen dann in den 



24 Plastizität aus den Aderformen geschlossen. 

Structurflächen, d. h. den Flächen geringerer Cohäsion und die Verbindungslinie 
ihrer Mitten entspricht der einen Spalte, die sich durch die gleichen Kräfte im 
homogenen Gesteine gerissen hätte. Die Aderbildung beweist auf der einen Seite 
die Sprödigkeit, das Auskeilen der Adern die Duktilität des Gesteines unter den 
gleichen Umständen, unter welchen die Aderspalte gerissen ist. Alle die eben 
angeführten Beweise für eine gewisse Duktilität kennen wir selbst von ganz 
spröden Kalksteinen. 

In allen solchen Fällen kann man sagen, dass wenn die dem Gesteine zu- 
gemutheten Formveränderungen nicht grösser gewesen wären, als diejenigen sind, 
welche rings um das ausgekeilte Ende einer Ader ohne Durchreissen sich einzu- 
stellen vermocht haben, Aderbildung überhaupt nicht nöthig gewesen wäre. Die 
Bildung einer sich auskeilenden Ader ersetzt die Umform-ung ohne 
Bruch keineswegs, sondern sie vertheilt dieselbe nur anders im Gestein. 
Die Spalte reisst sich gerade nur so weit, als es nothwendig ist, um unter den 
betreffenden mechanischen Bedingungen 1 ) die Spannungen an allen Punkten auf 
einen Betrag zu reduciren, welcher eine Spur geringer ist, als der Widerstand 
des Gesteines gegen weiteres Zerreissen. Die Spannung selbst hängt von der ver- 
langten Umformung und von dem Grade der Sprödigkeit oder Duktilität des Mate- 
riales ab. Trennung und Aderbildung tritt also erst auf, wenn die Gesteine über 
ein gewisses den Umständen entsprechendes Maass hinaus durch die gebirgsbilden- 
den Kräfte auf Formveränderung in Anspruch genommen worden sind. Es wird 
dies Maass um so tiefer stehen, oder die Zertheilung um so stärker werden, je 
spröder, und je weniger fest die Gesteine unter im übrigen gleichen Umständen sind. 

Bei vielen Adern sehen wir, dass die Verschiebungen in der Längsrichtung 
derselben viel stärker sind, als ihr Klaffen, dass sie also wesentlich dazu gedient 
haben, ßcheerende Spannungen auszugleichen. Ob diese letzteren erst als eine 
Richtungsänderung der gleichen Kräfte aufgefasst werden müssen, welche die 
klaffende Spalte erzeugten, und welche sich nun durch die Trennung des Ge- 
steines plötzlich anders gruppirten, oder ob die scheerenden Spannungen 
selbst die Zerspaltung erzeugt haben, bin ich im einzelnen Falle nur mit mehr 
oder weniger Wahrscheinlichkeit, im Allgemeinen aber bis jetzt gar nicht im Stande 



') Was wir unter diesen Bedingungen verstehen, können wir erst im folgenden Kapitel klar aus- 
einander setzen. 



Verschiebungen im Gesteine. 25 

zu entscheiden. Das erstere erscheint dann wahrscheinlicher, wenn die Spalte klafft, 
d. h. die Ader eine ziemliche Breite hat und wenn sie einen stark unebenen Linien- 
zug darstellt, das letztere dann, wenn die Verschiebung ohne merkliches Klaffen, 
vielleicht sogar bei aufeinander gepressten Spaltenwandungen auf einer ziemlich 
ebenen Fläche stattfand, und Rutschstreifen auf denselben erzeugt wurden. Dass 
in Folge eines neuen Risses im Gesteine die bleibenden Spannungen sich plötz- 
lich anders gruppiren, ist selbstverständlich. Geschieht dies schon während eine 
Spalte mühsam weiter reisst, so kann dadurch ihre Richtung verändert werden. 
Umkrümmungen von Adern in ganz gleichförmigem Gesteine dürften sehr oft in 
solchen Vorgängen ihre Erklärung finden. 

Diejenigen Verschiebungen der Gesteinstheile, welche sich bloss in Rutsch - 
flächen zu erkennen geben, mögen auch in der ersten Trennung des Gesteines 
meistens durch scheerende (d. h. verschiebende, entgegen den auseinanderreissenden) 
Kräfte entstanden sein. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass in gewissen Gesteinen 
leichter auf scheerende Kräfte Trennungen eintreten, bei anderen leichter auf Zug 
(oder biegende „brechende" Kräfte): Im ersteren Falle werden die durch Biegung 
verlangten Umformungen die Scheerklüfte benutzen, im letzteren werden Verschie- 
bungen sich in die Richtungen der Zugklüfte theilen, und diese zur Ausgleichung 
benützen. Die Erscheinungen auf der Aderfläche und die Benutzung des Risses 
fallen nicht immer mit der Ursache seiner Bildung zusammen. 

Eine Beschreibung des Aussehens und der Bildung der Rutschflächen ist 
hier überflüssig. 

Was wir hier näher zu untersuchen haben, ist bloss die Bedeutung der 
Rutschflächen für diejenige Gesteinsumformung, welche durch Vorgänge der Ge- 
birgsbildung von den Gesteinen verlangt wird. • 

Wie die dislocirten Gesteine von Adern durchsetzt sind, so sind sie auch 
oft von Rutschflächen durchsetzt. Die Rutschflächen können wie andere Klüfte 
durch Sekretionen wieder ihre Beweglichkeit verlieren, sie versteinern gewisser- 
massen, nachdem sie ihren nothwendigen Dienst in der Spannungsausgleichung voll- 
führt haben. Andere entstehen neu. Das Gewebe der Rutschflächen im Gebirge ist 
oft wie dasjenige der Adern ein absterbendes und neu sich mehrendes. 
Auch hier bei den Rutschflächen erkennen wir oft eine gesetzmässige Anordnung, 
oft liegen sie unregelmässiger durcheinander. 

Einen schönen Fall gesetzmässiger Anordnung der Rutschflächen gibt uns 



26 Rutschflächen. 

das Gewölbe des Sentisgipfels. Der Seewerkalk, aus welchem es besteht, ist in 
Bänke von '/ 3 W 8 1 Meter Dicke regelmässig abgesondert. Die bei genauem Nach- 
suchen nicht seltenen Rutschflächen liegen alle auf den Oberflächen der Bänke, und 
ihre Streifen entsprechen der Fallrichtung. Sie beweisen also Bewegungen der ein- 
zelnen Schichtbänke übereinander, die den Verschiebungen der einzelnen Blätter 
eines Papierstosses beim Biegen desselben entsprechen. 

Ganz in gleicher Weise sind die Rutschstreifen auf der Oberfläche der oberen 
Jurakalkschichten des Lägerngewölbes (Jura) im Steinbruch von Dielsdorf (Kanton 
Zürich) angeordnet. 

Bei der Biegung eines aus vielen Schichten zusammengesetzten Schichten- 
systemes werden stets die äusseren Schichten zu kurz. Bei einer Mulde sind dies 
die ältesten, bei einem Gewölbe die jüngsten Schichten. Wenn sich Gewölbe und 
Mulde zur Falte aneinander reihen, gleicht sich dieser Unterschied mehr oder 
weniger aus, indem dann an den Mittelschenkeln die jüngeren Schichten gegen das 
Gewölbe, die tieferen älteren hingegen nach der Mulde schieben. Dieses sich über- 
einander Verschieben erzeugt dann oft entsprechend angeordnete Rutschflächen. 

Im Gebiete der schief gegen die Alpen aufgerichteten miocenen Nagelfluh 
beachtet man an vielen Stellen, z. B. bei St. Gallen, ausgezeichnete Rutschspiegel 
auf der Oberfläche der Gerolle und der Schichten. Die durch die sogenannten 
„ Nagelfluheindrücke a ineinander greifenden Gerolle sind wieder aus ihrer gegen- 
seitigen Lage geschoben und der Eindruck im einen Geschiebe öffnet sich nach der 
einen Seite in eine Rutschspiegelfurche, und läuft als solche auf der ursprünglichen 
Oberfläche des Gerölles in Rutschstreifen aus. Diese Rutschstreifen aber liegen 
mit seltenen Ausnahmen in der Fallrichtung der Schichten und sind am häufigsten 
in der Nähe der oberen oder unteren Begrenzungsfläche der einzelnen Nagelfluh- 
bänke. Wo die Nagelfluhlagen horizontal geblieben sind, findet man wohl die 
Eindrücke der Geschiebe häufig, die Rutschstreifen aber nur sehr selten. (Vergl. 
A. Gutzwiller, Beiträge zur geol. Karte der Schweiz, ferner Escher die „Bildung 
der Nagelfluh tt in den Verhandl. der Schweiz, naturf. Ges. 1846, und Deicke „ Neues 
Jahrb. für Min. etc. u 1864.) Es stehen somit sehr wahrscheinlich die Rutsch- 
streifen in Zusammenhang mit der Erhebung der Schichten, sie haben scheerende 
Spannungen ausgelöst, welche parallel den Schichtflächen durch den Hebungsvorgang 
sich gebildet haben, sie erzählen von . einer sehr beträchtlichen gegenseitigen Ver- 
stellung der verschiedenen Partikelchen des Gesteines. 



Rutschflächen. 27 

Es gibt einzelne Rutschflächen, welche auf ungeheure Erstreckung auf viele 
Hunderte von Metern verfolgt werden können. Hierher gehören manche durch 
Bergwerke aufgeschlossene grosse steile Rutschflächen, und ferner die ausgezeich- 
neten Rutschflächen, welche nicht selten in thonigem Schuttboden bei Entwässerungs- 
arbeiten unter langsam sich bewegenden Abhängen zum Vorschein kommen. Ich 
habe mehrere solche beobachtet, welche fast vollständige Ebenen von ganz geringer 
Neigung sind. Sind die Rutschflächen krumm, so ist ihre Erstreckung geringer. 
Weitaus die Mehrzahl der Rutschflächen lässt sich nur auf einige Centimeter oder 
Decimeter verfolgen. 

An den Gehängen der Thäler, am häufigsten allerdings wenn die Schichten 
oder Schiefern dem Thale flacher zufallen, als die Oberfläche des Abhanges, beob- 
achtet man recht häufig Rutschflächen, deren Streifen auf ein Sinken nicht unter- 
stützter Gebirgsmassen gegen das Thal hinweisen. Diese durch Abrutschen der 
Gehänge entstandenen Rutschstreifen finden sich vermuthlich nur nahe der jeweiligen 
Oberfläche des Abhanges. 

Manche Gesteinsmassen sind von Rutschflächen in flasriger Anordnung durch 
und durch so massenhaft durchzogen, dass es eine Unmöglichkeit wird, ein kleines 
Handstück zu schlagen, das nicht von Rutschflächen begrenzt wäre. In solchen 
Gesteinen kommen verschiedene Richtungen der Rutschflächen vor, es überwiegt 
aber gewöhnlich doch eine Hauptrichtung der Art, dass die meisten der zahllosen 
Rutschflächen sich unter flachen Winkeln schneiden, die manchmal wie Biegung 
der Rutschfläche aussehen, oder auch auf eine solche hinauslaufen. Die Stücke, in 
welche das Gestein zerfallt, sind dann flach, glatt, und ringsum von Rutschspiegeln 
begrenzt, sie sind die mechanischen Einheiten der Bewegung, die aneinander 
vorbeigeflossen sind. Kein Cubikcentimeter des Gesteines hat seine Lage zum 
nebenstehenden unverändert beibehalten. Alle Partikel sind aneinander verschoben 
worden, viele wiederholt und über weite Räume. Die Gesteinstheilchen, welche 
jetzt zu beiden Seiten der Rutschspiegel sich berühren, waren früher weit von ein- 
ander entfernt. Aus der jetzigen Mächtigkeit der Gesteinsmasse können wir keinen 
Schluss auf die frühere ziehen, die Form ist gänzlich verändert. 

In einem solchen Zustande befinden sich z. B. die Opalinus-Schiefer, die 
vom Bötzbergtunnel durchstochen wurden, ferner sehr viele thonige Schuttmassen 
von in Rutschung begriffenen Abhängen. Die Kohlen- und Thonschieferschichten, 
wie sie in vielen Bergwerken entblösst werden, bilden ebenfalls solches „ verrutschtes 



28 Rutschflächen. 

Gebirge." Wenn dieser Zustand auch bei stark plastischen, also bei mergeligen 
thonigen Gesteinen viel häufiger ist, als bei festeren spröderen, so fehlt er indessen 
auch dort nicht. Wir finden ihn ausserordentlich ausgebildet bei manchen Verru- 
canogesteinen, welche die spitzen Röthikalkmulden im Val Puntaiglas, Val Rusein 
und Sandalpthal begleiten, ferner an einigen Stellen in den Kalkbänken, welche im 
Gebiet der grossen Doppelfalte als gewalzter Mittelschenkel unter dem Verrucano 
liegt. Ein bald mehr bald weniger dichtes Netz von Rutschflächen durchsetzt viele 
andere, selbst sehr spröde Kalksteine der jurassischen und cretacischen Schichten 
der Alpen und selbst Malmkalke des Juragebirges, ebenso den undeutlich ausge- 
bildeten Gneiss des Val Cavrein und Val Rusein, und stellenweise die Sandgrat- 
gesteine und manche halbkrystallinische Lagen des Limmernbodens. Kurz das Auf- 
treten der Rutschflächen ist ein so allgemeines, dass man sich angewöhnt hat, 
nirgends darüber erstaunt zu sein, wenn man sie findet. 

Bei stark plastischen Materialien wie Schieferthone, Thone, Mergel, Braun- 
kohlen etc. können klaffende Spalten wie die Aderspalten vieler Gesteine sind, nicht 
leicht sich bilden, denn wenn an einer Stelle Zug, an einer anderen Druck vor- 
handen ist, so entstehen eben Rutschflächen, auf welchen das Material von der 
gepressten Stelle weg gegen die weniger stark gepressten, vielleicht auf Zug bean- 
spruchten Stellen gleitet. Die Spannungen gleichen sich hier viel leichter durch 
Rutschflächenbildung, als durch Zerreissen aus. Es bedarf schon eines gewissen 
Grades von Sprödigkeit, damit klaffende Risse im Innern einer Gesteinsmasse ent- 
stehen können. Je nach den Cohäsionseigenthümlichkeiten des Gesteines 
ersetzen sich Aderbildung und Rutschflächenbildung. 

Das Reissen von Spalten und die Bewegung auf Rutschflächen versetzen 
das Gestein in Schwingungen, und erzeugen einen Ton. Ob derselbe schon beim 
Reissen einer einzelnen Spalte wahrgenommen worden ist, weiss ich nicht, wohl 
aber ist das oft mehrere Tage lang einem grösseren Bergsturze vorangehende 
Rauschen, Krachen oder Brummen im Inneren des Gesteines ohne Zweifel auf 
massenhaft vor sich gehende solche Bewegungen zurückzuführen. 

Alle bisherigen Betrachtungen über Adern und Rutschstreifen in den dislo- 
cirten Gesteinen lehren uns, dass bei den grossen mechanischen Umformungen, 
besonders den Biegungen ganzer Schichtensysteme bei der Gebirgsbildung sich das 
Gestein nicht als mechanische Einheit bewegt, sondern es geschieht eine 
Zertheilung durch Klüfte und Rutschflächen in relativ kleine Gesteinsbrocken. Diese 



Mechanismus der Gesteinsumformung durch Bruch. 29 

Gesteinsbrocken verschieben und verstellen sich als die mechanischen, in sich selbst 
fast starren Einheiten der Bewegung soweit als es die Ausgleichung der von den 
gebirgsfaltenden Kräften erzeugten Spannungen erfordert, und werden hernach in 
der gegenseitig veränderten Lage durch Sekretionen wieder verkittet. Neubildung 
von Trennungen und Verkitten der alten gehen nebeneinander so lange fort, als 
die faltenden Kräfte auf diese Theile der Erdrinde einwirken. Die Summe aller 
Stellungsveränderungen dieser Gesteinsbruchstücke ergibt dann zu einem grossen 
Theil die gesammte Umformung. Zertheilung, Stellungsveränderung der 
Theile und Wiederverkitten derselben ist also der mechanische Vor- 
gang, an welchen zunächst die Umformungsfähigkeit spröder Gesteins- 
massen geknüpft erscheint. Ein gewisser Grad von Duktilität hilft 
stets mit. 

Nirgends haben wir Spaltungen oder Zerreissungen beobachtet, welche eine 
ganze grosse Gebirgsmasse durchsetzen und in zwei trennen. Wenn solche sich 
bilden wollten, so würden die beidseitigen Gesteinswände in Brocken gegen die 
Kluft einsinken, sobald diese zu tief reisst. Spaltenthäler sind schon aus diesem 
Grunde mechanisch eine Unmöglichkeit. Indem man an dieselben dachte, hat man 
die Cohäsion ganzer Gebirgsmassen überschätzt und mit derjenigen des einzelnen 
Gesteinsstückes verwechselt, oder sich durch Spalten, die unserem kleinen Körper 
gross erscheinen, so klein sie für das ganze Gebirge sind, täuschen lassen. Selbst 
die „ aufgesprengten Gewölbe" können wir uns nicht als Aufriss denken, sondern 
die Streckung hat bloss eine Zerklüftung erzeugt, welche gerade auf dem Gewölbe- 
scheitel am stärksten war, und hier die Verwitterung befördert. Wenn die soge- 
nannten aufgesprengten Gewölbe durch ein einheitliches Reissen eines ganzen biegen- 
den Schichtencomplexes entstanden wären, so sollten wir auch nach unten aufge- 
sprengte und deshalb höhlenbildende Mulden finden, wenn auch immerhin seltener, 
weil die auf Zug in Anspruch genommenen Schichten der Mulde allseitiger von 
Gestein eingeschlossen sind, als beim Gewölbe. 

Weil bei der Biegung der Schichten durch Bruch kein Riss das ganze Schich- 
tensystem durchsetzt, sondern die Zerreissungen lokal sind und wieder zuheilen, wäh- 
rend neue entstehen, so ist es mechanisch möglich, dass trotz des Brechens die Schich- 
ten und Schichtencomplexe in continuirlicher Curve sich krümmen, während diese 
ein gebrochener und lückenhafter Linienzug werden muss, sobald die Continuität 
irgendwo durchgreifend durch den ganzen Schichtencomplex unterbrochen wird. 



30 Vergleich mit der Gletscherbewegung. 

Nach dem Obigen hat die Umformung der Gesteine in ihrem Mechanismus 
eine grosse Aehnlichkeit mit der Bewegung der Gletscher. ') Auch das Gletschereis 
ist wie die meisten Gesteine nur in geringem . Grade biegsam ohne zu brechen, es 
ist im Ganzen spröde, auf Zug reisst es Spalten, auf Druck bricht es in Körner. 
Bei den Umformungen, welche dem Gletschereise zugemuthet werden, bildet sich 
ein Netz von feinen Spalten. Die dadurch umgrenzten Eiskörner verschieben sich 
als die in sich starren mechanischen Einheiten der Bewegung. In der neuen Lage 
regeliren sie, was der Verkittung von Fels durch Mineralsekrete entspricht, und 
neue Haarspältchen reissen sich. Die Verstellung zweier weit auseinander gelegenen 
Punkte im Gletscher entspricht der Summe aller Verstellungen der zwischenliegen- 
den Eiskörner. Brechen, Stellungsveränderung der Theilchen und Wiederverkitten 
ist auch hier der Mechanismus, an welchen die Umformungsfähigkeit des Gletscher- 
eises gebunden ist. Der Unterschied gegenüber der Umformung von Felsen beruht 
nur darin, dass 1) das Eis weniger fest, leichter brüchig ist, und deshalb die Zer- 
theilung eine stärkere, raschere und gleichmässiger§ wird. Wären die Felsen gleich 
leicht brüchig, so würden die Berge wie Gletscher in die Thäler fliessen. Auf 
einem Himmelskörper, welcher die Theilchen seiner Oberfläche viel kräftiger anzieht 
als die Erde, wird vielleicht bei Fels die Schwere die Cohäsion in ähnlichem Grade 
zu überwinden im Stande sein,' wie sie es auf der Erde für Gletschereis vermag, 
und Berge aus Gesteinen wie diejenigen der Erde wären unmöglich. 2) An Stelle 
der Sekretion im Fels, welche langsam vor sich geht, tritt die Regelation im Glet- 
scher, um die Wiederverkittung der verschobenen Brocken in der neuen Lage zu 
besorgen. 3) Beim leichtbrüchigen Eise ist das eigene Gewicht die umformende 
Kraft des Gletschers, die ein Abwärtsfliessen bedingt; beim Fels hingegen genügt 
sehr oft das Eigengewicht nicht, sondern die gebirgsfaltenden Kräfte erzeugen die 
im Einzelnen ähnliche Erscheinung. In beiden Fällen ist es aber eine von aussen 
an den umzuformenden Körper herantretende Kraft. 

Die Gleichheit, oder doch grosse Aehnlichkeit im Bewegungsmechanismus 
von Gletscher und Gestein kann uns aber noch einen Schritt weiter führen: Je 
grösser beim experimentellen Umformen von Eis in verschiedene Formen die 
pressende Kraft gesteigert wird, desto stärker wird die Zertheilung, desto voilstän- 



') Verglichen Albert Heim, „üeber Gletscher 11 , Poggendorffs Annalen Erganzungsbd. Y. S. 30 und 
Albert Heim, „lieber die Theorie der Gletscherbewegung" Jahrbuch des Schweizer-Alpenclub B. VIII S. 330. 



Die Umformung der Gesteine ohne Bruch. 31 

diger schmiegt sich das Eis den verlangten Formen an. Je mehr im Gletscher 
die Gewalt der umformenden Kraft, der Druck, steigt, desto dichter wird das Netz 
der Trennungsspältchen, desto kleiner das Gletscherkorn. Dieser Erscheinung ent- 
spricht vollständig die Zertheilung der Gesteine bei ihrer Umformung durch die 
Gebirgsbildung. Wenn wir eine bestimmte Schicht auf eine gewisse Strecke ver- 
folgen, so sehen wir, dass die Zahl der Adern und Rutschflächen, welche das 
Maass der Zertheilung sind, mit dem Grade der Verbogenheit, Stauung oder 
Streckung, d. h. mit der Stärke der aufgezwungenen Umformung zunimmt inner- 
halb gleicher GesteinsbeschafFenheit. Die Stärke der Umformung aber kann uns 
innerhalb gleicher Gesteinsbeschaffenheit und sonstiger Verhältnisse als ungefähres 
Maass für die Kräfte gelten, welche der Gesteinsmasse entgegengewirkt haben. 
Also auch hier ist unter sonst ähnlichen Bedingungen die lokale Zertheilung um 
so stärker, je intensiver die ummodelnden Kräfte gearbeitet haben, und je spröder 
und weniger fest das umgeformte Gesteinsmaterial ist. Denken wir uns die Kraft, 
welche eine Schicht in eine bestimmte Mulde presse und derselben sich anzu- 
schmiegen zwinge, nehme fort und fort zu, so wird die Zertheilung ebenfalls zu- 
nehmen; die Verschiebung an einer Aderkluft vertheilt sich auf viele feinere Risse, 
die Anschmiegung an die Biegung wird eine genauere. Wird die umformende 
Kraft endlich so gross, dass sie anstatt an ein paar tausend Stellen die Festig- 
keit durch Bruch aufheben zu können, dieselbe in jedem einzelnen Punkte über- 
windet, so wird das Spaltennetz unendlich fein, und das Gesteinskorn zur Kleinheit 
eines Molekules reducirt, d. h. die mechanische Bewegungseinheit ist nicht mehr 
ein Gesteinsbrocken, sondern unendlich klein, so dass die Bewegung eine con- 
tinuirliche Umformung ohne Bruch wird. Das Gestein verhält sich Kräften 
gegenüber, welche im Vergleich zu seiner Festigkeit unendlich gross sind, als eine 
plastische Masse. Diese Betrachtung führt uns auf die Umformungen der Gesteine 
ohne Bruch, und gibt uns schon zu erkennen, dass der Unterschied beider Arten 
der Umformung durch alle möglichen Abstufungen verbunden ist. 



C. Die Umformung der Gesteine ohne Bruch. 

Die nähere Untersuchung vieler Schichtenfalten oder Schichtenverquetschungen 
und Stauungen lässt Adern oder Risse nur in so spärlichem Maasse erkennen, dass 



32 Die Umformung der Gesteine ohne Bruch. 

wir aus den denselben entsprechenden Umstellungen die genannten Gesteinsumfor- 
mungen unmöglich erklären können. Wir finden selbst in spröden Gesteinen aus- 
gezeichnete Biegungen ohne jede Spur von damit in Verbindung stehendem erkenn- 
barem Bruche. 

Ausser den Biegungen ohne Bruch haben wir noch zahlreiche andere Belege 
dafür, dass bei der Gebirgsbildung überhaupt die Moleküle selbst sprö- 
der Gesteine sich verschieben können wie diejenigen plastischer Massen. 
In den spröden, klingenden, reinen 1 ) Kalksteinen der Mulde von Fernigen im 
Meyenthale (Uri) finden wir gestreckte zerrissene Belemniten. Die Streckung lässt 
sich bei manchen derselben genau messen. (Taf. XIV Fig. 3 und 4.) Sie beträgt oft 
das zwei- bis zehnfache der ursprünglichen Länge. Um einen wenigstens gleich grossen 
Betrag musste das umschliessende Gestein gestreckt worden sein; es zeigt dem ent- 
sprechend auch gestreckte Structur, allein ohne Risse. Ammoniten, welche aus 
den kreisförmigen Spiralen in elliptische Spiralen gezogen, oder wie Basreliefs flach 
gequetscht worden sind, ohne dass Risse dabei sich gebildet haben (Taf. XIV 
Fig. 13, 14 und 15) sind ebensolche Belege für Differentialbewegungen innerhalb 
der scheinbar starren Masse, Belege für plastische Verschiebungen der Moleküle 
aneinander. Viele Umformungen ohne Bruch erzeugen eine schiefrige Structur 
des Gesteines. 

Biegung, Streckung, Stauung, Auswalzung, Schieferung als Resultate der Ge- 
steinsumformung finden wir gewöhnlich aneinander geknüpft. Biegungen erzeugen 
an den inneren Schichten Stauung mit kleiner Fältelung, in den äusseren Schichten 
Streckung, an den scharfen Umbiegungsstellen leicht Transversalschieferung (Clivage). 
In gebogenen Schichten und in Gesteinen mit Transversalschieferung finden wir 
die verzogenen und verquetschten Petrefacten. Es ist eine einzige Ursache, die 
alle diese Erscheinungen erzeugt hat, und sie ist es, nach der wir suchen. 

Während die Umformung durch Bruch nur an einzelnen Stellen die Starr- 
heit in der Lage der Theilchen überwindet, geschieht dies durch Umformung ohne 
Bruch an einer im Vergleich damit fast unendlich grossen Zahl von Stellen, wenn 
auch in etwas anderer Weise. Umformung ohne Bruch ist somit eine höhere 
mechanische Leistung als Umformung mit Bruch. 

Wir mögen staunen bei der Betrachtung der enormen weitgeschwungenen 



') In Salzsäure unlöslicher Rückstand nur 0,5 bis 1%. 



Der Grad der Umformung. 33 

zahlreichen Schichtenbiegungen, beim Gedanken an die Kraft, welche sie erzeugte. 
Indessen das weite Ausholen, die Breite der Ueberschiebung, welche durch eine 
Falte entstanden ist, gibt nur den Maassstab für den Betrag des erzielten Zusam- 
menschubes, oder für den Weg, auf welchem die entgegenstehenden Widerstände 
überwunden worden sind, aber nicht den Maassstab für die Intensität der Kraft. 
Die physikalische Schwierigkeit der Umbiegung ohne Bruch ist um so grösser, 
je kleiner der Radius der Umbiegung ist. Die Schwierigkeit, welche sich 
der Umformung entgegenstellt, ist der Widerstand des Gesteines gegen plastische 
Verschiebung seiner Theilchen. Diese mussten ihre gegenseitige Lage aber um so 
mehr verstellen, d. h. der Widerstand musste an um so zahlreicheren Orten und 
auf um so grösserem Wege überwunden werden, je kleiner der Raum ist, auf 
welchem die Verschiebung einen sichtbaren und messbaren Betrag erlangt hat. 
Die enge, im Handstück sichtbare Fältelung, die Streckung eines Petrefactes auf 
das Doppelte oder Dreifache ist eine viel grössere Leistung, eine vollständigere 
Ueberwindung der starren Cohäsion, als die Biegung eines Schichtensystemes zu 
einer stundenbreiten Mulde, wobei die Umformung für ein eingeschlossenes Petrefact 
zu unbedeutend ist, als dass sie durch Messung überhaupt nachgewiesen werden 
könnte. Um einen enormen Schichtencomplex ein wenig zu biegen, gebraucht es 
selbstverständlich mehr Kraft, als um einen Cubikmeter Gestein zusammen zu quet- 
schen, allein viel weniger, als um einen ebenso enormen Schichtencomplex in allen 
Theilen enge zu faltein. An dem lokalen, im Kleinen schon messbaren Betrag der 
Umformung beurtheilen wir die lokal noch in Wirkung getretene Intensität der 
Kraft, während die ganze Kraft sich in dem ganzen umzuformenden Schichtencom- 
plex vertheilte. Wenn wir somit für die sogar im Handstück sichtbaren bruch- 
losen Umformungen spröder Gesteine, wie wir solche auf Taf. XIV und XV 
abgebildet haben, eine physikalische Erklärung gefunden haben, so wird die Er- 
klärung für die breiten Schichtenbogen dadurch mehr als eben gewonnen sein, denn 
diese letzteren sind weniger hochgradige Molekularverschiebungen oder Cohäsions- 
überwindungen. 

Wir versuchen zunächst in der Erscheinung einige ihrer wichtigsten Gesetze 
zu erkennen, um dadurch erst auf dem Wege der inductiven Forschung zu Folge- 
rungen zu gelangen, welche als Ausgangspunkte zur Erklärung zu benutzen sind. 
Die bisherigen Erklärungsversuche werden wir besprechen, und an Stelle derselben, 
da wir sie als ungenügend werden bezeichnen müssen, eine neue Erklärung setzen. 



34 Die Erscheinungen bruchloser Umformung. 

Endlich werden wir uns umsehen, ob die aus unserer Erklärung deducirten Schlüsse 
mit der Natur in Uebereinstimmung stehen. 

Diejenigen Stellen in den Alpen und auch in anderen ähnlichen noch vor- 
handenen oder durch Erosion fast ganz abgetragenen Gebirgen, wo wir Umfor- 
mungen ganz oder grösstentheils ohne Bruch beobachten, sind geradezu zahllos. 
Wir wollen nur einige wenige Beispiele hochgradiger bruchloser Biegungen aus 
den Alpen, und vorwiegend aus unserer Tödi -Windgällen - Gruppe auffuhren: 

1) In eocenen Thonschiefern (Flysch): 

Muttenberge und Nüschenstock am Kistenpass, Hintergrund von Durnach- 
thal und Sernfthal (Glarus), Claridenkamm, Scheerhorn, Sittliserhörner im Schächen- 
thale, Taminathal etc. 

2) In mehr oder weniger thonhaltigen Kalksteinen und Kalkschiefern: 
Beide Ufer des Urner- (Vierwaldstätter-)see's, besonders Axenstrasse am süd- 
lichen Fusse des Frohnalpstockes und am grossen Axen 1 ), Alp Baberg im Isen- 
thal 2 ), Gitschen Südostseite (Urirothstock-Gruppe), Gehänge des Rätschthales im 
Muottathalgebiet, Wyssenstock 1 Stunde östlich von.Brienz; eocene Gebiete: Ta- 
minathal, Muttenberge, Scheerhorn. 

3) In den eisenreichen, oft thonfreien, dichten oder oolithischen 
Kalksteinen und Echinodermenbreccien des Lias und braunen Jura: 

. Urnerboden, Klausenpass, Sandalpkessel besonders auch am Grünhorn, Stock 
Pintga, Südfuss des Piz Urlaun, ob dem Hüfiälpli, Windgällen etc. 

Ferner ausserhalb der Tödi -Windgällen -Gruppe: Glärnisch Oberblegi, Ur- 
bachthai (Berner Oberland) und an vielen anderen Orten mehr. 

4) In thonfreien klingenden dichten spröden Kalksteinen, meist 
Hochgebirgskalk: 

Wände zu beiden Seiten des Thierfehd im Linththal 3 ), Gebiet der Panten- 
brücke, Wände des Selbsanft, Westwand des Piz Frisal, Gebiet des Hüfigletscher, 
Windgällen, Westabhang des Belmistock, Meyenthal in Uri; Urbachthal, Engel- 
hörner, Mettenberg, Haslithal etc. Bruchlose Streckung .und Schieferung in klingen- 
dem Hochgebirgskalk, nachgewiesen durch gestreckt zerrissene Belemniten am Saas- 
berg (Kärpfgebiet), Fernigen (Meyenthal), Ranasca bei Panix. 



') Baltzer, der Glärnisch S. 43 und folgende mit Abbildung. 

*) Baltzer, der Glärnisch. S. 43, Abbildung. 

9 ) Gesteinsproben der gebogenen Schichten ergeben blos 0,4 — 0,6 % in Salzsäure unlöslichen Rückstand. 



Bruchlose Biegungen aus verschiedenen Gesteinen. 35 

5) In dichtem Dolomit der Röthikalkschichten: 

Sandalpkessel, Stock Pintga, Kehle (Südfuss des Piz Urlaun), Südfuss des 
Piz Tumbif, Piz Cambriales etc. 

6) In Sandstein oder Quarzit: 

Hintergrund des Durnachthaies am Hausstock, Lämmerbachalp, Scheerhorn etc. 

Von den meisten engen Biegungen im Gneiss und Glimmerschiefer in den 
Alpen, Schwarzwald, Erzgebirge, Skandinavien etc. wollen wir hier lieber absehen, 
da ihre Entstehung unbekannt ist. Sie müssen vielleicht grossentheils zu den Flui- 
dalstructuren gezählt, und als ursprünglich aufgefasst werden. . Der Gneiss am 
Scheidnössli im Contact mit den Sedimenten (vergl. folgenden Abschnitt und Taf. IX 
Fig. 7) und verschiedene Gneisse, Hornblendeschiefer und Glimmerschiefer am 
Simplon und im Nikolaithale sind bis jetzt die einzigen mir bekannten Beispiele 
von einer engen ausgezeichneten Fältelung krystallinischer Schiefer, an welcher alle 
Anzeichen nachträglicher mechanischer Entstehung ausgeprägt sind. Die Entstehung 
der Uebrigen, welche ich gesehen habe, scheint mir nicht ganz zweifellos. 

Ganz ähnlich wie die bruchlosen Umbiegungen finden wir auch das Clivage (die 
Transversalschieferung) bei sehr verschiedenen Gesteinsarten — am häufigsten freilich 
bei thonigen Gesteinen — ausgesprochen. Dass Transversalschieferung ebenfalls das 
Resultat einer mechanischen Gesteinsumformung ist, werden wir später zu beweisen haben. 

Aus den angeführten Beispielen, die wir zum grössten Theile unserem 
speciellen Untersuchungsgebiete entnommen haben, gewinnen wir 

Das 1. Gesetz der Erscheinung: 

Umformungen ohne Bruch finden sich in sehr ähnlicher , oft sogar vollkommen 
gleicher Weise bei petrographisch sehr verschiedenen Gesteinen, bei plastischeren wie bei 
spröden ausgeprägt. Die Umformung ohne Bruch ist nicht an die Gesteinsart gebunden. 

Die in den obigen Beispielen angeführten bruchlos gefalteten thonfreien und 
thonhaltigen Kalke, die Dolomite, Quarzite etc. sind mineralogisch und petrographisch 
ganz identisch mit sehr vielen Gesteinen, welche an anderen Punkten durch Brechen 
in der im vorigen Kapitel besprochenen Weise umgeformt worden sind. Selbst in 
ihrer Sprödigkeit, und in allerlei unwesentlichen Erscheinungen stimmen sie mit 
denselben überein. Es sind sehr oft die gleichen Schichten vom gleichen geolo- 
gischen Alter, welche an der einen Stelle durch Bruch, an der anderen ohne Bruch 
umgeformt sind. Wir können somit den folgenden Satz hinstellen als 



36 Die Erscheinungen bruchloser Umformung. 



Das 2. Gesetz der Erscheinung: 

Die gleichen Gesteinsarten und Gesteinsvarietäten der gleichen Schichten, 
welche an einem Orte die Umformung durch Brechen ermöglicht haben, finden sich 
an anderen Stellen ohne Bruch umgeformt. 

Die polytechnische Sammlung in Zürich besitzt ein Stück spröden thonfreien 
Hochgebirgskalk, das von zwei stärkeren und zwei schwächeren im Ganzen parallelen 
Adern durchsetzt ist, welche Adern mit dem Kalkstein in entsprechender Weise 
gefältelt worden sind, ohne dass irgend welche neue Brüche eingetreten wären. 
Das Stück stammt von der Windgälle und ist von Escher v. d. Linth gesammelt 
worden. Fig. 1 Taf. XV bildet dasselbe ab. Hier beobachten wir also an ein 
und demselben Gesteinsstücke Umformung mit Bruch und Umformung ohne Bruch, 
wobei beide Umformungen wenigstens um die Dauer der Sekretbildung von einander 
zeitlich getrennt sind. . Wir lesen aus dem genannten Stücke die Thatsache, dass 
zur Zeit der Fältelung ohne Bruch das Gestein schon längst erhärtet war, denn 
der ältere Bruch, der die ursprünglich nicht gefaltete Ader gebildet hatte, zeigt 
die schon damals vorhandene Sprödigkeit des Gesteines an. Die Annahme, dass 
die Ader sich ursprünglich in der zickzackformig gefältelten Gestalt gerissen habe, 
dass also Reissen und Fälteln der Ader nicht zwei verschiedene Prozesse seien, 
ist angesichts der Form dieser Fältelung unhaltbar. Ferner sieht man bei günstiger 
Beleuchtung schon von Auge, noch viel deutlicher aber im Dünnschliff unter dem 
Mikroskope, dass auch das zwischen den Adern liegende Gesteinsmaterial in gleicher 
Weise von der Fältelung ergriffen worden ist. Festhalten an der angedeuteten 
Annahme würde somit zu dem Schlüsse führen, dass die Fältelung des Gesteines 
älter als die Aderbildung sei, und der Aderriss als eine klaffende Fuge zwischen 
den Schichten in seinem Verlauf durch die schon vorhandene Fältelung derselben 
geleitet worden sei. Allein das ganze Gestein erscheint beim Zerschlagen voll- 
ständig homogen, es zeigt muschligen Bruch, der sich niemals durch die Fältelung 
auch nur im geringsten ablenken lässt, und, was noch viel wichtiger ist: Die ge- 
falteten Adern fallen nicht überall parallel zwischen die erkennbaren Fältelungs- 
linien des Gesteines, sondern die letzteren und' die ersteren treffen an verschiedenen 
Stellen meist unter flachem, an einigen auch unter steilem Winkel aufeinander, 
und durchschneiden sich sogar. Hierin liegt der Beweis dafür, dass die Adern 



Nachträglich gefältelte Adern. 37 

sich ursprünglich nicht in der Richtung der schwach angedeuteten Schichten rissen, 
sondern in unregelmässig stellenweise etwas gebrochenen Linien, die die Schichtung 
im Allgemeinen unter flachem Winkel schnitten. Der Aderriss hatte gar keine 
Ursache, in harmonisch faltenformigen Linienzügen aber dennoch schief zur Richtung 
der schon gefältelten Schichten gleich in seiner jetzigen Form zu entstehen. Dass 
bei den Falten der Ader jeweilen die nach der einen Seite gelegenen Faltenschenkel 
dünner sind, als die anderen, kann ebensowenig die ursprünglich Zickzack form ige 
Gestalt des Aderrisses beweisen, da z. B. auf der Rückseite des Stückes auch 
einzelne Male dazwischen das umgekehrte der Fall ist, und da fast überall die 
beidseitigen Begrenzungen der Ader gänzlich jenen Parallelismus entbehren, der 
sie bei Wegnahme der Adersubstanz und einiger Verschiebung zum Passen brächte, 
wie dies sonst bei ächten Adern, die nicht nachträgliche bruchlose verquetschende 
Umformung erlitten haben, der Fall ist. Die gefaltete Ader enthält also schon 
in ihrer eigenen Form den Beweis für nachträgliche Umformung. Wer das Ge- 
steinsstück gesehen hat, wird zugeben müssen, dass die Entstehung einer solchen 
ursprünglich zickzackförmigen Spalte undenkbar bleibt. 

Die bruchlose Fältelung muss also später als das ursprünglich viel gerad- 
linigere Reissen von Adern eingetreten sein — vielleicht waren beide Vorgänge 
durch weite geologische Perioden von einander getrennt. Die Adern sind in gleicher 
Weise wie die übrigen unzerrissenen Gesteinstheile von der bruchlosen Fältelung 
mitbetroffen worden, und das Material zeigt bei all diesen Erscheinungen nicht die 
Spur einer stofflichen oder die Structur betreffenden Metamorphose, welche nicht 
bloss mechanischer Natur wäre. 

Der Nachweis einer nachträglichen bruchlosen Fältelung von ursprünglich 
geradlinigeren Adern • bezieht sich indessen nicht auf das genannte Stück allein. 
Ich hatte schon mehrere Male Gelegenheit, dieselbe in grösserem Maassstabe in der 
Natur zu wiederholen. Escher fand viele „ zweifellos nachträglich gefältelte Calcit- 
adern" in Lochseitenkalk ähnlichem Malm der Alp Ranasca bei Panix (verglichen 
I. Theil S. 187 und 188). Zahlreiche ganz ausgezeichnet schöne nachträgliche Fälte- 
lung von Calcitadern beobachtete ich an dem Hochgebirgskalke des Haslithales. Die 
Sammlung des eidgenössischen Polytechnikums besitzt ein sehr schönes Handstück 
von dort. Bei den Calcitadern, die ursprünglich ziemlich gleichförmige Dicke ge- 
habt haben müssen, finden wir das später folgende Gesetz Nr. 5 sehr deutlich 
ausgesprochen. Aus dem Obigen folgt 



38 Die Erscheinungen bruchloser Umformung. 

<) 
Das 3. Gesetz der Erscheinung: 

Das gleiche Gesteinsstück kann Umformungen mit Bruch und Umformungen 
ohne Bruch erleiden. 

Aus dem ersten Erscheinungsgesetz folgt, dass die Möglichkeit eines plastischen 
Verhaltens gegenüber den gebirgsbildenden Kräften nicht an die Gesteinsart ge- 
bunden ist; aus dem zweiten, dass die Lokalität, aus dem dritten, dass die Zeit 
von wesentlichem Einfluss auf die Erscheinung sind. Die Abhängigkeit von 
Lokalität und Zeit kann indessen nur deshalb bestehen, weil die mechanischen Um- 
stände, unter welchen die Umformung geschieht, nach Lokalität und Zeit sich ver- 
ändern; es ist also eine Abhängigkeit von den mechanischen Umständen, 
und die Erklärung für die Gesteinsumformung ohne Bruch muss somit in den 
von aussen herantretenden mechanischen Umständen, und nicht im Ge- 
steine selbst gesucht werden. 

An Lokalitäten, wo die sprödesten Kalksteine ohne Bruch gebogen sind, 
finden wir, soweit meine Beobachtungen reichen, auch alle weniger spröden Ge- 
steine, alle thonhaltigen schiefrigen Massen in ganz gleicher Weise ohne Bruch 
gefaltet. Dagegen gibt es viele Stellen, wo nur weichere Kalkschiefer, Mergel und 
Thonschiefer ohne Bruch gefaltet, die eingeschlossenen spröderen Kalkbänke hin- 
gegen in Stücke gebrochen sind, indem unter den der Lokalität und Zeit ent- 

♦ 

sprechenden mechanischen Umständen diese letzteren den Biegungen der ersteren 
nicht zu folgen vermochten. Die gleiche Kraft also, welche bei den etwas weicheren 
Materialien die Festigkeit von Molekül zu Molekül an zahllosen Punkten in ge- 
wissem Grade zu überwinden vermochte, konnte dieselbe nur an einzelnen Stellen 
des spröderen und wahrscheinlich auch festeren Materiales vollständig bewältigen. 
Beispiele dieser Art finden wir in dem Faltensystem des Axenberges. Dr. Baltzer 
hat solche in dem citirten Werke vom Grossen Axen und auch von der Babergalp 
beschrieben. Wir finden die gleiche Erscheinung an vielen anderen Stellen, z. B. 
an den Wänden längs des Südabhanges der ganzen Axenkette im Hintergrunde des 
Grünthaies etc. Sehr schöne Falten der eocenen Gebilde, bei welchen die spröden 
Kalk- und Quarzitbänke gebrochen, die Schiefer continuirlich umgeformt sind, finden 
sich an vielen Stellen unserer Gruppe, z. B. an den Abhängen der Muttenberge, 
am 'Scheerhom, im Schächenthale, ferner in der Taminaschlucht von Vadura bis 



Einfluss der Gesteinsart. 39 

Ragatz etc. In solchen Fällen beachtet man nicht selten ein Klaffen der umge- 
bogenen Schichtfugen in dem Sinne, dass das starrere Material nicht vollständig 
die Biegungen des plastischeren Materiales mitmacht. Dadurch entstehen kleine 
Discordanzen. Nicht alle Schichten nehmen an der Faltung ganz genau gleich 
vollständig Theil. An Stelle der Biegung der einen Schicht treten bei einer 
spröderen Schicht einige Brüche und Verschiebungen, nicht selten von Rutschflächen 
begleitet. In solchen complicirten Faltensystemen beobachtet man häufig, dass die 
steiferen Schichten ihren Zusammenschub durch eine geringere Zahl weiter aus- 
holender Falten von grösserem Radius neutralisiren, während die plastischeren 
Materialien unter den gleichen Umständen eher eine grössere Zahl kleinerer Bie- 
gungen eingehen. Dieser letztere Einfluss des Materiales wird indessen nur da deut- 
lich, wo sprödere und plastischere Materialien nicht Bank um Bank, sondern in 
grösseren Schichtencomplexen miteinander wechseln. In den Kreidefalten der 
Centralalpen sehen wir vielfach (z. B. in der Sentisgruppe, Wiggiskette, in den 
Muottathalketten etc.), dass die Schichten aus steiferen Materialien bei weitem 
schwächer gekrümmte Flächen und mit dem Ausgehenden regelmässigere Curven 
beschreiben, diejenigen der plastischeren Gesteinsarten hingegen zeigen viel zahl- 
reichere lokale unregelmässige Krümmungen und einen schwankenderen Linienzug 
innerhalb der grossen Gesammtbiegung, welche für beide Schichtengruppen die 
gleiche ist. 

In ganz kleinem Maassstabe geben selbst Handstücke hierfür ein deutliches 
Bild. Bei dem in Taf. XIV Fig. 12 abgebildeten Stücke sehen wir, wie einige 
grössere Falten sich in zahlreichere kleinere allmälig nach derjenigen Seite hin 
auflösen, nach welcher die dolomitischen steifesten Schichten des kleinen Systemes 
an Dicke ab- und dadurch an Biegungsfahigkeit zunehmen, obschon der Grad der 
geforderten Biegung für den plastischeren Theil des Systemes demjenigen des steiferen 
Theiles fast gleich zu sein scheint. 

Bei einer starken Umbiegung finden wir die äusseren Schichten, ob sie aus 
spröderem oder plastischerem Materiale bestehen, meistens in schön regelmässiger 
Krümmung, die inneren aber sind bei sprödem Gestein meistens unregelmässig ge- 
brochen und verschoben (Sichelkamm ob Walenstadt), bei plastischerem hingegen 
innerhalb der weiteren Biegung enger gefältelt. In grossem Maassstabe geben für 
das letztere die Biegungen am Axen ein schönes Beispiel. In noch viel ausge- 
dehnterem Maasse zeigen die Lagerungen im Gebiet der Glarner-Doppelfalte die 



40 Faltenformen bei activer und passiver Faltung. 

entsprechende Erscheinung. An Stelle der grossen stundenweiten Doppelfalte der 
steiferen Jurakalke und Verrucanoconglomerate tritt eine über alle Maassen ver- 
wickelte, in's Detail gehende Fältelung der eocenen Gebilde (Profil XIII). 

Es ist ebenfalls ein in den physikalischen Eigenschaften der Gesteinsart be- 
gründeter Unterschied, wenn auf Streckung eingeschlossene Belemniten in zahlreiche 
Stücke zerreissen, während das einbettende Gestein sich ohne Bruch zu dehnen 
vermag (verglichen S. 9 bis 11). 

Die genannten Beobachtungen ergeben als 

, Das 4. Gesetz der Erscheinung: 

Die aus verschiedenen Gesteinen bestehenden gleichzeitig gefalteten Schichten 
an der gleichen Lokalität zeigen häufig Unterschiede in der Umformung, welche von 
der Natur des Gesteines abhängen. 

Diese Unterschiede verschwinden mehr und mehr da, wo die Kraft hin- 
reichte, auch die sprödesten Gesteine homogen umzuformen. Sie sind nur gra- 
dueller Natur. Es gibt Schichtensysteme aus spröden und plastischeren Gesteinen, 
bei denen es unmöglich ist, in der Umformung der verschiedenen Materialien den 
obigen Beobachtungen entsprechende Unterschiede wahrzunehmen. Unser viertes 
Erscheinungsgesetz ist mit voller Bestimmtheit von Dr. Baltzer aufgestellt und auf 
die Grösse des Thongehaltes der Gesteine zurückgeführt worden, indem der Thon 
der plastische Gemengtheil der meisten hier in Frage stehenden Sedimentschichten 
ist. Während wir dem Baltzer'schen Satze: „Je thonreicher eine Schicht, desto 
grösser ist unter sonst gleichen Umständen ihre Biegungsfahigkeit" vollständig bei- 
pflichten können, müssen wir hingegen scharf betonen, dass die Biegungsmöglichkeit 
nicht an einen gewissen Thongehalt gebunden ist. Wir dürfen, wie schon aus 
unserem ersten Erscheinungsgesetz hervorgeht, den Thongehalt der Gesteine nicht 
als die Erklärung für ihre Umformungsfahigkeit auffassen. 

Man hat vielfach bei den engen Fältelungen der Schichten an Molekular- 
umwandlungen, welche eine Ausdehnung derselben erzeugen würden, an Krystalli- 
sationsprozesse etc. gedacht. Man wollte also die Faltung von einer Art metamor- 
phischen Prozesses im weitesten Sinne des Wortes abhängig machen, und klammerte 
sich an das vereinzelte Beispiel vom Aufschwellen und Fälteln des Anhydrites 
beim Uebergang in Gyps. Wir treten hier wiederum an den Alles erklärenden 



Faltenforjnen bei activer und passiver Faltung. 41 

Metamorphismus. Allein erstens sprechen eine Menge von beobachteten Thatsachen 
gegen seine Existenz, und zweitens würde er, auch wenn wir ihn als vorhanden 
annehmen, die Erscheinungen nicht erklären. 

* 

Wir finden nur in den Gebirgen mit Kettenstructur die starke, in kleines 
Detail gehende Faltung der Thonschiefer, Mergel, Kalksteine, Dolomite, Sand- 
steine etc.; sie fehlen da, wo auch die grossen Lagerungsstörungen fehlen und die 
Schichten auf weite Erstreckung horizontal liegen, und doch können wir petrogra- 
phisch die ungefalteten von den gefalteten Gesteinen nicht unterscheiden. Nirgends, 
wo die ungefaltete Fortsetzung der gefalteten Schichten zu beobachten ist, wird 
eine Metamorphose der gefalteten Stellen im Vergleich zu den ungefalteten wahr- 
genommen. 

Die Falten, welche durch eine Volumzunahme der Schichten entstehen 
würden, und diejenigen, welche durch von aussen herantretenden Druck sich bilden, 
müssen in ihrer Form verschieden sein. Wir wollen versuchen, in der Erscheinung 
die Differentialdiagnose für die* beiden Ursachen zu finden. 

Denken wir uns zunächst, dass ein beliebiges begrenztes System ebener 
Schichten von aussen seitlich comprimirt und dadurch zur Faltung gezwungen 
werde. In der Richtung des stärksten äusseren Druckes, in welcher die gesammte 
Masse zusammengeschoben wird, erleidet das Material die stärkste Zusammenpressung, 
wodurch die Dimensionen, in dieser Richtung verringert werden. In der Richtung 
senkrecht zum Drucke vergrössern sich alle Dimensionen durch ausweichende Ver- 
breiterung. Die Schichten werden somit an den Wendepunkten der Krümmungs- 
richtung, also an den Schenkeln des Faltensystemes, die sich immer mehr senk- 
recht zur Maximaldruckrichtung stellen, länger und dünner; an den Umbiegungs- 
stellen, welche den Winkeln des nunmehrigen zickzackförmigen Schichtenverlaufes 
entsprechen, hingegen kürzer und dicker, denn hier liegt die Compressionsrichtung 
in der Schichtrichtung. 

Nun wollen wir zweitens die Annahme machen, dass das Schichtmaterial, 
das in einen bestimmten Raum seitlich fest eingegrenzt ist, durch ein inneres Auf- 
schwellen der Masse sich fältele. Zusammenquetschung findet in keiner Richtung 
statt, die Schichtdimensionen werden in keiner Richtung kleiner. Das Quellen in 
der Längsrichtung der Schicht fuhrt zu Ausweichungen in der Querrichtung. Einzig 
an den Knickungsstellen der aufwärts oder abwärts ausgebogenen Stücke entsteht 
lokal etwas Zug durch das Aufschwellen der Schenkel der werdenden Zickzacklinie. 



42 Die Erscheinungen bruchloser Umformung. 

Es werden somit in diesem Falle die Schichten gerade umgekehrt wie im vorher 
besprochenen nun an den Schenkeln der Faltenreihen dicker, an den Krümmungs- 
stellen bleiben sie schwächer. 

Wir haben noch einen anderen Unterschied hervorzuheben: Wenn der 
Druck von aussen kommt, wirkt er in ähnlicher Weise auf alle Schichten des 
Schichtensystemes ein, das Schichtensystem wird einheitlich, harmonisch gefaltet, 
die Biegungen der verschiedenen Schichten sind in ihren Formen von einander 
abhängig, und einzelne Ungleichheiten lassen sich auf verschiedenen Widerstand 
des betreffenden Materiales, oder verschiedene Intensität der lokalen Wirkung zu- 
rückführen. 

Bei der Fältelung durch Volumzunahme des Materiales hat jede schwellende 
Schicht ihre eigene, nur von ihrer chemischen Beschaffenheit abhängige, von der 
benachbarten Schicht unabhängige faltende Kraft. Diese Kraft kann für die ver- 
schiedenen Schichten sehr ungleich sein. So wird die Faltung der verschiedenen 
Schichten keine einheitliche. Von zwei Schichten, welche sich fast berühren, kann 
die eine auf der gleichen Erstreckung doppelt so viel kleine Falten zeigen, wie die 
andere — entsprechend der jeweiligen Stärke ihrer Quellung. 

Für Faltung durch äusseren Druck — wir könnten dies passive Faltung 
nennen — ist also bezeichnend: Schichten an den Umlegungsstellen dicker, 
an den Faltenschenkeln dünner, benachbarte Schichten eines Systeme» 
harmonisch gefaltet. 

« 

Für Faltung durch eigene Volumzunahme — für active Faltung — ist 
bezeichnend: Schichten an den Umbiegungsstellen dünner, an den Schen- 
keln der Falten dicker, benachbarte Schichten in Zahl, Form und 
Grösse der Falten von einander unabhängig. 

Untersuchen wir zunächst in dieser Richtung die Schichtenbiegungen der 
Alpen und anderer Kettengebirge. 

Bei den zahlreichen Schichtenfalten der Alpen zeigen sich fast ausnahmslos 
die Schichten an den Umkrümmungsstellen dicker, als an den dazwischen gelegenen 
Faltenschenkeln. Es ist dies bei ganz enger kleiner Fältelung wie sie in natür- 
licher Grösse in Taf. XIV Fig. 16 und 17 dargestellt ist gerade so deutlich, wie 
bei in Kilometerweite ausholenden Biegungen. Je plastischer das Material ist, desto 
stärker ist diese Erscheinung ausgeprägt. Bei den in Taf. XIV Fig. 16 abgebil- 
deten Falten bestehen die hellgelben Lagen aus Röthidolomit, die dunkleren grünen 



Form der Falten in den Alpen. 43 

aus Talk-Thonschiefer. Der letztere ist an den Schenkeln der Faltensysteme im 
Querbruch auf die Dicke eines Striches in der Zeichnung zusammengequetscht, an 
den scharfen Umbiegungsstellen hingegen bildet er völlige Anhäufungen. Auch der 
Dolomit ist an den Umbiegungsstellen dicker, allein der Unterschied ist hier viel 
geringer. Der Betrag, um welchen Quetschung und seitliches Ausweichen bei der 
Faltung eintreten musste, hat sich ungleich auf die verschieden starren Materialien 
des gleichen Schichtensystemes vertheilt. Die duktileren talkigen Schiefer mussten 
zwischen den Dolomitlagen an den Faltenschenkeln seitlich ausströmen und sich an 
den Biegungsstellen anhäufen. Die zahllosen, mit starker Loupe zu erkennenden, 
feinen Rutschspiegelstreifen im grünen talkigen Schiefer, sowie die Structur des 
letzteren unter dem Mikroskope (Taf. XV Fig. 7, 8 und 9, wir kommen auf diese 
Mikrostructur noch eingehender zurück) lassen diese ausweichende Bewegung genau 
erkennen, während die Dolomitlagen im Inneren weit homogener geblieben sind. 
Bei den schiefrigen Schichten der Axenbergkrümmungen bemerkt man, dass ihre 
Mächtigkeit gegen die Stelle stärkster Umbiegung hin in höherem Grade zunimmt, 
als dies bei den compakteren Kalksteinschichten der Fall ist. 

Alle die in Taf. XIV Fig. 16 und 17 "dargestellten Falten zeigen dickere 
Schichten an den Umbiegungen als an den Schenkeln. Das gleiche erkennt man 
in den schon citirten Abbildungen der grösseren Falten des Baberg und Axenberg 
von Baltzer. Obschon Baltzer die Erscheinung nicht beachtet hat, hat er sie doch 
richtig gezeichnet. Das Ideal einer solchen Zeichnung besteht in der That darin, 
dass man in derselben forschen könne ähnlich wie in der Natur selbst. Darin, 
dass die Mittelschenkel weicherer Schichten stärker gequetscht, die Umbiegungs- 
punkte stärker verdickt sind als bei spröderen Schichten, beobachten wir eine Com- 
bination der Erscheinungen, die wir als 4. Gesetz aufgeführt haben mit den hier 
besprochenen. Wenn zwischen festen spröderen Schichten eines gefalteten Systemes 
keine plastischeren Lagen sich finden, so sieht man nicht selten, dass die Schicht- 
fugen an den Umbiegungsstellen klaffen, oft so, dass man tief in diese spaltenför- 
migen Höhlen eindringen kann. In ausgezeichneter Weise kann dies z. B. am 
Westabhang des Stollen gegen das Rätschthal, ein Seitenthal des Muottathales 
(Kanton Schwyz) beobachtet werden, ferner in schwächerem Grade an einigen 
Stellen der Axenstrasse und auch im Jura. 

Nicht selten finden wir bei starker Faltung an den Schichtschenkeln eine 
so starke Zusammenquetschung, dass sie einer Verquetschung gleichkommt, die den 



44 Die Erscheinungen bruchloser Umformung. 

Zusammenhang unterbricht, und stellenweise wirklich in eine Verwerfung übergeht. 
Das Material zerlegt sich dadurch senkrecht zur Druckrichtung in eine Reihe von 
Schichtplattcn, welche gewöhnlich schwach keilförmig sind, und nun die eine nach 
der einen, die folgende nach der anderen Seite ausweichen, während sie aufeinander 
Rutschflächen erzeugen. Diese Rutschflächen sind nicht selten so dicht gedrängt, 
dass sie dem freien Auge wie eine feine Schieferung erscheinen (siehe weiter unten), 
manchmal stehen sie in grossen Abständen. Biegung, Knickung, Verquetschung 
mit Verschiebung und Verwerfung bilden auf diese Weise oft eine zusammen- 
hängende Reihe von Erscheinungen, in welche nirgends eine scharfe Grenze gelegt 
werden kann. Ein und dieselbe Falte ist an der einen Stelle eine Falte, an einer 
anderen eine Verwerfung. Falte und Verwerfung sind qualitativ oft lange nicht 
so verschieden, als man gewöhnlich annehmen zu müssen glaubt. 

Eine reine Verwerfung ohne Umknickung der Ränder entsteht nur dann, 
wenn eine Spalte schon sich fertig gebildet hat, bevor die Niveauschwankungen 
eintreten oder wenn die Niveauschwankung mit erdbebenartiger Erschütterung plötzlich 
wirkt und das Gestein leicht brüchig ist; — wir wollen sie Spaltenverwerfung 
nennen. Wenn aber die faltenden Kräfte nicht schon eine Spalte an der betreffen- 
den Stelle vorfinden, so muss fast immer erst eine Faltung entstehen, die nur durch 
Schärfe der Biegung und Uebertreibung derselben allmälig in Knickung, in Falte 
mit verquetschtem Mittelschenkel und hernach in Verschiebung mit Rutschstreifen 
übergeht, und durch gänzliches Auswalzen des Mittelschenkels zur Verwerfung 
wird; — dies ist die Faltenverwerfung. Verglichen über diese Erscheinung I. Theil, 
mechanische Erklärung der Doppelfalte S. 220 bis 223. 

Bei der gewöhnlichen Faltung finden wir einen Mittelschenkel mit umge- 
kehrter Reihenfolge der Schichten, bei der zur Verwerfung übertriebenen Falte ist 

m 

dieser durch Auswalzen und Verquetschen sehr reducirt und stückweise, oder sogar 
auf der ganzen der Beobachtung zugänglichen Linie vollständig verschwunden, so 
dass in diesem letzteren Falle aus der blossen Erscheinung nicht erkannt werden 
kann, ob wir es mit Spaltenverwerfung oder mit Faltenverwerfung zu thun haben. 
Fig. 14 in Taf. XV stellt die Uebergänge von einer Falte in eine Faltenverwer- 
fung dar. Genau das Gleiche, welches wir im kleinsten Maassstabe oft beobachten, 
finden wir bei den grossen, Ketten bildenden Falten. Beispiele für Faltenverwer- 
fungen im Kleinen enthalten die Figuren 17 und 18 Taf. XIV und 8 Taf. XV. 
Mancher Streit, der schon darüber gefochten worden ist, ob gewisse Dis- 



Spaltenverwerfungen und Faltenverwerfungen. 45 

locationcn Falten oder Verwerfungen seien, lässt sich dahin auflösen, dass wir es 
mit Faltenverwerfungen zu thun haben, bei welchen am einen Orte die Faltennatur, 
am anderen die Verwerfung mehr in den Vordergrund tritt. Wo immer wir 
zwischen den beiden in ihrer gegenseitigen Stellung dislocirten Schichtmassen an 
irgend einer Stelle Spuren eines verquetschten Schichtkörpers mit umgekehrter 
Reihenfolge der Schichten finden, kann keine reine Spaltenverwerfung vorhanden 
sein, sondern es ist eine Faltenverwerfung. Escher sprach in solchem Falle von 
„verquetschter Falte." Ein ausgezeichnetes Beispiel hierfür, auf das wir nur vor- 
übergehend hinweisen wollen, das aber einer eingehenden Untersuchung auf seiner 
ganzen Länge werth wäre, bildet die Ueberlagerung des innersten Molassenkammes 
durch den ersten äussersten Kreidekamm am Nordrande der Alpen. Zwischen 
Speer und Mattstock ist der umgekehrte Mittelschenkel in mehreren Schichten sehr 
deutlich erhalten (von Escher zuerst aufgefunden), er enthält dort sogar noch Mo- 
lasseschichten. Es wird dadurch wahrscheinlich, dass die Nagelfluh am Speer über 
sich selbst theilweise übergekippt doppelt liegt. In der Rigigruppe (verglichen 
Kaufmann, Beiträge zur geol. Karte der Schweiz Lieferung XI) .hingegen ist der 
Mittelschenkel viel unvollständiger erhalten, er betrifft meist nur die eocenen Ge- 
bilde, die miocene Nagelfluh berührt ihn discordant, und es kann nicht sicher 
nachgewiesen werden, ob dieselbe einfach liegt, oder ihre oberen Schichten als 
übergekippte Unterlage angesehen werden müssen. Eine gewisse Discordanz der 
Nagelfluhschichten zu den älteren mag indessen ursprünglich durch Anlagerung ent- 
standen sein, indem die Nagelfluh eine Uferbildung ist. Mit der Annahme einer 
Spaltenverwerfung reichen wir zur Erklärung nicht aus. Wenn wir an ihre Stelle 
mehrere setzen, so gelangen wir abermals nur an einer anderen Stelle mit der 
wirklichen Erscheinung in Widerspruch. Einzig die Falten Verwerfung in ihren ver- 
schiedenen Graden der Ausbildung an verschiedenen Punkten ihrer Länge steht mit 
allen mir bekannten Erscheinungen im Einklänge. 

Weitere ausgezeichnete Beispiele für Faltenverwerfungen finden wir am 
Profil vom Walensee nach dem Leistkamm (Taf. XIII Fig. 13), ferner von Näfels 
und Netstall an den Rautispitz, am Nordabhang des Drusberges, am Südabhang 
des Schächenthales (Profile V, VII und VIII) etc. 

Dass bei Faltenbildung einzelne Schenkelstücke von Schichten gänzlich ver- 
quetscht werden, oder bei spröderen Materialien zerreissen, dann bei fortschreitender 
Faltung zurück bleiben und nur noch in einzelnen Fetzen vorhanden sind, ist eine 



46 Die Erscheinungen bruchloser Umformung. 

sehr häufige Erscheinung scharfer Falten. Bei zahllosen Profilen ist die Reihen- 
folge der Schichten auf beiden Seiten der innersten Linie oder der jüngsten Schicht 
einer eng gepressten Mulde oder eines Gewölbes keine vollständige symmetrische, 
sondern einzelne Schichten oder ganze Schichtencompiexe fehlen auf der einen oder 
anderen Seite. An den Umbiegungsstellen ist häufig die Reihenfolge der Schichten 
etwas vollständiger, als an den Schenkeln. Es ist wohl in den meisten Fällen 
unrichtig, anzunehmen, dass dies Folge von Erosion vor dem vollständigen Schluss 
der Falte sei, denn so scharfe Falten können sich ohne in mächtige Bergstürze 
mit unregelmässiger Durcheinanderwürfelung des Materiales sich aufzulösen nur 
unter Bedeckung mit Material bilden. Dies gilt noch in besonderem Grade für 
schief oder gar flach übergelegte Falten. 

Wir lassen noch einige Beispiele für das ganze oder theilweise Fehlen oder 
Verquetschen von Schichten im Mittelschenkel scharfer Falten folgen. Nach unserer 
Ansicht ist in den meisten Fällen dieses Fehlen ein Zurückbleiben durch Zerreissen 
oder Auswalzen während der Faltung selbst, hat also rein mechanische Ursachen, 
und kann im tiefen Inneren einer Gebirgsmasse eintreten. 

Die südlichere Kalkzone des Brigelserhornes ist an dem Nordschenkel viel 
vollständiger als am Südschenkel, an welch letzterem Hochgebirgskalk an Röthikalk 
grenzt, während brauner Jura, Lias, Quartnerschiefer fehlen. Aehnliche Verquet- 
schungen zeigen sich am Westabhang, wo sogar der Hochgebirgskalk stellenweise 
in directe Berührung mit Verrucano und Puntaiglasgranit kommt. 

Bei der Windgällen-Falte finden wir den Lias durch schwarze Schiefer 
unten am Gehänge fast immer vertreten, im oberen zurückgefalteten Theil fehlt 
diese leicht verquetsch bare Schichtenmasse meistens, während die festeren Kalke 
des braunen Jura, freilich mit Anzeichen von Streckung, die Umfaltung ausge- 
halten haben. 

Während es in den genannten Fällen ganz unnatürlich wäre, das Ausbleiben 
von einzelnen Schichttheilen auf ursprüngliches Fehlen oder alte Erosion zurück- 
fuhren zu wollen, wird die Antwort viel schwieriger, wenn eine bestimmte Schicht 
auf viel grösserer Ausdehnung nicht vorhanden ist, wenn an den Grenzen des Vor- 
kommens keine Streckungen oder Quetschungen sichtbar sind, und wenn nicht 
nachgewiesen werden kann, dass rings um die Schichtlücke herum die Facies un- 
verändert die gleiche ist, wie in grösserer Entfernung. Dass am Nordabhange des 
Schächenthales und bis gegen den Blackenstock westlich der Reuss die Kreidefor- 



Faltenver werfungen. 4 7 

mation vollständig fehlt und dort Eocen mit oberem Jura und sogar mit Unter- 
jura und VeiTucano in unmittelbare Berührung kommt, ist nachweisbar (verglichen 
die Profile VIII, VII und V) Folge des Faltungsprozesses. Wir befinden uns hier 
im Ostausläufer der Nordhäifte der grossen Doppelfalte. Dass aber auf der Süd- 
seite des Schächen am Nordabfall der Windgällen, am Gross-Ruchen, Scheerhorn 
und den Clariden die Kreide entweder ganz fehlt oder nur sehr schwach vertreten 
ist, wage ich kaum auf mechanisches Zerreissen oder Verquetschen durch den Fal- 
tungsprozess zurückzuführen. Die gleiche Erscheinung setzt sich übrigens noch 
weiter fort, indem auch im Berner Oberland Eocen und weisser Jura sich berühren. 
Dass zur Kreidezeit hier Festland war, ist nicht anzunehmen, indem die Kreide- 
schichten in der Nähe dieser Kreidelücken, soweit die Beobachtungen reichen, 
nirgends die pelagische Facies in Uferfacies verändern. 

Am Piz Dartgas, am Crap Surschein und im ganzen übrigen Theil der 
Glarner-Doppelfalte (Profile XII bis XVIII und XX) sind an der Nordhälfte wie 
an der Südhälfte die Mittelschenkel sehr stark verquetscht. Der Hochgebirgskalk 
ist von 450 Meter Mächtigkeit auf wenige Meter reducirt, die Kreide fehlt oft 
ganz, ebenso fehlen sehr oft die unterjurassischen Schichten und der Röthikalk, 
während sie am Gewölbeschenkel der Nordfalte und auch an demjenigen der Süd- 
falte und endlich, wie der Grund des Calfeuserthales, der Flimserstein einige Stellen 
südlich oberhalb Elm," die Baumgartenalpen am Kistenpass und die Thalmulden 
südlich von Vorab und Bündtnerbergfirn zeigen, in den Muldenschenkeln vollzählig 
vorhanden sind. An den zuletzt genannten Lokalitäten besteht der ganze Mittel- 
schenkel nur noch aus Verrucano, der auf normal gelagerter Kreide überschoben 
liegt. (Verglichen I. Theil Abschnitt IV, besonders S. 223 bis 227.) 

In der Kette der Rigihochfluh findet sich eine eocene Mulde, auf deren 
südlicher Seite der Schrattenkalk fehlt und die eocenen Gebilde die untere Kreide 
(Neocomien) berühren. Wir haben schon oben die Gründe angegeben, warum wir 
Kaufmann auf S. 186 bis 189 (Beiträge etc. Lieferung XI) nicht zustimmen 
können, wenn er Erosion an der Oberfläche der entstehenden Mulde zur Erklärung 
herbeizieht. 

Ein ausgezeichnetes Beispiel von Verquetschung des Mittelschenkels, die bis 
zur Faltenverwerfung sich entwickelt, ist die nördlichste Falte des Kettenjura auf 
der Grenze von Ketten- und Plateaujura. Sie beginnt am Bötzberg, und setzt bis 
an den Mont terrible durch. Der Streit der Geologen darüber, ob dies eine Falte 



48 Die Erscheinungen brachloser Umformung. 

oder eine Verwerfung sei, hat seinen Grund darin, dass bisher das Wesen der 
Faltenverwerfung fast ganz übersehen worden war. 

Wir haben uns hier hinreissen lassen, schon einen Blick über die Aufgabe 
dieses Abschnittes hinaus zu werfen. Es bleibt eben jede Abtheilung in Abschnitte 
eine künstliche, und wir müssen zeitweise über die Grenzen greifen, um nicht der 
Natur mit unseren Abschnitten Gewalt anzuthun. 

Diejenigen Fälle, um auf unsere Differentialuntersuchung von Faltung durch 
äusseren Druck und durch innere Quellung zurückzukommen, wo gefaltete Schichten 
an den Schenkeln so dick oder lokal noch dicker sind, als an den Punkten der 
scharfen Umkrümmung, sind in den Alpen äusserst selten. Sie lassen sich meistens 
auf ursprünglich sehr ungleiche Mächtigkeit der betreffenden Schichten an verschie- 
denen Stellen, oder auf wesentliche Cohäsionsunterschiede zurückfuhren, oder sie 
können auch dadurch bedingt sein, dass im Laufe der Zeit die Richtung des Ma- 
ximaldruckes und das Faltensystem ihre gegenseitige Lage verändert haben. Die 
Beispiele der letzteren Art, welche ich bisher gefunden habe, lassen indessen noch 
Zweifel zu. Ich bin nicht im Stande, einen klaren Fall von Faltenschenkeln, die 
dicker als die Umbiegungsstellen wären, anzuführen; wenn solche vorkommen, sind 
sie jedenfalls ganz lokale Folgen lokaler Ursachen. 

Wir fassen unsere Beobachtungen zusammen in 

D*as 5. Gesetz der Erscheinung: 

~* tr ' ' " ' \ ' ~ j Bei den mit der Gebirgsbädung in Verbindung stehenden grossen und kleinen 

"'*)'. y //Falten sind die Schichten an den Schenkelstücken der Falten dünner, an den Um- 

■ /'>-'/ ^<^+jU£eJ)ie{Jungsstücken dicker. 

4F~j?/ fjt* Der einzige sichere Fall, wo Fältelung durch Volumzunahme der Schichten 

\ ,*. . ^ & entstanden ist, betrifft Anhydritschichten, die in Gyps übergegangen sind. Besser 

\\ ..*/ als Worte mag die Abbildung Fig. 19 Taf. XIV eines entsprechend gefältelten 

Stückes, aus Derbyshire stammend, das der Sammlung des Polytechnikums gehört, 
zeigen, wie ganz entgegengesetzt sich hier die Erscheinung gestaltet. An Stelle 
einer einheitlichen Fältelung des ganzen Schichtensystemes tritt die absolute Unab- 
hängigkeit und Verschiedenheit der Faltenweite bei den einzelnen gequollenen 
Schichten. Die Schenkel der zickzackformigen Falten sind dick, wir erkennen hier 
auf den ersten Blick das Angeschwollene in den Formen. Volumzunahme könnte 
offenbar nur dann den gewöhnlichen, durch Druck von Aussen entstandenen Falten 



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Die Alpenfalten sind Passivfalten. 49 

ähnliche Formen erzeugen, wenn sie nur in der Richtung der Schichtebene ein 
Wachsen der Schichte erzeugen würde, ohne die Dickedimension zu verändern. 
Eine solche ist aber unbekannt und wahrscheinlich unmöglich. 

Die Fältelung von Gyps ist eine im Ganzen seltene Erscheinung, welche 
nur diesem Materiale in höherem Grade zukommt, und nirgends eigentlich gebirgs- 
bildend auftritt. Die anderen Volumveränderungen der Gesteine durch chemische 
Umwandlungen oder Krystallisationsprozesse sind im Allgemeinen, so weit sie nicht 
bloss kühne Hypothesen sind, viel zu unbedeutend, um Fältelung zu erzeugen. 

Immer ist an der Gestalt der Falten mit vollständiger Sicherheit zu erkennen, 
ob diese die Folge von Volumzunahme, d. h. einer Kraft seien, welche in dem 
Material selbst liegt, oder ob sie von einer von aussen herantretenden mechanischen 
Kraft, welcher gegenüber das Material passiv sich verhält, gebildet worden sind. 

Unser 5. Erscheinungsgesetz kennzeichnet die Schichtungsfalten der Alpen 
als ganz bestimmt charakterisirte Passivfalten. Es ergibt uns somit das Resultat, 
dass die Schichtenfaltungen der Alpen durch von Aussen herantretende 
mechanische Kraft erzeugt worden sind und die Schichten ursprünglich als 
im Allgemeinen eben gedacht werden müssen. 

Ich habe mir eine Sammlung von Dünnschliffen durch mechanisch umge- 
formte Gesteine angelegt, und will hier die Resultate mittheilen, welche deren 
mikroskopische Beobachtung mir bisher geliefert hat. IcH gedenke die Sammlung 
allmälig zu erweitern, und hoffe auf diese Weise später einen besseren Einblick in 
die mechanische Gesteinsumformung zu gewinnen. 1 ) 

Eine Reihe von Dünnschliffen durch die schon oben beschriebenen auf 
Taf. XIV Fig. 16 und 17 abgebildeten Falten zeigten sehr auffallend das ungleiche 
Verhalten von einem mikrokrystallinisch-körnigen Gestein (Dolomit) und dem plasti- 
scheren feinschiefrigen talkigen Thonschiefer. Die Figuren 7, 8 und 9 Taf. XV 
stellen einzelne Partien aus diesen Dünnschliffen dar. 

Der dichte, unter dem Mikroskop (wie auch die Abbildung angibt) körnige 
Kalkstein und Dolomit ist bald homogen gebogen, bald gerissen. In diesem Falle 
gehen jedoch die Risse nur selten durch die ganze Schicht hindurch, so dass die 
Krümmung meistens keinen Bruch erleidet; selbst die am schärfsten gebogene Schicht 



') R. Fu688 in Berlin hat von meinen besten Präparaten angefertigt und kann wohl noch einzelne 
ähnliche abtreten, indem ich ihm noch Material überlassen habe. 

7 



50 Mikroskopische Untersuchung umgeformter Gesteine. 

ist nicht in Brocken gebrochen, die Continuität ist nirgends aufgehoben. Die Zer- 
reißungen setzen grösstenteils an den äusseren, am stärksten gestreckten Lagen 
der gebogenen Schichten an, und gehen dann radial mehr oder weniger tief (bis 
zu V 3 °der 5 /e) * n das betreffende Schichtchen hinein (vergl. XV Fig. 7). Sie 
zeigen bei genügender Vergrösserung keinen scharfen Spaltenriss, sondern in ihrer 
Nähe lockert sich das krystallinisch-körnige Gefüge, die Körnchen sind etwas aus- 
einandergezogen, und die vollständige Trennung folgt endlich den unregelmässigen 
Umgrenzungsformen der Körner, ohne jemals solche selbst in zwei Theile zu zer- 
trümmern. Alle mikrokrystallinisch-körnigen Kalke und Dolomite, 'die ich bisher 
untersucht habe, verrathen eine verhältnissmässig ziemlich grosse Biegsamkeit. Die 
körnige Structur, so spröde die Masse im Grossen erscheint, gibt ihr doch eine Art 
Gelenkigkeit, entsprechend derjenigen, welche das Gletschereis durch seine Korn- 
structur erhält. 1 ) Es sind durch die Körner, wo sie nicht allzufest miteinander 
verwachsen sind, die mechanischen *Bewegungseinheiten schon abgegrenzt, und es 
kann deshalb ein gewisses Maass von Umformung durch Stellungsveränderung der- 
selben eintreten, ohne dass Risse sich bilden müssen. Risse aber, welche entstehen, 
können oft ziemlich rasch endigen, indem sie sich in einer leichten Lockerung des 
Korngefüges erschöpfen. Die genannten, zahlreichen, zur Umbiegung radial gestellten 
Risse sind oft so fein, dass sie dem blossen Auge, selbst manchmal mit Hülfe 
einer gewöhnlichen Loupe nicht wahrnehmbar sind. Häufig sind sie mit keinerlei 
Mineralmaterie angefüllt. Dass, gerade so wie bei Gletschern und wie bei Ver- 
suchen, in welchen Eis durch enge Oeffnungen ausgequetscht wird, auch hier manche 
dieser im Innern mechanisch entstandenen Lücken anfangs luftleer gewesen sind, ist 
mir sehr wahrscheinlich, wird aber kaum durch directe Beobachtung nachgewiesen 
werden können. Um eine bessere Vorstellung von der Häufigkeit solcher feiner 
Risse und Gefugelockerungen zu geben, will ich ein Beispiel auffuhren. Bei der 
sehr regelmässigen Umbiegung von einem von Auge dichten Dolomitschichtchen 
von 1 Mm. Dicke, bei 1,2 Mm. innerem und 2,2 Mm. äusserem Krümmungsradius 
zählte ich auf je 1 Mm. äusserer Bogenlänge durchschnittlich 3 kleine Radialrisse. 
Aehnliches lässt sich auch in Fig. 7 Taf. XV ersehen. 

Bei meinen sämmtlichen derartigen Präparaten erkennt man auf den ersten 
Blick, dass diese Radialklüftchen, wie wir sie mikroskopisch in sprödem Kalkstein, 



l ) Vergl. meinen Aufsatz „über Gletscher", Poggendorfifs Annalen Ergänzungsband V, 1870, III 
S. 42, und ferner Jahrbuch des Schw. Alpen-Club Bd. VIII „Ueber die Theorie der Gletscherbewegung." 



Mikroskopische Zerreißungen bei Biegungen. 51 

Dolomit etc. finden, lange nicht genügen, um die Biegung zu erklären. Bei vielen 
Schichten des gleichen Materiales, die nur etwas weniger scharf umgebogen sind, 
fehlen sie sogar oft ganz. Es war mir ferner bisher an meinen Präparaten un- 
möglich, einen Structurunterschied der inneren Theile eines Kalk- oder Dolomit- 
schichtchens — z. B. feineres gedrängteres Korn — im Vergleich mit den äusseren 
Partien der Biegung wahrzunehmen. Ebensowenig Hessen die sichtlich schmal 
gequetschten Mittelschenkel der Fältchen im Vergleich zu den Umbiegungsstellen 
irgend welchen wesentlichen Structurunterschied erkennen. Wenn auch hierfür 
vielleicht meine Schliffe nicht immer dünn genug sind, so genügen sie doch voll- 
ständig, um zu sehen, dass ein Structurunterschied, — eine Lückenhaftigkeit des 
Korngeflechtes auf deT einen Seite gegenüber dichter Gedrängtheit auf der anderen — 
lange nicht in dem Maasse vorhanden ist, und dass die durch die Kornstructur 
bedingte Gelenkigkeit lange nicht ausreicht, um die starken Biegungen zu erklären. 
Wir treffen somit hier bei der mikroskopischen Untersuchung genau auf die 
gleiche Erscheinung, die wir in riesigen Dimensionen schon früher kennen gelernt 
haben. Die Umformungen im Kleinen entsprechen den Umformungen im Grossen, 
es bedurfte nur einer höheren lokalen Kraftintensität, um sie in solcher Feinheit 
durchzuführen, dass sie im Gesichtsfelde eines Mikroskopes erscheinen können. Wir 
können sie auffuhren als 

Das 6. Gesetz der Erscheinung: 

Die mikroskopisch nachgewiesenen Klüftchen und Gefügelockerungen genügen 
trotz ihrer Häufigkeit ebensowenig, die Umbiegungen zu erklären, als die grösseren Spalten. 

Hierdurch werden wir zu der Folgerung gezwungen, dass ein grosser Theii 
der Umformung der Gesteine nothwendig auf Rechnung von wirklicher Plasti- 
cität des Materiales gesetzt werden muss. Wir betonen, dass wir absichtlich die 
Untersuchung an einem Materiale durchgeführt haben, das zu den am wenigsten 
plastischen gehört, nämlich an thonfreiem dichtem Kalkstein und Dolomit. Es ist 
selbstverständlich, dass weitere mikroskopische Untersuchungen eine grössere Mannig- 
faltigkeit dieser Erscheinungen ergeben werden, als wir sie bis jetzt kennen. Viel- 
leicht werden auch Fälle entdeckt, wo die vorhandenen Umformungen annähernd 
genügend durch Zertheilung erklärt werden, allein unser obiger Beobachtungssatz 
wird dadurch nicht umgestossen. Wenn auch nur in einzelnen Fällen auf die 
Plasticität geschlossen werden muss, so ist dadurch überhaupt dargethan, dass diese 



52 Mikroskopische Untersuchung umgeformter Gesteine. 

Gesteine plastischer Umformungen unter gewissen Umständen fähig sind. Da aber 
nicht anzunehmen ist, dass ich in allen meinen Präparaten lauter Ausnahmen ver- 
treten hätte, so ist es wahrscheinlicher, dass die oben mitgetheilten Beobachtungen 
den gewöhnlichen Verhältnissen entsprechen. 

Wir setzen die mikroskopische Untersuchung der umgeformten Gesteine fort : 
Wo ein System dünner Kalk- oder Dolomitschichten, vielleicht mit anderen 
Schichten wechsellagernd, enge gefältelt ist, entdeckt man, von freiem Auge oft 
nicht sichtbar, an den Umbiegungsstellen klaffende Schichtfugen (Taf. XV Fig. 7 und 8). 
Schichten eines gefältelten Systemes, die aus einem plastischen und nicht 
mikrokrystallkörnigen Materiale bestehen, sind leicht innerhalb einer grösseren Falte 
zu ganz kleinen unregelmässigen scharfen Biegungen, die den Charakter von 
Knickungen und Faltenverwerfungen annehmen, geneigt. Manche scheinbar gleich- 
förmige Krümmung aus plastischen Materialien löst sich unter dem Mikroskop in 
eine aus lauter kleinen Faltenverwerfungen zusammengesetzte Zickzacklinie auf, 
während begrenzende Kalkstein- und Dolomitschichten eine einheitliche schöne 
Krümmung bewahren. (Vergl. die Thonschieferschichten zwischen den dolomitischen 
im Dünnschliffbild Taf. XV Fig. 7, 8 und 9, ferner Fig. 11.) Es sind hierbei 
alle möglichen Zwischenglieder von wellenförmigen Schichtbiegungen durch scharfe 
Biegungen bis zu ächten Faltenverwerfungen mit bedeutender Verschiebung an den 
verschiedenen Stellen wahrzunehmen (Fig. 7 und 8). Oft zählt man 4 bis 5 solche 
kleine scharfe Fältchen auf einen Millimeter des ganzen grösseren Schichtenbogens. 
Die Mikrofaltenverwerfungen haben eine Verschiebungsweite von l /i bis zu 2 Milli- 
meter. Oft steigt dieser Betrag noch bedeutend höher, ist dann aber nicht mehr 
sicher abzumessen. Die Mikrofaltenverwerfungen sind jedoch nicht an der umge- 
bogenen Stelle am stärksten ausgebildet, sie erlangen ihren Höhepunkt an beiden 
Schenkeln zu der Seite der Umlegungsstelle, während an der letzteren mehr nur 
wellenförmiger Schichtenverlauf vorkommt. Zu beiden Seiten gegen die Schenkel 
hin beherrschen die Verwerfungslinien das Bild (Taf. XV Fig. 7 und 8). Die 
Reste der Schichtung zwischen denselben sind nur bei starker Vergrösserung noch 
ganz sicher in ihrem S-förmig gekrümmten Verlauf zu erkennen, und liegen sym- 
metrisch auf beiden Seiten der Mittellinie der ganzen Umbiegung. Die Verwer- 
fungslinien zeigen nach beiden Schenkeln hin die Tendenz, dieser Mittellinie parallel 
sich zu stellen, und schneiden deshalb die Biegungsschenkel unter schiefem Winkel, 
sie lassen sich mit scharfer Loupe auf frischem Bruche als Rutschspiegel erkennen. 



AusweichungB-Clivage. 53 

Diese Faltenverwerfungslinien sind Flächen starker Differentialbewegungen, welchen 
entlang durch Verschiebungen das plastische Material von den Mittelschenkeln, wo 
es gequetscht wurde, gegen die Umbiegungsstellen auswich, und dort hinströmend 
sich anhäufte. An einzelnen ausgeprägten Schichtungslinien zwischen diesen Ver- 
schiebungsflächen lässt sich sehen, dass in einzelnen Fällen sogar die seitlicher ge- 

m 

iegenen Schichtstüc^p weiter nach der Umbiegungsstelle vorgeschoben worden sind, 
als die innerhalb gelegenen, obschon die ersteren ursprünglich weiter zurück lagen, 
als die letzteren. Im Allgemeinen ist aber die Anordnung der Art, dass das Zu- 
strömen durch Faltenverwerfung von sich schief zur Schichtung abtrennenden Par- 
tien in der Nähe der Umbiegungsstelle begonnen hat, um von da an, sich steigernd, 
immer weiter nach den äusseren Schenkeln einzutreten (verglichen XV Fig. 8 und 
das Schema dazu). So ist also die Schichtung gebrochen, und statt derselben finden 
wir nun Verschiebungsflächen. 

Wo nicht nur dünne einzelne Schichten, sondern grössere Mengen von solch 
plastischerem Materiale in entsprechender Weise gequetscht werden, entsteht ein 
dichtes flasriges Gewebe von zahlreichen solchen Verschiebungen. (XV Fig. 9.) Die 
ganze Gesteinsmasse wird nach denselben spaltbar, während die Spaltbarkeit, welche 
den nun ganz in Stücke zerschnittenen und verschobenen Schichten entspricht, 
nahezu oder vollständig verschwinden kann, und die Schichtung nur noch an petro- 
graphischem Wechsel stückweise erkenntlich bleibt. Es ist auf diese Art eine 
echte „Transversalschief erung / ein „Clivage, u d. h. eine Schieferung, welche die 
Schichtung schneidet, entstanden. 

Dieses Clivage ist durch Ausweichungen in Richtungen senkrecht auf den 
Maximaldruck entstanden. Seine Fugen sind Rutschflächen von flasriger, oft von 
Auge nicht erkennbar feiner Anordnung. Die zwischen denselben liegenden, ganz 
flach linsenförmigen Gesteinspartien haben sich übereinander verschoben, und die 
echte alte Schichtung ist dadurch im Einzelnen unkenntlich geworden (vergl. XV 
Fig. 11). Wir haben schon im Kapitel B dieses Abschnittes der Gesteine erwähnt, 
welche von einem Netz von Rutschflächen in flache scharfkantige Stücke zertheilt 
sind. Wird dies Netz immer dichter, wie dies intensivere Kräfte zu leisten ver- 
mögen, so wird die Zertheilung immer feiner, die Rutschflächen paralleler, die Ge- 
steinsstücke dazwischen flacher und scharfkantiger, flach linsenförmig, und endlich 
so klein, dass wir sie von Auge nur noch als sehr feine Schuppen erkennen können 
— es ist Clivage entstanden. Solche Uebergänge von Rutschflächennetzen in Cli- 



54 Die Transvenabchieferangen. 

vage können stellenweise beobachtet werden wenn man eine thonige Schicht gegen 
eine Steile hin verfolgt, wo sie fast zerquetscht wird. 

Wir können diese durch Anhäufung von Verschiebungen entstandene Art 
von Clivage, die besonders den plastischeren Gesteinsarten anzugehören scheint, als 
Ausweichungselivage bezeichnen. 

Das 7. Gesetz der Erscheinung: 

Durch Anhäufung von Verschiebungen, welche aus Meinen Fäitchen hervor- 
gehen, kann, besonders in plastischeren Oesteinen 7 eine sehiefrige Struetur, das Aus- 
weichungselivage, entstehen. 

Eine zweite Art von Clivage liess sich unter dem Mikroskope bei starker 
Yergrösserung an festeren Materialien, an Kalksteinen und dolomitischen Kalksteinen 
nachweisen. Hier ist keine Spur von Verschiebungen, die aus Falten Verwerfungen 
hervorgegangen sind, zu finden, wohl aber sind alle einzelnen kleinsten zu 
erkennenden Formelemente in der gleichen Richtung flach gequetscht, ohne an- 
einander sichtbar verschoben zu sein. Hier ist also gewissermassen jedes mechanisch 
kleinste Theiichen von Clivage betroffen, während beim Ausweichungselivage inner- 
halb etwas grösserer flach linsenförmiger Gesteinsschuppen die Mikrostructur unver- 
ändert bleibt. Man könnte diese Art von Clivage, weil sie die kleinsten mikro- 
skopisch wahrnehmbaren Elemente betrifft, Mikroclivage nennen. Auch hier findet 
ein seitliches Ausweichen statt, allein kein solches, welches starke Differentialbe- 
wegungen benachbarter Theile erzwingt, sondern die ganze Masse bleibt in höherem 
Maasse eine mechanische in der Richtung einer bestimmten Ebene sich dehnende 
Einheit. Dünnschliffe aus Hochgebirgskalk, parallel der Ebene, in weicher Petre- 
facten, z. B. Belemniten liegen (es ist dies meistens zugleich die Schichtebene) 
zeigen bei starker Vergrösserung ein gleichförmig rundliches Krystallkorn, wenn 
gleichzeitig an den eingeschlossenen Petrefacten das Fehlen von Streckungs- oder 
Quetschungsphänomenen nachweisbar ist. Fig. 10 Taf. XV hingegen stellt einen 
Dünnschliff parallel der Schieferung von einer Kaiksteinplatte dar, in deren Ebene 
der Taf. XIV Fig. 4 abgebildete zerrissene Belemnit lag (Meyenthal). Hier ist nicht 
nur senkrecht zur Schieferebene, sondern auch in der Schieferebene selbst die Aus- 
bildung keine gleichförmige mehr, es sind alle kleinsten Krystallkorn er in der 
Streckungsrichtung des Belemniten ebenfalls gestreckt, jedoch ohne die geringsten 
Zerreissungen. Die Körner, die früher höchstens in der Schichtebene etwas lamellar 



Mikroclivage. 55 

oder tafelartig waren, ßind jetzt linear gestreckt. Dadurch entsteht eine sehr feine 
Structur, welche allerdings in den von mir bis jetzt untersuchten Fällen sich nicht 
so auffallend als Schieferung beim Zerbrechen kund gibt, wie das Ausweichungs- 
clivage, doch immerhin fühlbar wird. Auch dieses Mikroclivage entsteht in früher 
homogenem Material immer senkrecht zum Maximaldruck, ist aber unabhängig von 
der Lage der Schichtung, und tritt dadurch oft in Richtungen auf, welche die 



Schichtung schneiden. So z. B. habe ich diese Structur als, echtes Clivage in 
thonfreiem Hochgebirgskalk an den Biegungen im Gebiete des Thierfehd (Linththal) 
senkrecht zur Lage der Schichten gefunden. Immer fallt die Schiefer ungsrichtung 
mit der Streckungsrichtung der Petrefacten zusammen, wo solche vorhanden sind. 
Enthält ein Gestein, welchem diese Mikrostructur aufgepresst wird, einzelne festere 
widerstandsfähige Körner, so müssen sich die anderen um dasselbe herum der Art 
anschmiegen, dass ein mit Fluidalstructur zu verwechselndes Bild entsteht (ver- 
glichen XV Fig; 10). Das gleiche ist der Fall rings um die festen Beiemniten- 
rostra, welche in plastischerem Gesteine liegen (Taf. XV Fig. 6, b). 

Vielleicht aber müssen die flachen Calcitkörner bei Kalksteinen wie Fig. 10 
sie darstellt, nicht als die früher rundlichen, nun flachgequetschten Körner ange- 
sehen werden, sondern sie könnten zu mehreren durch flache Zerreissungen aus 
einem rundlichen ursprünglichen Korne entstanden sein? Diese Frage zu prüfen 
brachte ich meine Präparate bei starker Vergrösserung in polarisirtes Licht. Ent- 
sprechend den verschiedenen Axenlagen der verschiedenen Körner müssen dieselben 
verschiedene Farben ergeben, und das ganze Bild einem buntfarbigen Mosaik ent- 
sprechen, vorausgesetzt dass der Schliff dünn genug ist, um zu verhindern, dass 
die Wirkungen mehrerer Körner sich decken. Was zu ein und demselben Krystall- 
korn gehört, muss tnit der gleichen Farbe erscheinen, da an eine ungleiche Drehung 
nebeneinander gelegener Bruchstücke desselben Kornes bei dieser Art des Inein- 
andergreifens gar nicht zu denken ist. Nun zeigte sich jedes gestreckte Theilchen 
als ganz selbstständiges Korn mit eigener, von den angrenzenden verschiedener 
Farbe. Innerhalb jedes durch eine Farbe in seinen Umrissen genau bezeichneten 
gestreckten Kornes waren in der Regel keine zertheilenden Risse zu finden. Ich 
vermag diese Beobachtungen nicht anders zu deuten, als dahin, dass hier in Wirk- 
lichkeit alle Calci tkörnchen ohne zu zerbrechen platt gedrückt worden sind. Ich 
kann wenigstens nirgends weder einen Bcobachtungsfehler, noch eine Zweideutigkeit 
in Beobachtung oder Schluss entdecken. Dennoch ist die Untersuchung noch viel- 



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56 Die Transverealschiefemngen. 

fach zu wiederholen, denn ein so merkwürdiges Resultat bedarf eines oft wieder- 
holten Beweises. Die Frage, welchen Einfluss auf die optischen Eigenschaften der 
Mikrokry stallkörner eines Gesteines solche Umformung ausübe, bleibt noch ganz 
offen und kann kaum anders als durch Experimente entschieden werden. Sind die 
obigen Beobachtungen richtig, so haben wir dadurch bewiesen, dass im Material 
des Mikromineralkornes selbst eine Plasticität liegt — offenbar dieselbe, 
auf die uns schon frühere Beobachtungen (vergl. 6. Gesetz der Ersch.) immer hin- 
gewiesen haben. Weiter kann die mikroskopische Untersuchung nicht führen, denn 
das Mikromineralkorn ist für das Mikroskop meistens eine untheilbare Einheit. 

Das 8. Gesetz der Erscheinung:: 

*) 

Eine zweite Art von Transversalschieferung, das Mikroclivage, entsteht dadurch, 
dass alle Gesteinstheüchen in lamellare oder stenglige Form in der Ausweichungs- 
richtung , die meist senkrecht zur Maximaldruckrichtung steht, gequetscht werden. 

Je feiner das Netz der Versctuebungstrennungen im Ausweichungsclivage 
wird, und je mehr sich nach und nach die Quetschung auch über diejenigen Ge- 
steinsmassen verbreitet, welche zwischen den eigentlichen Verschiebungsflächen 
liegen, um so mehr bildet sich in der Masse zugleich Mikroclivage aus. Beide 
Arten von Clivage gehen ineinander über, oder durchdringen sich, da sie gleich- 
zeitig vorkommen. Ich habe Dünnschliffe, welche ein Clivage zeigen, das man 
stellenweise mehr zur einen, stellenweise mehr zur anderen Art rechnen möchte. 
Weitere mikroskopische Untersuchungen werden vielleicht noch weitere verschiedene 
Arten von Clivage kennen lehren. Denken wir uns das Gesteinsmaterial sehr weich 
und plastisch, so dass das seitliche Ausweichen immer ähnlicher dem Fliessen einer 
üssigen Masse wird, so geht unser Clivage allmälig in Fluidalstructur über. Schon 
oben ist auf die Aehnlichkeit von Mikroclivage mit Fluidalstructur hingewiesen 
worden. Es gibt in der That keine Grenze und keinen wirklichen mechanischen 
Unterschied zwischen beiden. Unter hohem Drucke, der die Cohäsion über- 
windet, verhalten sich eben, wie die Beobachtung zeigt, feste Körper wie 
Flüssigkeiten. 

Wenn in einer etwas plastischen Masse festere Stengelchen oder Lamellen 
(Blättchen, Tafeln etc., z. B. Minerale wie Glimmer, Chlorit, Talk, Hornblende) 
liegen, so wird jedes Ausweichen der Masse eine gesetzmässige Lagerung dieser 
Körperchen hervorrufen. Die Lamellen werden in die Flächen grösster Differential- 



Clivage durch Parallelismus lamellarer und stengliger Elemente. 57 

hewegungen gedreht. Es lassen sich leicht Experimente ausfahren, bei welchen 
diese Flächen sehr compiicirte Gestalt und zum Drucke ganz schiefe Stellungen 
haben 1 ) — in der Natur bei der Gebirgsbildung können wir aber meistens eine 
Maximaldruckrichtung angeben, zu welcher die Ausweichungsrichtung und dadurch 
auch die ebene CK vagefläche senkrecht steht. Dieser Fall wird im Experimente 
erhalten, wenn wir die noch unschiefrige Masse einfach unter der Presse quetschen. 
Wenn ein Lavamagma, in weichem schon Minerallamellen ausgeschieden 
sind, fliesst, so entsteht auf solche Weise eine Schieferung. Viele Eruptivgesteine 
zeigen diesem Vorgange entsprechende Uebergänge der massigen in schiefrige Struc- 
turen. Die Schieferung der krystallinischen Schiefer kann auf diese Art entstanden 
sein. Allein wir gebrauchen keinen Schmelzfluss, um die nothwendige Plasticität 
des Magmas, das die steiferen Lamellen enthält, herzustellen, vielmehr wird ein 
enormer Druck auch die längst vollständig erhärteten Sedimente, krystallinischen 
Schiefer wie Eruptivgesteine in ähnlicher Weise zu quetschen vermögen, so dass 
alle lamellaren Mineralpartikelchen sich parallel stellen müssen. Schon eine ganz 
geringe Formveränderung der Gesteinsmasse, ein unbedeutendes seitliches Aus- 
quetschen, wird, wie die Experimente bewiesen haben, 2 ) zu diesem Resultate fuhren. 
Man findet in der That sehr viele Sedimente, bei welchen eine Transversalschiefe- 
rung dadurch entsteht, dass die lamellaren und stengligen, oft mikroskopisch 
kleinen Mineralelemente parallel liegen. 

Das 9. Gesetz der Erscheinung: 

Eine dritte Art von Clivage entsteht dadurch, dass alle lamellaren und steng- 
ligen Mineralelemente in einem Gesteine parallel gestellt sind. 

Auch diese Art von Clivage kommt oft gleichzeitig mit den beiden ersten 
zusammen vor. 

Diejenigen Schieferungen, welche durch fliessende Bewegungen vor dem 
eigentlichen Festwerden eines Gesteines entstehen (bei Eruptivgesteinen etc.) be- 
zeichnen wir besser als Fiuidalstructuren, und nur diejenigen Schieferungen, welche 
am schon fest gewordenen Material wie die Biegungen durch nachträgliche mecha- 






l ) Z. B. beim Auspressen durch die engere Oeffnung eines Gefässes. 

*) Experimente sind von Sharpe, Sorby, Tyndall, Daubre*e mit Thon und Hammerschlagschuppen, 
mit Glasfluss nnd Hammerschlag, mit Thon und Glimmer etc., mit Blei und anderen Materialien ausge- 
führt worden. Verglichen ferner A. Heim toggendorffs Annalen Ergänznngsbd. V S. 57 etc. 

8 



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58 Die Transversalschieferungen. 

nische Umformung entstanden sind, als Clivage. 1 ) Um jeder Unsicherheit auszu- 
weichen, werden wir uns in unseren Untersuchungen über Clivage zunächst nur 
an die Sedimente halten. 

Eine gleiche Schieferung entsteht auch ursprünglich bei manchen, nament- 
lich klastischen Sedimenten, indem z. B. Glimmerblättchen sich wagrecht stellen. 
Diese Schieferung ist aber stets mit der Schichtung parallel, es ist keine Transver- 
salschieferung. Sie darf nicht mit den hier besprochenen, durch mechanische Um- 
formung entstandenen Schieferungen verwechselt werden. Wir schliessen sie als 
ursprüngliclie Schieferung von unseren Betrachtungen über Gesteinsumformung aus. 

Das Entstehen verschiedener Clivagearten durch mechanische Gesteinsum- 
formung ist zuerst im Grossen in der Natur durch englische Geologen, besonders 
durch Sharpe, Sorby, ferner Tyndall nachgewiesen und experimentei nachgemacht 
worden. Weitere Arbeiten über die Schieferung stammen von Daubrße. 2 ) Die 
Resultate stimmen mit unseren mikroskopischen Beobachtungen überein: 

I. Jeder Druck, welcher ein seitliches Ausweichen erzeugt, hat 
die Folge: 

1) Dass alle nach ihrer Cohäsion ungleichen Gesteinstheile senk- 
recht zur Maximaldruckrichtung in lamellare Form gequetscht werden. 

2) Dass alle schon in der Masse vorhandenen iamellaren und 
stengligen Theile sich mehr und mehr parallel einer Ebene stellen, 
welche senkrecht zur Maximaldruckrichtung steht. 

Dadurch entsteht schiefrige Structur. 

Ein allseitig gleicher Druck, der alle ausweichenden Bewegungen unmöglich 
macht, kann kein Clivage erzeugen. 

II. Die Richtung der Clivageschieferung ist unabhängig von der 
Lage der Schichten. 

Daubr^e hebt hervor, dass die Schieferung eine ganz allgemeine Erscheinung 
ist, welche gelegentlich in jeder Gesteinsart auftreten kann, und dass ein grosser 
Theil der Erdrinde von Clivage durchsetzt ist. Wir finden alle Uebergänge von 



l ) Daubree fasst beide zusammen, weil er offenbar annimmt, dass die geschieferten Gesteine zur Zeit 
der Ausbildung der Schieferung weicher waren, als jetzt In diesem Sinne ist für ihn die einzige Bedingung 
für ein (restein, um schiefrig zu werden, dass es in plastischem Zustande gepresst wurde, gleichgültig, ob Hitze 
oder Wasser die Plasticität bedingt habe. 

9 ) Bullet, de la Soc. geol. de France, avril 1677. 



Bisherige Resultate — aneigentliches Clivage. 59 

einer kaum merkbaren Spaltbarkeit des Gesteines in einer bestimmten Richtung bis 
zu einer Blätterung, die der Spaltbarkeit des Glimmers kaum nachsteht. 

Ausser dem Flächenclivage lässt sich stellenweise in den Gesteinen auch 
eine Linearstreckung, ein Linearclivage erkennen. 

Gesteine mit Transversalschieferung sind also immer gequetschte 
Gesteine. 

Wir haben diese Resultate hier nicht als Gesetze der Erscheinung num- 
merirt, weil sie schon früher von verschiedenen, besonders den oben genannten 
Forschern mit aller Klarheit aus den Beobachtungen und Experimenten abgeleitet 
und ausgesprochen worden sind. 

Viele Geologen haben eine ganz regelmässige plattenformige Durchklüftung, 
die zum Theii durch ganz andere primäre Ursachen, wie Erstarrungs- und Aus- 
trocknungscontraction, zum Theil ebenfalls durch auf grosse Massen gleichmässig 
wirkende wirkliche Streckung etc. entstanden ist, ebenfalls als Clivage bezeichnet. 
Hier haben wir es aber nur mit einer Zertheilung, nicht mit einer Structurverän- 
derung der Masse selbst zu thun. Man könnte dies als aneigentliches, oder Zer- 
Mi tftungscl ivage bezeichnen. Unter wirklichem Clivage verstehen wir immer eine 
Spaltbarkeit des Materiales, welche die ganze Masse durchsetzt und in jedem 
kleinen Bruchstück sichtbar ist. Oft kommen Clivage und Durchklüftung gleich- 
zeitig vor. Dass sie eine ganz verschiedene Erscheinung sind, ergibt sich dann 
auch dadurch, dass ihre Ebenen sich häufig unter steilem Winkel schneiden. Cli- 
vage entsteht senkrecht ajrf den Maximaldruck, Klüftung senkrecht auf den Maxi- 
.jnalzgg — hierdurch erklärt sich der Gegensatz in der Lage. 

An die mitgetheiiten Resultate über Clivage, zu denen die Geologen gelangt 
sind, reihen sich noch manche Beobachtungen an, die uns zu einem neuen Gesetz 
der Erscheinung alimälig überführen werden. 

M. Dufet ! ) fand in Hunaudi&re (Loire-InfiSrieure) alle Trilobiten im schiefrigen 
Gesteine gequetscht, während diejenigen, welche in harten nicht schiefrig gewor- 
denen Concretionsknollen stecken, alle ihre ursprüngliche Form bewahrt haben. 
Am Muveran hat Prof. Renevier sehr viele liasische Ammoniten gefunden, weiche 
schief oder senkrecht zur Schieferung des Gesteines gestellt sind. 2 ) Manche der- 

') Annales de l'Ecole normale superieure 1875. 

*) Solche Exemplare sind auch in der geol. Samml. des Polytechnikums in Zürich aufgestellt. 



I 
I. 



60 Die Trans versalschieferungen. 

selben, besonders kleinere, vermochten ihre Form zu bewahren, viele andere hin- 
gegen sind in elliptische Spiralen umgeformt. In diesem Falle liegt die grosse Axe 
immer in der Ebene der Sehieferung, die kleine steht steil zur Schieferungsebene — 
die erstere also bezeichnet eine Streckungsrichtung, die letztere eine Compressions- i 

axe. Die gestreckten und zerrissenen Belemniten liegen immer mit allen ihren 
Bruchstücken ziemlich genau in der gleichen Schieferungsebene. Bei gestreckten 
Farbflecken oder gequetschten Concretionsknollen fallt immer die Streckungsrichtung 
in die Clivageebene und die stärkste Verkleinerung der Dimensionen senkrecht 
dazu. Schon ohne Petrefacten oder Farbflecken erkennt man oft auf Clivageflächen 
eine bestimmte Streckungsrichtung durch eine feine lineare Structur, welche eine 
Art Rutschlinien darstellt. An zahlreichen Stücken unserer Sammlung habe ich 
beobachtet, dass bei Versteinerungen die Gesteinsschieferung auch im Inneren 
des Petrefactes sich findet, sobald dasselbe selbst in der äusseren Form gequetscht 
ist; die Schieferung des Gesteines tritt aber nicht in die Versteinerung hinein, 
sondern schmiegt sich flasrig um dieselbe herum, wenn das Petrefact seine äussere 
Gestalt zu bewahren vermocht hat. Beispiele der letzteren Art findet man nur in 
thonreichen Sedimenten, welche viel leichter umformbar waren, als die Versteinerung 
während bei festeren Materialien das Petrefact stets mitgequetscht ist. Daubräe 
hat Belemniten in Bleistücke und in Thonmassen eingeschlossen gequetscht und auf 
diese Weise gestreckte zerrissene Belemniten gleichzeitig mit einer gleich gerichteten 
Schieferung der Blei- oder Thonmasse erhalten. Wie wir an Petrefacten die Um- 
formung messen können, so ist dies selbstverständlich auch durch irgendwelche 
anderen Einschlüsse von gesetzmässiger Gestalt möglich. Der Blegieisenoolith der 
Alpen (verglichen I. Theil S. 62) ist bald compakt massig innerhalb der Bänke, 
bald von schönem Clivage durchsetzt. Die massigen Partien enthalten stets rund- 
liche oder ein wenig ellipsoidische Eisenkörner, bei den schiefrigen hingegen sind 
stets die Oolithkörner zu Schuppen, welche in der Schieferungsebene liegen, flach- 
gedrückt. In einem massig ausgebildeten Gestein findet man an Petrefacten hie 
und da Deformitäten, welche den Charakter von Krankheitserscheinungen haben; 
meines Wissens ist aber bis heute noch niemals ein gequetschtes Petrefact von 
gleichzeitig gebildetem vollständig massigem Gestein umgeben gefunden worden. 
Umformung der Petrefacten erzeugt stets gleichzeitig Umformung des Gesteines, 
und diese bedingt Schieferung. Am eingeschlossenen Petrefact sehen wir nur messbar 
die Umformung vor uns, welche das Clivage des Gesteines hervorgebracht hat. 



Verhältniss von Clivage zu umgeformten Petrefacten — Adern mit Clivage. 61 

Wir haben dadurch gefunden: 

Das 10. Gesetz der Erscheinung: 

In allen Füllen, wo Petrefacten umgeformt worden sind, ist im umgebenden 

Gestein ein Clivage entstanden; 

und 

Das 11. Gesetz der Erscheinung: 

Die Schieferungsebene fällt mit der Streckungsrichtung der Petrefacten zu- 
sammen. 

Wir haben früher dargethan, dass Biegung der Schichten und Umformung 
der Petrefacten sich an dem schon erhärteten Gesteine vollzogen haben. Die beiden 
letzten Gesetze zeigen, dass die Clivagebildung mit diesen anderen Umformungs- 
vorgängen zusammenfallt Es hat sich somit diese Clivage erzeugende mechanische 
Umformung ebenfalls am schon vorher vollständig erhärteten Gesteine 
vollzogen. 

Für dieses letztere liegt uns noch ein sehr schöner directer Beweis vor, der 
ganz denjenigen Erscheinungen analog ist, welche uns auf unser 3. Gesetz geführt 
haben. Die Sammlung des Polytechnikums besitzt ein Stück Thonschiefer von 
Trimm is, Kanton Graubündten. Es ist dasselbe von Calcitadern, weiche silberglän- 
zende talkige Salbänder haben, in verschiedenen Richtungen durchsetzt. Die Cal- 
citadern sind nachträglich gefältelt, und zwar je nach ihrer Richtung verschieden 
intensiv. Die Schieferung des Gesteines ist ein sehr vollkommenes Clivage, dessen 
Ebene senkrecht zu derjenigen Richtung steht, in welcher das Material Stauung 

» 

und deshalb Fältelung erlitten hat. Die Schieferungsebene ist parallel den parallel 
gequetschten Faltenschenkeln. Nun setzt das Clivage, ungestört in seiner Richtung 
ohne Unterbruch und unbekümmert um die Lage der Adern an den Umbiegungen 
quer durch die Calcitadern hindurch (Taf. XVI Fig. 8). Die Reihenfolge 
der Vorgänge war hier die folgende: Zuerst Zerreissen des spröden Gesteines, 
Aderbildüng, dann, vielleicht erst ganze lange Perioden später, Quetschung und in 
Folge dessen Fältelung der Adern und Bildung einer Transversalschieferung, welche 
Gestein und Adern gleichmässig betrifft. Zu welcher Zeit die feinen silberglänzen- 
den Talkschüppchen zwischen dem Schiefer und dem Adermaterial sich bildeten, 
ob vor oder nach der bruchlosen Umformung, kann ich nicht entscheiden. Sie 
liegen alle dem Clivage parallel. In diesem einen Handstücke sind Umformung 
mit Bruch, Fältelung und Clivagebildung ohne Bruch in ihren gegenseitigen Be- 



62 Die Transversalschieferungen. 



Ziehungen vollkommen klar ausgesprochen. Fig. 8 Taf. XVI stellt das betreffende 
Stück von der Querbruchseite dar; 

Bei ungestört horizontaler Schichtlage finden wir Clivage nur in plastischeren, 1 

früher oder jetzt noch stark belasteten Sedimenten ausgebildet, und zwar ist dann 
die Schieferungsebene den Schichten parallel. Clivage aber, weiches 
als Transversalschieferung auftretend die Schichten schneidet, ist eine 
mechanische Umformung, weiche nur den Gegenden gestörter Lagerung, 
den Gebirgen angehört, und durch die Gebirgsbildung gleichzeitig mit 
den Biegungen hervorgerufen worden ist. 

Auf sehr vielen Clivageflächen erkennt man noch in Form einer streifigen 
gradlinigen, an Rutschflächen etwas erinnernden Liniatur eine bestimmte Streckungs- 
richtung. Auf den Kalkschiefern des Mayenthales und der Windgälle fallt sie 
zusammen mit der Richtung, in welcher die Belemniten gestreckt sind. An der 
Schwärze im Maderanerthai wird eine Streckrichtung auf der Schieferungsfläche 
dadurch sichtbar, dass die Eisenoolithkörner nicht in rundscheibenformige, sondern in 
lang elliptische Schuppen gequetscht sind, deren grossen Axen alle parallel liegen. 
Im höchsten Grade auffallend ist eine Streckrichtung durch zahllose ganz grad- 
linige Streifen auf den Clivageflächen des Saasbergkalkes ausgeprägt (verglichen 
I. Theil S. 162). Die Belemniten liegen ebenfalls in der Richtung der Streckungs- 
streifen und sind in dieser Richtung ausgezogen und zerrissen. Ganz ausgezeichnet 
schöne Streckrichtungen finden sich auf den Clivageflächen des von weissem Glimmer 
durchzogenen Marmors bei Andermatt und im Gotthardtunnel, ferner im Gneiss in 
den Umgebungen des Gotthardhospizes, im ganz genau gleichen glänzenden, durch 
zwei Glimmer (weissen und schwarzen) und sandkörnigen Quarz und Feldspath aus- 
gezeichneten „Antigoriogneiss" (Name von Gerlach) im Doveriathal am Südabhange 
des Simplon, sowie auf vielen Glimmerschiefern und Thonschiefern dieser und anderer 
Gegenden. Die Glimmerblättchen dieser Gesteine sind oft in die Längö gezogen 
und bis zum Zerreissen gestreckt oder ausgewalzt. Kurz gefasst lautet dies: 

Das 12. Gesetz der Erscheinung: 

Auf den Clivageflächen erkennt man häufig noch eine lineare Streckungs- 
richtung. 

Bei meinen späteren Funden, bei welchen ich die Lage der Streckungsrich- 



** 



Linearötructur. 63 

tung notirte, fallt dieselbe in der Regel mit der Fallrichtung meistens nahe zu- 
sammen. Ueber die Entstehung solcher Linearstreckung können wir uns leicht 
eine Vorstellung machen. Wenn ein Gestein unter quetschendem Druck allseitig 
oder wenigstens nach mehreren Richtungen ausweichen kann, bildet sich eine ein- 
fache Schieferungsebene aus. Wenn aber das Ausweichen nur in einer Rich- 
tung stattfinden kann, so wird diese Richtung sich auf der Clivagefläche als 
Streckrichtung zeichnen. Da bei der Faltung der Erdrinde die eingeklemmten 
Schichtencomplexe gewöhnlich mehr freien Raum zum Ausweichen nach oben als 
nach der Seite haben, fallt die Ausweichungsrichtung häufiger in die Failrichtung 
als in die Streichrichtung der Schichten. Dem entsprechend* sehen wir gerade in 
manchen tief eingeklemmten Mulden so ausgezeichnete nach oben gerichtete 
Streckungslinien (Urserenmulde, Meyenthalermulde, Verrucano der spitzgequetschten 
Mulde im Puntaiglasthal) — hier war nur nach oben Ausweichen möglich. Die \ 
Linearstructur muss somit in der Regel als die Folge einseitigen Aus- 
weichens einer Gesteinsmasse während ihrer Quetschung angesehen 
werden. 

Wenn wir oben von Streckung gesprochen haben, so versteht es sich von 
selbst, dass wir damit nicht einen Zug meinen; denn auf Zug in Anspruch ge- 
nommen müsste das Gestein einfach zerreissen, ohne eine Umformung in seinen 
kleinsten Theilen einzugehen. Wir verstehen hier vielmehr unter Streckung das 
seitliche Ausweichen unter dem Einfluss übermächtigen Druckes, die Wirkung ist 
gleich wie eine nach der Seite gerichtete Streckung ohne Zerreissen. Etwas Zug 
kann dabei sein, wenn aber der Druck nicht vorherrscht, so wird das Gestein bloss 
zerrissen aber nicht gestreckt. Die Schieferung entsteht, wie der Zusammenhang 
mit den gestreckten Petrefacten zeigt, in dieser Richtung des seitlichen Ausweichens. 
Die meisten Fälle, wo mehrere Petrefacten auf einer Platte umgeformt sind (Taf. XIV 
Fig. 2), lassen erkennen, dass auf kleinem Räume dieses Ausweichen meistens eine 
bestimmte lineare Richtung hat, während es im grossen Ganzen jedenfalls häufig eine 
innerhalb der Schieferungsebene viel allseitigere Bewegung nach verschiedenen Rich- 
tungen geringeren Widerstandes hin war. Es ist mir erst einmal und zwar südlich 
der Windgälle möglich gewesen, auf ein und derselben Steinplatte, deren Schiefe- 
rung ziemlich mit der Schichtung zusammenfiel (einem Mittelschenkel angehörend) 
in grösserer Entfernung von einander die Streckungsrichtungen durch Petrefacten 
zu erkennen und zu vergleichen. Die Entfernung war aber offenbar noch zu ge- 



\ 



64 Die Transversalschieferungen. 

ring. Der Unterschied der Streckungsrichtung betrug nur wenige Grade, so dass 
kein Schluss auf das Centrum der Ausquetschung zulässig erschien. 

Die Lage der Schichtung in Gesteinen mit ausgeprägter Clivageschieferung 
ist oft nur noch an dem petrographischen Gesteinswechsei zu erkennen, in gleich- 
förmiger Masse aber nicht selten ganz verwischt. Es gibt Lokalitäten, an welchen 
sich alle Uebergänge von deutlicher Schichtung und undeutlichem Ciivage bis zu 
ausgeprägtem Ciivage und verschwindender oder gar nicht mehr wahrzunehmender 
Schichtung beobachten lassen. Je gleichförmiger petrographisch die verschiedenen 
Schichten sind, um so leichter verschwinden die Schichtfugen. 

Da sich bei einem Schichtenfaltensystem die Mittelschenkel mehr und mehr 
senkrecht zur faltenden Pressung stellen, so finden wir, wenn Ciivage entstanden 
ist, dasselbe an den Schenkeln mit der Schichtungsrichtung zusammenfallend, an 
den Umbiegungsstellen dieselbe mehr oder weniger senkrecht schneidend. An letz- 
teren Stellen ist deshalb Ciivage am deutlichsten von der Schichtung zu unter- 
scheiden (Taf. XV Fig. 13). Es gibt Sedimentgesteine, die in lauter lange pris- 
matische Stäbe oder in Rhomboeder oder schiefgedrückte Parallelepipede zerfallen, 
welche auf zwei Seiten von Ciivageflächen, auf zwei Seiten von Schichtungsflächen, 
auf zwei Seiten von regelmässigen Zerreissungskiüften (uneigentlichem Ciivage) be- 
grenzt sind. Solche Vorkommnisse sind in den Schiefern und thonigen Kalksteinen der 
Eocengebilde ganz besonders häufig (Schächenthal, Linth- und Sernfthal, Sihlthal 
etc.). Ich will aus vielen Beispielen solcher Art noch ein besonders ausgezeich- 
netes, das ich in unserem speciellen Untersuchungsgebiete beobachtet habe, hier 
hervorheben. In geringer Entfernung oberhalb der Loretokapelle hinter Bürgein 
findet man an der Strasse in regelmässigem Wechsel etwa 1 M. mächtige Bänke 
sandigen Thonschiefers mit bloss 5 Cm. dicken kalkigen festen Schichten abwechselnd. 
Die Schichtung fallt dort etwa 20° SSO. Die Thonschieferbänke sind von aus- 
gezeichnetem Ciivage durchsetzt, welches etwa 50 bis 60° SSO einfallt und somit 
die Schichten unter 30 bis 40° schneidet. An den dünnen Kalkbänken setzt die 
Transversalschieferung ziemlich scharf ab, geht aber jenseits wieder weiter. Die 
dünnen zwischenliegenden Kalkschichten haben keine Transversalschieferung. Ausser- 
dem sind dort die Felsmassen von ebenen, weit zu verfolgenden, feinen Klüften 
durchsetzt, welche sich in je etwa 1 M. Distanz wiederholen, senkrecht stehen 
und senkrecht zur Streichrichtung der Schichten verlaufen. Ich konnte an diesen 



Verhältniss der Transversalschieferang zur Schichtung. 6 a 

Klüften keine Verschiebung beobachten. Die Cli vageplatten lassen sich in recht- 
eckigen Tafeln ausbrechen, deren zwei Seiten durch die regelmässige Klüftung, zwei 
damit abwechselnde etwa 1 M. lange durch die Angrenzung an die Kalkschichten 
gegeben sind. Der Schiefer selbst ist indessen hier von schlechter Qualität. 

Oft finden wir ein ausgesprochenes Clivage nur bei einzelnen Schichten 
eines Systemes, bei zwischenliegenden ist es undeutlich oder fehlt ganz. Dies lässt 
sich z. B. sehr leicht an der Axenstrasse beobachten (Taf. XV Fig. 12). Die 
Schichten ohne Clivage bestehen dann immer aus weniger plastischem Material. 
An den Schichtfugen sind die Clivageplatten etwas aus ihrer Richtung abgelenkt 
— vielleicht durch eine geringe gleichzeitige Verschiebung der Schichten an ein- 
ander — und keilen sich von einer Schicht in die andere derart ein, dass die 
Schichtfuge ganz zackig uneben wird. 1 ) Schon Sharpe hat hervorgehoben, dass in 
festeren Schichten nicht selten die Clivagerichtung etwas abweichend von den 
weicheren ist, was wohl daher kommt, dass die ersteren die Maximaldruckrichtung, 
wenn sie schief zur Schichte steht, etwas abzulenken vermögen. 2 ) Wirkt ein sehr 
starker Clivage erzeugender Druck in einer von der Schichtebene nicht allzu ver- 
schiedenen Richtung, so können sogar solche Verschiebungen der Clivagerichtung 
entstehen, dass Stücke der einen Schicht in die andere sich hineinschieben, so dass 
die frühere ebene Begrenzungsfläche der Schichten ganz zerhackt erscheint, und die 
sonderbarsten gegenseitigen Einkeilungen und Ausweichungen entstehen. Ich habe 
die Erscheinung in diesem Grade sehr oft sich wiederholend an den Kreide- und 
Eocenschichten auf dem Griesstock gefunden. In ihrer Erkenntniss war endlich 
der Schlüssel zur Aufklärung des grossen Räthsels gelegen, welches vorher das 
Profil des Griesstockkammes mir darbot, da ich Clivage für Schichtung ange- 
sehen hatte (I. Theii S. 74). 

In vielen Fällen ist es nicht leicht — vielleicht sogar unmöglich, dünne 
Schichtung (Schichtungsschieferung) von Clivage (Trans versalschieferung) zu unter- 
scheiden. Oft hilft zur Unterscheidung die allgemeine Stellung der Schichten am 
ganzen Gebirge, der petrographische Wechsel, wo ihn nicht heftige Clivagever- 
schiebungen verwischt haben, oft die mikroskopische Untersuchung im Querdünn- 



») Taf. XV Fig. 18. 

*) Renevier: R&ume' des travanx de M. D. Sharpe sur le clivage et la foliation des roches, Ballet, 
de la Soc. vaudoise des sciences natur. 1855. 

9 



66 Die TransvcrsalschiefeniDgen. 

schliff zur Clivagerichtung, indem wenigstens bei Ausweichungsclivage noch Reste 
der Schichtung zwischen den Verschiebungsflächen sichtbar werden (wie XV Fig. 7, 
9 und 11). 

Ein sehr schönes Beispiel für den Unterschied von Schichtungsschieferung 
und Transversalschieferung, das meines Wissens bisher ganz unbeachtet blieb, bieten 
die eocenen Schiefer im Gebiete der Glarner-Doppelfalte, in denen zahlreiche Stein- 
brüche geöffnet sind. Viele sonderbare Verschiebungen, ferner Stellungsverände- 
rungen zu den Kraftrichtungen haben die Erscheinungen vielfach zur Unentwirr- 
barkeit verwickelt; allein die technisch verwendbaren, schön glatt spaltbaren Schiefer 
zeigen einen durchgreifenden bezeichnenden Unterschied. 

Die einen, die „Blätterschiefer 44 oder „Plattenschiefer'', haben fast immer 
zwei deutlich verschiedene Seiten; die eine Seite der Schieferplatten enthält mehr 
Kalk und Kiesel, ist auf dem Querbruch heller gefärbt und ist härter, sie heisst 
bei den Bergleuten „d'Härte," die andere ist thoniger, weicher, und heisst des- 
halb „d'Linde* (von lind = weich). Die Dicke der „ Plattenschiefer tt ist von Natur 
gegeben, sie können nicht beliebig gespalten werden, und müssen je nach ihrer 
Dicke zum einen oder anderen Zwecke verwendet werden. Auf dem Querbruch 
sieht man meistens, dass die „Härte" dünner ist, als die „ Linde a , und recht oft 
ist innerhalb der letzteren noch ein Clivage mehr oder weniger deutlich entwickelt, 
das die Platten unter einem flachen Winkel (3 bis 10°) schneidet. Solche Blätter 
oder Plattenschiefer werden gebrochen: im „ Landesplattenberg a und am „ Schwarz- 
kopf" auf der linken, und« im „neuen Plattenberg" auf der rechten Seite des Sernf 
bei Engi, und finden sich ferner bei Diessbach im Linththal und anderwärts. In 
den Blätterschiefem finden sich die berühmt gewordenen Fischabdrücke und Reste 
von Schildkröten und Vögeln. 1 ) Sie liegen zwischen den Platten und zwar in der 
Regel so, dass der positive Abguss auf der Hartseite der einen, der negative Ab- 
druck auf der Weichseite der anderen Platte enthalten ist. * Wir haben es in 
diesen Schiefern mit einem regelmässigen Wechsel von je einer mehr thonigen mit 
je einer mehr kieselig kalkigen dünnen Lage zu thun, welche zusammen eine dünne 
Schicht (2 bis über 50 Millimeter mächtig) bilden und vielleicht je einer Zeiteinheit 
entsprechen. Mächtige Kalkbänke und Quarzitschichten, welche das Glarner Schief er- 



*) Escher im „Gemälde der Schweiz, Kanton (xlarns 44 and Heer „Urwelt der Schweiz, " ferner Agassiz, 
poissons fossiles. 



Die Plattenschiefer und Massenschiefer des Kantons Glarus. 67 

gebirge durchziehen, liegen den Plattenschiefern vollständig parallel. Die „Platten- 
schiefer a sind also dünne Schichten, es sind Schichtenschiefer. 

Die andere Art, die ich in keiner Publikation erwähnt finde, heisst „Massen- 
schiefer." Solche werden im südlicheren Theile des Sernfthales im „Geissstaffel", 
im „Berglithal" bei Matt, sowie am Fusse des Tschingelberges SO von Elm ge- 
brochen und finden sich noch an verschiedenen Stellen, z. B. im Durnachthaie 
unter den Restibergen. Die Massenschiefer haben niemals „ Härte a und „Linde," 
sondern erscheinen vollständig gleichartig. Die schiefrige Structur ist fast wie bei 
Glimmer durch die ganze Masse bis in's Feinste entwickelt, so dass man das Ge- 
stein an jeder beliebigen Stelle spalten, und die Platten beliebig dünn machen 
kann. Sie eignen sich für Schreibtafeln, Griffel etc. so gut, oder noch besser als 
die Plattenschiefer, 1 ) sind aber als Dachplatten und überhaupt zu jedem Gebrauch, 
der sie der Verwitterung aussetzt, ungünstig, indem sie dann immer weiter auf- 
blättern, und in papierdünne Bruchstücke auseinanderfallen, was die „Plattenschiefer" 
nicht, oder doch nur nach sehr langer Wirkung von ungünstigen Einflüssen thun. 
Dadurch, dass man oftmals auch Massenschiefer für Deckplatten auswärts in den Han- 
del gebracht hat, haben die Glarnerplatten zum Dachdecken ausserhalb des Kantons 
mit Recht ihren Kredit verloren. In diesen Massenschiefern hat man bisher ausser 
einigen undeutlichen Fischwirbelsäulen, welche quer zur Schieferungsrichtung standen, 
also nicht auf den Schieferflächen lagen, und deshalb nicht herauszulösen waren, 
noch keine Petrefacten gefunden. Eschef hatte beobachtet, dass manche Schiefer 
des Sernfthales, wie z. B. diejenigen vom Geissstaffel Clivageschiefer sind. Er fand 
dort kalkige und quarzitische echte Schichten, zu denen ' die Schiefer transversal 
stehen, und bei deren Annäherung sie undeutlich und verworren werden; er hat 
aber diesen Umstand nicht mit dem Fehlen von „Härte" und „Linde" in Verbin- 
dung gebracht. Soweit ich die Erscheinungen bisher verfolgt habe, erwiesen sich 
alle Massenschiefer #ls Glivageschipfer, als Transversalschieferung, die offenbar 
erst während des enormen Lagerungsstörungsprozesses entstanden ist, während die 
Theilung in Plattenschiefer als eine Folge des wechselnden Gesteinsabsatzes und 
deshalb als viel älter angesehen werden muss. Das Verhalten zu den Petrefacten 
ist dadurch ebenfalls vollständig erklärt. 

Rein theoretisch lassen sich allerdings auch Absatzbedingungen denken, 



l ) A. W. Faber bezieht seine Tafeln ans diesen Brüchen. 



68 ' Die Transversalschieferungen, ihr Streichen und Fallen. 

welche Schiefer von der Structur der „Massenschiefer** direct bilden könnten, allein 
kein Clivage, das Plattenschiefer zu bilden vermöchte. 

Fasse ich alle mir bekannten Stellen in's Auge, welche deutliche Clivagc- 
erscheinungen zeigen, so fallt mir auf, dass weitaus die Mehrzahl dieser Transver- 
salschieferungen in Sedimenten und halbkrystallinischen Schiefern eine ziemlich steile 
Stellung, und die ungefähre Streichrichtung der Alpen haben. Das letztere zählt 
noch weniger Ausnahmen als das erstere. Auch da, wo flach liegende Transver- 
salschieferung entstanden ist, fällt doch ihre Streichrichtung mit derjenigen der 
wirklichen Schichten zusammen, oder unterscheidet sich nicht wesentlich davon. | 

Ich wäre in Verlegenheit, einen Fall zu nennen, wo das Streichen des Clivage J 

mit dem Streichen der Schichtung einen steilen Winkel bildet, während die Bei- 
spiele, wo Schichtungsebene und Clivageebene eine horizontale Gerade gemeinsam 
haben, zahllos sind. In den sedimentären Ketten der Alpen am Nordabhange sind 
Schichtung und Clivage nach ihrer Streichrichtung gleich einförmig und fallen zu- 
sammen. Nach ihrem Einfallen hingegen zeigen die Schichten alle erdenklichen 
Variationen in vielfacher Abwechslung. Das Fallen des Clivage aber innerhalb 
dieser mannigfaltig gestellten Schichten bleibt weit einförmiger, und ahmt gewisser- 
massen in den Sedimentzonen die Schieferungseinförmigkeit der krystallinischen 
Centralmassive nach. Aus diesem unserem 

13. Gesetz der Erscheinung: 

Die Streichrichtung des Clivage fällt im Allgemeinen in den Alpen mit der 

Streichrichtung der Schichten und Ketten zusammen, während das Fallen meistens 
ziemlich steil ist und die Schichten schneidet, 

können wir einige wichtige Schlüsse ziehen. Der Druck, welcher die Alpen bildete, 
und ihre Gesteine umformte, war, wie aus dieser allgemeinen Richtung des Clivage 
hervorgeht, im Ganzen horizontal und senkrecht auf die Streichrichtung 
der Alpen gerichtet. Aus der Streichrichtung der Falten und Ketten hat man 
diesen Schluss längst gezogen, er ist nicht neu, wir bestätigen ihn aber hier auf 
Grund einer ganz anderen Erscheinung. Dass in den Alpen Clivage lokal auch 
flach liegen kann, mag verschiedene Ursachen haben: Entweder hat eine lokale 
Kräftegruppirung zu einer steilen Resultirenden geführt, oder — und das wird wohl * 

die häufigere Ursache sein — es ist Clivage erst steil entstanden, dann aber durch 
fortschreitende Faltung mit der Fallrichtung um die Streichrichtung herum in eine 



Clivage bei krystalünischen Schiefern. 69 

andere Lage gedreht worden. Dass Clivage in den Sedimentketten fast eine Ein- 
förmigkeit zeigt, wie Schieferung in den Centralmassiven, deutet darauf hin, dass 
wenigstens theilweise die Schieferungseinförmigkeit der Centralmassive auf Clivage, 
also während des Faltungsprozesses entstandene mechanische Umformung der schon 
vorher vorhandenen Gesteine zurückgeführt werden muss, will aber noch keines- 
wegs die Centralmassivstructur überhaupt als Clivage erklären. 

Unter den halbkrystallinischen Schiefern ßnden wir sehr viele Gesteins- 
varietäten, deren Schieferung uns in der Art des Clivage durch nachträgliche 
mechanische Gesteinsumformung entstanden zu sein scheint. Hier aber, wo eine 
ursprüngliche Schichtung selten klar sichtbar ist und wo wir Massen nicht aufzufinden 
wissen, deren Structur sicher ursprünglich ist, wird es schwer, bestimmte Anhalts- 
punkte zur Untersuchung zu gewinnen. In den Centralmassiven der Alpen ist der 
Horizontaldruck zur intensivsten Aeusserung gekommen, wie wir im nächsten Ab- 
schnitte nachweisen werden; hier ist also auch zu erwarten, dass mechanische Ge- 
Steinsumformungen in bedeutendem Maasse sich eingestellt haben. Ob es einst 
gelingen w r ird, auf mikroskopischem Wege ursprüngliche und Clivagestructur in den 
Gesteinen der Centralmassive zu unterscheiden, weiss ich nicht. Gneisse mit ge- 
streckten und dadurch theilweise zerrissenen Glimmern sind nicht selten. Regel- 
mässige Gesteinsfugen, welche die Schieferung in einer an Schichtung erinnernden 
Weise schneiden, kommen hie und da vor. Man müht sich ab, plausibel zu 
machen, wie durch mehr oder weniger metamorphische Vorgänge schiefrige Gesteine 
massig werden können, vergisst aber gewöhnlich, dass in der That durch mechanische 
Umformung viele homogenen oder massigen Gesteine schiefrig geworden sind. Dem 
letzteren analog hat der Granitgneiss der Alpen vielleicht seine schwach schiefrige 
Structur erst nachträglich durch Quetschung erhalten. Es gibt Varietäten, die nicht 
etwa undeutlich ausgebildete, sondern verquetschte und verschobene Glimmerblätter 
enthalten. Die körnige Structur der Quarze mancher dieser Gesteine wird von 
einzelnen Forschern als Beweis dafür aufgefasst, dass der Granitgneiss aus Sand- 
stein entstanden sei, allein auch Quetschung, auch seitliches Ausweichen auf Druck, 
also einfach Clivage erzeugt oft eine solche Zertheilung. Es sind dann die feinen 
Quarzkörner in ihrer mechanischen Entstehung mit dem Gletscherkorn zu vergleichen. 
Was jetzt noch massig ist in den Alpen, war es wohl auch früher, aber vieles, 
das jetzt schiefrig ist, kann einst massig gewesen sein. Genaue Structurver- 
glelchungen mit den krystalünischen Silicatgesteinen von Gegenden, welche keine 



70 Die Transversalschieferungen. 

solche mechanische Umwandlung erlitten haben, werden vielleicht wesentlich helfen, 
die vor-umgeformte Beschaffenheit unserer Centralmassivgesteine festzustellen. Ich 
war bei meinen Reisen in Norwegen im Allgemeinen immer davon überrascht, wie 
die krystallinischen Schiefer jener Gegenden in ihren Mineralien durchschnittlich 
so viel schöner ausgebildet sind, als die entsprechenden der Alpen; hat dies viel- 
leicht seinen Grund eben darin, dass dort mechanische Störungen und Umformungen 
lange nicht in dem Maasse eingetreten sind? (Verglichen hiermit den folgenden Ab- 
schnitt Ende des Kapitels C und Kapitel G.) In manchen Querprofilen durch Central- 
massive der Alpen finden wir in allen Gesteinen nur undeutlichen, wenn auch 
massenhaften Glimmer. Ist er nicht gut ausgebildet, oder ist er nachträglich als 
das am wenigsten feste Material am meisten zerdrückt worden? Wir haben heute 
auf diese Fragen noch keine Antwort, nur eine Forderung: 

Alle Ansichten über die wirkliche erste Entstehung der Gesteine der Central- 
massive, die auf Untersuchung der vorliegenden Gesteine sich in der Weise gründen, 
dass sie das Gestein als so wie es vorliegt chemisch gebildet annehmen, entbehren 
der Sicherheit. Wir müssen zuerst die Veränderungen untersuchen, welche nach- 
trägliche mechanische Umformung hervorgebracht hat, bevor wir irgendwie Schich- 
tung, Schieferung etc. zu Schlüssen über die erste Entstehung mitbenutzen wollen. 

Im Gebiete der Glarnerschiefer kann man beobachten, dass die Transversal- 
schieferung meistens da am schönsten ausgebildet ist, wo sie mit den Resten der 
Schichtung einen steilen Winkel bildet; wo aber, wie an den Mittelschenkeln der 
Falten, die Clivagerichtung und die Schichten nur ganz flachen Winkel bilden, oder 
zusammenfallen, ist die Schichtung deutlich geblieben, das Clivage oft fast ver- 
schwindend. Die gleiche Erscheinung beobachten wir auch da, wo wir es nicht 
mit schieferdünner Schichtung zu thun haben. Lusser und Escher, als sie zusammen 
die „ Zwischenbildungen tt im Reussthale bei Erstfeld beobachteten, fanden in den 
untersten jurassischen Bildungen eine deutliche Transversalschieferung, während die 
Schichtung durch ganze Reihen von Sphärosiderit und Pyritknollen sich zeichnet. 
Sie fanden, dass überall an den Umbiegungsstellen der dortigen Falten, wo Schich- 
tung und Clivage sich unter 80 bis 90 Grad schneiden, das letztere sehr deutlich 
entwickelt ist, währenddem es sich „in grösserer Entfernung von den Umbiegungs- 
stellen verliert. tt Escher setzt hinzu, *) dass er am Vierwaldstättersee überall Clivage 
— — — — — — — ^— - » 

') Reisenotizen in Manuscript, Hinterlassenschaft im eidgen. Polytechnikum aufbewahrt. 



Ihr Verhältnis zu Falten. 71 

immer nur in der Nähe von Umbiegungen und an den Umbiegungen selbst ganz | 
deutlich entwickelt gefunden habe. Meine eigenen Beobachtungen stimmen mit ,' 
denjenigen von Escher vollständig überein. Ich will aus denselben nur ein Beispiel 
hervorheben: Auf beiden Seiten des Thierfehd im Linththal scheint allgemeines 
Südfallen der Hochgebirgskalkschichten vorzukommen, obschon die obere Grenze 
der jurassischen Schichten nördlich rasch abfallt. Bei günstiger Beleuchtung erkennt 
man, dass eine Unmenge von Biegungen die nördlich aufsteigenden Schichten wieder 
nördlich tiefer setzen. Die Mittelschenkel steigen gegen Norden aijf, die Biegungen 
weisen ihr Knie gegen Norden und knicken gegen Norden zur Tiefe. Die Biegungen 
sind aber bei manchen Beleuchtungen verwischt, weil Clivage sie in der fortgesetzten 
Richtung der nördlich ansteigenden Mittelschenkelschichtung durchsetzt, so dass es 
den Anschein hat, dieses nördliche Aufsteigen sei überall vorhanden. Der Hoch- 
gebirgskalk gehört in manchen thonfreien Abänderungen zum homogensten Material, 
das am allerwenigsten zu Clivage geneigt ist. An allen Umbiegungsstellen aber, 
welche überhaupt einer genauen Beobachtung in der Nähe zugänglich sind, finden 
wir ganz deutliche Clivagefugen und den bezeichnenden schon früher hervorgehobenen 
jBä genformig i neinander gequetschten Verlauf der Schichtfugen. Beim Zerschlagen 
tritt nicht selten, die Transversalschieferung sehr deutlich hervor, während sie in 
einiger Entfernung von den scharfen Umbiegungen, wo sie der Richtung nach mit 
der Schichtung zusammenfallen würde, vollständig fehlt. (Verglichen Taf. XV 
Fig. 18, die oberen Darstellungen sind aus grösserer Entfernung, die beiden unteren 
aus nächster Nähe gezeichnet.) 

Escher hat also zuerst klar ausgesprochen, was wir hier bezeichnen wollen, als 

Das 14. Gesetz der Erscheinung: 

Clivage ist meistens in der Nähe der Umbiegungsstellen, und an diesen selbst, 
viel deutlicher entwickelt, als an den entfernteren Theilen der Faltenschenkel. 

Clivage ist jedenfalls nicht älter als die Faltungsvorgänge, sonst wären die 
Clivageabsonderungsflächen ebenfalls mitgebogen worden. Wenn Clivage später als 
die Faltungen entstanden wäre, so wäre kein Grund für das in unserem 14. Gesetz 
ausgesprochene Verhältniss vorhanden. Es dürfte wenigstens für dieses Erscheinungs- 
ge&etz keine andere natürliche Erklärung gefunden werden, als die folgende: Wo 
die Umbiegung eingetreten ist, hat während des ganzen Faltungsvorganges die 
Stauung immer in der gleichen Richtung das Gestein beeinflusst, und immer auf 



72 Streckung und Stauung der Schichten. 

Bildung der gleichen Clivageflächen hingezielt; während hingegen die entfernteren 
Schenkeltheile ihre Lage zum Drucke allmälig änderten, und sich erst zuletzt mehr 
und mehr senkrecht zur Druckrichtung einstellten. Je entfernter ein Punkt vom 
Knie der Umbiegung liegt, um so mehr hat sich die Richtung, in welcher die 
Transversalschieferung entstehen sollte, während der Faltung fort und fort geändert, 
und ist erst zuletzt etwas constanter geworden, so dass erst gegen Ende des ganzen 
Vorganges die Clivage erzeugende Wirkung des Druckes nicht im folgenden Mo- 
mente fortwährend sich selbst wieder zerstören musste. Die Beziehungen, 
welche zwischen Clivage und Faltung bestehen, bezeugen somit, dass 
beide in ihrer Entstehung gleichzeitig, und die Wirkung des gleichen 
Druckes sind. Faltung und Clivage sind nur verschiedene gleichzeitige 
Aeusserungsarten ein und derselben mechanischen Umformung. 

Stauung und Streckung sind an einander gebunden. Wo die Kräfte, wie 
dies im grossen Ganzen bei der Alpenfaltung der Fall war, ungefähr in einer Ebene 
wirkten, stehen Maximaldruck und Minimaldruck oder Zug und dem entsprechend 
ihre Produkte Stauungs- und Streckungsrichtung ungefähr rechtwinklig zu einander. 
Für Fragen, welche uns später noch beschäftigen werden, ist es oft nothwendig, 
zu entscheiden, ob die Länge eines Schichtenquerschnittes im Ganzen grösser oder 
kleiner geworden sei durch die mit der Faltung verbundene Umformung — mit 
anderen Worten: wie in der Schichtebene Streckung und Stauung sich quantitativ 
vertheilen. Dies zu untersuchen, ist es zunächst nothwendig, Streckung und 
Stauung in der Schichtebene qualitativ zu unterscheiden. Aus unseren obigen 
Untersuchungen können wir die DifFerentialdiagnose einfach zusammenlesen: 

Bei Streckung in der Schichtebene, d. h. Vergrösserung der Schichtfläche 
haben wir sehr deutliche ebenflächige Schichtfugen, Schieferung wenn 
vorhanden parallel der Schichtung, oft feine Streckungslinien auf der Schichtfläche 
und nicht selten in der Schichtfläche liegende gestreckte Petrefacten, und regel- 
mässige Zerreissungen (Adern) senkrecht zur Schichtebene. 

Bei Stauutuj, d. h. Verkürzung der Schichtfläche haben wir undeutlicher 
gewordene unebene Schichtfugen mit theilweisen Einkeilungen der Schichten 
ineinander, 1 ) Schieferung wenn vorhanden die Schichtung unter steilerem Winkel 
schneidend, keine oder wenige unregelmässige Adern senkrecht zur Schichtfläche. 



') Mit eigentlichen Styloliten nicht zu verwechseln, obschon denselben oft nicht nnähnlich. 



Vertheilung derselben in einem Alpenquerprofil. 73 

In einem Querprofil durch die Alpen heiTscht bei den flach liegenden 
Schichtstücken im Allgemeinen entschieden die Stauung, bei den steil stehenden 
mehr die Streckung vor, lokale Kräftecombinationen erzeugten allerdings zahlreiche 
lokale Ausnahmen. Ich habe den Eindruck, dass in einem Querprofil durch 
die Alpen mehr Schichtstauung als Schichtstreckung gefunden werde, 
doch bin ich nicht im Stande, dies durch Messung zu beweisen, und kann es des- 
halb nicht als sicheres objectives Erscheinungsgesetz hinstellen. Ist es richtig, so 
würden wir, wenn wir die Schichten der Alpen, wie sie uns in einem Querprofil 
erscheinen, flach ausgebreitet denken, eine Zone erhalten, welche noch nicht völlig 
so breit ist, wie die alpine Zone ursprünglich war. Aus dem Vergleich der jetzigen 
Zonenbreite der Alpen mit derjenigen ihrer ausgebreiteten aus dem Querprofil ab- 
gemessenen Schicht würde ein etwas zu geringer Zusammenschub als Ursache für 
die Bildung des Gebirges sich ergeben. Es darf indessen, wie ich bestimmt glaube, 
behauptet werden, dass jedenfalls der Unterschied der Schichtausdehnung früher 
und jetzt im Ganzen nicht gross ist, indem Stauung und Streckung sich in der 
Hauptsache aufheben, dass wir also durch Abmessung im Querprofil und Ausbrei- 
tung der gefundenen Grössen einen annähernd richtigen Maassstab für den Horizon- 
talschub, der das Gebirge staute, gewinnen können. 

Wenn ich die verschiedenen Lokalitäten in den Alpen, von denen ich allerlei 
mechanische Gesteinsumformungen kenne, untereinander vergleiche, so ergeben sich 
noch einige Gesetze, oder vielleicht besser gesagt: Regeln, die für die Erklärung 
der bruchlosen Umformung von Bedeutung sind. 

In tiefen Thaleinschnitten, welche mächtige Schichtencomplexe entblössen, 
beobachtet man nicht selten, dass die tiefen Schichten eine viel stärkere Stauung, 
Fältelung, Transversalschieferung zeigen, als die oberen. Am Tödi in Profil IX 
und am Selbsanft in Profil XI ist dies z. B. sehr deutlich ausgesprochen. Von 
den zahlreichen Faltungen des Röthikalkes im Sandalpkessel Taf. IX Fig. 1 1 findet 
man schon in den mittleren Schichten des Hochgebirgskalkes wenig mehr, und in 
seinen oberen Schichten sind sie spurlos verschwunden; das fast horizontale Kreide- 
dach, welches sich 1500 M. höher darüber legt, grenzt sich schon aus grosser 
Ferne als gerade Linie ab. Genau das gleiche beobachten wir an der gegenüber- 
liegenden Thalwand, wo auf die verwickelten Krümmungen des Röthikalkes im 
Thalkessel der Untersandalp oben wiederum ein wenig wellig verbogener Deckel 

10 



74 Verhältniss der Umformung zur Tiefe des Vorganges unter der Oberfläche. 

von eocenen Gebilden folgt. Die Schichten an der Sohle der Kuhfirstenkette bis an 
den Gonzen sind viel mehr zerknittert, krummwelliger, zusammengesetzter gefaltet 
als die Kreideschichten in der Höhe. Der Lias und braune Jura unter dem Glär- 
nisch, besonders aber am Nordhang des Urnerbodens und bis in's Schächenthal ist 
im Ganzen entsprechend, im Detail aber viel complicirter gefaltet als der aufliegende 
Hochgebirgskalk in seinen oberen Theilen. Im Allgemeinen herrschen bei den 
oberen jüngeren Schichten regelmässigere, weiter ausholende Krümmungscurven vor; 
die tieferen sind stärker durch zahlreiche enge Biegungen innerhalb der grösseren 
zerknittert, was eine intensivere Umformung ist. 

Das 15. Gesetz der Erscheinung: 

Im Allgemeinen nimmt die Stauung oder bruchlose Umformung der Schichten 
mit der Tiefe unter der allgemeinen Gebirgscberfläche zu. 

Vielleicht kann daraus gefolgert werden, dass der gebirgsbildende Horizon- 
talschub in tieferen Schichten intensiver als in den oberflächlicheren wirkte, wahr- 
scheinlich sind seine Wirkungen aber nur deshalb oben schwächer, weil die höheren 
Schichten eher seitlich durch Ueberschiebung ausweichen konnten, als die tieferen. 

Diejenigen Lokalitäten, wo ausgezeichnete bruchlose Umformung der Gesteine, 
Streckung von Petrefacten, Clivagebiegung etc. vorkommt, scheinen auf den ersten 
Blick keine gesetzmässige Vertheilung zu haben. Schliessen wir aber alle Fälle aus, 
wo die Gesteinsbeschaffenheit die Umformung in hohem Grade beförderte, und be- 
trachten wir nur diejenigen Fälle, wo die bruchlose Umformung eine sehr hohe mecha- 
nische Leistung an schwierigem sprödem Materiale vollzogen darstellt, so wird es 
ganz anders. In den östlichen Schweizeralpen finde ich dann kein einziges Beispiel 
mehr aus den tertiären und keines aus den cretacischen Zonen. Alle Fälle von 
bruchloser Umformung ganz spröder Gesteine gehören den tieferen Sediment- 
schichten, der Juraformation und den noch älteren Gesteinen an; alle finden sich 
in den inneren Sedimentzonen der Alpen, die meisten in der Nähe oder am Rande 
der Centralmassive (Frette de Saille, Windgälle, Gebiet der Pantenbrücke) oder sie 
finden sich in zwischen centralmassivischen Gesteinen eingequetschten Mulden (Ur- 
serenthal, Meyenthal). Die einzige mir bekannte Ausnahme bilden einige creta- 
cische und eocene Gesteine der Glarner-Doppelfalte, z. B. die Quarzitbiegungen im 
Hintergrund des Durnachthaies (Taf. XV Fig. 16). Dort liegen auf diesen Ge- 
steinen meistens erst einige 100 M. hoch eocene Gebilde, dann der Lochseitenkalk, 



Allseitig hoher Druck befördert Umformung. 75 

dann folgt der Verrucano, über ihm, freilich jetzt durch Erosion verschwunden, die 
gesammte Jura-, Kreide- und Eocenformation. Obschon manche dort bruchlos ge- 
faltete Gesteine den oberen Formationen angehören, waren sie hier bei der Gebirgs- 
bildung gerade so belastet, als gehörten sie zu den tiefsten Schichten. Ziehen wir 
die mechanischen Umstände bei der Gebirgsfaltung in Betracht, so ergeben sich 
diese Ausnahmen als blos scheinbare. Dafür, dass wir auch die Centralzonen der 
Alpen uns zu Beginn des Faltungsprozesses mit den mächtigsten Sedimentmassen 
bedeckt zu denken haben, findet sich im folgenden Abschnitte der Nachweis. In 
denjenigen Gebirgen, welche nicht so sehr viel höher mit Sedimenten bedeckt 
waren, wo der Denudationsabtrag meistens sich höchstens nach einigen 100 M. 
nicht aber nach einigen 1000 M. Gesteinsmasse bemisst, sind gebrochene verworfene 
statt gebogener Schichten viel häufiger, als in den Alpen. Im Jura wird dies 
schon sehr fühlbar, ebenso an der dänischen Insel Moen etc. Wir % sind auf ein 
neues Gesetz gestossen: 

Das 16. Gesetz der Erscheinung: 

Bruchlose Umformung an unplastischen Gesteinen findet sich nur in grosser 
Tiefe unter der ursprünglichen Gebirgsober fläche. 

Grosse Tiefe bedeutet aber grosse Belastung. Zur bruchlosen Um- 
formung genügt also nicht nur der enorme gebirgsbildende Horizontaldruck, es ge- 
hört auch Belastung, d. h. Druck von oben dazu, und nun tritt selbstverständlich ein 
entsprechender Gegendruck von unten in's Spiel. Die bruchlose Umformung 
geschieht also am besten unter allseitig möglichst hohem Drucke. Hier- 
mit haben wir ein sehr wichtiges Resultat gewonnen, das uns zur Theorie dieser 
Erscheinungen führen wird. 

Wir müssen an den Schluss dieses Kapitels noch eine kleine mechanische 
Erörterung setzen, welche uns die Bedeutung der Schichtung für die Biegungen 
klar machen soll. 

Wenn eine Gesteinsmasse ganz gleichförmig ohne Schieferung und ohne 
Schichtung ist, und äusserlich ebenfalls in allen Richtungen des Raumes ähnliche 
Dimensionen hat, so wird eine in irgend welcher Richtung zusammenpressende 
Kraft nur Clivage erzeugen können. Nur dann, wenn die Masse in ihrer äusseren 
Form oder in ihrem inneren Bau oder in beidem plattenförmige Structur hat, und 
die Kraftrichtung nicht senkrecht auf die Platten steht, sondern besser ganz in die 



76 Einfluss der Schichtung auf die Umformung. 

Plattenebene fällt, tritt Faltung ein. Für plattenförmige Structur ist das Bezeich- 
nende, dass verschiedene Platten verschieden fest sind, oder dass die gleich festen 
Platten durch parallele Fugen, d. h. Flächen geringerer Cohäsion von einander 
getrennt sind. Die ausgebildetste Plattenstructur ist die Schichtung der Sediment- 
gesteine. Eine homogene Masse von gleichen Dimensionen und eine Masse mit 
plattenförmiger Structur sind zwei ganz verschiedene mechanische Objecte. 
Wenn man einen Würfel von gleichmässigem Töpferthon und einen ebenso grossen, 
welcher aus lauter dünnen zwischen Papierstücke eingeschlossenen Thonschichten 
besteht, quetscht, so erkennt man sehr schön beim ersteren ein gleichmässiges Aus- 
weichen, beim letzteren ein faltenförmiges Ausbiegen. Nur die Masse mit platten- 
förmiger Structur ist der Faltenbildung günstig. 

Die Erdrinde ist nun nach äusserer Umgrenzung wie nach innerem Bau 
eine Masse von im Ganzen horizontaler und ausgezeichneter plattenförmiger Structur, 
und musste deshalb bei Horizontaldruck stets in Falten nach oben ausweichen. 

Dass plattenförmige Structur eine absolute Bedingung zur Bildung von Falten 
ist, lässt sich mechanisch begreifen: 

1) Bei homogener Masse ist der Widerstand gegen die Differentialbewegungen 
der Theilchen in allen Richtungen der gleiche, es ist der Widerstand der Cohäsion. 
Eine solche Masse weicht daher einer Quetschung gleichförmig aus. 

2) Bei einer Platte (Schicht) ist die Biegsamkeit derselben viel grösser, als 
die Verschiebbarkeit ihrer Theilchen in der Schichtebene. Je dünner die Platte, 
desto geringer ist die durch Biegen geforderte Verschiebung der Theilchen. 

3) Wenn wir eine Masse biegen, die aus einem System von Platten besteht, 
so kann die Hauptmasse der notwendigen Theilchenverschiebungen aus den Platten 
heraustreten und sich zwischen denselben auf den Schichtfugen anhäufen, wo keine 
so starken Cohäsionskräfte entgegenwirken. Dadurch verschieben sich die Platten 
aneinander, jede Platte biegt sich einzeln und dadurch das ganze System, die 
äussere Gestalt desselben formt sich um, die innere Umstellung der Theilchen aber, 
die der Cohäsion entgegen eintreten musste, ist gering und deshalb der zur Um- 
formung nöthige Kraftaufwand klein. 

Eine geschichtete Masse formt sich leichter als eine homogene 
durch Druck um, und die Umformung ist vorherrschend Faltung. Eine 
homogene Masse erfordert zur Umformung mehr Kraft als eine ge- 
schichtete, und das Resultat ist vorherrschend Clivage. 



Länge der Falten — doppelte Krümmung. 77 

Das Auftauchen und Untertauchen von grossen Falten ist die Folge doppelter 
Krümmung der Schichten. Die stärkere Krümmung ist diejenige, welche wir im 
Querprofil der Falte sehen, die schwächere diejenige, weiche im Längsprofil durch 
die Krümmung der Rückenlinie der Falte gezeichnet wird. - Wenn nun irgendwo 
Biegung der Schichten in irgend einer Richtung entstanden ist, so bedarf es ganz 
anderer neuer intensiverer Kräfte, um noch dazu eine* Biegung in einer anderen 
Richtung, also doppelte Krümmung der Schichten zu erzeugen. Eine Papierrolle 
ist viel fester und als Säule tragfähiger, als das offene Papierblatt, das sich selbst 
nicht zu tragen vermag, bevor es gekrümmt ist. Wenn doppelte Krümmung ein- 
tritt, so müssen die Theilchen sich nicht mehr nur senkrecht zur Schichtebene, 
sondern in der Schichtebene selbst verschieben — im einen Fall drängen, dann 
wird die Schicht gestaut, im anderen strecken oder zerreissen. Bei der ersten 
Biegung des Schichtensystemcs fanden die Differentialbewegungen der Theilchen 
vorwiegend auf den Schichtfugen statt, jetzt bei zweiter anders gerichteter Biegung 
müssen sie in der Schicht selbst zur Ausgleichung der Spannungen fuhren, indem 
sie die Cohäsion des Schichtmateriales selbst überwinden. Gegen den Act der 
Doppelkrümmung erscheint die Masse wie wenn sie ungeschichtet wäre und die 
durchschnittliche Cohäsion der verschiedenen Schichten besässe. a) Schichten, 
welche keine Stellungsveränderungen der Theilchen in der Schichtebene zulassen 
würden, könnten stets nur einfach gekrümmt werden. In jede Falte Hessen sich 
stets beliebig viele Gerade legen, jeder Faltenrücken wäre eine Gerade und jede 
Falte ginge durch die ganze Schicht von einem Ende zum anderen auch bei unend- 
licher Ausdehnung. Im Kleinen, und nur gegenüber geringen Kräften kann uns 
gutes Papier diese Eigenschaften erläutern, b) Je eher nun aber Verschiebbarkeit 
der Theilchen in der Ebene der Schicht möglich wird, um so weniger lang müssen 
die Falten sich werfen, um so schneller können sie in ihrer Längsrichtung aus der 
Tiefe auftauchen und wieder untersinken und um so kürzer und gewölbter ihr 
Rücken werden. Je länger die Falten, desto leichter die Faltung, desto unterge- 
ordneter die Clivagebildung. Bei Gesteinen, die in kürzeren Falten sich erschöpfen, 
tritt Clivage stärker hervor. Die Schichtung und die Cohäsion des Schichtmate- 
riales bedingt übrigens nur eine Minimallänge der Falte im Vergleich zu ihrer 
Höhe und Breite, die wirkliche Länge der einzelnen Falten ist noch wesentlich 
durch die mehr oder weniger grosse Gleichförmigkeit des wirkenden Schubes bedingt. 
Bei der im Vergleich zu ihrer Höhe kürzesten Falte, die ich kenne, bei demjenigen 



78 Einflu88 der Schichtung auf die Faltung. 

Gewölbe, welches den Gipfel des Sentis bildet, verhält sich die Länge zur Höhe 
auf dem der Beobachtung zugänglichen Stück etwa wie 10 zu 1, der Krümmungs- 
radius des Faltenrückens beträgt etwa 12 Kilometer. (Verglichen in Abschnitt III 
des zweiten Theiles wirkliche Längen von Alpenfalten und Jurafalten.) Für diesen 
Fall, wo eine gewisse geringere Fähigkeit auch zur Doppelkrümmung vorhanden 
ist, kann uns als mechanisches Beispiel im Kleinen ein Tuch dienen, c) Bei einem 
Material aber, wo die Verschiebung in der Schicht gleich leicht wäre wie senkrecht 
zur Schicht, wo also doppelte Krümmung so leicht wie einfache entstehen könnte, 
würde Faltung niemals sich einstellen können, denn Stauung der Platte wäre hier 
so leicht wie Biegung und die Schichtstructur käme gar nicht zur Wirkung. Es 
müsste vielmehr in diesem Falle nur Clivage eintreten — Fluidalstructur könnten 
wir dann vielleicht ebensogut sagen, denn dieser Zustand ist kaum bei einer anderen, 
als einer fast flüssigen Masse denkbar. 

Die Gesteinsmassen gehören nun alle in die Rubrik b: 

Weil die Erdrinde geschichtet ist, kannten Faltengebirge entstehen. 

Weil Doppelkrümmung auf viel grösseren Widerstand trifft als einfache 
Krümmung, sind die Falten alle viel länger als breit. 

Weil Doppelkrümmung bei den Gesteinsschichten in gewissem Grade möglich 
ist, haben die einzelnen Falten und das ganze Gebirge eine beschränkte Länge. 

Die Falten eines Gebirges sind um so länger im Vergleich zu ihrer Breite 
und Höhe, je steifer die Schichten sind, und je gleichförmiger der erzeugende Hori- 
zontaldruck in den Schichten verbreitet war. 

Experimenten im Kleinen dürfte es leicht sein, diesen Satz, den wir durch 
mechanische Erörterung auf theoretischem Wege gefunden haben, zu prüfen. Ob 
er auf dem Wege der Beobachtung zu gewinnen sein wird, weiss ich nicht. Es 
wird sehr schwierig sein, die mehr oder weniger grosse Gleichförmigkeit der falten- 
den Kraft im Detail zu beurtheilen, und kann diese wahrscheinlich nur dadurch 
eliminirt werden, dass von einer steiferen und einer plastischeren Gesteinsart die im 
Verhältniss zu Breite und Höhe kürzesten Falten gesucht und verglichen werden. 
Die genaue Bestimmung der Länge einer Falte ist indessen sehr selten möglich. 

Wenn ein ganzes Schichtensystem gebogen wird, erleiden die äusseren 
Schichten der Biegung eine Streckung, die zum Zerreissen fortschreiten kann, die 
inneren eine starke Stauung, in der Mitte finden wir eine neutrale Schicht, die 
einfach gebogen wird. Diese Spannungsungleichheiten der verschiedenen Partien 



Zerreißungen an der ursprünglichen Oberfläche. 79 

gleichen sich indessen selten ganz durch Umformung innerhalb der Schichten aus, 
sondern besonders in den äusseren Alpenkämmen und in geringerer Tiefe 
zum grösseren Theil durch Verschieben der Schichten übereinander. 
Reiht sich Falte an Falte, so kann diese Ausgleichung durch Gleiten der Schichten 
aufeinander um so vollständiger geschehen, weil im Gewölbe diejenigen Schichten* 
am meisten zu kurz sind, die in der Mulde daneben am meisten Ueberfluss an 
Länge haben. Der dabei oft entstehenden regelmässigen Rutschstreifen in der Fall- 
richtung zwischen den Schichten haben wir früher schon gedacht. 

Als Schichtenzerreissungen, an der Aussenseite der Gewölbe entstanden, 
werden meistens die sogenannten „aufgerissenen Gewölbe " im Jura angesehen. 
Etwas sicher entsprechendes findet sich in den Alpen nicht. Streckungen an der 
freien Oberfläche mussten Zerreissungen und dadurch viele Bergstürze, viele klaffende 
Spalten etc. erzeugen — allein in den Alpen ist jede Spur davon verschwunden. 
Die obere zerrissene Region der sich aufwölbenden Falten ist längst durch Erosion 
abgehoben, die jetzt entblösste Oberfläche lässt Streckungen mit Zugrissadern nur 
noch an einzelnen Stellen erkennen, gehört aber zum grösseren Theil den neutraleren 
Schichten an. In den Thaleinschnitten und in den inneren Alpenkämmen aber 
finden wir die tieferen Regionen entblösst, die entweder gestaut worden sind, oder 
bei der Streckung so sehr belastet waren, dass ein Zerreissen wie nahe der Ober- 
fläche nicht eintreten konnte. Der Einfluss, den die ersten Zerreissungen der 
oberen Erdrinde, die in den Alpen niemals beobachtet worden sind, auf die For- 
men der Berge und Thäler ausgeübt haben mögen, ist nicht mehr zu constatiren, 
alles was unser Auge beobachtet ist nur davon unabhängige, stets fortschreitende 
Verwitterung und Erosion. (Verglichen I. Theil Abschn. V Cap. B und C.) 



D. Die Theorie der mechanischen Gesteinsumformung. 

Um den Vorgang der Gesteinsumformung zu begreifen, hat man sich zuerst 
mit allerlei Analogien zu helfen gesucht. Manche Körper, die im Kleinen oder 
bei ähnlichen Dimensionen in verschiedenen Richtungen spröde und sehr fest sind, 
sind im Grossen bei stab- oder plattenförmiger Umgrenzung biegsam wie z. B. Stahl, 
Glas etc. Könnten wir eine ganze Kalksteinplatte von 2 Stunden Länge und 1 M. 
Dicke mit gewaltiger Hand an beiden Enden fassen, so würde sie sich wahrschein- 



80 Feststellung mechanischer Begriffe. 

lieh recht stark biegen lassen ohne zu brechen. Denken wir uns eine constant 
wirkende Kraft habe das eine Ende einer liegenden solchen Schicht in 100 Jahren 
bei gleichzeitiger Unterstützung aller Punkte um einen Fuss nach oben gebogen, so 
kann sich in dieser Zeit die Felsschicht molekular so aecommodirt haben, dass wir 
•nun die gebogene Platte wie einen neuen, noch nicht künstlich mechanisch verän- 
derten Körper auffassen können und der Vorgang kann von Neuem beginnen. Wir 
können uns ferner daran erinnern, dass Stäbe von Eis in Luft über 0° und ebenso 
Stäbe von sprödem Siegellack und Harz sich durch das eigene Gewicht langsam 
aber continuirlich biegen, wenn sie hohl aufgelegt sind. Die Gesteine im Inneren 
der Erde sind fast immer mit Feuchtigkeit durchtränkt und diese übt vielleicht auf 
alle einen etwas erweichenden Einfluss aus, wie sie es auf stark thonige Gesteine 
nachgewiesenermaassen thut. Gewiss sind die Biegungen ungeheuer langsam ent- 
standen. Auf den Thongehalt und Baltzer's Untersuchungen hierüber haben wir 
schon früher hingewiesen und schon damals gezeigt, dass die Erklärung für die 
bruchlose Umformung dadurch noch immer nicht gegeben ist. 

In den vorigen Kapiteln haben wir die fertigen Resultate der Gesteinsum- 
formung im Gebirge untersucht und gesehen, dass in keiner chemischen Beschaffen- 
heit, keinem metamorphischen Prozess, keiner vorübergehenden Erweichung die 
Möglichkeit zur Umformung gefunden werden kann, sondern allein in den mecha- 
nischen Umständen, und dass die Möglichkeit zur Umformung mit allseitiger 2m- 
nähme der Druckintensität steigt. Der Vorgang ist ein rein mechanischer und 
gründet sich bald auf die Verschiebung der schon vorgebildeten Gesteinskörner, 
bald auf diejenige durch neue Abtrennungen umgrenzter Körner oder Lamellen, 
bald auf Verschiebung der kleinsten mechanischen Einheiten, der Moleküle. 

Die mechanischen Eigenthümiichkeiten verschiedener „ fester 44 Körper unter 
anderen als den ganz gewöhnlichsten Umständen sind leider noch gar nicht unter- 
sucht und zur Uebersicht gebracht. Wir können den Mangel hier nicht heben, son- 
dern nur einige der Begriffe, mit denen wir zu rechnen haben, erst etwas feststellen. 

Die erste Eigenschaft eines „ festen a Körpers ist die Festigkeit (fest). Die 
Festigkeit ist durch die Grösse der Cohäsion bedingt, sie ist der Widerstand des 
Körpers gegen mechanische Einflüsse von Aussen, also gegen Druck und Zug. 
Einen geringen Grad von Festigkeit nennen wir Weichheit (weich), Die Festigkeit 
(und Weichheit) sind von den umgebenden mechanischen Bedingungen unab- 
hängig, es braucht immer ein constantes bestimmtes Quantum von Kraft die 



Feststellung mechanischer Begriffe. 81 

Festigkeit zu überwinden. Wohl aber ändert sich diese durch die Temperatur, 
theils weil die Wärme der Cohäsion entgegenwirkt, theils weil sie chemische Um- 
wandlungen erzeugen kann. Die Aenderung durch die Temperatur ist für unseren 
Zweck ohne Bedeutung, weil wir keine genügend bedeutenden Temperaturschwan- 
kungen während des Umformungsprozesses kennen oder irgendwie nachweisen 
können. 

m 

Zwei weitere Begriffe, die mit den eben erläuterten keineswegs zusammen- 
fallen, sind Sprödigkeit und Plasticität. Sie sind nicht durch die Grösse der Cohä- 
sion, wohl aber durch andere Besonderheiten derselben, vielleicht durch die Ent- 
fernung, auf welche sie wirkt, gegeben. In diesem letzteren Falle würde eine auf 
nur ganz kleine Distanz wirkende Cohäsion der Sprödigkeit entsprechen, eine weiter 
wirkende der Plasticität. Das Wesen der Sprödigkeit besteht darin, dass die Theil- 
chen, um ein Minimum durch eine Erschütterung (einen Druck, Schlag etc.) von 
einander entfernt, sich sogleich nicht mehr anziehen — r es ist ein Bruch eingetreten. 
Bei plastischen Materialien hingegen lassen die Theilchen sich aneinander verschie- 
ben, ohne ausserhalb ihrer Attractionssphäre zu gerathen. Ein Druck verschiebt 
sie, trennt sie aber deshalb noch nicht. Sprödigkeit und Plasticität bezeichnen die 
Art wie sich die Festigkeit überwunden gibt. Sie hängen wie die Festigkeit von 
der Wärme ab. Viel wichtiger aber ist es für uns, dass sie auch von den 
äusseren mechanischen Umständen abhängen, wie wir weiter unten nach- 
weisen werden. 

Setzen wir einen plastischen Körper auf einen Himmelskörper, dessen Schwere 
stärker ist als die Kraft, welche nothwendig ist, um die Theilchen aneinander zu 
verschieben, so erhalten wir eine Flüssigkeit und zwar eine solche, welche eine 
gewisse Zähigkeit, die der Festigkeit des Ursprungsmaterialcs noch entspricht, bei- 
behält (eine „linde" Flüssigkeit). Setzen wir einen spröden Körper auf einen Him- 
melskörper, dessen Schwere die Kraft erreicht oder übertrifft, welche nothwendig 
ist, seine Theile zu trennen, so wird der spröde Körper ebenfalls zur Flüssigkeit, 
allein die Theilchen sind aus ihrer Attractionssphäre herausgerissen, die Flüssigkeit 
zeigt keine Festigkeit mehr, sie ist dünnflüssig („reusch"). Ob ein Körper flüssig 
oder fest sei, hängt bei constanter Temperatur von dem Grössenverhältniss seiner 
Cohäsion zu der Schwere, die auf ihn wirkt, also von äusseren mechanischen Um- 
ständen ab. Ob ein Körper flüssig oder gasförmig sei, hängt hingegen von dem 

Grössenverhältniss der Coliäsion zu der trennenden Kraft, welche die Wärme 

11 



82 Vermehrung der Plasticitat gegenüber langsam arbeitender Kraft. 

zwischen den Molekülen äussert, also von der Wärme, d. h. von inneren mecha- 
nischen Zuständen ab. 

Die Eigenschaften: Festigkeit und WeichJieU, und auf der anderjen Seite 
Sprödigkeit und Plasticitat können sich in folgender Weise zu je zwei combiniren: 

1) Fest und spröde (man nennt dies meistens auch zusammengefasst 
„hart") sind z. B.: Calcit, dichter reiner Kalkstein, Quarz, Eis, Colofonium, Glas, 
Diamant. 

2) Fest und plastisch (mit einem Worte „duktil") 6ind: dichte thon- 
haltige Kalksteine, Mergelfels, viele Sandsteine, ferner in gewissem Grade (mikro- 
skopisch nachweisbar, Erscheinungsgesetz 8 in Kapitel C) dichte Kalksteine und 
Dolomite, Thonschiefer, Schieferthone, ferner Blei, Eisen, Silber, Gold. 

3) Weich (unfest) und spröde (unplastisch) sind Glimraerblättchen, 
Kautschuk. 

4) Weich und plastisch (in einem Worte „knetbar") sind feuchter Töpfer- 
thon, Kaolin, weiche Mergel, Wachs, Butter etc. 

Dass die 4 oben combinirten Begriffe blos relative Bedeutung haben, ver- 
steht sich wohl von selbst. 

Die Grenze zwischen Sprödigkeit und Plasticitat kann nun verschoben 
werden und zwar: 

1) Durch die Art, wie die umformende Kraft wirkt und 2) durch 
die mechanischen Umstände. 

Einer langsam stetig wirkenden Kraft gegenüber unterliegen ganz allmälig 
alle Cohäsionskräfte. Die elastische Formveränderung wird zur bleibenden, wo- 
durch eine neue Gleichgewichtslage für weitere Formveränderungen geschaffen ist. 
Legen wir einen gewöhnlichen 20 Cm. langen Siegellackstab hohl auf und ver- 
suchen wir ihn in der Mitte um 3 Mm. hinunterzubiegen, so bricht er sofort spröde 
entzwei, belasten wir ihn aber blos wenig aber dauernd in der Mitte, so wird er 
nach einigen Tagen oder Wochen sich um vielleicht 20 Mm. eingebogen haben, 
ohne zu brechen. Aehnliches beobachtet man bei Bauten nicht selten an Sandstein- 
platten etc. Langsames Wachsthum der Kraft lässt eine hohe Steigerung derselben 
zu ohne dass Bruch eintritt, während schon eine kleinere Kraft als die an der 
Grenze erreichte, wenn sie plötzlich wirkt, Bruch hervorbringt. Fast alle Körper 
zeigen sich langsam aber sehr andauernd gleichmässig wirkenden Kräften gegenüber 
in gewissem Grade plastisch, während sie gegen viel stärkere aber nur kurz wir- 



Vermehrung der Plasticität gegenüber langsam arbeitender Kraft. 83 

kende Kräfte sich vollständig spröde verhalten. Selbst sehr geringe Kräfte können 
wesentliche Umformungen erzeugen, wenn sie lange genug wirken. Zeit ersetzt 
nicht nur Intensität, sie verändert auch die Art der Wirkung. Zur Umstellung 
von Molekülen wie sie die Umformung gebraucht, ist eben Zeit nothwendig. Sie 
kann die Spannungen im Innern eines Körpers ausgleichen und accommodiren wenn 
die Ursache auch bleibt, welche diese Spannungen erzeugt hat. Wie weit dies 
aber geht, ist unbestimmt, jedenfalls nicht bis in's Unendliche. Die langsam ge- 
bogenen Sandsteinpfosten und Platten, welche ich an Gebäuden schon gesehen habe, 
haben sich schliesslich nicht mehr weiter gebogen, sondern an der convexen Seite 
angefangen zu zerreissen, zu knicken. Dafür, dass die Biegung der Gesteins- 
schichten bei der Gebirgsfaltung sehr langsam vor sich ging, haben wir eine grosse 
Zahl von Wahrscheinlichkeitsgründen, sogar fast Beweisen (vergl. Abschnitt über 
Thalbildung I. Theil), aber keinen einzigen Wahrscheinlichkeitsgrund dagegen. Wir 
dürfen somit behaupten, dass den stetig und langsam wirkenden Kräften der 
Gebirgsfaltung gegenüber die Gesteine sich in viel höherem Grade plas- 
tisch und weniger spröde verhalten als gegen Kräfte, die eine rasche 
Umformung verlangen. 

Das zweite und wohl wirksamere, was die Grenze zwischen Sprödigkeit und 
Plasticität verschieben kann, sind die umgebenden mechanischen Umstände. 

Eine dünne Glasscheibe lässt sich an freier Luft unmöglich mit einer Scheere 
nach irgend einer gegebenen krummen Linie zerschneiden, sie reisst stets durch, 
während dies unter Wasser nicht mehr der Fall ist. Die unter Wasser gescheerte 
Linie besteht freilich aus lauter kleinen Brüchen, sie ist nicht schön und nicht 
eben, aber mit einiger Sorgfalt und Uebung doch herstellbar, ohne dass ein Bruch 
ganz durchreisst. Nehmen wir die Operation möglichst tief unter Wasser vor, so 
geht sie noch besser von statten. Vielleicht lassen sich sogar einst Apparate her- 
stellen, welche Glas unter allseitig hohem Druck mit der gleichen Leichtigkeit wie 
Papier zerschneidbar machen. Eine umgebende träge Masse, ein allseitiger Druck, 
der das plötzliche Abspringen einzelner Theile hindert, vermindert die Sprödigkeit. 

Wenn wir ein Stück ganz klaren dichten Wassereises schneiden und in 
dasselbe (vielleicht mit einer hydraulischen Presse) einen Stempel zu prägen ver- 
suchen, so bricht das Eis plötzlich mit Knall spröde auseinander. Bringen wir es 
aber vorher in ein festes eisernes Gefiiss, in welches es genau passt, so dass das 
Gefass überall fest anschliesst, verschliessen wir fest mit einem Kolben, so können 



84 Vermehrung der Plasticität durch allseitigen Druck. 

wir an irgend einer Stelle durch eine Oeffnung, die in der Gefäaswandung ange- 
bracht ist, einen Stempel einpressen, ohne dass das Eis in Stücke geht. Wir 
erhalten den entsprechenden Eindruck im Eisstück und der Kolben wird dem Vo- 
lumen des Eindruckes entsprechend etwas zurückgedrängt. Wenden wir bei Kolben 
und Stempel nur geringen Druck an, so geschieht eine Zertheilung des Eises in 
kaum mit der Loupe erkennbare Körner/) wird aber ein sehr starker Druck in 
Anwendung gebracht, so geschieht die Umformung vollständig homogen. Allsei- 
tiges Einschliessen in hohen allseitigen Druck hat den spröden Körper 
zu einem plastischen umgewandelt. Er hat es unmöglich gemacht, dass die 
Theilchen sich weiter entfernen konnten als die Cohäsion zu wirken vermag; des- 
halb blieb das Stück trotz der Verschiebung der Theilchen ungebrochen. 

Entsprechende Versuche lassen sich mit anderen nicht allzu festen Körpern 
machen, sie werden aber ausserordentlich schwierig ausfuhrbar, sobald die Stoffe 
sehr fest sind. Das Gelingen hängt dann von der Kraft der Apparate, die eine 
enorme sein muss und von ihrem genauen Umschliessen des umzuformenden Kör- 
pers ab. Mit Gesteinen sind brauchbare Experimente noch nicht gemacht worden 
und leider auch nur wegen der Kostspieligkeit der Apparate bisher unmöglich 
geblieben. 2 ) 

Ein Körper erscheint fest, wenn der auf ihn ausgeübte Druck nirgends 
die Festigkeit übersteigt. Er bricht, ist brüchig oder spröde und wird in Pul- 
ver zermalmt, wenn einseitig 3 ) ein Druck wirkt, der die Festigkeit über- 
steigt. Zermalmen in Pulver ist aber nicht möglich, wenn allseitig der Druck 
grösser als die Festigkeit ist. Die Theilchen können dann nicht so weit aus- 
einander weichen, dass trennende Klüftchen zwischen Pulverkörnchen entstehen 
könnten, sie werden ja fester als sie selbst sind, beisammengehalten. Die Pulver- 



l ) Verglichen Heim, Jahrbuch des Schw. Alpen-Club Bd. VIII S. 345 und folgende. 

*) Die Experimente von Pfaff (Anhang zur „allg. Geol. als exacte Wissenschaft* 1 ) sind für unseren 
Zweck unbrauchbar. Pfaff hat in einer Gesteinsplatte eine Stelle durch einen Stempel sehr stark belastet 
Die gepresste Stelle war ringsum von den nicht gepressten Gesteinstheilen eingeklemmt, und konnte somit 
nicht plastisch ausweichen oder musste dann die Platte zersprengen. Im letzteren Falle wäre aber sofort die 
ATlseitigkeit des Druckes wieder aufgehoben und das gepresste Theilchen spröde geworden. Pfaff hat sein Ge- 
stein gar nicht auf Plasticität, sondern auf Compressibilität untersucht. Es ist deshalb ganz fälsch, 
wenn er aus seinen Versuchen schiiesst, Druck könne die Gesteine nicht plastisch machen. Wenn die Ver- 
suche so leicht wären, wie er es sich denkt, so wären wohl schon oft solche gemacht worden. 

8 ) D. h. als Druck und Gegendruck. 



Die rückwirkende Festigkeit der Gesteine — Betrag derselben. 85 

körnchen, die entstehen möchten, werden nicht ausserhalb ihre Attractions- 
sphäre gelassen, es tritt vollkommene Plasticität ein, die Festigkeit selbst aber 
ist wahrscheinlich constant. 

Ob ein Körper, der überhaupt einmal durch einseitigen Druck in Pulver 
zermalmt worden ist, durch allseitigen Druck wieder zusammenhängend fest gemacht 
werden kann ohne Zusetzen eines Bindemittels wird experimentell kaum zu ermitteln 
sein, weil die sämmtlichen Materialien unserer Apparate nicht genügende Festigkeit 
bieten werden. 

Die Beobachtungen, welche wir über das Verhalten von festen Körpern 
unter hohem Druck haben, sind nicht sehr zahlreich. 

Zu technischen Zwecken sind schon wiederholt von verschiedenen Forschern 
Versuche zur Bestimmung des Widerstandes verschiedener Gesteine gegen. Druck 
ausgeführt worden, indem ein Würfel oder eine kleine Säule des Gesteines bis zum 
Zermalmen gepresst worden ist. Man nennt den so bestimmten Widerstand die 
Druckfestigkeit oder rückwirkende Festigkeit. Druckfestigkeit ist indessen, wie mir 
scheint, nicht wie man gewöhnlich annimmt, etwas von Zugfestigkeit qualitativ ganz 
verschiedenes. Risse können immer nur durch Zug entstehen; wenn sie durch 
Druck entstehen, so musste sich zuerst auf irgendwelche Weise im Material der 
Druck in der einen Richtung in Zug in einer anderen umsetzen. Die Druckfestig- 
keit muss eine ganz bestimmte Funktion der Zugfestigkeit sein, so dass aus der 
letzteren, die Kenntniss der inneren Reibungen vorausgesetzt, die Festigkeit auf 
Druck zu berechnen sein muss. In unseren weiteren Erörterungen haben wir es 
immer mit dieser Funktion, die wir Druckfestigkeit nennen, zu thun, und können 
nach dieser Bemerkung die Worte Druck und Druckfestigkeit gebrauchen, ohne 
missverstanden zu werden. 1 ) 

Der Druck, der angewendet werden muss, um ein Gesteinsstück zu zer- 
malmen, beträgt für 1 D Cm. Querschnitt: 



l ) Es lässt sich hieraus vermuthen, dass die Druckfestigkeit ausser vom Querschnitt auch noch von 
der Hohe und Querschnittsform der Säule abhängig sein muss. In der That hat Bauschinger (Zeitschr. des 
bair. log.- und Archit. -Vereines Bd. VII 1875) experimentell gefunden, dass bei constantem Querschnitt die 
Druckfestigkeit mit der Höhe der Säule langsam etwas abnimmt (vielleicht auch weil dann Biegen mit in's 
Spiel tritt?), ferner dass eine Säule von quadratischem Querschnitt etwas mehr trägt, als eine solche von gleich- 
großem aber rechteckigem Querschnitt, und dass nur bei geometrisch ähnlichen Säulen die rückwirkende Festig- 
keit dem Querschnitt genau proportional ist. Diese Einflüsse sind aber relativ klein. 



<£. 



86 Die rückwirkende Festigkeit der Gesteine — Betrag derselben. 

Ziegel 40 Kilogramm. 

Sandsteine 200 bis 300 „ l ) 

Dichte Kalksteine 300 bis 500 „ *) to&^U*, 

Frischer Granit 500 bis 700 „ 

Frischer Felsitporphyr 800 „ 

• Mit Hülfe des specifischen Gewichtes der betreffenden Gesteinsarten lassen 
sich hieraus die grösstmöglichen Höhen der prismatischen Säulen berechnen, deren 
Fuss eben noch die Last zu tragen vermag. Wir finden als diese Maximalhöhen 
der Prismas folgende Zahlen: 

Ziegel 166 M. 

Sandstein 900 M. bis 1300 M. 

Kalkstein 1100 M. bis 1800 M. 

„Taveyanazquarzitsandstein" 2160 M. 
Granit, Gneiss 1800 M. bis 2600 M. 

Porphyr 2860 M. 

Diese Säulen werden gerade noch von ihrem Fuss getragen, jede höhere 
Säule müs8te ihren Fuss zermalmen und das Pulver seitlich ausquetschen bis sie 
auf diese Höhe gesunken wäre. Bei Bergmassen haben wir nun gewöhnlich mehr 
pyramidale Formen. Da ist der Druck, der auf die mittleren Theile in der Höhe 
des Fusses wirkt, viel stärker als näher gegen den Rand des Fusses hin, im Durch- 
schnitt aber viel geringer als bei Säulen, und zwar um so geringer, je breiter die 
Basis. Berge können deshalb viel höher als die angegebenen Zahlen werden, ohne 
ihren Fuss zu zermalmen. In den Alpen gibt es kaum einen von Thälern einge- 
fassten so sehr selbstständigen hohen Gebirgsblock wie der Glärnisch: er überragt 
in schroffen Felsgehängen die umgebenden Thäler um 1900 bis 2400 M., also um 
weit mehr als es bei Prismagestalt laut obiger Zahl für Kalkstein möglich wäre. 
Der durchschnittliche Druck auf seinen Fuss im Niveau der umgebenden Thäler 
beträgt per D Cm. etwa 220 Kilogramm, während der betreffende Kalkstein 350 
bis 400 Kilogramm, also fast das Doppelte zu tragen vermöchte. Das Matterhorn 



*) Die Beobachtungen von Prof. Culmann sowie diejenigen, welche 1878 durch den Schweiz. Ing.- 
nnd Arch. -Verein in Zürich ausgeführt worden sind, ergaben für die Molassesandsteine der Schweiz 120 bis 
370 Kilogramm, im Mittel 231. 

*) Für Jurakalk fand Prof. Culmann durchschnittlich 400, für schwarzen festen alpinen Kalkstein 460, 
in einzelnen Fällen z. B. für eine Echinodermenbreccie und für Kieselkalk des Valengien vom Walensee ausnahms- 
weise sogar 600, für den sehr festen eocenen Taveyanazquarzitsandstein 540, für erratische Granitblöcke 360. 



Bruchformen bei krystallinischen und klastischen Gesteinen. 87 

4 

im Wallis, das zu den steilsten und kühnsten Gipfeln der Alpen gehört, führt in 
gleicher Weise durch Rechnung zur Erkenntniss, dass sein Fuss fast die vierfache 
Last zu tragen vermöchte, ohne eigentlich zerquetscht zu werden. 

Ich muss noch hervorheben, dass die obigen Festigkeitszahlen alle gefunden 
worden sind, indem man rasch (jeder Versuch dauerte durchschnittlich l / a Stunde) den 
Druck zunehmen Hess, bis plötzlich Zermalmen unter Krachen eintrat. Die Zahlen 
sind also für plötzliche Umformung bestimmt worden. Die gleiche Kalksteinsäule von 
1200 M. aber, welche zuerst fest aufrecht stünde, würde nach einigen Tagen oder 
Wochen Risse in ihrer Sohle bilden, die Zertheilung würde allmälig eintreten, und der 
Fuss mehr und mehr zermalmt. Es geht dies übrigens schon aus den Experimenten 
hervor, welche schon lange vor dem Zermalmen Knistern, also Zerreissen im Inneren 
hören lassen. Wir brauchen nicht so grosse Kräfte, vielleicht nur 3 / 4 oder 2 / 3 so 
grosse, um Gesteine zu quetschen, wenn wir nur der Kraft Zeit lassen, das Gefüge 
langsam zu lockern. Wir haben schon oben betont, dass Kraft und Zeit sich 
immer theilweise ersetzen können, wo es gilt, Cohäsionskräfte zu überwinden. 

Bei den Festigkeitsuntersuchungen, welche im Jahr 1866 und 1867 Herr 
Prof. Culmann in Ölten ausführte ; und ebenso bei denjenigen, welche der schweizer 
rische Ingenieur- und Architektenverein im Februar 1878 in Zürich ausführte, hat sich 
eine sehr merkwürdige Erscheinung gezeigt, die wir hier vorbeigehend erwähnen 
wollen, obschon wir sie nicht direct zum Aufbau unserer Theorie gebrauchen. Es 
wurden von verschiedenen Gesteinsarten Würfel von 1 Decimeter Seite geschnitten 
und diese zwischen Bleiplatten als Unterlagen zerdrückt. Dabei zerspalteten sich alle 
Gesteine von krystallinischem Gefuge (Granit, Porphyr, dichter Kalkstein, Marmor) 
meist sehr regelmässig prismatisch. Die Prismenaxen fallen in die Druckrichtung 
und die Prismen wichen dann seitlich etwas auseinander. Dies geschah zunächst 
ohne wesentliche Verminderung der Festigkeit. Dann endlich bei mehrender 
Belastung brachen die Prismen durch Flächen, welche mit der Druckrichtung 
ganz scharfe Winkel bilden, in schneidende Splitter, die sich keilförmig von 
unten und oben ineinander schoben. Hiermit war die rückwirkende Festigkeit auf- 
gehoben. Alle klastischen Gesteine hingegen, die geprüft wurden (Kalksandstein, 
Sandsteine, Muschelbreccien, feinere Conglomerate, künstliche Cementsteine etc.) 
zerbrachen in Pyramiden, deren Basisflächen mehr oder weniger grosse Stücke 
der Druckflächen waren, und deren Spitzen gegen das Innere des Gesteinswürfels 
gerichtet sind. Als „ Druckflächen a bezeichnen wir diejenige Würfelfläche, auf 



88 Brachformen bei krystallinischen und klastischen Gesteinen. 

welche der Druck der Presse ausgeübt wurde, sowie die ihr gegenüberstehende Auf- 
lagerungsfläche. An den freien Seitenflächen sprangen mehr schalige Stücke weg. 1 ) 
Die Pyramidalstücke waren soweit in ihrer Cohäsion geschwächt, dass man sie wie 
an manchen Stellen den Lochseitenkalk (I. Th. Abschn. IV) leicht zerreiben konnte, 
während die seitlich abgeschälten („abgebrannten") Stöcke ihre ursprüngliche Cohäsion 
bewahrt haben. Die Pyramidalflächen waren mit feinem Zerreibungsstaub bedeckt, 
die Prismenflächen der krystallinischen Gesteine hingegen reine Bruchflächen. Bei 
den prismatisch brechenden Gesteinen setzte sich die Compression in eine seitliche 
Dilatation um, welche ein Zerreissen ohne Reibung an den Trennungsflächen ermög- 
lichte, bei den pyramidalbrechenden hingegen zerlegte sich die Kraft in eine ab- 
scheerende in den Ebenen der Pyramidenflächen und eine dazu senkrechte, bei der 
scheerenden Bewegung der verschiedenen Pyramiden aneinander Reibung erzeugende 
Componente — hier also war Reibung auf den Trennungsflächen. Der Winkel, 
welchen die Pyramidenflächen mit der Basis der Pyramiden bilden, ist nach Bau- 
schinger 2 ) um so grösser, je grösser diese innere Reibung, und diese wiederum um 
so grösser, je grobkörniger das Material. 

Bei den prismatisch wie bei den pyramidal brechenden Gesteinen wurde oft 
schon lange bevor die Hälfte der zum Bruch erforderlichen Belastung angewendet 
war, ein Knistern und Krachen wahrgenommen, manchmal hingegen trat dasselbe 
erst unmittelbar vor oder mit dem Bruche ein. 3 ) 

! ) Die noch erhaltenen Proben der gequetschten Würfel befinden sich in der geolog. Samml. des 
Polytechnikums. Die Versuche sind leider niemals veröffentlicht worden. Versuche ober sehr grossen allseitig 
wirkenden Druck sind leider bisher noch niemals ausgeführt wordeo. 

*) Bauschinger, Zeitschrift des bairischen Architekten- und Ingenieurvereines, Bd. IV. 

s ) Es muss zugegeben werden, dass die Bleiplatten zur Ausgleichung des Druckes auf der Unterlage 
zugleich als Duktile unter hohem Druck fast flüssige Masse die Reibung zwischen Druckplatte der Maschine und 
Auflagerungsfläche des Gesteines sehr wesentlich vermindert, dadurch die Dilatation und den prismatischen 
Bruch erleichtern, die Bedingungen für Pyramidalbruch hingegen sich ungünstiger gestalteo. Allein Bauschinger 
irrt sich doch, wenn er das prismatische Brechen überhaupt den Bleiplatten zuschreibt. Die Einwirkung, die 
nach ihm das Blei ausüben soll, tritt ja bei den klastischen Gesteinen genau so wie bei den krystallinischen 
ein, obschon die ersteren mit Bleiauflagerung doch immer pyramidal brechen. Wenn Bauschinger diesen auf- 
fallenden und nur selten durch Uebergänge verbundenen Unterschied selbst beobachtet hätte, so hatte er es 
sicher mit der Erklärung desselben nicht so leicht genommen. Ich hebe noch besonders hervor, dass der Unter- 
schied in der Bruchform auch nicht von der zum Zerquetschen erforderlichen Kraft abhängig ist. Unter den 
pyramidal brechenden Gesteinen finden wir bei den Culmann'schen Versuchen einen Molassesandstein, der schon 
bei 12, aber auch einen Taveyanazsandstein, der erst bei 54 Tonnen Belastung per Q Dem. Querschnitt zerdrückt 
wurde, ferner unter den prismatisch brechenden einen porösen krystallinischen Kalksinter der bei 21, aber auch 
dichte krystallinische Kalksteine, die erst bei 60 Tonnen sich zerspalteten. Es muss der Unterschied in der Structur 
des Materiales selbst bedingt sein. Welche Umstände ihn bei Bauschingers Versuchen verdeckt haben, ob starke 
Beibung an den Auflagerungsflächen dies im Stande ist, werden vielleicht weitere Experimente aufklären. 



Der Gebirg8druck. 89 

Wo ein sehr heftiger Druck auf irgendwelche „festen" Materialien wirkt, 
pflanzt er sich in denselben ähnlich wie in einer Flüssigkeit seitlich fort. Es ist 
das die gleiche Erscheinung, welche im Inneren des Apparates beim Umformen von 
Eis geschehen musste. Wir beobachten sie oft im Grossen in der Natur: 

Bohrlöcher in Holz seitlich von der Auflagerung einer schweren Säule 
angebracht, schliessen sich bald wieder. Granitwürfel verbreiterten sich beim 
Belasten vor dem Brechen in manchen Fällen linear gemessen bis um 7 %• Die 
Gesteinspfeiler, welche in einzelnen Bergwerken zum Tragen der Decke noch stehen 
gelassen werden, verbreitern sich seitlich durch den auflastenden Druck; einzelne 
weichere Schichten quellen nach der freien Seite so sehr aus, dass sie an den 
Pfeilern, wie dies z. B. in den Kohlengruben von Käpfnach am Zürichsee an den 
Kohlenlagen oft gesehen werden kann, über einen Decimeter breite frei vorstehende 
Gesimse bilden. Die alten verlassenen Stollen in Bergwerken schliessen sich nicht 
nur von oben durch Senkung, sondern gleichzeitig ebensosehr von der Seite und 
von unten durch Steigen (Auftrieb) des weniger belasteten Bodens. (Die „Creeps a 
der Kohlenbergwerke finden sich in manchen Lehrbüchern abgebildet.) In 
.manchen Kohlenzechen bei Dortmund rechnet man 300 M. unter der Oberfläche 
per Jahr wenigstens 7a bis 1 M. Steigen der Stollensohlen. Ein Theil davon ist 
wirkliches Aufsteigen, ein anderer Theil hingegen allgemeine Einsenkung und Ein- 
drücken der Pfeiler von oben. Wo zwei Stollen sich kreuzen steigt der Boden oft 
schon in einem Monat um ! / 2 Meter, so dass die Rollwagen auf den Bahnen Mühe 
haben, über den breiten Hügel an der Kreuzungsstelle wegzukommen. Bergbau- 
stollen aus alten Zeiten in Schieferthon, Sandstein, Thonschiefer etc., die tief unter der 
Oberfläche liegen, sind oft bis auf ein Lumen von 1 Quadratfuss Querschnitt oder noch 
weniger von allen Seiten vollständig zugewachsen. In festeren Kalksteinen findet 
man sie oft mit festgeklemmten Trümmern ganz zugefüllt — das nachdrückende 
Gebirge hat die Blöcke von den Wandungen abgesprengt. Bei einigen Bohrlöchern 
für artesische Brunnen, sowie bei verschiedenen tieferen Probebohrlöchern in Berg- 
werken, mit welchen man in thonige Gesteine gelangte, verminderte sich nach- 
her allmälig die Tiefe des Bohrloches und zwar selbst da, wo eiserne Röhren zur 
Auskleidung eingeschlagen waren. Durch Auftrieb wuchs langsam ein Gesteins- 
zapfen von der Tiefe in das Bohrloch hinauf. Alle derartigen Beobachtungen, 
welche man gelegentlich in Bergwerken und bei Tunnelbau macht, zeigen, dass 
der Drwk im Inneren des Gebirges allseitig wirkt Er ist aber nichts anderes, als 

12 



90 Gebirgsdruck und Plasticität der Gesteine. 

die Schwere der Gesteinsmassen. Sie pflanzt sich wie in einer Flüssigkeit allseitig 
fort. Die Grenze zwischen festen und flüssigen Körpern ist ja nicht so scharf, sie 
kann durch die mechanischen Bedingungen verschoben werden. Wo wir lokal 
im Inneren des Gebirges durch einen Stollen oder dergleichen den Druck auf den 
atmosphärischen reduciren, da erzeugt die Last des Gebirges Bewegung nach diesem 
Punkte hin, von oben, von unten und von den Seiten, bis vollständiger Verschluss 
erreicht ist, und Druck und Gegendruck sich wieder aufheben. Je tiefer wir in's 
ErdinnerQ gehen, desto mehr kommen wir in Gebiete von hydrostatischem 
Druck — hier also muss auch in gewissem Sinne hydrostatisches Gleichge- 
wicht vorhanden sein. 1 ) Der Unterschied vom hydrostatischen Drucke bei Wasser 
beruht nur darin, dass hier im Gebirge Störungen des Gleichgewichtes einen be- 
deutenden Grad erreichen müssen um Bewegungen zu erzeugen, und dass die fol- 
genden wieder ausgleichenden Bewegungen sehr langsam vor sich gehen, weil sie 
starke Cohäsionskräfte und innere Reibungen auf gewissen Wegen überwinden, also 
eine grosse mechanische Leistung ausüben müssen. Wir wollen den allseitigen, 
dem hydrostatischen Druck in einer Flüssigkeit entsprechenden Druck im Inneren 
einer Gebirgsmasse Gebirgsdruck nennen. 

Der Gebirgsdruck steigt selbstverständlich sehr stark, im Allgemeinen pro- 
portional mit der Tiefe. In plastischeren und weicheren Materialien ist er schon 
in geringer Tiefe unter der Oberfläche fühlbar, in festerem und spröderem muss er 
sich erst selbst das Material plastisch machen, wozu eine bedeutende Tiefe noth- 
wendig ist. Die Ungleichheit des Materiales erzeugt ungleiche Vertheilung der 
Spannungen, durch welche bewirkt werden kann, dass noch in sehr grosser Tiefe 
einzelne Stellen keinen starken Gebirgsdruck haben, andere einen stärkeren. Das 
Wesentlichste ist, dass der Gebirgsdruck im Allgemeinen ein allseitiger Druck 
ist. Allseitiger Druck aber nimmt spröden Materialien ihre Brüchigkeit und gibt 
ihnen dafür Verschiebbarkeit der Theilchen. Wenn endlich der allseitige Druck 
die Festigkeit wesentlich übersteigt, ist das Material vollständig plastisch gemacht. 
Nehmen wir eine ebene Erdoberfläche an, so müsste im Allgemeinen dieser plastische 
Zustand schon etwas unterhalb derjenigen Tiefe eintreten, welche oben durch die 
Höhe der noch von ihrem Fusse getragenen Gesteinsprismen bezeichnet ist. Während 



') Prof. Culmann kam auf ganz gleiche Resultate bei seinen Berechnungen des Erddruckos auf Tun- 
nel etc. (Graphische Statik, neueste Auflage.) 



Die Theorie der bruchlosen Umformung. 91 

wir Stollen in weichen Sandsteinen und Thonschiefern schon 300 M. unter der 
Oberfläche sich schliessen sehen, müsste ein Gleiches in festem Sandstein unter 
1000 bis 1300 M., in Kalkstein unter 1100 bis 1800 M., in Granit und Porphyr 
unter 1800 bis 2900 M. etc. unter der Oberfläche eintreten. So tief sind wir nun 
allerdings bis jetzt nirgends mit Stollen gelangt. Die tiefsten Bohrlöcher reichen 
in festem Gestein 800 M. hinab, also auch noch nicht so tief, dass sie sich in 
Folge des Gebirgsdruckes schliessen müssten. In den Alpen müssten wir vom 
Gipfel der Berge tiefer gehen, als die genannten Beträge, um in Gebiete zu kommen, 
wo alle Gesteine plastisch sind, weil es hier auf die durchschnittliche Belastung, 
welche bei den aufgesetzten pyramidalen Bergformen nicht der Höhe eines gleich- 
hohen Gesteinsprisma's entspricht, ankommt. Von den Thalsohlen aus aber müssten 
wir wegen den umgebenden Bergen weit weniger tief gehen, als die oben ange- 
führten Säulenhöhen. Etwelche Umformung ohne Bruch ist selbstverständlich bei 
langer Dauer der Kraftwirkung auch schon unter geringerem Gebirgsdrucke möglich. 
Von der Oberfläche aus nimmt nach der Tiefe mit dem Gebirgsdruck die 
Umformungsfähigkeit der Gesteine fort und fort zu, sie wird immer 
vollkommener, je tiefer wir gelangen. Eine scharfe Grenze zwischen Tiefen, in 
welchen die Gesteine noch nicht in umformungsföhigen Zustand durch den Ge- 
birgsdruck versetzt sind und solchen, wo dies der Fall ist, ist selbstverständlich 
nicht vorhanden. 

Höher Gebirgsdruck ist somit eine mechanische Condition, die sich in der 
Hefe befindet und die die Gesteine in einem latent plastischen Zustande hält. Damit 
nun aber wirkliche Umformungen geschehen, muss Gleichgewichtsstörung eintreten, 
d. h. es muss der Druck auf einer Seite kleiner oder grösser werden. Dann findet 
ein Ausweichen, ein Fliessen nach der Richtung des geringsten Druckes statt. 
Dieses Ausweichen kann später als Streckung erscheinen, obschon kein directer Zug 
in's Spiel kommt, sondern die Streckung nur ein Ausweichen gegen das Druck- 
minimum hin ist, das für bruchlose Umformung von Körpern ohne Regelations- 
fahigkeit immer noch grösser sein muss als die Festigkeit. Plastische Umformung 
geschieht also nur, wenn allseitig ein Druck w T irkt, der jedenfalls 
grösser als die Festigkeit, aber auf verschiedenen Seiten nicht gleich 
gross ist, so dass Ausweichen seitlich zum Maximaldruck stattfinden kann. Ist das 
vorhandene Druckminimum kleiner als die Festigkeit, so tritt Zerbrechen, 
und damit Ausquetschen, „Umformung mit Bruch" ein. 



92 Die Theorie der bruchlosen Umformung. 

Die Gleichgewichtsstörung, welche den latent plastischen Zustand in umfor- 
mende Wirkung bringt, kann in einseitiger Entlastung durch eingeschnittene Tun- 
nels, Schächte etc. oder in der Natur durch einschneidende Thäler gesucht werden. 
Weil indessen die Einschnitte keine Tiefe von vielen Tausenden von Metern er- 
langen, sind die hierdurch erzeugten Gleichgewichtsstörungen nicht so sehr auffallend. 
Die Hauptursache für die Gleichgewichtsstörung liegt vielmehr in dem neu hin- 
zutretenden Horizontaldruck in der Erdrinde, der die Gebirgsfaltung erzeugt 
hat, denn mit eben dieser Faltung im Zusammenhange finden wir ja die Umfor- 
mungen. Es bedurfte nur des Kraftzuwachses von einer Seite, das Material lag 
schon zur Umformung bereitet in der Tiefe. 

Wir haben unsere Theorie entwickelt. Sie lautet in einen einfachen Satz 
zusammengefasst : 

In einer gewissen Tiefe unter der Erdoberfläche sind die Gesteine weit über 
ihre Festigkeit hinaus belastet. Dieser Druck pflanzt sich nach allen Richtungen fort, 
so dass ein allgemeiner, dem hydrostatischen Drucke entsprechender Gehirgsdruck all- 
seitig auf die Gesteinstheüchen einwirkt Dadurch sind dort die sprödesten Gesteine 
in einen latent plastischen Zustand versetzt. Tritt eine Gleichgewichtsstörung durch 
eine neue Kraft — den gebirgsbildenden Horizontalschub — hinzu, so tritt die 
mechanische Umformung in dieser Tiefe ohne Bruch, in zu geringen Tiefen bei den 
spröderen Materialien mit Bruch ein. 

Ich bitte jetzt den Leser, alle unsere sechszehn Erscheinungsgesetze zu 
durchgehen. Er wird finden, dass unsere Theorie der Umformungen mit 
ihnen allen genau übereinstimmt, und dass sie eigentlich zum Theil 
leicht als nothwendige Folgen aus unserer Theorie sich ableiten Hessen, 
wenn wir sie nicht noch früher durch die Beobachtung gefunden hätten. 

Wir wollen die Untersuchung, die wir bisher induetiv geführt haben, um- 
kehren und einige Deductionen aus der Theorie gewinnen, um sie hernach, so weit 
die Beobachtungen reichen, mit der Natur zu vergleichen. 

In den obersten Schichten muss bei der Alpenfaltung die Umformung vor- 
wiegend mit Hülfe von Bruch vollzogen worden sein. Je tiefer die Schichten, um 
so mehr trat neben Bruch die wirkliche Plasticität mit in's Spiel und zwar 
bei plastischeren und weicheren Gesteinen in höherem Grade und schneller, 
als bei spröderen (Gesetz Nr. 4, 6 und 16). Die tieferen Schichten müssen 



Die mechanische Umformung in verschiedener Tiefe. 93 

mehr ohne Bruch gefaltet sein, als die höheren. Die Verwitterung und die Ero- 
sion haben aber von der jetzigen Gebirgsoberfläche diejenigen Schichten längst 
ganz abgetragen, welche fast allein durch Bruch umgeformt sind. Wir finden in 
der That in den höchsten Theilen und den jüngsten vorhandenen gefalteten Schichten 
keine wirklich aufgerissenen Gewölbe. Eine Gewölbebiegung mit zahlreichen regel- 
mässigen feinen radialen Zerreissungsklüftchen wie z. B. der Sentisgipfel, das Wid- 
derfeld am Pilatus etc., wie wir sie so zahlreich beobachten, könnte sich an freier 
Oberfläche unmöglich bilden, sondern es müsste ein Riss entstehen und beide Flügel 
der Falte würden wie zwei Dachflächen von der Bruchlinie abfallen, vielleicht eine 
Kluft zwischen sich lassend, jedenfalls aber keine schöne Gewölbecurve bildend. 
Solches ist heute in den Alpen nicht mehr vorhanden. Durch Ueberschiebungen 
der Platten an der freien damaligen Oberfläche musste stellenweise ein Abbrechen 
von ganzen Schichtstücken stattfinden, und die Oberfläche mit mächtigen Berg- 
stürzen sich bedecken. Zahlreiche klaffende Risse in der Längs- und vielleicht 
auch in der Querrichtung mussten sich öffnen, und die Schichtfugen oft klaffen, so 
dass eine völlige Trümmerlockerung eintreten musste. 1 ) Aber all diese spaltenför- 
migen Zerreissungen und all dies durchgreifende Brechen sind Erscheinungen der 
äussersten obersten Rindenschichten, die fortwährend, schon lange bevor der 
Prozess vollendet war, durch Verwitterung und Erosion abgetragen wurden. Tiefer 
verlief der Prozess ruhiger, aber gewaltiger. Hier wurden die Risse bei den Um- 
formungen zahlreicher, aber kürzer, sie keilen sich rascher wieder aus. Die Zerthei- 
lungen in Stücke, die sich als mechanische Einheiten bewegen, werden weiter in's 
Einzelne gehend ausgebildet, die Fugen und Risse klaffen weniger, die Schichten 
knicken nicht, sondern bilden regelmässige, weit sich spannende Faltenbogen. Der 
Zusammenhang der Schichten bleibt vollständiger, das ganze Material geschlossener, 
kein Riss reicht von oben bis in diese Region in thalbildender Weise hinunter. 
In einer noch tieferen Region endlich krümmt sich langsam das geschichtete Ma- 
terial in sonderbaren Falten, als ob es weich wäre wie Töpferthon, — denn was 
ist hier seine Festigkeit im Vergleiche zum Druck, der es allseitig erfasst? Hier 
geschieht mehr und mehr nur noch Umformung ohne Bruch, für keine Spalte 



l ) Bei Anlass eines Experimentes über Faltung mit Thonschichten beobachtete ich einst eine Menge 
sonderbarer Aufbänmungen und kleiner Falten mit Zerreissungen an der äussersten Oberfläche. In den tieferen 
Schichten trat nichts derartiges mehr ein. Vergl. die neuesten Versuche v. A. Favre Archiv des Sciences 1878. 



94 Deductionen aus der Theorie der bruchlosen Umformung. 

findet sich der Raum, jede Lücke wird zugequetscht bevor sie sich bildet. Da 
sinken die gewaltigen Massen in langer Mulde ein, dort bäumen sie sich gewaltig 
in die Höhe bis der Scheitel von der Belastung durch die Denudation oben befreit 
langsam spröde aufreisst, während von unten die gequetschte Masse nachpresst 
immer höher, und an noch anderen Stellen weicht das Material seitlich und nach 
oben aus und es entstehen Transversalschieferungen. Der Uebergang von der oberen 
in diese tieferen Regionen ist ein ganz allmäliger. Alle Biegungen, alle Umfor- 
mungen, die für unsere Beobachtung zugänglich sind, haben sich unter 
einer enormen Belastungsdecke gebildet, die jetzt verschwunden ist. 

In der That legt in den Alpen jede Form hierfür Zeugniss ab. Ich habe 
daselbst niemals eine Biegung oder ein Adernetz gefunden, deren Entstehung denk- 
bar wäre ohne belastende Bedeckung während des Vorganges. Ganzes Zerbrechen 
oder Abbrechen grosser Schichtencomplexe ist sehr selten. Wir können Monate 
lang nach grösseren ächten Spaltenverwerfungen suchen ohne solche zu finden. Die 
Sprungweite derjenigen, die man findet, beträgt meistens nur wenige Meter und sie 
setzen nicht tief hinein. Sichere reine Verwerfungen, welche kettenbildend wären, 
habe ich in dem mir genauer bekannten Theil der Alpen, den östlichen Schweizer- 
alpen, noch gar keine gesehen. Escher sagte mir einst selbst: „Viele wären hier 
wohl geneigt, eine Verwerfung anzunehmen, ich habe aber in meinem Leben in 
den Alpen noch niemals eine echte zweifellose grössere Verwerfung gesehen." In 
den Profilen und Schriften von Theobald, Kaufmann, Baltzer, Gutzwiller, Renevier 
finde ich solche ebenso selten, und so viel mir bekannt ist, hat auch Mösch viel 
mehr Biegungen mit verquetschten Mittelschenkeln, als echte Verwerfungen gefunden. 
Es soll damit nicht behauptet sein, dass grosse Verwerfungen in den Alpen gar 
nicht vorkommen, 1 ) wohl aber, dass sie zu den seltenen ausnahmsweisen Erschei- 
nungen gehören. Sollten nun, wenn echte Verwerfungen in den Alpen doch häufig 
wären, dieselben stets so sehr verborgen sein? Ist es nicht viel natürlicher, in 
zweifelhaften Fällen zunächst an Biegungen zu denken, da man doch solche klar 
biosgelegt zu Hunderten beobachten kann, Verwerfungen aber in den Centralalpen 
nur ausserordentlich selten? Die Unterscheidung von Spaltenverwerfungen und 



') Verglichen z. B. Renevier Bullet. Soc. Vand. VIII S. 273 über die „faule du Pillon» bei Gsteig 
in Ormonts, wo die triasische Rauhwacke bald mit dem Urgonien, bald mit den Nummuliten in Berührung 
kommt, und andere mehr. 



Die mechanische Umformung in verschiedener Tiefe. 95 

Falten Verwerfungen oder uneigentlichen Verwerfungen (S. 44 dieses Theiles und fol- 
gende) muss erst durchgedrungen sein, bevor die Berichte mancher anderer Geologen 
wie Lory etc. für uns deutbar sind. Der Ausdruck „Dislocationslinie," der häufig 
gebraucht wird, lässt uns über die Natur der Schichtenstörung gänzlich im Zweifel. 

Die Hauptmenge der Umformungen, die wir beobachten, sind gemischte 
Umformungen (Gesetz 6), sie zeigen Brüche, aber gleichzeitig bruchlose Gestaltver- 
änderungen. Ich kenne kein Beispiel, wo ein thonfreier Kalk der oberen Schichten, 
z. B. der oberen Kreidestufen bruchlos enge gefältelt wäre. Es herrscht in der 
That in den geologisch höheren Schichten die Umformung mit Bruch 
vor, in den tieferen wird die Umformung ohne Bruch immer häufiger 
(Gesetz 15 und 16). 

In den oberen Schichten musste, wenn unsere Theorie richtig ist, bei der 
Faltung die Steifheit einzelner Schichten, die zwischen anderen eingeklemmt waren, 
mehr zur Geltung kommen, als in den tieferen. In diesen letzteren wurde doch 
alles plastisch gequetscht, wenn auch die Festigkeitsunterschiede durch ungleichen 
Widerstand der einzelnen Schichten noch zur Geltung gelangten. Die oberen 
Schichten hatten ferner freiere Bewegung nach aussen und deshalb freiere Wahl 
der Biegungsformen deü Cohäsionswiderständen in sich selbst entsprechend. Die 
Beobachtung stimmt mit dieser Deduction vollständig überein: Es besteht 
ein auffallender Unterschied bei den Curven der Biegungen in den 
äusseren Ketten, die aus höheren Gesteinen bestehen im Vergleich zu 
den inneren Ketten und tieferen Gesteinslagen. Die Biegungen zeigen in 
den äusseren Kreideketten viel regelmässigere Krümmung. Sie erscheinen hier 
als weite, herrlich geschwungene Linien an den Abhängen der Querthäler. Bei 
den Falten in den inneren Kämmen nahe den Centralmassiven suchen wir meistens 
vergebens nach einer Amdermulde oder einem Axensteingewölbe. Die Falten sind 
hier viel unregelmässiger verbogen, der Krümmungsradius wechselt viel mehr, die 
Mulden sind häufiger winkelförmig gequetscht als rund. Selten gibt es Biegungen, 
die man im Profil mit Hülfe von Kreiszirkel oder Schwungbogen zeichnen könnte, 
der Linienzug ist ein viel schwankenderer, der auf viel plastischeres Verhalten 
hinweist, obschon das Material petrographisch nicht anders ist, sondern nur stärker 
belastet war. Nach Gesetz 15 beobachtet man den gleichen Unterschied in ge- 
wissem Grade schon an einer Stelle zwischen den obersten und tieferen Schichten 
an einem tief entblössten Profile. 



96 Verschiedene Umformung in verschiedener Tiefe. 

Die in den letzten beiden Absätzen enthaltenen Beobachtungen hätte ich 
auch früher als Erscheinungsgesetze aufführen können. Ich habe dies deshalb nicht 
gethan, weil ich selbst hierauf erst auf deductivem Wege, nachdem ich die Theorie 
gewonnen hatte, aufmerksam geworden bin. 

Der Unterschied in der Plasticität zwischen den tieferen und höheren 
Schichten machte es leicht möglich, eigentlich sogar noth wendig, dass die tieferen 
in Falten sich zusammenlegten und an den oberen verschoben, während 
diese letzteren wie eine steife Decke mit viel spärlicheren Krümmungen 
an der Oberfläche blieben. Die folgenden tieferen Schichten wurden immer 
mehr und mehr von den Bewegungen der tiefsten mitgeschleppt. So entstanden 
allerlei Discordanzen nachträglich auf rein mechanischem Wege. So hat wohl 
auch grösstenteils die Aufrichtung der krystallinischen Schiefer unter 
den flacher fallenden Sedimenten stattgefunden, so hat sich ihre Schie- 
ferungseinförmigkeit durch Clivage leicht ergänzt und so sind die stel- 
lenweise zwischen denselben eingeklemmten Mulden alter Sedimente 
erklärlich (verglichen der folgende Abschnitt, besonders im Schlusskapitel). In 
dieser Tiefe rnusste dann durch Zusammenquetschen der Falten und durch gleich- 
zeitige Clivageausbildung wieder enorme Einßrmigkeit der Schieferung entstehen. 1 ) 

Genügte die wirklich vorhandene frühere Belastung, um den nothwendigen 
Gebirgsdruck zu erzeugen? 

Die jüngsten, rein bruchlos umgeformten thonfreien Kalksteine der Central- 
alpen, die ich kenne, gehören den mittleren Schichten des Hochgebirgskalkes an. 
Ueber denselben lagen in diesen Theilen der Alpen noch circa 300 M. Hochge- 
birgskalk, dann wenigstens 800 M. Kreide, 800 M. eocene Gesteine, vielleicht auch 
noch jüngere Gebilde, zusammen also fast 2000 M. Kalkstein und Thonschiefer mit 
einigen anderen Gesteinsarten. Das durchschnittliche specifische Gewicht derselben 
kann auf 2,3 bis 2,4 gesetzt werden. Eine durchschnittlich 1500 M. mächtige 
Belastung mit Gesteinen von diesem specifischen Gewichte würde aber schon fast 
genügen, um denjenigen Gebirgsdruck zu erzeugen, der solchen Kalkstein in latent 
plastischen Zustand überführen müsste. 



l ) Lory nimmt die krystallinischen Schiefer als schon aufgerichtet und steifer als die Sedimente zur 
Zeit der Hauptfaltang an. Der Gebirgsdruck, wie er beobachtet ist, widerspricht aber dieser Anschauung voll- 
ständig. Das Material ist um so plastischer, je tiefer wir kommen. Die grössere Festigkeit der Gneisse gegen- 
über dem Kalkstein wurde durch die grossere Tiefe mehr als überwunden. 



Die Belastungen während der Alpenfaltung. 97 

Der Gebirgsdruck in der Tiefe entspricht bei unebener Oberfläche keineswegs 
einfach der Last des über dem betreffenden Punkte liegenden Gesteinsprisma, er 
lässt sich auch nicht genau gleich der Durchschnittsbelastung auf einem grösseren 
Gebiete setzen, wird aber hiervon, wenigstens wenn die Oberfläche nicht allzu 
starke Höhenunterschiede zeigt, nicht sehr weit abweichen, um so mehr, als grössere 
Gesteinsmassen in Folge der zahllosen stets vorhandenen Fugen und Risse niemals 
als mechanische Einheit aufgefasst werden können. 

An einzelnen Stellen, wo die Schichten muldenförmig einsanken, wurden sie 
noch viel stärker belastet, als blos durch die normal darauf folgenden einfachen 
Schichtmächtigkeiten. Die durchschnittliche normale Belastung für die bruchlos um- 
geformten Röthikalke der Tödigruppe betrug: 200 M. Lias und brauner Jura, 
500 bis 700 M. oberer Jura, 500 bis 800 M. Kreide, 800 M. Eocen, also zu- 
sammen 2000 bis 2500 M. Gegenwärtig beträgt sie an einigen entblössten Stellen 
noch 1200 M.; an einigen Orten in der Tiefe unter der Doppelfalte kann sich der 
Röthikalk erst 3500 M. tief finden. Schon in viel geringerer Tiefe, vielleicht in 
500 M. unter der ursprünglichen Oberfläche war der Gebirgsdruck genügend, 
thonreiche Gesteine, die schon anfanglich eine gewisse Plasticität besitzen, bruchlos 
umzuformen, während festere sprödere Massen halb bruchlos, halb brechend sich 
der Faltung fiigen mussten. Die thonfreien Kalksteine der mittleren und oberen 
Kreideschichten finden sich in den Centralalpen nirgends bruchlos enge gefältelt. 
Die höchste Belastung, die sie jemals getragen haben, betrug blos etwa 1000 M. 
bis 1100 M., also zu wenig zur bruchlosen Umformung. 

Die Belastungen, welche ivirklich in's Spiel gekommen sind, entsprechen somit 
vollständig den von der Theorie geforderten Beträgen. 

Wenn in einer Masse, die wie die allseitig schwer gepressten Gesteine in 
der Tiefe in einem latent plastischen oder flüssigen Zustande sich befindet, irgend- 
welche neuen Kräfte hinzutreten, so wird das Gleichgewicht gestört, und es muss 
Bewegung eintreten. Der allseitig enorme Druck erzeugt eine Beweglichkeit der 
Moleküle ähnlich wie hohe Temperatur durch Schmelzen oder Flüssigkeiten durch 
Lösen eine Bewegungsmöglichkeit schaffen. Wenn die Starrheit eines Körpers durch 
Druck aufgehoben ist und die Moleküle beweglich verschiebbar geworden sind, 
dann können ähnlich wie bei Schmelzfluss oder Lösung die chemischen und die 
krystallisirenden Kräfte die Atome und Moleküle anders gruppiren und neuen Gleich- 

13 



98 Weiterer Metamorphlsmus durch Druck. 

gewichtslagon zufuhren — weder Hitze noch Wasser ist zu dieser Metamorphose 
nothwendig — nur allseitiger Druck viel grösser als die Festigkeit. 

Die Verbreitung der Marmorlager am Nordrande des Finsteraarmassives ist 
durch Baltzer 1 ) genau untersucht worden, und hat ihn zu dem Resultate geführt, 
dass der Marmor aus dichtem Kalkstein an denjenigen Stellen durch mechanische 
Metamorphose entstanden sei, wo bei der Gebirgsfaltung der Druck besonders stark 
wurde. Unsere Beobachtungen im Gebiet der Glarner-Doppelfalte, wo ausgezeichnete 
Marmorlager vorkommen, stimmen hiermit vollständig überein. Das Salinischwerden 
sehr vieler Kalksteine der inneren am stärksten gefalteten und gepressten Ketten 
überhaupt ist wohl die gleiche Erscheinung in weniger vollkommener Ausbildung. 1 ) 
Die gestreckten Belemniten des Scopi, der Nufenen etc. sind oft sonderbar verflösst 
in Marmor umgewandelt und im Gestein haben sich kleine Concretionen ausgebildet, 
die stellenweise zu deutlichen Granaten und Staurolithen werden, während das Ge- 
stein schiefrig und mit feinen Glimmerschuppen erfüllt ist. In diesen Gebieten sind 
die Gesteine durch die Faltung oft viele tausend Meter unter die ursprüngliche Ge- 
birgsoberfläche geschleppt worden. Wir finden solche veränderte Sedimente niemals 
in den äusseren mechanisch milderen Alpenketten, und in den inneren in einer An- 
ordnung, welche den Gedanken an eine metamorphische Einwirkung der Feldspath- 
gesteine wie sie an anderen Orten (Schottland, Norwegen etc.) so ausgezeichnet beob- 
achtet werden kann, für die Alpen vollständig ausschliesst, indem die Umwandlung oft 
im wirklichen Contakt geringer ist und selbst ganz fehlt. Prof. Renevier und Dr. de la 
Harpe haben am Lac Celaire (Dent du Midi) Bohnerze gefunden, deren Kügelchen 
platt gequetscht 3 ) und gleichzeitig in Magnetit 4 ) umgewandelt sind. Endlich verweise 
ich auf die gequetschten Eisenoolithe der Windgällenkette, der Brigelserhörner etc., 
deren gequetschte Oolithkörner sowie die kalkhaltige Grundmasse Magnetit sind, 
und in welchen eine Menge kleiner Magnetitoctaederchen entstanden sind. Wenn es 
nicht Neubildungen wären, so müssten sie entweder ebenfalls zerdrückt sein, oder, 
weil vielleicht viel fester als das umgebende Gestein, vom Clivage desselben flaserig 
umbogen werden. Keines ist der Fall. Die Abgussflächen des geschieferten 



») Neues Jahrb. f. Min. 1877. 

*) Verglichen das Kapitel über das Alter der Eruptivgesteine der Alpen im folgenden Abschnitt, 
wo wir hierauf genauer eingehen. 

») Bull. Soc. Vaud. Sc. Nat. vol. IV S. 232. 

') Mündliche und briefliche Mittheilung von Prof. Renevier. 



Weiterer Metamorphismua durch Druck. 99 

Gesteines und zwar der Schuppen wie der Grundmasse, an den KrystäUchen sind viel- 
mehr der Art, wie wenn Krystalle aus einem Magma sich ausgeschieden haben. Es 
muss hier eine theilweise Umkrystallisation in der Masse selbst der Zeit nach jedenfalls 
nicht vor, sondern durch die Umformung eingeleitet eingetreten sein. (I. Theil S. 62.) 

Hier erscheint ein Metamorphismus als die Folge rein mechanischer Um- 
stände und Vorgänge, als eine höchste Potenz der mechanischen Umfor- 
mung, die verändernd bis in das Molekül hineingreift. 

Wir haben hiermit auf eine ganz neue Frage der Geologie hingewiesen: 
Welche Beziehungen bestehen zwischen mechanischer Gesteinsumfor- 
mung einerseits, und chemischer und krystallischer Umwandlung an- 
dererseits? Mehr als diese Hinweisung sind wir heute noch nicht im Stande zu 
geben. Möchte einst die Tragweite der hier vorgezeichneten Vorgänge nicht nur 
durch die Beobachtung allein, sondern auch durch das Experiment festgestellt wer- 
den können. 



E. Fortwirkende mechanische Vorgänge, Folgerungen und Anwendungen. 

Wir stehen vor der Frage, ob jetzt die Alpen, der Jura u. s. f. gegen den 
Horizontaldruck, der sie aufthürmte, im Gleichgewicht sind, oder ob ihre Stauung 
noch fort und fort wirkt. Die Antwort hierauf ist heute noch unmöglich. Die 
horizontale Lage der diluvialen Lignite bei Utznach (Kanton St. Gallen) über den 
steil aufgerichteten miocenen Lagern scheint auf den ersten Blick für Gleichgewicht 
seit Beginn der Diluvialzeit zu sprechen, allein dieses Vorkommniss ist viel zu 
lokal und zu wenig ausgedehnt um einen so grossen Schluss darauf zu gründen, 
um so mehr als die horizontale Lage keineswegs durch Nivellement genau festge- 
stellt ist und zudem bei blos einem oder zwei Graden Neigung nicht behauptet 
werden kann, ob diese Neigung eine ursprüngliche ist, oder ob sie später entstanden 
ist, obschon daraus im letzteren Falle schon eine bedeutende Niveauschwankung 
hervorginge. Die älteren Deltaflächen im Gebirge sind zu oft neu überfluthet 
worden, als dass sich an ihnen fortgehende Niveauschwankungen erkennen liessen. 
Eher könnten genaue Vergleichungen der Niveaux von Querseen durch Marken an 
verschiedenen Stellen der Uferfelsen in denjenigen Fällen nützen, wo am Ausfluss 
des See's jede Veränderung in den Abflussverhältnissen ausgeschlossen ist. Wir 



100 Fortdauer der Schwankungen. 

haben nur zwei sichere Mittel: Das eine sind die genauen Nivellements. Vor 
einigen Jahren sind solche auf Anregung der schweizerischen naturforschenden Ge- 
sellschaft durch die Alpen hindurch mit einer wahrhaft erstaunlichen Genauigkeit 
ausgeführt worden. Werden die gleichen Routen eben so sorgfaltig nach wenigstens 
100, besser noch nach mehreren 100 Jahren wieder nivellirt, so ergeben sich viel- 
leicht Niveaudifferenzen, die nicht als Beobachtungsfehler gedeutet werden können, 
sondern zeigen, dass einzelne Streifen oder Zonen der Alpen relativ steigen, andere 
relativ sinken. Das zweite sichere Mittel liegt in der Bestimmung der geogra- 
phischen Horizontalentfernung zweier Punkte (hierüber verglichen IL Theil Ab- 
schnitt III). 

Jedenfalls wird der eigentliche Faltungsprozess an den Gesteinen niemals 
sichtbar werden, denn die Schichten nahe an der Oberfläche bröckeln in 
Trümmerhaufen, halten sich aber nicht mehr; nur in der unzugänglichen Tiefe 
kann die Faltung fortgehen. In der That haben wir aber keinen einzigen 
Beweis, inwiefern die Alpenstauung vollständig zum Stillstand gekommen sei 
oder nicht. 

Wenn auch eigentliche faltende grosse Bewegungen vielleicht nicht mehr 
vorkommen, so können doch jedenfalls kleinere lokalere Gebirgsbewegungen keines- 
wegs fehlen. Die Spannungen im Boden müssen sich beständig mit den Verände- 
rungen in der Belastung anders gestalten. Verwitterung und Erosion, sobald sie 
weit vorgeschritten sind, erzeugen solche Veränderungen. Sie entlasten die eine 
Stelle und beschweren durch Ablagerung die andere. Gespannte Gewölbebogen 
feilt die Erosion allmälig durch und schafft Thaleinschnitte da, wo früher Gegen- 
druck des anliegenden Gebirges war. Am Fusse des nun von Thälern umfurchten 
Bergstockes wird die Last das Gestein seitlich gegen die Stellen, welche durch die 
tiefen Thaleinschnitte freigelegt worden sind, ausquetschen, während die Berggipfel 
spurweise sinken. Der geringen Festigkeit des Materiales wegen sind einzelne steile 
Berge gar nicht von unbegrenzter Höhe denkbar, während sie aus einer zusammen- 
hängenden Masse mehr und mehr als einzelne steile Pyramiden herausmodellirt 
werden, müssen sie durch die eigene Last etwas in sich selbst zusammensinken. 
Durch Berechnung des Druckes lässt sich zeigen (siehe S. 86 Matterhorn und Glär- 
nisch), dass in den Alpen kein Gipfel so hoch und steil unmittelbar aus tiefen 
Thälern aufsteigt, dass er seinen Fuss anders als nur ganz allmälig im Lauf der 
Jahrtausende unmerklich etwas ausquetschen müsste. Weil die Entblössung durch 



Fortdauer der Schwankungen. 101 

Thalbildung sehr allmälig eintritt, ist es selbstverständlich gar nie möglich, dass 
ein anderes Verhältniss eintritt. Aus gleichem Grunde wird nur selten Horizontal- 
clivage im Gesteinsfuss von Bergmassen entstehen können. Solches wäre meistens 
erst in einer Tiefe möglich, in welcher der Boden geschlossen und für seitliches 
Ausweichen kein Raum mehr vorhanden ist. Diese angedeuteten geringen Be- 
wegungen durch langsame Belastungsveränderungen geschehen nur in der Tiefe als 
Umformung ohne Bruch, allein in der Bergmasse zwischen den Thälern und über- 
haupt tiberall in geringer Tiefe unter der Oberfläche durch Bruch; das Gestein 
muss seine Fugen weiter lockern, neue Risse müssen allmälig entstehen, und so 
geschieht etwelche fortschreitende, die Verwitterung befördernde Rindenlockerung des 
Gebirges. Bei Schachten und Tunnelbauten findet man in gebirgigen Gegenden 
das Gefüge des chemisch frischen Felsens manchmal etwas gelockert, bis in eine 
Tiefe, in welche kein Frost und überhaupt keine Temperaturwechsel und noch 
weniger Pflanzenwurzeln lockernd eindringen konnten. So lange die Erosion wirkt, 
dauern diese kleinen Bewegungen im Gebirge fort und fort und können allmälig 
kleine Ausweichungen, kleine Lagerungsstörungen erzeugen, während der gebirgs- 
bildende Horizontalschub vielleicht längst zur Ruhe gekommen ist. Im Bau der Al- 
pen bleibt es schwierig, diese Störungen in ihren Wirkungen zu erkennen, weil sie von 
der unvergleichlich gewaltigeren eigentlichen Faltung der Gebirge verdeckt werden. 
Viel leichter dürfte es sein, dieselben da genau zu constatiren, wo tiefe Thäler in 
sonst horizontale ungestörte Schichtencomplexe eingeschnitten sind; da müsste sich 
allmälig eine leichte Antiklinalstructur der Thäler entwickeln, und die durch Erosion 
zertheilten Stücke einer bestimmten Schicht allmälig derart verstellt werden, dass 
sie nicht mehr in eine Ebene fallen und das eine Stück nicht mehr als Fortsetzung 
des anderen nach seiner Stellung erscheint. 

In einem Gebirge kann es gar keine in ihrer gegenseitigen Lage wirk- 
lich absolut starre fixe Punkte geben — ewige Beweglichkeit wirkt fortwäh- 
rend bis einst alles abgeflacht sein wird. Im grossen Ganzen haben die Span- 
nungen, welche durch die Formen von Berg und Thal bedingt sind und mit 
den Veränderungen derselben sich ebenfalls verändern, die dem faltenbildenden 
Horizontaldruck gerade entgegengesetzte Tendenz — sie helfen das Gebirge rascher 
nivelliren, während der letztere es gethürmt hat. Erst in grösserer Entfernung 
ausserhalb des Gebirges, wo ausgedehnte Alluvionen von Gebirgsmaterial sich 
häufen, kann eine Bodenbelastung und dadurch Senkung entstehen, welcher 



102 Die Erdbeben im Gebirge. 

gegenüber als Aequivalent der gesammte Untergrund des Gebirges sich vielleicht 
etwas hebt. 1 ) /} 

Wenn auch der gebirgsbildende Horizontalschub nicht mehr fortdauert, so 
müssen doch in der Erdrinde wenigstens durch die Belastungsveränderungen, durch 
Verwitterung und Erosion neue Spannungen entstehen und von /Zeit zu Zeit in 
Bildung von Rissen, in Stellungsveränderung ganzer Schichtencotnplexe ihre Aus- 
lösung verlangen. Hierin muss die Ursache zu manchen Bodenerschütterungen ge- 
geben sein, die als Erdbeben empfunden werden. Das sind weder „vulkanische* 4 
noch „centripetale" (Einsturz-) Erdbeben. Sie können den Charakter der letzteren 
haben, aber auch schon ursprünglich centrifugal oder tangential gerichtete Be- 
wegungen sein. Während dem Faltungsprozesse selbst müssen solche Erdbeben 
in grosser Zahl eingetreten sein. Da wir nicht wissen, ob die Faltung unter unseren 
Füssen noch fortgeht oder nicht, ist es unmöglich zu sagen, ob ein Theil der 
jetzigen Erdbeben dem fortschreitenden Horizontalschub zugeschrieben werden muss 
oder nicht. Es lässt sich erwarten, dass Erdbeben durch fortschreitende Faltung 
erzeugt zonenförmig in der Streichrichtung verlängertes Erschütterungsgebiet haben, 
während dies bei den durch Belastungsveränderung durch Erosion und Alluvion 
nothwendig gewordenen Auslösungen von Spannungen weniger der Fall sein wird. 

Wenn wir die vorhandenen Aufzeichnungen durchgehen, erstaunen wir 
ob der enormen Zahl von lokaleren Erdbeben, welche aus den gebirgigen Ge- 
genden berichtet werden. Aus der Schweiz werden vom Jahr 1700 bis 1854 im 
Ganzen 1019 Erdbeben erwähnt. Jedenfalls war die Zahl noch viel grösser. 
Escher, der alle Erdbebenberichte aus dem Kanton Glarus sammelte, 2 ) führt aus 
dem XVIII. Jahrhundert allein 181 Erdbeben auf. „Kaum l / m davon wurden 
auch ausserhalb des Kantons verspürt." Die zahlreichen Erdbeben von 1701 und 
1702 betrafen nur das obere Linththal mit dem Centrum etwa unter dem Dorf 
Linththal selbst. Im Frühjahr 1764 zählte man in diesem Kanton in jedem Monat 
über 20 verschiedene Stösse, im XIX. Jahrhundert ist bis jetzt die Zahl der Erd- 
beben viel geringer geblieben. Viele kleinere Erdbeben, über die genauere Berichte 
vorhanden sind, breiteten sich in Zonen oder Ellipsen aus, deren Längsaxe mit der 
Alpenrichtung zusammenfallt. Das Erdbeben vom Abend des 2. Mai 1877 fand 



') In grossen Deltagebieten sind häufiger Senkungen (Venedig, Holland, Nildelta, Calcutta) als He- 
bungen (Nordsibirien) nachgewiesen. 
*) „Gemälde der Schweiz." 



Die Erdbeben im Gebirge. 103 

6eine südliche sehr plötzliche Begrenzung ebenfalls in einer Linie, welche von 
Ragatz parallel den Alpenketten zwischen Glarus und Linththal durchstreicht. 

Auch im Wallis bemerkt man alljährlich eine ziemlich grosse Zahl von 
lokalen Erdbeben. Ein solches häufiges Erzittern des Bodens — zahllose ganz 
schwache Stösse sind wohl kaum verspürt und nicht notirt worden — macht voll- 
ständig den Eindruck, als müsste die Faltung unter uns auch heute noch fort und 
fort gehen. Ohne eine zahllose Menge solcher Erschütterungen ist der 
langsamste Faltungsvorgang nicht denkbar. 1 ) 

Die neueren Untersuchungen 2 ) haben ergeben, dass der Erschütterungsheerd 
der Erdbeben oft nicht so sehr tief, z. B. etwa 15000 bis 20000 M. tief liegt. 
Unsere Umformungstheorie macht dies einleuchtend, würde aber den Erschütterungs- 
heerd eher noch weniger tief suchen. Nur in geringeren Tiefen können Spannungen 
auf eine Weise z. B. durch plötzlichen Bruch einer Schicht oder durch plötzliche 
Verschiebung und Discordanzbildung sich auslösen, welche starke Erschütterimg her- 
vorbringt ; in grosser Tiefe hingegen geschehen die Umformungen plastischer und des- 
halb eontinuirlicher. In den Berechnungen von Mallet und Seebach scheinen mir 
die anderen mechanischen Zustände der Gesteine in der Tiefe nicht berücksichtigt 
zu sein. Der latent plastische Zustand muss die Leitungsfähigkeit und Fortpflan- 
zungsgeschwindigkeit für Stösse wesentlich vermindern. Das Resultat der Rech- 
nungen muss sich dadurch in dem Sinne ändern, dass die berechnete Tiefe sich 
noch mehr reducirt. Vielleicht wird es auf experimentellem Wege, indem man die 
Fortpflanzung von Stössen in verschieden tiefen Bergwerken vergleicht, einst ge- 
lingen, diesen Einfluss des Gebirgsdruckes oder des latent plastischen Zustandes 
auch für grössere Tiefen in Rechnung zu ziehen. Diejenigen Erschütterungen der 
Erdrinde, welche durch den Horizontaldruck in der Rinde entstehen, können ihren 
Ursprung, der in irgend einer plötzlichen Bewegung gesucht werden muss, wohl 
nicht tiefer, als einige tausend Meter unter der Oberfläche, gewöhnlich in noch 
geringerer Tiefe haben. Erdbeben, deren Erschütterungscentrum viel tiefer liegt, 
müssen anderen Ursachen zugeschrieben werden. 

Die in Bergwerksdistrikten wiederholt gemachte Wahrnehmung, dass die 
Stösse in grosser Tiefe unter der Oberfläche weniger empfunden werden als nahe 



') Verglichen Credner „Das Vogtländisch-erzgebirgische Erdbeben 11 , Zeitschr. f. d. gesammt Naturw. 
1876 S. 267. 

*) Seebach „Das mitteldeutsche Erdbeben vom 6. März 1872. " 



104 Einfluss des Gebirgsdruckes auf die ganze Erde. 

an der Oberfläche, steht wahrscheinlich ebenfalls mit dem latent plastischen Zustande 
in der Tiefe in Verbindung. Dort werden die Stösse bälder in bleibenden Verän- 
derungen sich aufzehren, während sie nur in den spröderen Massen nahe der Ober- 
fläche sich seitlich weit verbreiten können. 

Die Anschauungen über den Gebirgsdruck, zu denen wir gelangt sind, be- 
einflussen ferner unsere Gedanken über den Zustand des Erdinneren. Uns kleinen 
leichten Dingern mag die Erdkruste fest erscheinen wie etwa ein dicker Brei oder 
ein Stück Kautschuck oder Leder einem darüber kriechenden Insekt fest erscheint. 
Wenn die ganze Erde als erstarrt gedacht wird, so wäre sie dennoch durch den 
Gebirgsdruck und die grosse Ausdehnung der einzig spröden Rinde im Vergleich 
mit deren unbedeutender Dicke noch lange plastisch genug, der Schwungkraft fol- 
gend, eine Abplattung an den Polen zu erzeugen. Die äussere Abplattung der 
Erde kann durchaus nicht als Beweis für einst flüssigen Zustand der Erde gelten, 
sondern nur die durch die Pendelversuche etc. nachgewiesene innere Flüssigkeits- 
lagerung der Theilchen. 

Unsere Untersuchungen geben uns noch einen anderen Fingerzeig. Wir 
sind geneigt, die Faltung der Erdkruste als Folge ihres Nachsinkens auf einen 
schwindenden 1 ) Kern zu betrachten. Darnach wäre der faltende Horizontaldruck 
wie der Druck in einer Gewölbelinie durch die Schwere bestimmter sinkender Ge- 
wölbe-, d. h. Rindentheile bedingt. Unsere Festigkeitszahlen zeigen uns, dass das 
Gewicht eines sinkenden Krustenstückes von Mos 10000 M. Dicke, wenn es sich 
in Horizontaldruck umsetzt, vollständig genügt, die Cohäsionswiderstände der Ge- 
steine vollständig zu überwinden. Es kann ein grosser Theil der Erdrinde sinken 
und aller Horizontaldruck derselben an einzelne wenige Stellen sich hinstauen; 
dann haben wir Kräfte, für die die Alpenhebung kaum als entsprechende Leistung 
genannt zu werden verdiente. So sehr es uns anfangs schwer sein mochte, solche 
Leistungen den vorhandenen Kräften zuzumuthen, müssen wir jetzt einsehen, dass 
wenn auf allerlei Weise unterwegs der grössere Theil der Kraft in Ueberwindung 
von Reibung, in Erzeugung von Wärme etc. aufgezehrt worden wäre, ein kleiner 
Rest für die Gebirgsbildung noch reichlich genügt hätte. 2 ) 

In einer Zeit, da mächtige Centralmassive von einem Tunnel durchstochen 



*) Deshalb noch nicht noth wendig „flüssigen." 

*) Verglichen über die Thomson'schen Rechnungen am Schlnss des Buches. 



Gebirg8druck und Tunnelbau. 105 

werden, liegt die Frage nahe : wie verhält sich der Gebirgsdruck zu einem solchen 

Tunnel ? 

Wenn irgendwo im durchstochenen Gebirge eine fortschreitende Verwerfung 
(Verschiebung) vorhanden ist, so wird sie sich zuerst in peinlicher Weise im Tunnel 
fühlbar machen. Zonenförmiges Steigen oder Sinken fühlen wir vielleicht im Gott- 
hardtunnel früher als durch Wiederholung von Nivellements an der Oberfläche. 

Je tiefer der Tunnel unter die Oberfläche kommt, um so intensiver wird 
das Gestein gegen die Tunnelhöhlung drängen, denn an deren Wänden ist der Ge- 
steinsdruck einseitig aufgehoben. Ueberlassen wir den Tunnel lange Zeit sich 
selbst, so werden die Felsen gegen die Höhlung erst in harten Blöcken einbrechen, 
bis der Tunnel damit erfüllt ist. Das Gefüge des Felsens lockert sich in immer 
grössere Entfernung von der Tunnelaxe — mehr nach oben, wenn der Tunnel 
nicht sehr tief unter der Oberfläche liegt, allseitig wenn er sehr tief liegt. Der 
Tunnelhohlraum möchte sich gewissermassen durch das ganze Gebirge in feinen 
Fugen gleichförmig vertheilen. Nur die von der Tunnelaxe sehr entfernten Theile, 
die zugleich tief genug unter der Oberfläche liegen, biegen ohne Bruch gegen den 
Tunnel hin. Die Trümmer werden zusammengedrückt, in kleinere zerbrochen, die 
sich immer dichter aneinander schmiegen, die Hohlräume werden immer enger, 
immer weiter von dem Tunnel aus in's Gebirge hinein vertheilt. Endlich verkitten 
Sekretionen die Breccie, jeder Hohlraum verschwindet, der Tunnel hat sich wieder 
geschlossen. 

Jeder Fels ist von vielen Fugen durchzogen. An einer aus dem rohen 
Felsen bestehenden Tunnelwand wird der Gebirgsdruck an keiner Stelle eine Re- 
sultirende bilden, die zufallig genau senkrecht auf allen den verschiedenen Gesteins- 
fugen steht. Es entstehen daher überall Kraftcomponenten in der Richtung der 
Gesteinsfugen selbst. Diese öffnen die Fugen weiter, verschieben die Gesteinsblöckc 
an ihren Fugen und drängen sie so tunneleinwärts. Hiezu ist nur so viel Kraft 
nothwendig, um die Reibung zu überwinden, allein noch lange kein Druck, der die 
Festigkeit des Gesteines zu überwinden vermöchte. Es können deshalb nur solche 
Tunnel auf die Dauer ohne Gewölbe gelassen werden, die in sehr gutem Fels und 
in geringerer Tiefe unter der Oberfläche angelegt sind. Wenn wir den Tunnel in 
seinem Inneren der Art mit Steinen auskleiden, dass an jeder Stelle die Resulti- 
rende des Gebirgsdruckes genau senkrecht auf die Gesteinsfugen fallt, dann entstehen 

keine verschiebenden Componenten, und es wird keine Zertrümmerung der Tunnel- 

14 



106 Gebirgsdruck und Tunnelbau. 

wände eintreten können, so lange nicht der auf den Tunnel sich werfende Gesteins- 
druck die Festigkeit der Hausteine, mit welchen wir den Tunnel in genannter 
Weise ausgekleidet haben, übersteigt. Das ist die Theorie des Gewölbes. Ist der 
Gebirgsdruck grösser als die Festigkeit der Gewölbesteine, so werden diese zwischen 
ihren Fugen einfach zerdrückt und in den Tunnel hinein erst abbröckeln, endlich 
das Gewölbe einstürzen. 

Da der Gebirgsdruck namentlich bei einem beiderseits über dem Tunnel 
hoch geschlossenen Gebirge allseitig wirkt, so arbeitet er auch von unten. So 
lange wir uns in einer Tiefe befinden, wo der Gebirgsdruck noch kleiner ist, als 
die Festigkeit der Gesteine, wirkt er von unten schwächer als von oben-, kommen 
wir in eine gewisse bedeutendere Tiefe hinab, oder ist das Gestein sehr wenig fest, 
so kann der Druck von unten und von den Seiten demjenigen von oben fast gleich 
werden. In solchem Falle genügt ein einfaches Obergewölbe auf die Dauer nicht. 
Der Boden steigt, es entstehen Schienenbrüche. Es ist hier unumgänglich not- 
wendig, das Gewölbe vollständig auch unter der Tunnelsohle durch zu schliessen, 
so dass der Tunnel eine geschlossene ausgewölbte Röhre darstellt. 

Wir kommen indessen auch mit einem solchen Tunnel an Grenzen, die in 
der Festigkeit unserer Materialien begründet sind. Wo der Gebirgsdruck grösser 
wird, als die Festigkeit der Gewölbesteine, kann auch der vollständig ausgewölbte 
Tunnel nicht auf die Dauer halten. Wenn die Form des zu durchstechenden 
Berges bekannt ist, lässt sich der durchschnittliche Gebirgsdruck auf einzelne 
Strecken des Tunnels ungefähr berechnen und dadurch im Voraus bestimmen, ob 
der Tunnel überhaupt dauernd halten kann und welches Material als Gewölbestein 
aushalten wird. 1 ) Durchschnittlich 2500 M. tief unter einer ganz breiten beider- 
seits noch höher ansteigenden Gebirgsmasse ist die Haltbarkeit eines langen Tunnels 
überhaupt zweifelhaft. 

Wenn unsere Theorie vom Gebirgsdruck und der mechanischen Umformung 



") Der durchschnittliche Druck im Gotthardtunnel entspricht auf etwa 10 Kilometer Länge einer 
Last von 1000 bis 1500 M. Gneiss-Granit. An einer Stelle tritt der Tunnel 1900 M. unter die Oberfläche. 
Znr Gewölbemauerung genügt somit der in Verwendung gebrachte Gneiss-Granit vollständig, während Kalkstein 
nicht ausreichen würde. Es wäre aber entschieden gefährlich, wenn nicht ein vollständiges Gewölbe auf der 
ganzen Länge und streckenweise selbst ein Sohlengewölbe ausgeführt würde. Prof. Gulmann hat auf anderem 
Wege mit Hülfe der graphischen Statik, indem er ferner die Abrutsch winkel (Maximalböschungen) und die 
Reibung in Rechnung zog, die Mittel gefunden, den Druck auf ein Tunnelgewölbe zu bestimmen. Seine Re- 
sultate stimmen mit unseren Betrachtungen vollständig überein. Vergl. Culmann graphische Statik Aufl. I. 



Verhältniss des Gebirgsdruckes zu den Thermen. 107 

richtig ist, so folgt daraus, dass in einer gewissen Tiefe keine Spalten im Boden mehr 
möglich sind. Die tiefsten Spalten der Erdrinde sind unserer Beobachtung nicht zu- 
gänglich, wir erkennen sie blos aus ihren Wirkungen, den Thermen und den Vulkanen. 

Die erste Frage, die wir hier uns vorzulegen haben, lautet: Steht unsere Theorie 
der Gesteinsumformung nicht mit dem Vorkommen der Thermen in Widerspruch? 

Ein Theil der Thermen findet sich in vulkanischen Gegenden. Hierher ge- 
hören besonders die Geysir, die die höchsten Temperaturen haben. In vulkanischen 
Gegenden steigen die Chtonisothermen näher unter die Oberfläche herauf. Wir 
finden schon in geringen Tiefen, in denen Spalten sehr leicht möglich sind, eine 
bedeutend erhöhte Bodentemperatur, die zu siedend heissen Thermen fuhren kann. 
In nicht vulkanischen Gegenden müssen wir viel tiefer gehen um die den Thermen 
entsprechende Temperatur zu finden. In über 2000 M. Tiefe unter der Oberfläche 
besteht wohl fast in den meisten Gegenden der Boden aus frischem Gneiss, Granit, 
Porphyr und ähnlichen festen Gesteinen. Leere klaffende Spalten sind somit im 
Allgemeinen bis in eine Tiefe von 2200 bis 2600 M. möglich. Sind die Spalten, 
wie dies für die Thermenbildung angenommen werden muss, mit Versickerungs- 
wasser angefüllt, so wird der Druck des Wassers das Seinige dazu beitragen, die 
Spalte offen zu halten. Da das Wasser etwa 2 / 5 mal so schwer ist, wie durch- 
schnittlich die in Betracht kommenden Gesteine, so ist eine mit Wasser erfüllte 
Spalte noch in einer Tiefe möglich, welche die grösstmögliche Tiefe einer leeren 
Spalte um */ 5 übertrifft. Eine mit Wasser gefüllte offene Spalte kann somit bis in 
2200 (1 + a / 5 ) = 3080 M. oder bis in 2600 (1 + 7 S ) = 3640 M., in Por- 
phyr, Diorit etc. sogar in 2850 (1 + a /s) = 3990 M. Tiefe reichen. Berechnen 
wir die Temperatur in diesen Tiefen für eine Gegend von 10° mittlerer Temperatur 
unter zu Grunde legen von 30 M. Tiefenzunahme für 1 ° C. Temperaturzunahme, so 

finden wir: i n 308O M. Tiefe = 10 + 808 ^" 20 = 112° 

In 3640 M. Tiefe = 10 -+- 35 °^" 2 ° = 130° 

In 3990 M. Tiefe = 10 + 89 ^ 20 = 142° 
Gesetzt der Fall, es sei eine allgemeine Erscheinung, dass wie in Speerem- 
berg die Temperaturzunahme mit der Tiefe schwächer wird, und berechnen wir 
nach den jener Erscheinung Rechnung tragenden Formeln unsere Temperaturen, so 
erhalten wir stets noch Beträge, welche zur Entstehung der Thermen vollständig 
genügen. 



108 Verhältniss des Gebirgsdruckes zu den Vulkanen. 

Die Thermen widersprechen somit unserer Theorie der Gesteins- 
umformung nicht. 

Wie verhalten sich die Vulkane zu der latenten Plasticität der Gesteine in 
der Tiefe? Auch diejenigen Geologen, welche die vulkanischen Heerde „nicht tief u 
sich denken, sind doch wohl alle der Meinung, dass sie unter den Thermentiefen 
von 3000 M. zu suchen sind. Da noch nirgends ein „ vulkanischer Heerd" blos- 
gelegt beobachtet worden ist, und da es Vulkane auf Gneissunterlage gibt, so 
müssen die vulkanischen Heerde vielerorts minimum einige Tausend Meter tiefer als 
die meisten Thermenheerde liegen. Wir kommen hier in Tiefen, wo der Gebirgs- 
druck vorhandene Spalten schliessen müsste, oder richtiger: gar keine Spalten ent- 
stehen lässt. 

Hieraus resultirt eine nicht zu läugnende Schwierigkeit für unsere Theorie. 
Ob die folgenden Betrachtungen sie aufheben oder nicht, mögen andere objectiver 
zu beurtheilen im Stande sein, als ich selbst. 

Ein Vulkanschloth ist nicht eine Spalte im gewöhnlichen Sinne, sondern 
eine solche, welche durch die eruptive Thätigkeit sich selbst stets neu wieder 
öffnet. Während langen Zeiten wird sie von heissen Dämpfen durchströmt, welche 
durch Zersetzung des Gesteines einen lockeren Weg offen behalten. Wenn der 
Gebirgsdruck einen Vulkanschloth schliesst, so wird dies nicht gleichzeitig und gleich 
fest an allen Stellen geschehen. Zur Zeit, da schon keine Dämpfe mehr durch- 
strömen können, ist der Vulkanschloth immer noch eine schwache wunde Stelle im 
Gebirge. Das Gestein rings um den Schloth herum hat sich zertrümmert oder doch 
gelockert, und wenn die Dämpfe unterdessen explosive Spannung erlangt haben, so 
werden sie dieselbe immer noch viel leichter durch Wiederöffiien des alten nur in 
den unteren Theilen etwas verwachsenen Schlothes als durch Schaffung eines ganz 
neuen im frischen Gebirge zur Ausgleichung bringen können. Das zunächst in 
Trümmern hineingequetschte Material wird wieder herausgeschossen, der Schloth 
neu und weiter geöffnet und durch Berührung mit der Lava weiter ausgeschmolzen. 
Die Wandungen wo sie locker rissig geworden, kräftigen sich durch Injection von 
Lava. Gerade in dem Wechselspiel von Ruhezeiten und Eruptionen, ferner darin, 
dass auf eine lange Ruhe eine um so heftigere Explosion mit vorangehenden Erd- 
beben folgt, endlich darin, dass Vulkane doch nach einer gewissen Zeit vollständig 
erlöschen, sehe ich den Kampf zwischen Gebirgsdruck und vulkanischer Energie. 
Wenn ein zufalliges Einstürzen der Schlothwände, ein zufalliges Erstarren von 



Yerhältniss des Gebirgsdruckes zu den Vulkanen. 109 

Lava in denselben immer die Ursache der Ruhezustände wären, so bliebe die merk- 
würdige Regelmässigkeit, welche einige Vulkane in ihren Eruptionen zeigen, uner- 
klärt. Nicht nur die Zunahme der Dampfspannung, sondern auch das, was dem 
Entweichen der Dämpfe entgegenwirkt, muss mit einer gewissen Gesetzmässigkeit 
eintreten, damit die Eruptionen sich in regelmässigeren Zeitintervallen wiederholen. 
Im Gebirgsdruck als einer constant wirkenden Verstopfungsursache ist die Möglich- 
keit zur Periodicität der Erscheinung gegeben. 

Die reihenformige Anordnung der Vulkane, die auf lange Spalten hindeutet, 
widerspricht unserer Umformungstheorie nicht. Wenn diese Linien gewaltigen 
Brüchen in der Erdrinde entsprechen, so versteht es sich von selbst, dass, wenn 
sie auch in der grossen Tiefe niemals klaffend geöffnet waren, sondern blos als 
Verschiebungen, sie doch schwächere Zonen der Erdrinde darstellten, auf welchen 
es den Dämpfen und Erschütterungen der Tiefe viel eher als anderwärts gelingen 
musste, Auswege zu erzwingen. 

Der Mallet'schen Theorie der vulkanischen Erscheinungen geschieht vielleicht 
durch unsere Betrachtungen kein wesentlicher Eintrag, wohl aber müssen wir im 
Vorbeigehen uns einer anderen weit geglaubten Anschauung entgegenstellen. Eine 
grosse Zahl von Geologen nehmen an, dass das Meerwasser in Tiefen eindringe, 
wo die Temperatur über 1000 Grade beträgt, dass es dort Umschmelzungen der 
Gesteine zu Lava hervorbringe und die Eruptionen erzeuge. Wenn wir die Gründe 
für diese Anschauung mit aller Sorgfalt durchgehen, so finden wir darunter keinen 
einzigen, der nicht zweideutig wäre. Mit welchem Rechte spricht man dem 
ursprünglichen Erdmagma einer gewissen Tiefe den Gehalt an Substanzen ab, welche 
an das Meer erinnern? Müssen sie nicht dort viel ursprünglicher vorhanden ge- 
wesen sein als im Meere ? Bevor ich irgendwie Stellung in der Frage gefasst hatte, 
hat mich die gewissenhafteste Prüfung aller in der Literatur zu findenden und 
eigener Beobachtung entnommenen Gründe für und gegen stets schwankend gelassen. 1 ) 



l ) Es ist eine Sünde an der Wissenschaft, deren böse Folgen in Misscreditirnng derselben nicht aus- 
bleiben, wenn über die streitigen noch unreifen Fragen in öffentlichen Vorträgen vor dem Publikum gestritten 
wird und Behauptungen aufgestellt werden. Das Publikum muss besser gereifte Früchte haben. Gegen objec- 
tive historische Darstellung des Standes einer ungelösten Frage mit Hinweisung auf die Wege zur Lösung 
haben wir nichts einzuwenden, allein solcher Objectivität sind wenige fähig. Oeffentliche Vorträge wie die- 
jenigen von Falb muss ich bei aller Achtung vor den Untersuchungen dieses Forschers missbilligen. In noch 
höherem Grade bedaure ich Vorträge wie der bekannte von Carl Vogt über die Vulkane in der „Sammlung 
öffentlicher Vorträge gehalten in der Schweiz« 4 und andere mehr. Solche Reden verwirren anstatt Klarheit zu geben. 



110 Yerhältniss des Gebirgsdruckes zu den Vulkanen. 

Dass der Gebirgsdruck in solche Tiefen, wo Lavahitze herrscht, kein 
Wasser mehr eindringen lässt, dass schon viel weniger tief alle Spalten und sonstigen 
Wasserwege geschlossen, verquetscht oder niemals vorhanden gewesen sein müssen, 
ist nach unseren Erörterungen selbstverständlich. Es ist undenkbar, dass Wasser 
der Oberfläche in Tiefen über 5000 M. unter das durchschnittliche Niveau der 
Oberfläche eindringe. Die „vulkanischen Heerde a sind vom Meerwasser abge- 
schlossen. 

Hier widersprechen wir mit unserer Gesteinsumformung nicht einer beob- 
achteten Thatsache — die Theorie müsste sich vor Thatsachen beugen; — wir 
widersprechen nur einer Annahme, die stets unbewiesen geblieben ist, die weder 
durch die Beobachtung noch durch die kritische Logik genügend gestützt ist. 
Unter diesen Umständen sind wir allerdings der Meinung, dass unsere Anschauung 
vom Gebirgsdruck und der Gesteinsumformung kräftiger und gesunder ist und des- 
halb berechtigt, die andere zurückzustossen. 



Abschnitt II. 



Die Centralmassive der Alpen. 



Es ist bis auf den heutigen Tag den Alpengeologen unmöglich gewesen, zu 
einer übereinstimmenden Anschauung über die Entstehung der krystallinischen Cen- 
tralmassive und ihr Verhältniss zur Faltung der Sedimentgesteine zu gelangen — 
und doch liegt hierin der Kernpunkt aller Erklärung von der Entstehung der Alpen. 
Die Unklarheiten hierüber gipfeln gegenwärtig in der Frage: 

Sind die Centralmassive {heilweise Eruptivgebilde, welche activ die Hebung 
der Alpen erzeugt haben, während die Sedimente sich dabei ganz passiv verhielten; 

oder hat eine Kraftwirkung, welcher beide gleich passiv gegenüberstanden, 
beide in gleicher Weise zu Gebirgsketten aufgethürmt? 

Wir können diese Fragen auch anders fassen : Ist die Structur der Central- 
massive in der Lage entstanden, in welcher wir sie beobachten, oder haben mecha- 
nische Vorgänge sie in diese Lage gebracht? 

Es gibt bekanntlich viele Stellen in den Alpen, wo die Schichten der Sedi- 
mente mehr oder weniger horizontal auf den Köpfen der meistens steil stehenden 
Schiefer und Platten der krystallinischen Silicatgesteine liegen, und wo beide somit 
einander ganz discordant berühren (z. B. Reussthal bei Erstfeld, untere Sandalp, 
Aiguille rouge, nach Studer am Roththal, an der Jungfrau etc.). Andere Stellen 
gibt es, wo die Sedimente sich steil und vollständig concordant an die Gesteine der 
Centralmassive lehnen (z. B. Val Puntaiglas, Urserenthal, Bedretto, Chamounix). 
Legt man auf das erstere mehr Gewicht, und ist man davon überzeugt, dass die 
Centralmassive das hebende und seitlich auf die Sedimente pressende Princip bei 
der. Bildung der Alpen waren, so kommt man zu der Ansicht, welche seit langer 
Zeit Studer vertritt: „Dass der Gneiss (d. h. die Gesteine der Centralmassive) 
als eine weiche teigige Masse das Kalkgebirge an seinen Rändern umwickelt und 



112 Fragestellung über die Entstehung der Centralmassive. 

bedeckt habe, dass ferner seine Schieferung wie die regelmässige Zerklüftung der 
Basalte und Porphyre und mancher Granite erst mit seiner Erstarrung einge- 
treten sei. 1 ) 

Betont man hingegen die in zweiter Linie aufgeführten Lagerungsverhältnisse 
stärker, so gelangt man mit Favre, Lory und anderen dazu, die Schieferung der 
Gesteine der Centralmasßive als ursprünglich horizontal aufzufassen und schreibt dann 
die Aufrichtung derselben den gleichen Ursachen zu, welche auch gleichzeitig die 
Sedimente aufgerichtet haben. Die Centralmassive erscheinen dann als Falten der 
Erdrinde unabhängig vom Auftreten von Eruptivgesteinen und ganz analog den- 
jenigen der Sedimente, die Fächer als aufgebrochene Gewölbe. 

Wir suchen in diesem Abschnitte nach Beobachtungen, die zu entscheiden 
im Stande sind, welche von den beiden genannten Theorien der Alpenbildung mit 
der Wahrheit in Uebereinstimmung steht. Jede steht in gleicher Weise auf den 
ersten Blick mit den Thatsachen in Widerspruch, denn jede ist zunächst aus ein- 
seitiger Betonung der einen und Nichtachtung der anderen Art von gegenseitiger 
Lagerung der Sedimente und krystallinischen Silicatgesteine hervorgegangen. Allein 
die Thatsachen können sich nicht widersprechen, der Widerspruch liegt nur in der 
Unvollkommenheit unserer Erkenntniss. Weil der jetzige Stand unseres Wissens 
eine dritte Theorie der Alpenbildung fast undenkbar macht, muss wohl für die eine 
der genannten Anschauungsweisen der Widerspruch mit den Thatsachen ein blos 
scheinbarer sein; er wird sich lösen. Mit dieser Hoffnung unternehmen wir unsere 
Untersuchung. 

Die Reflexionen und Untersuchungen von Lory 2 ) suchen die letztere der 
beiden Ansichten mit den ihr widersprechenden Fällen, wo die Sedimente discor- 
dant auf den krystallinischen Gesteinen liegen, zu versöhnen. Lory glaubt nämlich 
Beweise für eine zweimalige Dislocation in den Alpen gefunden zu haben. Die 
älteren Gesteine bis und mit der Steinkohlenformation waren schon theilweisc auf- 



') Vergleiche als neueste Arbeit hierüber : B. Studer, „Gneiss und Granit der Alpen/ Zeitschr. d. 
deutsch, geol. Ges. 1872 und „Geologisches vom Aargletscher, Berner Mittheil. 1874. u Ich citire im Allgemei- 
nen lieber die neuesten Schriften der betreffenden Forscher, indem nur hier die Ansichten zu finden sind, auf 
welche wir uns heute beziehen müssen, und wir oft einem Forscher Unrecht thäten, wenn wir ihm die An- 
sichten, die er früher aussprach, auch heute noch unverändert unterschieben würden. In diesem Falle finden 
wir zwar die gleichen Aussprüche schon in den Arbeiten von 1839. 

*) „Structure des Massifs centraux des Alpes" im BuU. de la Soc. Geol. de France III. Serie T. I. 



Fragestellung über die Entstehung der Centralmassive. 113 

gerichtet und an der Oberfläche erodirt, als die Trias sich über dieselben horizontal 
ablagerte. Eine zweite nachmiocene Faltenbildung erzeugte dann die Biegungen 
der sekundären und tertiären Gesteine. Wir kommen am Schlüsse dieses Abschnittes 
auf Lory's Ansichten zurück. 

Studer unterschiebt irrthümlich allen denjenigen, welche die Schieferung der 
krystallinischen Gesteine in der Hauptmasse als ursprünglich horizontal ansehen, 
die Meinung, dass diese Schieferung oder Plattung eine wirkliche Schichtung, ent- 
sprechend derjenigen der Sedimentgesteine sei. Es mag diese Schieferung theils 
eine Erstarrungsstructur, theils eine durch Druck erzeugte Structur, theils vielleicht 
wahre Schichtung, oder wahre Schichtung mit Structur combinirt sein. Mögen 
diese Gesteine zum Theil erste Erstarrungskruste der Erde, zum Theil „metamor- 
phische" Gesteine oder Sedimente sein — dies alles ist vollständig gleichgültig für 
das Wesentliche unserer Anschauung : Dass später durch Horizontaldruck diese 
Structur in grossen Falten, den Centralmassiven, vertikal gestellt worden ist. Der 
Streit um die „metamorphische" Natur mancher dieser Gesteine hat somit für die 
in diesem Abschnitt ausgeführten Ansichten ebenfalls glücklicherweise nur einen 
ganz sekundären Werth. Wahrscheinlich liegt die Structur der alten „acht pluto- 
nischen 44 Gneisse, wie z. B. Skandinavien zeigt, ursprünglich nahezu horizontal. 1 ) 

In der Ueberzeugung, dass allein die ganz genaue geognostische Detail- 
untersuchung zur Aufklärung der angeführten Fragen beitragen könne, habe ich mich 
bemüht, besonders in der Tödi-Windgällen-Gruppe möglichst viele einschlägige Beob- 
achtungen zu machen und hoffe, dadurch der Lösung näher gerückt zu sein. Es 
gewährte mir eine unerwartete freudige Ueberraschung , in der Abhandlung von 
Suess „Die Entstehung der Alpen a zu sehen, dass der Verfasser durch Beobachtungen 
in ganz anderen Gegenden in manchen Dingen genau zu den gleichen Resultaten 
gelangt war. 2 ) 



*) Vergleiche ferner S. 399 im citirten Aufsatz von Lory. 

z ) Die „geognostwehen Mittheilungen aus dem Quellgebiete des Rheines u (Zeitschrift der deutsch, 
geol. Ges. Bd. XIV etc.) von G. vom Rath haben für unsere Untersuchung, was Beobachtung und noch viel 
mehr was Schlüsse betrifft, wenig Werth, indem wir dort mit einzelnen guten Beobachtungen gemischt be- 
ständig Irrthümern begegnen, welche ihre Ursache darin haben, dass der Verfasser die Gegenden nur rasch und 
fluchtig durchstreifte. 

15 



114 Der Porphyr der Windgälle. 

A. Die alpinen Eruptivgesteine, ihr Alter. 

Der Porphyr der Windgälle. (Taf. IV Profil I, II, IIb, III und IV, ver- 
gleiche I. Theil S. 34 und 97.) Noch im Jahr 1870 war für Escher die Lagerung 
dieses Porphyres „ein Räthsel." In seinem Reisebuche lesen wir folgende Stelle: „Er 
steckt ganz im weissen Jurakalk von diesem umgeben, und es ist unsicher, ob er sich 
in denselben verliere, ob er plutonisch oder metamorphisch sei. a Escher hatte die 
Lokalität in den 40er Jahren zusammen mit Dr. Lusser besucht, und beide hielten 
sonderbarer Weise den Gipfel der kleinen Windgälle, freilich ohne ihn erstiegen zu 
haben, für Hochgebirgskalk. Ich untersuchte den Windgällenstock zuerst im Sep- 
tember 1871 und später noch zu wiederholten Malen. 

Stellen wir uns in Gedanken auf die Alpnoverplatten, südlich des grossen 
Ruchens (vergl. Karte oder Profil IV und V). Sie sind sericitische, feldspathhaltige 
Schiefer, die vielleicht zur Casannazone gehören, ♦ da sie bei den Staffelalpen in un- 
unterbrochenem Zusammenhang mit den krystallinischen Massen der Tiefe des Ma- 
deranerthales stehen, vielleicht aber müssen sie als eine dem Verrucano zuzurech- 
nende Einlagerung in derselben aufgefasst werden. Gehen wir von hier in west- 
licher Richtung, so bleiben wir ununterbrochen, stellenweise Deckung durch kleine 
Gletscher abgerechnet, auf diesem Alpnoverplatten-Gestein südlich von dem steilen 
Abbruch des Kalkkammes. Das Gestein wird bei diesem Vorgehen gegen West 
allmälig noch heller, dichter und durchscheinender, seine schiefrige Structur weicht 
mehr und mehr einer porphyrischen, indem Quarzkörner einzeln ausgeschieden sind. 
Zugleich durchziehen massenhaft krumme Quarzadern das Gestein. Die tieferen Par- 
tien zunächst über dem braunen Jura der StafFelalpen sind noch deutlich mit 25° 
Südfall schiefrig, die oberen schon viel stärker porphyrisch. Endlich, unmittelbar 
südlich des Kalksteilabsturzes der grossen Windgälle stehen wir auf dem ächten 
Windgällen-Porphyr und können denselben bis auf den Gipfel der kleinen Wind- 
gälle verfolgen. Der Windgällen-Porphyr gehört also jedenfalls mit den krystalli- 
nischen Schiefern zusammen. Ob er ein Eruptivgestein in denselben, oder ob er 
bloss eine durch porphyrische Structur ausgezeichnete Varietät derselben ist, dies 
zu entscheiden war mir unmöglich. Die mikroscopische Fluidalstructur, die absolut 
massige Ausbildung und der ganze petrographische Habitus, sowie die stellenweise 
deutliche prismatische Absonderung sprechen entschieden für das erstere, der Ueber- 
gang in die Alpnoverplatten kann durch Quetschungen verwischt worden sein. 



Lagerung desselben. 115 

Gänge des Porphyres in den krystallinischen Schiefern konnte ich nirgends finden, 
wohl aber findet man hie und da eckige Bruchstücke einer grünen, manchen Varie- 
täten des Windgällen-Porphyrs sehr ähnlichen Felsart in dem schiefrigen Gestein 
der Alpnoverplatten eingeschlossen. Am „Furggeli" („Gemsfurggeli" nach Lusser 
und Escher, Profil III) sehen wir, dass der Porphyr an seiner Unterlage allmälig 
schiefrig wird, es folgen abwärts undeutliche Gneisse, und dann schwarze oft etwas 
Anthracit führende, oft bunt angelaufene Thonschiefer und Thonglimmerschiefer, 
die manchmal etwas conglomeratisch werden und meistens hier wellig zusammenge- 
drückt und stark gequetscht sind ; — es sind die Schiefer der Steinkohlenformation, 
ganz gleich ausgebildet wie am Bifertengrätli , am Gliemsgletscher und anderen 
Orten. Unter den schwarzen Schiefern und vollkommen parallel mit denselben, 
in ziemlich horizontaler Lage folgen am Furggeli die Echinodermenbreccie und der 
Eisenoolith des braunen Jura mit vielen Belemniten und auch einigen Ammoniten 
und Austern. Steigen wir von dieser Stelle der oberen Eisengrube abwärts gegen 
Oberkäsern (Profil II), so kommen wir auf Hochgebirgskalk und selbst auf Eocen, 
die alle der schiefrigen Unterlage des Porphyrs parallel gelagert sind. Die Sedi- 
mentformationen liegen somit hier in verkehrter Reihenfolge. Escher und Lusser 
hatten dies nicht erkannt, sie sprechen zwar wiederholt, aber nur mit Unsicherheit, 
von Umbiegungen. Erst tiefer unten folgen die Schichten in normaler Lagerung. 
Das normale und umgekehrt gelagerte Schichtensystem ist durch eine grosse, mit 
der Convexität nach Süd gekehrte Biegung verbunden (I. Theil S. 97 und fg.). Hier 
an der Windgälle sind die Kalkformationen gerade so wie am Wetterhorn und am 
Mettenberg, mit denen sie in der gleichen Zone liegen, nördlich über sich selbst 
zurückgelegt, und das Knie der Biegung ist von den Gesteinen des Centralmassives 
der Art umhüllt, dass diese auf die Sedimentformationen hinauf zu liegen kommen. 
Dem Gipfel des Mettenberg und Mönch entspricht der Gipfel der kleinen Wind- 
gälle, der nach seinem petrographischen Charakter offenbar noch viel eher eruptiver 
Natur ist als die ersteren. Der einzige Unterschied beruht in der Art der Ent- 
blössung durch Verwitterung und Erosion. Denken wir uns ein Längsthal vom 
Berglistock über den Zäsenberg, das den Vieschergrath durchschneidet, so würde 
dieses genau dem Maderanerthal entsprechen. 

Wie alt ist nun der Windgällen-Porphyr ? Wie alt die Zurückbiegung und 
Umhüllung der Kalkformationen? 

Escher und Lusser sagen, dass der Porphyr nirgends in die umgebenden 



116 Der Porphyr der Windgälle. 

Kalkformationen gangförmig eindringe, dass überhaupt aus seiner Lagerung eruptive 
Natur nicht gefolgert werden könne. Ich habe die Gesteine, welche den Porphyr 
umgeben und berühren, fast überall, wo es möglich war den Contact zu erklettern, 
untersucht und kann in Folge davon diese Aussage in vollstem Maasse bestätigen. 
Der Porphyr grenzt gewöhnlich ganz scharf an die Kalkformationen ab, ohne dass die 
letzteren irgendwelche Contactmetamorphosen zeigten, wie dies sonst bei Porphyren, 
welche ältere Gesteine durchbrechen, in anderen Gegenden, z. B. in den Umgebungen 
von Christiana der Fall ist. 1 ) Er erfüllt mit einer diesen Schichten ganz parallelen 
Unterlage das muldenförmige Becken zwischen der grossen und kleinen Windgälle, 
welches hier der braune und weisse Jura bilden. Westlich vom Gemsfurggeli 
fehlen die Kohlenschiefer fast gänzlich, dafür finden wir an einigen Punkten etwas 
Röthikaik zwischen dem Porphyr und dem braunen Jura, meist aber stehen die 
Schichten des braunen Jura dort in directer Berührung mit dem Porphyr. In der 
Mitte zwischen der grossen und kleinen Windgälle schneidet die Grenze in steil 
gegen Nord aufgebogenen Schichten den Hauptkamm. Hier bilden die rostrothen 
und gelben Schichten des braunen Jura und der Schiltkalke (Birmensdorferschichten) 
das Rothhorn, und etwas südlich davon baut der Porphyr einen zerrissenen, wilden, 
dunkelroth und grün gefleckten Felszahn, das Schwarzhorn. Zwischen beiden, in 
engem Felskamin finden wir den gut entblössten Contact (Profil IIb). Beim Por- 
phyr beginnend, haben wir nach unten folgende Gesteinsreihe: 

Erstens hellgrauer, an den Kanten durchscheinender Felsitporphyr mit spär- 
lichen, kleinen, rothen Feldspathkrystallen und glashellen Quarzkörnern. Zweitens 
folgen, den Porphyr unterteufend, mit Südfall, die Schichten des braunen Jura in 
Form sehr petrefactenreicher Eisenoolithe und Echinodermenbreccien (vergl. I. Theil 
S. 63 und Profil IIb 3 bis 8), dann die gelbfleckigen Schiltkalke (9) und end- 
lich die grosse Masse des Hochgebirgskalkes (10). 

Die unteren Lagen der Echinodermenbreccie und des unteren 
Eisenoolithes enthalten hier an manchen Stellen eine Menge von 
ächten Porphyrgeröllen (vergl. Profil IIb 3). Es bestehen dieselben aus der 
gleichen, schönen, durchscheinenden Porphyrvarietät, die wir zwischen Rothhorn und 
Schwarzhorn, nahe am Contacte mit den Kalkformationen überall finden. Die Gerolle 
sind meistens vollständig gerundet und von ziemlich glatter Oberfläche. Ihr 
Durchmesser schwankt zwischen 1 und 60 Centimeter. Oft berühren sie sich, während 

*) Vergl. Albert Heim „über Eruptivgesteine, - Vierteljahrsschrift der Zürcher naturforsch. Ges. 1672. 



Sein Alter. 117 

die gebliebenen Lücken mit Echinodermenbreccie und Eisenoolith erfüllt sind, in 
welchem prachtvoll erhaltene Petrefacten steoken (vergl. I. Theil S. 63 und 64). Der 
Porphyr musste also schon vor der Ablagerung des braunen Jura erstarrt 
vorhanden gewesen sein, damit seine Gerolle von dieser Formation ein- 
geschlossen werden konnten. Während wir durch das Fehlen der Contact- 
metamorphosen und der Gänge blos den negativen Beweis für das höhere Alter des 
Porphyres besassen, liefert uns diese Beobachtung den positiven. Endlich sei er- 
wähnt, dass die wahrscheinlich permischen Sernifitconglomerate am Walensee und 
im Gebiete des Sernfthales stellenweise Brocken von einem Porphyr einschliessen, 
welcher demjenigen der Windgälle ganz ähnlich ist. 

Welchen Alters ist der Vorgang, der den Windgällen-Porphyr in seine 
jetzige Lage gebracht hat? 

Der Porphyr liegt mit seiner unteren Fläche dem braunen Jura parallel. 
Dieser wurde in eine gewaltige liegende Falte gestaut, welche in ganz gleicher 
Weise die Schichten des weissen Jura und die eocenen Schichten mitbetrifft. Unter 
der ganzen kleinen und grossen Windgälle durch gehen eocene Gesteine, über und 
unter welchen die älteren Sedimente in verkehrter, beziehungsweise normaler Reihe 
folgen. Der alte vorjurassische Porphyr krönt einen Berg, durch den 700 bis 
800 Meter tiefer eine eocene Schicht durchsetzt. Die ganze Faltenbildung der 
Windgälle ist also jünger als Eocen. Miocenschichten finden sich hier nicht. 
Es fehlen hier lokal die directen Beweise dafür, dass die Windgällenfalte auch 
jünger als Miocen sei, wie die Hauptalpenfaltung es ist. 

Der Porphyr ist also nicht dadurch auf den Gipfel der kleinen Windgälle 
gekommen, dass er die Kalkformationen durchbrochen hätte, sondern er ist älter 
als diese. Er gehört vielleicht einem älteren Gebirge an gleicher Stelle an, das 
aber zur Zeit des braunen Jura schon wieder theilweise unter das Meer gesunken 
war. Seine jetzige Lage muss er offenbar passiv durch die gleichen Vorgänge er- 
langt haben, welche das Eocen in diese Höhe und Lage brachten. Er hat 
bei der Hebung der Alpen sich nicht anders als irgend eine Sedi- 
mentformation verhalten. Er ist älter als die Erhebung der Alpen, er steht mit 
derselben in keinem ursächlichen Zusammenhange und wurde bei der Falten- 
bildung nur mitgerissen, weil er sich zufällig hier befand. 1 ) 



*) Vom Rath nennt den Windgällen-Porphyr: „ein interessantes Beispiel van Gesteinsmetamorphose. 1 



118 Spilite, Variolite, Melaphyre, Granit, Syenit, Diorit. 

Die Spilite, Variolite, Melaphyre der Centralalpen. Im Verrucano der 
Brigelserhörner, x ) besonders am Piz Dedent stecken Lagen eines massigen , fast 
dichten Hornblende- oder Augitgesteines, das vielleicht als ein Diorit oder Diabas 
aufgefasst werden muss. Im Verrucano (Semifit) des Kärpfgebietes, ferner auf der 
Alp Ladral, deren Thal unterhalb Brigels bei Waltensburg gegen den Vorderrhein 
sich öflhet, hat Escher viele, vollkommen parallel zwischen die Bänke des Con- 
glomerates eingelagerte Massen von violettem Melaphyr und „Spilit" gefunden. 
Ganz die gleichen Gesteine finden sich auf der Alp Quader und südlich der Alp 
Robi an der Südseite des Kistenpasses. Wo der Sernifit gehoben ist, sind es auch 
die eingeschlossenen Spilite, 2 ) nirgends aber greifen sie gangförmig in jüngere Gesteine 
über. Ein merkwürdiger, ähnlicher Mandelstein, den Escher ebenfalls entdeckte, 
bildet einen Lagergang im Schrattenkalk der Roggenfluh bei Iberg. Es finden sich 
bei Zürich nicht selten Stücke davon als Sihlgeschiebe zusammen mit erratischen 
Spiliten des Sernfgebietes. Das vereinzelte Vorkommen dieser Eruptivgesteine und 
ihre Lagerung zeigt deutlich, dass sie in ihrer Bildung älter sind als die Alpen 
und nicht activ bei der Erhebung derselben gewirkt haben können. 

Granit, Syenit, Diorit. Wir haben früher im Gebiete der Tödi-Windgällen- 
Gruppe des Syenites und besonders des weissen Granites gedacht, welche gangförmig 
den „Puntaiglasgranit, a Gneisse und andere krystallinische Schiefer durchsetzen. 
Allein nirgends greifen diese Gänge in den Röthikalk, geschweige in die ju- 
rassischen Gesteine über. Von Contactmetamorphosen ist auch da nichts zu 
sehen, wo, wie z. B. an der „Kehle," 3 ) Syenit und Röthidolomit einander ganz 
nahe treten. 

Ganz ähnliche Gänge weissen Eruptivgranites, ferner Diorites, Syenites etc. 
kennt man von tausend anderen Stellen der Alpen. Escher, Favre, Studer, Theo- 
bald und viele andere haben solche aus vielen Gebieten der Alpen beschrieben 4 ) 



Es liegt aber für denjenigen, der die Verhältnisse dieses Porphyrs kennt, nicht ein einziger Grand vor, den- 
selben anders wie einen ächten Felsitporphyr anzusehen. Der „Metamorphismus" ist ein Schlagwort geworden, 
mit welchem man sich überall zu helfen geneigt ist, wo man eine Erscheinung nicht zu erklären versteht. 

') Vergleiche auch Theobald, Jahresbericht der nat Ges. von Graubündten, Nene Folge XIII 
1867—68 S. 127. Ferner dieses Werk I. Theil S. 131 und an anderen Orten. 

*) Vergl. Taf. II. 

3 ) Südlich vom Piz Urlaun 1. Theil S. 16 und Taf. V Prof. IX b. 

4 ) Studer, Berner Mittheilungen 1874, „Geologie der Schweiz" etc. Favre „Recherches geologiques 
dans la Savoie etc." III 145 etc. 



Puntaigla8granit. 119 

und zum Theil ihr Eingreifen in die Gneisse durch Zeichnungen erläutert. Allein 
bis heute ist noch kein einziger Fall aus den Alpen nachgewiesen, wo 
diese Eruptivgesteine in jüngere Gesteine als die krystallinischen 
Schiefer eingreifen, nirgends sind dieselben nachweisbar jünger als die Sedimen- 
tarformationen, überall viel älter als die Hebung der Alpen. Es können so- 
mit diese Granite etc. bei der Hebung der heutigen Alpen unmöglich activ mitge- 
wirkt haben. 

Unsere Tödi-Windgällen-Gruppe speciell betreffend finde ich noch 
Aeusserungen von drei Geologen, welche unseren Resultaten entgegenstehen, es ist 
nothwendig, mit zwei Worten auf dieselben einzugehen. 

Im XIV. Band der Zeitschrift der deutschen geologischen Gesellschaft S. 527 
finden wir folgenden Satz: 1 ) „Da dem Augenschein überzeugende Kraft beizu- 
wohnen pflegt, so redet laut für eine eruptive Entstehung des Puntaiglasgesteines 
der Piz Tumbif über Trons. Von welchem Standpunkte wir diese Gebirgsmasse 
betrachten, unabweislich ist die Ueberzeugung, dass das grobkörnige kryßtallinische 
Gestein die Emporhebung der Kalkschichten bewirkt habe . . . . u Mich freilich 
lehrte der genaue Augenschein, wie ich ihn von zahlreichen entfernten Standpunkten 
gewann und durch viele Tage langes Herumklettern am Tumbifstocke bestätigte, 
das gerade Gegentheil. Freilich hob das Puntaiglasgestein den Jurakalk, allein 
nicht selbstthätiger als z. B. der braune Jura den weissen, und dieser die Kreide- 
schichten hob. Es ist weder Escher, noch Theobald, noch mir gelungen, irgend 
welche directen oder indirecten Beweise für die eruptive Natur des Puntaiglas- 
granites zu gewinnen, auch der citirte Aufsatz erwähnt keine; wohl aber kann 
man nachweisen, dass der Puntaiglasgranit älter als der weisse Ganggranit ist, 
und dieser wiederum älter als der Absatz der sämmtlichen dortigen Kalkstein- 
formationen und viel älter als deren Hebung ist. Escher („Gemälde der Schweiz, 
Kanton Glarus" von Heer und Blumer, Abschnitt „Gebirgskunde 44 von Escher, 
S. 21) hat betont, dass der Hochgebirgskalk der inneren, nahe an den Central- 
massiven gelegenen Gebirgsmassen dünnschichtiger und heller grau sei und ein fein 
krystallinisches Gefuge, nicht selten mit talkigen Ablösungen besitze, während der- 



l ) Auf S. 526 heisst es dort: „Es ist niemals bezweifelt worden nnd kann nicht bezweifelt werden, 
dass der Granitgneiss der Schöllenen nnd des Gotthard jünger ist nnd später seine Lagerung angenommen hat, 
als das Juragebirge bei Amstäg." Für diese, durch ihre Unfehlbarkeit erstaunliche Behauptung suchen wir 
aber im ganzen Aufsatze vergebens selbst nach dem blossen Schatten eines Beweises. 



120 Widerlegung anderer Aussprüche. 

jenige der äusseren Ketten vollständig dicht und dunkel schwarzblau erscheine. 
Er war geneigt, das letztere als die ursprüngliche Beschaffenheit, das erstere hin- 
gegen als spätere Umwandlung, ausgegangen von den kristallinischen Gesteinen, 
aufzufassen. Escher setzt zwar hinzu, dass „Massen dunkelblauen, fast dichten 
Kalksteines sich übrigens stellenweise auch ziemlich nahe den krystallinischen Fels- 
arten finden.* 4 Studer, der doch ein entschiedener Anhänger metamorphischer Er- 
scheinungen, erzeugt durch die Centralmassive ist, drückt sich (Geologie der 
Schweiz I 183) folgendermassen über die entsprechenden Verhältnisse im Roththal 
(Jungfrau) aus: „man findet auch leicht nahe an der Grenze wenige Linien dicke 
Kalkschiefer mitten im Granit, die keine Spur plutonischer Einwirkung tragen. a 
Weil das krystallinische Gefüge des Kalksteines aber ganz nahe am Contact gegen 
die krystallinischen Gesteine meistens durchaus nicht zunimmt und hier nicht aus- 
geprägter ist, als in 200 bis 500 M. Entfernung, weil es auch stellenweise in 
grosser Entfernung vom Centralmassive auftritt, so ist Escher selbst mehr und mehr 
zu der Ansicht gekommen, dass es sich hier um einen gewöhnlichen ursprünglichen 
petrographischen Gesteinswechsel handeln möchte, oder, wenn ein chemisch- oder 
mechanisch-metamorph ischer Vorgang mit im Spiele gewesen sei, es doch viel zu 
gewagt sei, sich denselben von den Centralmassiven abhängig zu denken. Wer die 
klaren echten Contactmetamorphosen von Schottland oder Norwegen gesehen hat, 
wird sich wundern, dass in den Alpen nicht wie dort die Umwandlung um so 
rascher zunimmt, je näher wir an das krystallinische Gebirge treten. Ferner dürfen 
wir nicht vergessen, dass zwischen diesen fraglich umgewandelten Hochgebirgskalken 
und dem Centralmassive noch petrefactenreiche Schichten des braunen Jura liegen, 
welche meist genau gleich aussehen wie in mehreren Stunden Entfernung vom 
Centralmassive; die metamorphische Wirkung müsste dieselben gekreuzt haben, ohne 
sie zu verändern. An der Furkastrasse ist der Hochgebirgskalk, welcher mulden- 
förmig zwischen dem Finsteraar- und Gotthardmassiv liegt, nicht verändert; in dem 
viel tieferen Niveau bei Andermatt und im Gotthardtunnel hingegen, wo er viel 
enger gequetscht ist, ist er zu Marmor geworden. Seine Entfernung von den Feld- 
spathgesteinen ist da wie dort die gleiche. 

In den „Denkschriften der allg. Schweiz, naturf. Ges. a Bd. III 1839 S. 6 
zeigt sich Escher ebenfalls geneigt, talkige Ablösungen, salinische Structur und 
bunte Färbungen des Hochgebirgskalkes als Contactmetamorphosen, durch die Feld- 
spathgesteine erzeugt, zu betrachten ; allein er fährt dann gleich fort, dass dieselben 



Die Marmorisirung des Kalkes. 121 

von Studer „sogar in den von der Centralkette entfernteren Gebirgen der Simme 
und Saane und der Stockhornkette nachgewiesen worden sind." 

Dr. Baltzer veröffentlicht soeben in dem „Neuen Jahrbuch für Mineralogie 
1877* nähere Untersuchungen „über die Marmorlager am Nordrande des Finster- 
aarhornmassives. tt Auch er ist zu der Ansicht gelangt, dass die Marmorisirung des 
Hochgebirgskalkes unmöglich von den Feldspathgesteinen abhängig gemacht werden 
kann, und führt dieselbe auf mechanische Metamorphose zurück: „Lager von um- 
gewandeltem Marmor bedeuten Stellen stärkeren Druckes* 4 während der Faltung der 
Alpen. Der latentplastische oder flüssige Zustand, in welchen in gewisser Tiefe 
der Gebirgsdruck das Gestein versetzt, macht es für mich leicht denkbar, dass die 
so ermöglichte Beweglichkeit der Theilchen von den Krystallisationskräften benutzt 
wird, doch bleibt dies zunächst eine Hypothese. 

In unserer Tödi-Windgällen- Gruppe werden die Kalke an manchen Stellen 
marmorartig und gleichzeitig ihre Farbe hell weiss, gelb oder rosa. Baltzer hat 
im Berner Oberland gefunden, dass der Marmor verschiedenen Stufen angehört, und 
ganz unregelmässig vorkommt, dies ist auch hier der Fall. Im Hintergrund des Lim- 
merntobels und am Sandgletscher finden wir rosafarbene, oft etwas Glimmer und 
Talk enthaltende schiefrige Marmorlager an der Basis des Hochgebirgskalkes und 
stellenweise noch im oberen braunen Jura, auf dem Selbsanft, am Tödi und der 
Windgällenkette enthalten die obersten Schichten des Hochgebirgskalkes weissliche, 
fein krystallinische Marmore. Am Nordabhang der Claridenketto und des Scheer- 
hornes finden wir ganz ähnliche zwischen Nummulitenbänken, und am Griesstock 
zeigen die wahrscheinlich zum Schrattenkalk gehörenden Kalke unter der Gault- 
schicht, welch , letztere stark transversal geschiefert ist, so wie die Troskalke eben- 
falls starke Marmorisirung. Die letztgenannte «Lokalität, sowie einige Stellen am 
Nordgehänge des Val Frisal sind noch aus einem anderen Grunde von hervor- 
ragendem Interesse. Die zahlreichen Bivalven und Korallen sind ebenfalls mar- 
morisirt, und verlaufen mit verwischten Grenzen in das helle feinkörnige Gestein. 
Hierin liegt der Beweis für eine spätere Marmorisirung, denn bei einem ursprüng- 
lich marmorartigen Absatz aus dem Meere wären die Thierschalen als gewöhnlicher 
Kalk geblieben, und ihre Umrisse nicht in so sonderbarer Weise verwischt worden. 
Im Gebiet der Doppelfalte (Alp Ranasca, Ruschein, Nagiens, Sagoin etc.) finden 
wir im umgekehrten Mittelschenkel (I. Theil S. 187, 188, 197, 198, 199) weit 
entfernt von allen krystallinischen Silicatgesteinen ausgezeichnete theils zum Jura, 

16 



122 Widerlegung anderer Ausspruche. 

theils zur Kreide gehörende Marmorlager mit marmorisirten Pctrefacten; dies sind 
Stellen, wo die mechanische Umformung des Gesteines eine ganz ausserordentlich 
bedeutende war. Die Marmorisirung nimmt in der Tödi-Windgällen- Gruppe nirgends 
mit der Annäherung an das Centralmassiv zu, sondern ist ganz unregelmässig ver- 
theilt. Sie findet sich z. B. am Griesstock in 5 Kilometer Entfernung vom Cen- 
tralmassiv viel stärker ausgeprägt, als ob dem Hüfiälpli, am Catscharauls, am Nord- 
abhang der Brigelserhörner, zwischen Piz Urlaun und Piz Ner bei blos 10 bis 
100 M. Entfernung oder im unmittelbaren Contact mit den Feldspathgesteinen. 
Zwischen beiden Windgällen finden wir sehr nahe am Contact mit dem Porphyr 
eine Lage Eisenoolith in ihren kalkigen Theilen stark marmorisirt, allein schon 
eine ältere Bank und die marmorisirte enthalten Gerolle des gleichen Porphyres; 
hier also ist der Absatz, geschweige die Metamorphose des Sedimentes jünger als 
das Erkalten des Porphyres. Wir dürfen also niemals diese Metamorphose von 
dem Centralmassive ableiten, wenn wir auch die Ursache der Marmorisirung noch 
nicht mit voller Sicherheit anzugeben vermögen. 

Theobald sagt (Jahresbericht der naturforschenden Gesellschaft Graubündten 
XIV. Jahrgang S. 127) vom Gewölbe des Limmernbodens : „Wer an der heben- 
den Wirkung der krystallinischen Gesteine zweifelt, mag sie hier anschauen 

In hohen Bogen wölben sich die Sedimentgesteine darüber hin, vielfach zerrissen 
und zersprengt, doch in parallelen Linien dem Relief der krystallinischen Gebilde 
folgend." Ich habe, seitdem ich Escher und Theobald 1868 in den Limraernboden 
begleitete, diesen Ort noch zweimal besucht, um nach Beweisen fiir die Anschauung 
von Theobald zu forschen, ich fand aber keine solchen. Theobald hatte seinen 
Schluss aus dem allgemeinen Eindruck gezogen, den dieser Anblick auf ihn machte, 
aber nicht aus Contact oder Gangerscheinungen. Mir scheint, er verwechselte hier 
Ursache und Wirkung: wir finden in den Alpen zahlreiche ähnliche Schichtenge- 
wölbe, in deren Grunde keine krystallinischen Gesteine sich befinden; die Erhebung 
ist demnach nicht von solchen abhängig, ihre Ursache muss anderswo liegen. 

Wenn die Granite und Gneisse der Alpen in weichem Zustande aufdringend 
die Sedimente gehoben und gefaltet hätten, wie wäre es anders möglich gewesen, 
als dass sie in tausend und tausend dadurch gebildete Risse der Kalkformation 
gangbildend eingedrungen wären? Anstatt eines völligen Gewebes von Gängen 
finden wir die Grenze von Puntaiglasgranit und Röthi- oder Jurakalk sich ohne 
jede Contacterscheinung an dem schön entblössten West- und Süd -West -Abhang 



Alte Gerolle von Centralmassivgesteinen. 123 

des Tumbifstockcs als eine haarscharfe gerade ununterbrochene Linie hinziehen. 
In gleicher Weise bildet die untere Grenze des Röthikalkes im Limmernboden und 
anderwärts einen herrlich geschweiften, ununterbrochen geschlossenen Bogen, und 
kein krystallinisches Gestein erfüllt die zahllosen, radialen Klüfte des Sedimentge- 
wölbes, die doch sicher während der Gewölbebildung selbst schon sich geöffnet 
haben. Warum hören die Gänge immer auf, bevor sie in die Kalkformationen 
übersetzen? Gewiss findet diese Thatsache ihre Erklärung einzig in dem Umstände, 
dass die Sedimentformationen noch gar nicht abgelagert waren als diese 
Eruptivgesteine in die Spalten der krystallinischen Schiefer eindrangen 
und in denselben erstarrten. 

Dr. Stäche hat im Orteier- und Zwölferspitz-Gebiete nachgewiesen, dass alle 
dortigen Eruptivgesteine älter als die Kalkformationen jenes Theiies der Alpen sind. 

Lory hat viele Gerolle vom Gneiss Savoyens und des Dauphin^ in den 
Conglomeraten der Steinkohlenformation der Trias- und Juraformation jener Gegen- 
den gefunden. Diese Gerolle zeigen genau die jetzige Structur des Gneisses. Sie 
beweisen, dass Gneiss und Structur desselben von sehr hohem Alter sind, jedenfalls 
viel älter als die tertiäre Haupterhebung der Alpen, um deren Erklärung es 
sich handelt. 

In dem der Steinkohlenformation angehörenden Valorsineconglomerat in der 
Mont-Blanc-Gruppe fand A. Favre Gerolle von dem gleichen Turmalingranit und 
einigen anderen Granitvarietäten, welche dort in Gängen die krystallinischen Schiefer 
der Aiguille rouge durchsetzen. Diese Gänge sind somit älter als die Kohlen- 
formation, 1 ) und noch älter sind die Schiefer, in welchen sie auftreten. 

Favre drückt sich über den Protogin des Mont-Blanc in gleichem Sinn 
vollkommen klar aus, indem er S. 144 und 145. Vol. III sagt: „La masse de proto- 
gine a 6t6 exhaussee k l'ätat solide par un refoulement lateral comme les terrains de 
Sediments, par consöquent eile n'est point la cause de la formation du Massif du 
Mont-Blanc. tt 

Wären die Centralmassive in weichem Zustande aufgebrochen, und die 
Thäler gleichzeitig sich bildende Spalten, warum finden wir in den Alpen keine 
Spur von Strömen von Eruptivgesteinen, die wie Gletscher oder Laven in den 
Thälern liegen sollten. Oder wenn die Thäler erst später entstanden sein sollen, 



Reeherches gäologiques II. 416. 



124 Eruptivgesteine älter als Alpenfaltung, 

/ . , . v r warum nicht Decken, weit über die Sedimente ausgebreitet, wie sie die Umgegend 

"''^f * M ' / von Christiania, wie sie das Hochland von Dekan etc. zeigen? 1 ) 

Mit Suess a ) wollen wir die Eruptivgesteine der Alpen, welche wie der Por- 
phyr, die Melaphyre, Granite, Syenite unserer Gruppe älter als die Erhebung sind, 
„passive" nennen. Die meisten Granite der an Eruptivgesteinen verschiedenen 
Alters viel reicheren Südalpen sind nicht jünger als die Steinkohlenformation. 3 ) 
Die Porphyre von Südtyrol gehören der permischen Formation an, die jüngeren bei 
Raibl der Trias, und der „ Centralgneiss der Ostalpen ist nach allem Anscheine 
noch älter als die genannten." 

Alle diese sind passive Gesteine. Suess nennt als solche noch die basal- 
tischen Ströme der Vicentinischen Berge, welche „eingebettet zwischen sedimentäre 
Schichten, zugleich mit diesen letzteren gehoben, und zuweilen muldenförmig ge- 
krümmt worden sind." Da die Alpen wohl nicht anders entstanden sind als die 
übrigen Kettengebirge der Erde, so dürfen wir Analogien mit solchen in unserer 
Beweisführung benutzen. 

Nach Magnan*) sind die sämmtlichen Granite und Ophite der Pyrenäen der 
Gebirgshebung gegenüber passive Gesteine. In den tief eingeschnittenen Thälern 
des Schwarzwaldes beobachten wir, wie Granitgänge, Porphyr und Dioritstöcke den 
Gneiss durchbrechen. Keine dieser Gangmassen aber dringt in die Triasschichten 
ein, welche die breiten Hochflächen bis in bedeutende Höhe bedecken. Die Erup- 
tion dieser Massengesteine ist also älter, die Haupthebung des Schwarzwaldes aber 
jünger als die Ablagerung des Muschelkalkes. In Skandinavien findet jetzt eine 
Erhebung des Gebirges statt, ohne dass Eruptivgesteine austreten; die alten vor- 
silurischen und* nachsilurischen wirklich eruptiven Granit-, Porphyr- und Diabas- 
massen werden sammt ihren Contactgesteinen gegenwärtig passiv mit gehoben. 
Die beiden letztgenannten Beispiele beziehen sich allerdings auf Massengebirge, 
nicht auf Kettengebirge. 

In den " Rheinischen Gebirgen fallen nach Josef Zervas 5 ) die Eruptionspunkte 



') Favre III 141: „nulle part dans les Alpes il n'y a traces de coulees." 

a ) »Die Entstehung der Alpen - Abschnitt L 

s ) Negri und Spreafico, „Saggio sulla (jeol. dei Dintorni di Varese e di Lugano. Mem. Iatit Lomb. 
Ser. III Vol. XI 1870. Ferner' Curioni, Osserv. geol. sulla Val Trompia ebendaselbst und Vol. Xu 1872 über 
das Alter des Adamello Syenites. 

«) Mem. de la Societe geol. 2 Ser. X 1874. 

*) Mündliche Mittheilungen. 



Eruptionen erzeugen keine Kettengebirge. 125 

tertiärer Basalte und jüngerer Vulkane »ehr häufig auf die Antiklinallinien der ge- 
falteten devonischen Gesteine. Die Faltung der letzteren ist aber älter als die 
Kreidezeit. Es können somit auch hier die Dislocationen nicht durch die Erup- 
tionen erzeugt worden sein, sondern es sind vielmehr die älteren Gebirgsbrüche 
später von dem Eruptionsmaterial nur benutzt worden. Ganz entsprechende Er- 
scheinungen lassen sich aus Abich's Profilen des Kaukasus lesen. 

Als ich 1871 zuerst Escher gegenüber meine Ansicht äusserte: Dass die 
Eruptivgesteine der Alpen älteren zertrümmerten Gebirgen auf gleicher Stelle 
angehört hätten, und bei der Haupthebung der Alpen keine Eruptivgesteine 
von Bedeutung zu Tage getreten seien, 1 ) erwiederte mir Escher, dass er selbst 
glaube, es müsse dies zugestanden werden, und dass er keinen Gegenbeweis zu 
geben wüsste. . 

Im Verlaufe der Zeit hat die Erkenntniss mehr und mehr Stütze und Ver- 
breitung durch weitere Beobachtungen gefunden, dass bei der Bildung der Ketten- 
gebirge und auch der Massengebirge die Eruptivgesteine sekundäre Erscheinungen 
sind, welche „weit entfernt die Gebirge zu erheben, nur die vorhandenen Lösungen 
der Continuität der Erdrinde benützt haben, um hervorzutreten und sich auszubreiten. tf *) 
Suess versucht den Nachweis, *) dass dies auf der inneren Seite der bogenförmig 
gekrümmten Kettengebirge viel leichter als auf der äusseren geschehe. Auf der 
letzteren finden sich die regelmässigen Falten, auf dieser mehr Verwerfungen und 
Abrisse, und eine Reihe junger Eruptivkegel über denselben ziehen sich am Fuss 
der Innenseite der Gebirgskette entlang. Ueber die Beziehungen der Vulkane zur 
Bildung eines gewaltigen Kettengebirges ist wohl von einer genauen Untersuchung 
der südamerikanischen Anden der meiste Aufschluss zu erwarten. 

Wenn wir von Süden oder Norden kommend, bei reinem Himmel einen 
Vorgipfel der Alpen mit freier Aussicht ersteigen, so steht vor uns eine unzählige 
Masse von einzelnen Gräthen und Kämmen und Spitzen, die alle einer hinter dem 
andern sich drängen. Wenn unser Standpunkt beherrschend genug ist, wird uns 
sogleich auffallen, 4 ) dass trotz, aller scheinbaren Selbstständigkeit, die ein einzelner 
Gipfel zeigt, wenn wir ihn in der Nähe betrachten, doch alle diese Gipfel ein ge- 



l ) Verhandl. der Schweiz, naturf. Ges. Frauenfeld 1872, „Blick auf die Geschichte der Alpen." 

') Prevost Ball. Soc geol. XI 1840. S. 186. 

*) „Die Entstehung der Alpen" Abschnitt III. 

*) Verglichen Panorama des Sentis von Albert Heim, Verlag der Sectio n St Gallen des Schw. Alpenclub. 



126 Eruptionen erzeugen keine Kettengebirge. 

wisses allgemeines Niveau einnehmen. Nennt man eine Gruppe der Alpen, so 
werden wir gleich sagen können, wie hoch höchstens dort die Gipfel sein können. 
Die Gipfel der inneren Kämme sind die höchsten, nach den äusseren, besonders 
den nördlichen Ketten zu nehmen die Höhen stufenweise ab. Warum ist es un- 
möglich, dass der Sentis 3000 M. hoch sei und warum kann kein Kulminations- 
punkt der inneren Alpenkämme sich mit etwa 2000 M. begnügen? Wir sehen, 
es muss die Hebung der Alpen eine einheitliche gewesen sein. Die gleiche Ur- 
sache muss etwa zur gleichen Zeit in gegenseitiger Abhängigkeit den Sentis wie 
den Tödi, das Finsteraarhorn und den Monte Rosa aufgethürmt haben, die einzel- 
nen Gebirgsgruppen, die wir unterscheiden mögen, sind nicht genetisch unabhängig 
von einander entstanden. Wenn aber Ausbrüche von Eruptivgesteinen die Ursache 
der Gebirgsaufthürmung gewesen wären, wie könnte ein einheitliches, mächtiges 
Gebirgskettensyfctem entstanden sein? Müssten sich nicht vielmehr eine Menge 
isolirter, zusammenhangsloser Bergstöcke gebildet haben? Einzig und allein eine 
Bewegung des gesammten Bodens kann ein solches Hochgebirge mit so lange hin- 
streichenden Falten erzeugt haben. 

In den Alpen schreibt man die Faltung der Sedimente den Centralmassen 
zu, im Jura findet sie sich in gleicher Weise ohne Centralmassive. Wenn Eruptiv- 
gesteine Gebirge bilden können, warum haben die zahlreichen Porphyre des Roth- 
liegenden in Deutschland, warum die Basalte des Miocenen nirgends Alpen, sondern 
blos eine Zusammenhäufung von einzelnen Bergkuppen (böhmisches Mittelgebirge, 
Höhgau etc.) aufgethürmt? In den Cottischen Alpen finden wir eine Wechsel- 
lagerung triasischer sedimentärer Schichten mit Serpentinen („die aus Gabbro ähn- 
lichen Gesteinen entstanden sein mögen a ); dennoch ist jener Theil der Alpen doch 
nicht von triasischem Alter, die Hebung ist ebenfalls tertiär und die alten Serpen- 
tine, die nicht im Stande waren, ein Gebirge aufzuthürmen, sind passiv später mit- 
gehoben worden. Wenn die Alpen in pliocener Zeit durch ausgedehnte Eruptiv- 
massen gebildet worden sind, warum beobachten wir in der jener Zeit geologisch 
so nahe gelegenen Gegenwart und an den jetzigen Vulkanen gar keinen Vorgang, 
der mit einem solchen, wie die Alpenerhebung war, Aehnlichkeit haben könnte? 
Warum nicht einmal mehr ächte Granitlaven ? Wohl hebt sich vulkanisch thätiger 
Boden langsam oder zeitweise empor und sinkt wieder, wenn das vulkanische Leben 
abnimmt (Wechsel zwischen Vesuv und phlegräischen Feldern, vulkanische Inseln 
des stillen Oceans, Sicilien, Chile, Peru etc.); allein Kettenerhebungen bilden sich 



Kraterähnliche Formen in den Alpen. 127 

auf diese Weise nicht aus. Wenn aus Spalten austretende und die Sedimente 
hebende und bei Seite schiebende Eruptivmassen die Alpen emporgethürmt hätten, 
so müssten wir fragen : was war die Ursache dieser Spaltenbildung? Wir hätten 
dadurch das Räthsel nicht gelöst, sondern nur auf einen andern Punkt verschoben. 
Und wenn diese Ursache in dem Empordrängen der Eruptivgesteine selbst gelegen 
sein soll, warum bildete sich ein System paralleler und nicht ein solches radialer 
Spalten, wie das bei den Gängen eines Vulkanes der Fall ist ? Warum also durch- 
kreuzen sich die Kettengebirge niemals, sondern schmiegen sich aneinander an, wo 
sie, in verschiedener Richtung gehend, nahe aufeinander treffen? 

Auch die Lyell'sche Auffassung von der ungefähr gleichzeitigen Bildung 
plutonischer Gesteine in der Tiefe und damit zusammenhängender vulkanischer an 
der Oberfläche ist auf die Alpen nicht anwendbar. Lyell sagt zwar von den Gra- 
niten der alpinen Centralmassive : „Und es kann nicht fraglich sein, ob das Alter 
dieser Granite und Gneisse ein " sekundäres oder tertiäres sei, sondern nur, ob sie 
der eocenen oder der miocenen Periode angehören. al ) Allein diesen „plutonischen" 
Gesteinen, deren höheres Alter übrigens durch Einschlüsse in carbonischen und 
jurassischen Schichten direct bewiesen ist, müssten ja tertiäre oder spätcretacische 
„ vulkanische a entsprechen, die durch Gänge mit ersteren in Verbindung stünden. 
Lyell zeigt, dass dies in den Anden der Fall sei, in den Alpen aber fehlen that- 
sächlich die vulkanischen Gebilde, welche nothwendig mit den tiefen plutonischen 
in Verbindung stehen sollten. Wie die Faltung bewirkt wurde, bleibt auch Lyell 
ziemlich unklar. 

Studer betont bei sehr vielen Gelegenheiten, dass die Sedimente gegen die 
Centralmassive oft in steilen Wänden abbrechend an den Kraterrand erinnern, 
welcher den centralen Trachytkegel umgiebt. Mit noch viel grösserem Rechte 
könnte man nach ihrer Form die Circus und die aufgebrochenen Gewölbe des 
Jura Kraterrändern vergleichen — hier ist die Aehnlichkeit auffallend, dort muss 
man sie suchen. Allein hier im Jura findet sich statt dem Centralmassiv im Innern 
eine tiefere Schicht der Sekundärzeit (unterer Jura, Lias, Trias), von der man weiss, 
dass sie sedimentären Ursprungs ist und nicht mit dem Trachyte verglichen werden 
kann. Wenn im Jura die kraterähnliche Form ohne eruptive Erscheinungen in 
ausgezeichneter Weise vorhanden ist, so darf man aus dieteer äusseren, viel gerin- 



') Geologie IL Bd. 442 unten in der deutschen Uebersetzung von 1857. 



128 Entstehung der Gesteine und Entstehung der Gebirge. 

geren Formenähnlichkeit mit Kratern, welche die Alpen zeigen, sicher nicht zu 
Gunsten eruptiver Entstehungsart der Centralmassive schliessen. Yiel berechtigter 
hingegen erscheint es, eben dieser Formen halber die aufgebrochenen Gewölbe des 
Jura mit den genannten Gestalten der Alpen nicht nur nach der Form, sondern 
auch nach der Entstehungsart als vielleicht nur quantitativ unterschieden zu ver- 
gleichen; denn an beiden herrscht das Langgezogene, die Kettengestaltung gegen- 
über den Kegeln und runden Kratern der Vulkane vor, — und dieser Vergleich 
ist nicht ein Rest einer längst widerlegten Theorie, der Theorie der Erhebungs- 
krater wie derjenige zwischen dem Central massiv und dem Vulkane einer ist. 1 ) 
Endlich weisen wir noch auf die äusserst Krater ähnlichen Gestalten hin, welche 
durch Abrutschen der Gehänge nach einem Punkt der Unterspülung durch reine 
Erosion entstehen (Hintergrund des Durnachthaies etc. etc.). 

Die Frage nach der Entstehungsweise einer Gebirgsmasse schliesst eigentlich 
immer zwei ganz verschiedene genetische Fragen in sich, sie will die Ant- 
wort darauf haben, wie die Materialien (Mineralien und Gesteine) der Gebirge 
entstanden sind, und zweitens darauf, wie aus diesen Materialien die Gebirge ent- 
standen sind. Man hat lange Zeit beide Fragen zusammengeworfen, und geglaubt, 
die Entstehungsweise der Gebirge an der Entstehungsart der Mineralien und Ge- 
steine entdecken zu können. Konnte man z. B. nachweisen, dass Feldspath aus 
Schmelzfluss sich ausscheide, so dachte man das Gleiche nicht nur von allen Ge- 
steinen, welche Feldspath enthalten, sondern auch von den Gebirgen, welche aus 
solchen Gesteinen bestehen. Allein auf der einen Seite zeigten die weiteren Unter- 
suchungen, dass ein und dasselbe Mineral aus Schmelzfluss, aus überhitztem Wasser 
oder aus kaltem Wasser sich ausscheiden und auch durch Sublimation entstehen 
kann (so z. B. der Feldspath), dass man somit aus der mineralischen Zusammen- 
setzung nicht einmal die Entstehungsweise des Gesteines ersieht. Auf der anderen 
Seite muss man zugeben, dass die Bildung der Gesteine eines Gebirges, der pluto- 
nischen wie der Sedimentgebilde, und die Erhebung derselben zum Gebirge oft 
ganz verschiedene Prozesse sind, welche in verschiedenen geologischen Zeiträumen 
stattfinden können. Nur bei den Kuppengebirgen und den Vulkanen fallen sie zu- 



x ) In einem Briefe an mich geht Stnder noch viel weiter. Er sagt: „Mit der Theorie von Suess, 
so weit ich sie verstehe, kann ich mich nicht einverstanden erklären, weil sie die wichtigsten Erscheinungen 
in den Alpen, die den Mondgebirgen ähnliche Kreisform, welche Piemont nmschliesst, und Anderes uner- 
klärt lässt." 



Entstehung der Gesteine und Entstehung der Gebirge. 129 

sammen, indem die Gebirgsbildung an die Neubildung von Gesteinsmaterial geknüpft 
ist, bei den Massen- und Kettengebirgen hingegen besteht sie im Wesentlichen blos 
in einer Lagerungsstörung der längst vorhandenen plutonischen und sedimentären 
Gebilde. 

Der Vergleich mit einem ganz ähnlichen Irrthum, den man in der Physio- 
logie, die der Geogenie nach der Art der Forschung am nächsten steht, machte, 
kann die Unrichtigkeit des Zusammenwerfens der Entstehung der Gesteine und der 
Gebirge noch deutlicher machen. Als die chemische Synthese organische Stoffe wie 
Harnsäure darstellte, jubelte man über die gefundene Ueberbrückung zwischen un- 
organischer und organischer Natur. Allein der Jubel ist in diesem Sinne etwas 
verfrüht: Man verwechselte die Entstehung des Stoffes, aus dem der Organismus 
gebaut ist, mit der Entstehung des Organismus selbst. Die Kluft ist allerdings 
wahrscheinlich nicht in der Natur vorhanden, sondern nur in unserer Erkenntniss; 
wir haben sie aber hier nicht gehoben, sondern nur verschoben: Früher lag sie 
zwischen den organischen und unorganischen Stoffen, jetzt zwischen den orga- 
nisirten und unorganisirten Körpern, denn alle synthetische Darstellung von Cellu- 
lose, Zucker etc. vermochte bis heute noch nicht zur Darstellung einer lebenden 
Zelle zu fuhren. 

Entstehung der Gesteine und Entstehung der Ketten- und Massengebirge 
sind von einander so verschieden wie der chemisch-physiologische Vorgang, der 
z. B. Zucker oder Cellulose erzeugt, von demjenigen, der im werdenden Organis- 
mus das Auge oder die Glieder hervorbringt. Die Lehre von der Entstehung der 
Gesteine, die Petrogenie verhält sich zur Lehre von der Entstehung der Gebirge 
wie physiologische Chemie zu Embryologie. 

In den Alpen sind wir heute noch nicht im Stande, die Grenzen zwischen 
Eruptivgesteinen, alten plutonischen krystallinischen Schiefern, „metamorphischen a 
Gesteinen und alten Sedimentgesteinen mit Sicherheit anzugeben. Zum Verständ- 
niss der Entstehungsweise der Alpen haben diese Unterschiede aber von ihrer Be- 
deutung verloren, seitdem wir eingesehen haben, dass alle diese Gesteine älter sind 
und bei der Erhebung sich alle gleich passiv verhielten. Unser Resultat können 
wir in die Worte zusammenfassen: 

Die Erhebung des Alpensystemes ist nicht durch Eruptivgesteine bewirkt Die 
Eruptivgesteine der Alpen sind älter und nur passiv an ihre jetzige Stelle gebracht 
worden. 

17 



130 Anschauung Studer's über Entstehung der Centraimassive. 

Als Folgerung aus den bis jetzt genauer untersuchten Gebieten können wir 
den weiteren Satz hinzufügen: 

Eruptivgesteine erzeugen keine Kettengebirge. 



B. Die Verhältnisse im Berner Oberland. 1 ) 

Literatur: A. Escher v. d. Linth „Erläuterung der Ansichten einiger Con- 
taetverhältnisse zwischen krystallinischen Feldspathgesteinen und Kalk im Berner 
Oberlande, a Neue Denkschriften der Allg. Schweiz. Ges. für die gesammten Naturw. 
Bd. III 1839. Studer „Geolog, d. Schweiz" 1851 I. Bd. S. 176 bis 189; „Phy- 
sikal. Geogr. und Geol. u Bd. II 157 — 158 und 207; „Granit und Gneiss in den 
Alpen, tt Zeitschr. d. deutsch, geol. Ges. 1872; „Geologisches vom Aaregletscher u 
Berner Mittheil. 1874, ferner Bulletin de la soc. göol. T. II und Leonhards Jahr- 
buch 1836. Lory „Structure des massifs centraux des Alpes" Bullet, de la'Soc. 
gßol. de France III Serie, T. 1. Heim „ Contactstellen zwischen krystallinischen 
Schiefern und Sedimenten" Vierteljahrsschrift der zürcherischen naturforsch. Ges. 1871 
S. 259 bis 262. 

Studer . betont die ungeheure Einförmigkeit in der Schieferung der krystalli- 
nischen Gesteine und besonders „die sich constant parallel bleibende Stratification 
des Gneisses über wie unter dem Kalk, unabhängig von der Gestaltung seiner 
Grenzfläche gegen denselben." 2 ) Da stellenweise der Gneiss über die Falten des 
Jurakalkes sich ausgebreitet hat, kann die Faltung dieses Kalksteines nicht jünger 
sein als die Ueberschiebung des Gneisses, damit sind wir vollständig einverstanden. 



1 ) Daraas, dass ich bei früherer Gelegenheit eine Kritik der Beweisführung Studer's nnterliess und 
immer hinausgeschoben habe, ist mir der Vorwurf der Nichtberücksichtigung älterer Arbeiten gemacht worden, 
während dies nur geschah, theils weil es mir unangenehm war, Studer, dessen Forschungen mir stets eine hohe 
Achtung einflössten, entgegentreten zu müssen, theils weil ich nicht wusste, ob er seine 20 Jahre früher aus- 
gesprochenen Ansichten auch heute noch unverändert festhalte, oder ob er sie wesentlich modificirt habe. In 
seiner Publication in der Zeitschrift der deutschen geolog. G eselisch, hat er endlich an der Hand .eine r im 
wesentlichen Punkte ganz falschen Copie meines in der Vierteljahrsschrift der naturforsch. Ges. Zürich publicirten 
Windgällenkammpronles, welche er seiner Arbeit ohne Anfuhrung des Ortes, dem er sie entnommen, beigab, 
die Richtigkeit meiner Beobachtungen, nicht nur die Schlüsse aus denselben, in Frage gestellt (S. 555, Mitte), 
ohne die betreffende Gegend jemals selbst untersucht zu haben. So bin ich durch Studer, meinem Wunsche 
entgegen, zu dem vorstehenden Kapitel gezwungen. 

*) Studer hat selbst eine widersprechende Beobachtung veröffentlicht. Verglichen hierüber die An- 
merkung in diesem Abschnitte bei £>. 1, Schlucht des Kreuzbaches. 



Anschauung Studer's über Entstehung der Centralmassive. 131 

Nun aber fahrt Studer fort: „und da der Gneiss in seiner Stratification unabhän- 
gig von der Gestaltung seiner Grenzfläche gegen den Kalk ist, so muss diese wohl 
eine Erstarrungsstmctur sein, welche entstand, nachdem der Gneiss als eine weiche 
Masse das Kalkgebirge umwickelt und bedeckt hatte. a Es sind diese krystallinischen 
Gesteine des Centralmassives nach Studer „jünger als das Kalkgebirge , a „jünger 
als die Hebung der Alpen , welche bekanntlich an's Ende der Miocenzeit fällt — 
sie selbst haben ja diese Hebung erzeugt, tt „wo anders als im Gneiss sollen wir 
die Kraft suchen. ttl ) Die Punkte, auf welche Studer seine ganze Beweisführung 
gründet, sind: Roththal an der Jungfrau, Mönch, Mettenberg, Wetterhörner, Ur- 
bachgrat. 

Noch an anderen Stellen 2 ) fugte Studer hinzu, dass diese „Eretarrungsstruc- 
tur des Gneisses" etwa mit den Erstarrungsstructuren von Basalten, Laven etc. zu 
vergleichen wäre. Solche wirkliche Erstarrungsstructuren sind aber immer nur 
Trennungen, die Gesteinsmassen zwischen diesen Zerklüftungen zeigen keine ent- 
sprechende Structur. Die Structur des Gneisses hingegen ist durch die Lage seiner 
Mineralkörner überall im Innern der Gesteinsmasse ausgesprochen. Gesetzmässige 
Durchklüftung und schiefrige Structur sind zwei ganz verschiedene Dinge. Bei 
Eruptivmassen kann eine wirkliche schiefrige Structur durch fliessende Bewegung 
vor dem Erstarren ebenfalls entstehen (z. B. am Trachyt von Basiluzzo, Liparen), 
allein dann schmiegt sich dieselbe gerade der Unterlage, an welcher die Lava Be- 
wegungsverzögerung erlitten hat, parallel an. 

Lory hat die Stellen, auf welche Studer seine Beweisführung gründet, nicht 
selbst untersucht, bemüht sich aber, mit Zuhülfenahme von anderen Beobachtungen, 
zu zeigen, dass die Lagerungsverhältnisse des Mettenberges etc. auch durch Ueber- 
schiebung des altstarren Gneisses längs einer Kluft, welche die Plattung schneidet, 
entstehen konnten und erläutert dies durch eine Figur. Gewiss trägt diese Er- 
klärungsweise im Allgemeinen nichts Unwahrscheinliches an sich, allein in der That 
findet man von den vermutheten Verschiebungsflächen keine Spur. Durch eigene 
Untersuchung des Mettenberges und theilweise des Urbachgrates , habe ich bessere 
Gründe zur Widerlegung der Studer'schen Schlüsse gewonnen. 

Der überlagernde „ Gneiss tt des Mettenberges, wie ihn Studer nennt, ent- 



x ) VergL ausser den oben citirten Publicationen auch Zirkel Petrogr. 1866. II. 507 unten. 
*) Z. B. bei einer Discussion an der Versammlung der Schweiz, naturf. Gesellschaft in Schaffhauseu 
1873 — die Bemerkung findet sich leider in den gedruckten Protokollen nicht aufgenommen. 



132 Studer's Beweisführung am Mettenberg. 

spricht zum grössten Theile nicht dem Gneiss der inneren Zonen der Central- 
massive, sondern etwa denjenigen dunkeln, gneissähnlichen Schiefern >. von welchen 
Studer selbst uns durch seine Beschreibung und die Escher'sche Zeichnung die Be- 
weise gibt (Berner Mitth.), dass sie älter sind als der helle Ganggranit, indem der 
letztere die ersteren durchdringt und ihre Bruchstücke umhüllt. Nur an einzelnen 
Stellen wird er etwas granitisch. Sicherlich könnte es keinem Geologen, dem ein 
Handstück des „Gneisses 44 vom Mettenberg vorgelegt würde, einfallen, an ein Erup- 
tivgestein zu denken. Man würde zwischen den Bezeichnungen: n Verrucano, a 
\ Glim merschi efer, " „Talk-Quarzit," „undeutlich ausgebildeter Gneiss tf etc. schwan- 
ken und dem Gestein sedimentäre oder metaVmorphische Entstehung und paläo- 
zoisches Alter zuzuschreiben geneigt sein; Escher sagt: der Gneiss aber zeichnet 
sich durch Armuth an Feldspath aus, und ist wohl eher ein feinkörniger Talk und 
Glimmer haltender Quarzitschiefer „zu nennen. Studer gelangt freilich selbst auf 
diesen Widerspruch, indem er die gneissartigen Gesteine des Mettenberg, des Mönch, 
der Jungfrau in der Zeitschrift der deutschen geologischen Gesellschaft (1872 S. 556) 
als jung eruptiv erklärt, während wir anderwärts (Berner Mitth.) lesen, dass er die 
„ Gneissmassen der Wetterhörner, des Schreckhornes und Mettenberges und der Jung- 
fraugruppe als Gesteine" erklärt, „welche wohl dem Casannaschiefer Theobald's ent- 
sprechen mögen," womit ich vollständig einverstanden bin. In seinem Index der 
Petrographie und Stratigraphie 1872 sagt er aber (S. 107 und 46), dass der 
Casannaschiefer in manchen Gegfcnden mit Schiefern der Anthracitbildung enge ver- 
bunden sei, in anderen darüber liege. 

^^ * 

Bei den Profilen des Mettenberges, welche Studer im Jahr 1842 publicirte, 
Hess er die Stratificationslinien des Gneisses nicht bis an die Sedimentgrenze hin 
sich fortsetzen, sondern zwischen Gneiss uijd Sediment blieb noch eine breite Zone 
in ihrer Schieferung unbestimmt. Das Gleiche sehen wir in Escher's Skizzen in 
seinen Reisemanuscripten. Erst später, offenbar weil die Theorie fortgesetzt, die 
Beobachtung aber nicht entsprechend erhärtet wurde, schematisirte man das Bild, 
indem man die Schieferung des Gneisses immer gleichförmiger und so unrichtiger 
Weise bis an den Contact verlängert zeichnete (Taf. IX Fig. 2). Auf Taf. IX 
Fig. 3 a und b habe ich eine Ansicht des Mettenberges mit den genauen Schieferui^o- 
richtungen des Gneisses gezeichnet, so weit ich dieselbe den 8. August 1873 in 
Begleitung meines Freundes, L. Loczy, Assistent an der ungarischen geologischen , 
Reichsanstalt in Budapest, aufgenommen habe. Von der Stieregg am Untergrindel- 



Widerlegung derselben. ,133 

waldgletscher aus kletterten wir immer dem Contaet nach und verliessen denselben 
nur, wo es ganz unmöglich war, ihn zu begehen. Wir stiegen bis unter den Punkt 
2473 M. an die Gräte, die auf der Karte in 1:50000 mit „ober Jägi tf bezeichnet 
sind, wo wir die Schieferung des überlagernden Gneisses messen und verfolgen 
konnten. Ein furchtbares Gewitter, das sich rasch zusammengezogen hatte, machte 
es unmöglich, noch den höchsten Gipfel des Mettenberges zu ersteigen. 

Der Gneiss biegt nahe an den Sedimenten vielfach um und schmiegt sjch 
am Contacte oft dem Kalke einigermassen, stellenweise sogar vollkommen parallel 
an. An einzelnen Stellen zeigt derselbe zwei sich schneidende Schieferungsrichtungen. 
Oben auf der Höhe des Kalkkniees biegen auch die Gneisse gegen Norden von 
50° auf blos 21° und stellenweise blos 18° Südfall um, und kommen dadurch 
ganz genau jmrallel auf die Sedimentschichten zu liegen, ganz erinnernd an die 
ähnlichen Gesteine des Maderanerthales, die' in der Richtung der Alpnove sich 
gegen Norden auf die nordwärts übergelegten Sedimente umbiegen. Escher be- 
richtet sogar, dass das krystallinische Gestein auf dem Gipfelndes Mettenberge s po r- 
phvrartige Structur annimmt. Unsere schon oben gezogene Parallele zwischen, der 
Windgälien-Falte und derjenigen der Jurakalke im Berner Oberland erhäk hiedurch 
noch eine wesentliche Ergänzung. Am Gwächtenhorn 3094 M. sahen wir die 
Schieferungj so weit sie durch's Fernrohr von unserm Standpunkte beurtheilt werden 
konnte, fast vollständig horizontale während sie sich weiter nördlich gegen den 
vordersten Gipfel des Mettenberges wieder steiler aufbiegt, was in Verbindung mit 
Klüften und Verwitterungsrinnen von den tieferen Thälern gesehen den Eindruck 
macht, als ob sie überhaupt stets steil wie der übrige Gneiss stünde. Die Stratifi- 
cation des Gneisses am Mettenberge ist also nicht unabhängig von der Lagerung 
der Sedimente, sondern legt sich oben streckenweisp der Kalksteinoberfläche parallel 

s 

auf dieselbe. 

Von der Nähe der grossen Scheidegg aus glaubten wir mit dem Fernrohr 
zu sehen, dass, wo die Schiefer ung des überlagernden Gneisses steil steht, sie sich 
auch noch als Klüftung oder Clivage theilweise in den Kalk hinab fortsetzt. 

Studer hatte seine Excursionen am Mettenberg im Jahr 1836 mit Escher 
iös&mmen ausgeführt und seither nicht wiede rholt. Ein Blick auf Escher's Abbildung 
(Denkschriften 1839) zeigt eine ^ziemlich vollständige Uebereinstimmung mit der 
meinigen. Auch ihm ist die Stelle, welche wir in unserer Fig. 3b dargestellt 
haben (Taf. IX) nicht entgangen. Noch klarer sind Escher's erklärende Worte 



134 Urbachsattel und Gstellihorn. 

(S. 7): „Das Feldspathgestein ist ein unregelmässiger flasriger Gneiss, dessen 
Schieferungsflächen, so viel sich beobachten lässt, ebenfalls der Grenze parallel 
laufen; die Grenze selbst ist scharf, und es findet kein Verfliesscn des Gneisses in 
den Kalkstein statt." Noch bestimmter und vollständig mit meinen Beobachtungen 
übereinstimmend äussert sich Escher S, 8: „lieber dieser Kalkfolge geht der 
Quarzit nach und nach i n wah ren granitischen Gneiss über, der in der Nähe des 
Kalks noch horizontale Ablösungen zeigt, in grösserer Höhe aber steil S fallende 
Absonderungen annimmt, die, weiter südlich und in den oberen Gipfeln in das all- 
gemein herrschende steil südliche Fallen übergehen, a Beide Forscher haben 1836 
zusammen das Gleiche beobachtet, schon wenige Jahre nachher aber berichten sie 
das gerade Gegentheil von der Structur des überlagernden Gneisses. Escher hat 
die gemeinschaftlichen Beobachtungen in seinen Reisenotizen und 1839 in den 
Denkschriften in seiner objectiven Weise niedergelegt, seither aber geschwiegen. 
Studer hat sie durch Theorien getrübt^ in verschiedenen Jahren wieder verwendet 
und dabei die Beobachtung in der Erinnerung verändert. 

Die beabsichtigte Ersteigung des Gstellihornes *) am Urbachsattel wurde 
zwar durch Nebel und hernach anhaltenden Regen vereitelt, nachdem wir bis auf 
die Fläschalp gekommen waren; doch ist es vorher möglich gewesen, von dem 
gegenüberliegenden Gehänge des Urbachthales eine Skizze zu entwerfen (Taf. IX 
Fig. 4) und bei der günstigen Morgenbeleuchtung die Lage der Gneissstructur zu 
erkennen. Auch hier sind die Vorstellungen, welche man aus der Studer'schen 
Zeichnung (Taf. IX Fig. 1) gewinnt, keine richtigen, weil in dem Bilde zu viel 
schematisirt ist. Die unten steilen Gneisstafeln biegen hier über dem „Kalkkeil" 
gegen Norden von 55° bis zu 20° Südfall um (letzteres nahe am Urbachsattel 
selbst). Wie die Schieferung innerhalb der Gneisskeile liegt, konnten wir nicht 
erkennen ; an einer einzigen Stelle, wo sie sichtbar war, schien sie dem Sedimente 
•parallel nahezu horizontal zu sein. Auf dem Gipfel des Gstellihornes aber war die 
Stratification des Gneisses sehr deutlich. Sie liegt dem Kalke parallel nicht nur 
horizontal, sondern sogar etwas nach Nord einfallend. Zwischen dem hellgrauen 
Hochgebirgskalk und dem Gneiss sind die Eisenoolithe schon von weitem über dem 
Hochgebirgskalk erkenntlich. Escher hatte auch „ Zwischenbildungen a am Urbach- 
sattel unter dem obern Hochgebirgskalk gefunden. 



l ) Auf der Dufourkarte sind die Namen Gstellihorn und Engelhorn verwechselt 



Urbachsattel und Gstellihorn. 135 

In den Reisemanuscripten, die sich in Escher's Nachlasse finden, ist die 
Beschreibung seiner Reise mit Studer an den Urbachsattel im Jahr 1836 enthalten. 
Studer war, wie er mir das auch selbst mittheilte, nie auf dem Gipfel des Gstelli- 
hornes, er suchte unten Petrefacten, während Escher den steilen Gipfel mit seinem 
Träger und einem Aelpler erklomm. Damals merkten die beiden Forscher fast nur 
auf das Ineinandergreifen von Kalk und Gneiss, während sie der Lage der Gneiss- 
structur am Contacte fast keine Beachtung schenkten, wie aus der Escher'schen Be- 
schreibung, die gleich nachher niedergeschrieben wurde, klar hervorgeht. Da die 
Studer'sche Theorie erst zwischen 1836 und 1839 entstand und also damals noch 
nicht existirte, war die Aufmerksamkeit noch nicht auf diesen Punkt concentrirt. 
Escher erzählt in dem Bericht von 1836, dass er oben auf dem Hochgebirgskalk 
die Zwischenbildungen mit zahlreichen Petrefacten (Eisenoolith, Echinodermenbreccie 
und Röthikalk) und darüber den Gneiss fand, dass er also eine vollständige um- 
gekehrte Lagerung, eine Umbiegung der Schichten nach Nord erkannte; aber er 
erwähnt nichts von der Lage der Gneissstructur auf dem Gipfel und setzte dann, 
wie an der Schrift zu erkennen ist, in viel späterer Zeit mit Bleistift die Rand- 
bemerkung hinzu : „Aber die Hauptsache, die Lage der Gneissstructur, nicht notirt!" 
Auch in den Denkschriften 1839, wo er den Gneiss als verwitterten quarzitartigen 
Gneiss bezeichnet, findet sich kein Wort über die Stellung seiner Tafeln. Escher's 
Skizzen und Beschreibungen stimmen genau mit dem was ich gesehen habe, überein. 
Sie zeigen nur am Urbachsattelgrat selbst und in der Tiefe des Urbachthales dis- 
cordante Lagerung von Gneiss und Kalkformationen, lassen aber an mehreren Bie- 
gungslinien erkennen, dass Escher das „keilförmige Ineinandergreifen" von Gneiss 
und Kalk eher wie eine Faltung paralleler Formationen, als wie eine den Eruptiv- 
gängen verwandte Erscheinung betrachtete. Escher erwähnt endlich noch ausdrück- 
lich den Parallelismus von Gneiss und Kalk: „Unterhalb der Laucherlialp , bei 
einer unmittelbar aus dem Fels sprudelnden Quelle zeigte sich auch der sehr steilen 
Schichtung der Gneissgesteine parallel eine schmale Kalkschicht beiderseits von 
Thonschiefer und Glimmerschiefer begleitet zwischen dem Gneiss. u Ferner: „Von 
den obersten Hütten nun sieht man aufs Schönste die mehrfachen gegenseitigen 
Einkeilungen zwischen Kalk und Gneissgesteinen in horizontalen Lagen, wobei 
die Grenze von Gneiss und Kalk oft haarscharf ist." 

In den Denkschriften 1839 S. 10 sagt Escher: „Das Gestein dieser Keile 
ist un^nej^Granitj oft durch schiefrige Textur dem Gneisse sich annähernd, oft 



136 Die Verhältnisse im Berner Oberland. 

durch Abnahme des Feldspathes in Quarzit übergehend." Vom Gneiss am Laub- 
stock lesen wir: „in der Nähe der Hütten der oberen Laubalp liegt das Gestein 
beinahe horizontal der oberen Grenze des Kalksteins parallel." Von den Wänden 
der Jungfrau sagt Escher S. 4 : „In der Höhe zeigt sich an den Abhängen des 
Roththaies unzweifelhaft eine Umbiegung und Auflagerung der Gneissmasse 
auf den Kalkstein." 

Beobachtungen, aus welchen wichtige theoretische Schlüsse gezogen und fest- 
gehalten werden, sollten zehnfach controllirt werden, und man sollte sich davor 
hüten, eigenen alten Erinnerungen allzuviel zu trauen. Seit 1836 haben zwar ein 
oder zwei Geologen im Vorbeigehen die Ueberlagerung des Gneisses auf dem Kalke 
bestätigt, aber Niemand hat die Beobachtungen über die Lage der Gneissstructur 
wiederholt oder vervollständigt. Und doch lassen die Studer'schen Darstellungen 
im Bild an Vollständigkeit nichts zu wünschen übrig — was anders als allein die 
Theorie ist in die Lücken getreten, und aus dem so vervollständigten Bilde will 
man wieder rückwärts die Theorie gewinnen. 

Escher wendet sich schliesslich noch unmittelbar gegen die Studer'schen 
Schlüsse mit den Worten: „Gegen ein Lava -artiges Ueberfliessen der schiefrigen 
Feldspathgesteine nach der Bildung des Sedimentgebirges sprechen aber die allmäligen 
Uebergänge des Gneisses in Quarzit und Glimmerschiefer in der Nähe der Grenze, 
und die der Scheid ungslinie parallelen in Gneiss eingeschlossenen Lagen von Sediment- 
gesteinen, welche sich noch in ihrer natürlichen Lage befinden. In noch höherem 
Grade sind aber wohl dieser Ansicht die Schieferungsflächen des Gneisses ungün- 
stig, indem diese, zufolge ihrer Wechsellagerung mit Petrefacten fuhrenden Sedi- 
mentbildungen und Conglomeraten kaum für etwas anderes als für wahre Schich- 
tungsflächen anzusehen sein dürften." 

Auch auf dem Piz Dartjes am Kistenpass, ferner auf dem Crap Surschein, 
dem Hausstock, dem Vorab etc. sind die nach Nord übergelegten Sedimente mit 
einem Gesteine bedeckt, welches stellenweise besser krystallinisch ausgebildet ist 
als der Gneiss des Mettenberges. Die Lagerung der halbkrystallinischen und krystai- 
linischen Silicatgesteine ist wie am Mettenberg und Gstellihorn, dem Sedimente 
parallel, und es lässt sich hier leicht erkennen, dass die Sedimente und das 
krystallinische Gestein durch dieselbe liegende Falte in ihre jetzige Lage gebracht 
worden sind. 

Gewiss ist es nothwendig, die Verhältnisse im Berner Oberland noch weiter 



Untersuchungen von Baltzer. 137 

zu verfolgen. Meine Beobachtungen am Mettenberg und Urbachthal müssen weiter 
ausgedehnt und mit mehr Zeit sorgfaltig wiederholt, vielleicht auch im einen oder an- 
dern Punkte berichtigt werden, ferner konnte ich selbst damals meine Unter- 
suchungen nicht in's Roththal ausdehnen. Baltzer hat diese eingehende Untersuchung 
an Hand genommen. 1 ) Aliein ich halte mich durch die von Escher und von mir 
gemachten Beobachtungen für vollständig berechtigt, die Studer'scke Beweisführung 
für das jutige Alter der hrystallinischen Silicatgesteine der Centralmassive der Alpen 
zurückzuweisen /— um so mehr, als Studer selbst immer versichert, dass an allen 
diesen Stellen diese Verhältnisse „in ganz gleicher Weise sich wiederholen." 



C. Die innere Structur der Centralmassive. 

Gewiss bleibt im Ganzen die Gleichmässigkeit im Streichen und Fallen der 
krystallinischen Schiefer in überraschendem Gegensatz zu den vielfach wechselnden 
Stellungen der Sedimentschichten. Allein eine genaue Beobachtung zeigt einerseits, 



*) Noch bevor ich die obigen Seiten zur Correctur erhielt, erschien im Neuen Jahrbnch für Min., 
Geol. und Pal. 1878 ein Bericht von Baltzer über die Resultate seiner Untersuchungen. Eine grössere Arbeit ist 
noch zu ertfarten. 

Baltzer findet: „Das Eindringen des Gneisses findet immer parallel der Schichtung des Kalkes statt," 
isolirte Kalkfetzen im Gneiss sind immer die abgequetschte Fortsetzung der grösseren Kalkkeile, oder liegen 
denselben parallel. Die kleineren wie die grösseren Kalkkeile endigen stets in Gestalt von Umbiegnngen. Der 
Kalk zeigt jsuweilen das Bestreben, sich dem Gneiss anzupassen, die Schieferung des Gneisses springt oft auf den 
Vermcano und Quarzit, zuweilen sogar auf den Kalk über. Die Verflach ung des Gneisses scheint mit Vorliebe in 
den Gegenden, wo mächtige Kalkmassen über dem Gneiss lagern, aufzutreten, ferner an den durch Ueberschie- 
bnng entstandenen Gneissmassen, wie an den höchsten Graten. Manchmal sind die Schichtenköpfe des Gneiss 
am Contact umgebogen oder auch verbogen, so dass sich die Discordanz stark vermindert. Mechanische 
Vorgange haben den Gneiss oft „sehr zerrüttet;" sogenannte Contactmetamorphosen fehlen. Wenn Baltzer meint, 
dass ich behaupte, der Gneiss biege sich in der Kegel dem Kalke parallel, so hat er mich nicht genau ver- 
standen, oder ich habe mich nicht genau ausgedrückt. Die von mir in der Vierteljahrsschrift der zürcherischen 
naturf. Ges. 1871 gegebene Zeichnung über die Gneissumbieguog bei Vättis zeigt deutlich, dass ich in Ueber- 
einstimmnng mit Baltzer nur ein Anschmiegen durch Umbiegen des Gneisses beobachtete, welches die Discor- 
danz stark vermindert, aber kein solches, welches sie auf weite Strecken vollständig aufheben würde. Ver- 
glichen ferner unsere Figuren Taf. IX. 

Wesentlich ist, dass die simmtlichen von Baltzer beobachteten Erscheinungen durchaus nicht 
einem eruptiven Auftreten des Gneisses entsprechen, sondern einem mechanischen Inein- 
anderkneten und Verschieben unter hoher Belastung. Sie sind alle in vollkommener Ueber- 
einstimmung mit unserer Anschauung über die Entstehung der Centralmassive. Auch das häufige 
Granitischwerden des überlagernden Gneisses lässt sich vortrefflich durch Stauung, und die steile Schieferung 
darin, die selbst in die Sedimente fortsetzt, als Clivage in normaler Ülivagerichtung erklären. 

*~ 18 



138 Schwankungen im Streichen und Fallen der Centralmassivgesteino. 

dass die Gleichförmigkeit weniger ausnahmslos ist, als man gewöhnlich annimmt, 
und dass die Kluft in der Lagerung der krystallinischen Gesteine und Sedimente 
eine blos quantitative ist. Andererseits wird uns die vorhandene Gleichförmigkeit 
mechanisch begreiflich gemacht (vergl. G). 

Wenn wir uns über irgend ein Kapitel der Geognosie der Schweizeralpen 
orientiren wollen, so schlagen wir erfahrungsgemäss am besten Studer's Geologie 
der Schweiz auf. Im ersten Band (1851) finden wir eine Beschreibung der Cen- 
tralmassive, und darin zerstreut eine Menge Angaben über Streichen und Fallen 
ihrer Gesteine. Das Streichen der Centralmassive und ihrer Schiefer ist im Allge- 
meinen in den Centralalpen W S W— ONO. Das Fallen ist zwischen 50° und 90°. 
Aus sehr zahlreichen Angaben greife ich nur einige heraus, welche uns zeigen, 
wie reich an Ausnahmen diese „Einförmigkeit" in der Schieferungslage ist. Es 
heisst dort: ^ 

S. 214: „Die Streichungslinien bei Ferpecle und in V. Tournanche (Wallis) 
schneiden sich beinahe rechtwinklig." 

S. 215: „Die Hauptmasse des Matterhorns zeigt hellgraue Felsabstürze, 
deren Straten mit ungefähr 45° nach SW (statt SSO) fallen." 1 ) 

Nach S. 217 findet man im Hintergrund des Val Anniviers nahe am Zinal- 
gletscher „vollkommen grüne Talkgneisse mit grossen Feldspathkrystallen und gla- 
sigen Quarzkörnern constant mit anderen Massen grüner und grauer Schiefer" mit 
blos etwa 15° nach Süd Fallen. 

S. 220: „Im Zinalgrunde und im Hintergrunde des Turtmannthaies herrscht 
Südfallen. Am Eingang des Nikolaithales dreht sich dasselbe um nach S 50° W 
bis W; am Eingang nach Saas herrscht wieder ein steiles Fallen nach S30°O, 
das jedoch auf dem Simpion in S40°W zurückfallt." 

S. 228: „Von Domo d'Ossola bis gegen den Langensee hin ist an der 
vertikalen Schieferung des Gneisses nicht zu zweifeln, aber höher im Thale erkennt 
man mit nicht geringerer Bestimmtheit eine wenig geneigte, bis ganz horizontale 
Stratification, die nicht nur durch Klüfte, sondern durch die parallele Lage der 
Glimmerblättchen und Quarzbänder bezeichnet wird. Im Val Formazza ist die 
weithin fortsetzende horizontale oder schwach N fallende Absonderung offenbar 



1 ) Am Westabhang des Matterhornes beobachtet man mehrere sehr schöne Faltungen, die ganz wie 
die Falten der Sedimentgesteine aussehen. 



Beispiele. 139 

Schieferung, und nicht eine abnorme Zerklüftung. Erst gegen den Tosafall hin, 
wo man das Gebiet der Centralmasse des Wallis betritt, sind die Straten wieder 
steiler geneigt.* 1 Und weiter: 

S. 229: „ Derselbe Gegensatz der Stratification : vertikale Stellung am 
unteren Ausgang der Thäler (im Gebiete von Tessin), verworrene oder granitische 
Structur im mittleren, sanfter geneigte oder horizontale Lage im hinteren Theile, 
wiederholt sich beinahe in der ganzen Erstreckung dieser Gruppe . . , u 

Besonders lehrreich für die gegenseitige Abhängigkeit in der Streichrichtung 
von Sedimenten und kristallinischen Schiefern sind Angaben, welche sich auf 
S. 234 finden: 

„Das auffallende meridiane Streichen der Stratification, beinahe senkrecht 
auf das Streichen des Alpenzuges lässt sich durch Mesocco, S. Giacomo, Avers bis 
nach öberengadin verfolgen. Es ist diese Structur ferner nicht etwa nur als eine 
Schieferung der krystallirtischen Gesteine aufzufassen, ähnlicher Art wie die ange- 
führte vertikale und horizontale Absonderung des Gneisses. Die ein- und aufge- 
lagerten Massen von Hornblendeschiefer, Kalkstein, Dolomit, grauem und grünem 
Schiefer folgen ihr eben so allgemein wie die krystallinischen Schiefer. Sie beherrscht 
das ganze Gebirge von der hinteren Val Maggia bis nach Maloja in einer Aus- 
dehnung von 16 Meilen in die Länge, und von Chiavenna bis Vals auf etwa 
7 Meilen in die Breite. Es lässt sich wohl annehmen, dass die Aufrichtung" (hier 
denkt also Studer nicht an Erstarrungsstructur, warum ist nicht zu ersehen) „der 
Straten im Sinne des Meridianes die Entstehung der zahlreichen meridianen Ketten 
und Thäler dieser Gegenden wenn nicht hervorgerufen, doch begünstigt habe." 

S. 244: „Die Fallrichtung im ganzen Umfange der Adulagruppe ist gegen 
NO, vorherrschend N25°0, aber auch wohl direct 0. u (Aus dem Adulage- 
birge erwähnt Gümbel in seinem Alpengebirge S. 139, „ schwebende u Schichten.) 

S. 235: „Das Fallen der Gneissstraten in der ganzen Gruppe des Monte- 
Rosa ist schwach nach W, auf M. Moro mit etwa 30° nach N65°W, auf 
M. Turlo nach S45°W. Auf der Mittagseite herrscht schwaches Südfallen, 
auf dem Kamm des Matterjoches liegen die Straten nahezu horizontal. Auf der 
Nordseite des Gebirges zeigt die ganze Gruppe der Strahlhörner bis an den Täsch- 
grat N- Fallen. Der Gneiss bildet offenbar die tiefste sichtbare Grundlage, über 
ihm liegt im Hauptstock selbst und bis an die obersten Gipfel Glimmerschiefer, in 
der mantelförmigen Umgebung aber herrscht grüner Schiefer, Cipoliin und Serpentin. 



140 Schwankungen im Streichen und Fallen der Centralmassivgeßteine. 

Diese letzteren Gesteine, obgleich ihre Kämme und Gipfel mehrere Tausend Fuss 
unter den Gipfeln des centralen Stockes liegen, setzen nicht in diesen hinein. u 
Schlagintweit hatte ebenfalls beobachtet, 1 ) dass am Fusse des Monte -Rosa die 
Schichten mit 30 bis 35° vom Stocke abfallen, und oben nur noch 15 bis 20° Fall 
zeigen. Er spricht klar aus, dass der „Hauptcharakter sich hier einem ge- 
wölbeartigen Gebirgsbaue zuneige; 44 Studer sagt hievon nichts, obschon seine 
Angaben und Beobachtungen ebenfalls in hohem Grade für Gewölbebau bezeich- 
nend sind. 

Im Sommer 1877 hatte ich Veranlassung zusammen mit den Herren Lory 
und Renevier den Bau des Monte Leone am Simplon genau zu studiren. Auf der 
Nordseite von Brieg bis in die Nähe von BSrisal findet sich eine tiefe Mulde von, 
den Bündtnerschiefern ähnlichen, glimmerigen Kalkthonschiefern. Südlich tauchen 
senkrecht wie diese Gypsdolomit, dann Glimmerschiefer und Gneisse auf. Je weiter 
man in's Innere des Gebirges vorrückt, um so mehr biegen sich die seitlich steilen 
Lager zum breiten flachen Gewölbe um. Am Furkenbaumhorn, am Schönhorn, 
Breithorn und Monte Leone fallen die gleichen Gneisse, die in der Kaltwasser- 
schlucht steil stehen, nur noch 5 bis 15° gegen Norden ab. Auf der Strasse von 
Simplon bis Isella befindet man sich auf dem Rücken des Gewölbes, hier liegen 
die krystallinischen Schiefer ganz flach, erst etwas nördlich, bald mehr südlich ab- 
dachend. Ausserdem ist noch eine Abdachung gegen Westen bemerkbar, indem 
in dieser Richtung das Massiv endigend untertaucht. Vom Nordrande, wo die 
Gneiss-Schichten senkrecht aufsteigen, bis zum Gewölbescheitel messen wir etwa 
12 Kilometer, was der halben Breite des schönen Gewölbes entsprechen würde. 
Weiter südlich im Doveriathal gegen Crevola fallen die Gesteinsvarietäten des Nord- 
fallgebietes im Allgemeinen in ganz symmetrischer Reihenfolge nun südlich immer 
steiler ein. Man kann sich kaum ein schöneres, regelmässiger gebautes Gewölbe 
vorstellen, als dasjenige, welches im Simplongebiete die krystallinischen Schiefer 
bilden. Nach Lory ist diese breite Gewölbestructur bei der südlicheren Reihe der 
Centralmassive die Regel. 2 ) 

Wir bekommen ferner eine recht deutliche Vorstellung von den fortwähren- 
den bedeutenden Schwankungen in der Streich- und Fallrichtung der krystallinischen 
Gesteine beim gleichen Centralmassive auf kleinem Räume wenn wir z. B. auf der 



') Nene Untersuchungen in den Alpen S. 161. 

*) Verglichen £. Renevier, Bull. Soc. vaudoise d. sc. nat. Mars 1878. 



Gotthardma88iv. 141 

Gotthardkarte von Prof. Dr. v. Fritsch und auf den zugehörenden Profilen die ein- 
getragenen Streich- und Fallzeichen durchgehen. 

Dr. Stapff, der Ingenieur-Geologe der Gotthardbahngesellschaft, ' macht darauf 
aufmerksam, dass oft die Structur mit regelmässigen Absonderungsklüften ver- 
wechselt worden ist. Manchmal, wie z. B. bei der Teufelsbrücke, fallen beide fast 
zusammen, manchmal, wie am Monte Piottino zwischen Faido und Prato schneiden 
sich beide unter steilem Winkel. Oder der Gneiss hat sogar zwei Structurrich- 
tungcn, die sich selbst schneiden und von denen die eine den nahen Sedimenten 
parallel liegt. Nach StapfF kann man nahe bei Faido die schönsten Gneissmulden 
mit parallel eingelagerten Sedimenten sehen und unterhalb Prato (Tessin) ein herr- 
liches Gneissgewölbe, dessen Scheitel in der Streichrichtung gegen Westen in eine 
antiklinale Bruchlinie übergeht. 

Im Gotthardtunnel, etwa 1 Kilometer vom Südausgang, habe ich selbst eine 
schöne muldenförmige Biegung im Amphibolgneisse des Centralmassives beobachtet. 
Streichen und Fallen schwankt im Tunnel oft. Dabei wiederholen sich genau 
gleiche Lagen, und das Fallen wird nicht selten so flach wie am Grunde einer 
Falte, während Verbiegungen der Structur deutlich sind. StapfF ist in Folge solcher 
Beobachtungen geneigt, das Gotthardmassiv als ein „aus mehreren Falten zusam- 
mengequetschtes Schichtensystem tt aufzufassen. 1 ) Vergleicht man das Fallen der 
Schiefer an der Oberfläche des Gotthardgebirges mit demjenigen der gleichen Ge- 
steinsplattengruppen im Tunnel, so kann man zwischen beiden Zahlenreihen auf der 
Nordseite, wo die Tiefe des Tunnels unter der Oberfläche noch keine so bedeutende 
ist, keinen durchgreifenden Unterschied mit Sicherheit wahrnehmen. Auf der Süd- 
seite hingegen, wo die Tiefe der Tunnelaxe unter der Oberfläche viel bedeutender 
ist, steht die Structur der Glimmerschiefer, Gneisse und Amphibolite im Tunnel 
durchschnittlich 10 bis 20° steiler, als wo dieselben zu Tage treten. Es stimmt 
dies mit unserer Auffassung der Centralmassive vollständig überein. In einer ge- 
wissen Tiefe, welche offenbar noch weit unter dem Tunnel zu suchen ist, müssen 
sich die Platten mehr und mehr parallel und nahezu senkrecht stellen, um in noßh 
grösserer Tiqfe als umgekehrter Fächer nach unten wieder auseinander zu gehen. 

In den Arbeiten von Favre, Lory und Escher sind viele Beobachtungen 
und Reflexionen aufgezeichnet, welche die Auffassung der Centralmassive als Ge- 

') Zum Theil nach mündlicher Mittheilung, zum Theil „Verhandlungen der Schweiz, naturf. Ges. in 
Andermatt 1875" und Monatsberichte der Gotthardbahndirection. 



142 Verschiedener Bau der Centralmassive. 

wölbe als eine sehr wahrscheinlich der Wahrheit entsprechende hinstellen» Andere 
Forscher sind zur gleichen Anschauung gelangt. Wir lesen z. B. bei Gümbel 
(Alpengebirge S. 134, 140, 141 und 142) Folgendes: 

„Die höchst merkwürdige Fächerstructur der Centralmassive ist nicht gerade 
selten auch durch eine einfach sattelförmige beiderseits von der Centralachse recht- 
sinnig abfallende, gewölbeförmige und wellige Schichtenstellung vertreten." Das 
Gleiche bestätigen v. Hauer und andere Geologen der Ostalpen. 1 ) Als Beispiel 
nennen sie das gewaltigste Centralmassiv der Ostalpen, die Tauernkette. Beider- 
seits fallen die Sedimente den Gneissen und halbkrystallinischen Schiefern parallel 
dachförmig vom Centralmassive ab (Taf. IX Fig. 16). Gümbel fahrt am genannten 
Orte weiter fort: „Im grossen Ganzen ist der Schichtenbau gewölbeartig, bald 
sind die Gipfelpunkte aus flachen Lagen, bald aus steilen gebildet, oder es ent- 
stehen mit mannigfach von dem Centrum auslaufenden Schichtenwellen gegen den 
Rand verlaufend in dem breiten Gebiete der beiderseitigen Abdachungen alle jene 
wechselnden Schichtenstellungen, welche bis in die äussersten jüngsten Gebilde des 
Randes wahrgenommen werden. Im Ganzen herrscht östlich, wo die Alpen in die 
Ebene tauchen, der Charakter einer wellig-gewölbartigen Schichtenstellung mit 
seltenen Uebergängen in die Fächerstructur vor; anstatt Centralellipsoiden treten 
mehr rückenartig fortlaufende Längsmassen hervor." Nach Gümbel fallen in der 
Regel bei dachförmiger Structur der Centralmassive auch die jüngeren Gesteine von 
denselben ab, bei fächerförmiger hingegen fallen die jüngeren gegen das Central- 
massiv der Structur desselben parallel zu — im ersteren Falle haben 6ich die 
Falten der jüngeren Gesteine einwärts gegen das Centralmassiv, im letzteren aus- 
wärts übergelegt. Es spricht dies in hohem Maasse dafür, dass die gleichen Ursachen 
die jetzige Lagerung sowohl bei den Gesteinen der Centralmassive als bei den 
viel jüngeren Sedimentgesteinen erzeugte. (Vergl. Taf. IX Fig. 15 und 16.) 

Durchgehen wir die Theobald'schen Profile aus den Bündtnerbergen , so 
finden wir zahlreiche Stellen, die zeigen, wie der Gneiss, die Hornblendeschiefer 
und Glimmerschiefer ausgesprochene Falten und Mulden ganz so wie die Sedimente 
bilden, in welchen, der Structur dieser krystallinischen Gesteine vollkommen parallel, 
Sediraentmulden eingelagert sind. Unabweisbar drängt sich die Ueberzeugung 
auf, dass auch die breiteren Gneissreviere als Gneissfaltungen angesehen werden 
müssen, indem wo Sedimente an dieselben grenzen, dies in ganz gleicher Weise 

') Verglichen auch Credner, Jahrb. d. Min. 1850, S. 513—574, und Zirkel, Petrographie 1866, II. 455. 



Zusammenfassung. 143 

geschieht. 1 ) Escher beobachtete 1844 am Valserberg ein Profil (Reisemanuscripte), 
wo auf kaum 10° geneigten Gneisslagen vollkommen parallel Glimmerschiefer, dann 
Hornblendeschiefer, Thonschiefer, Rauchwacke und die Kalkformationen folgen. 

Aus den citirten und vielen andern Beobachtungen einer grossen Zahl von 
Geologen ergiebt sich, dass die Fächerstructur nicht ein gemeinsames Merkmal der 
Centralmassive ist. Selbst bei ein und demselben Centralmassive kann sie auf ge- 
wissen Strecken vorhanden sein, auf anderen nur auf einer Seite ausgebildet sein 
(Profil IX) oder auch ganz fehlen. Wo sie fehlt, da findet man entweder die 
senkrechten Schichten in den centralen Theilen des Massivs (Tauernkette der Ost- 
alpen) und die nördlichen nach Nord, die südlichen nach Süden dachförmig ab- 
fallend (Taf. IX Fig. 16); oder wir sehen am Rande die steileren Schichten vom 
Centrum dachförmig abfallen, in den höchsten Theilen des Centrums hingegen ge- 
ringere Böschungen, oft sogar eine vollkommen flache Umbiegung (Monte Rosa, 
Tessineralpen , Simplon, Taf. IX Fig. 14). In diesen beiden Fällen entspricht die 
Structuranordnung einem mächtigen, durch Erosion theil weise zerstörten Gewölbe. 
Bei dem ersteren ist der Erosionsabtrag weiter gegangen als beim letzteren, indem 
die flacheren Theile auf dem Rücken der Wölbung weggenommen sind, dafür aber 
die steilen Schichten im tiefen Kern des Gewölbes sichtbar werden. 

Wir haben also folgende Formen der Centralmassive: 

1) Erhaltene Gewölbebiegung, z. B. Monte Rosa und Simplon, 

2) Dachstructur, z. B. Tauern, 

3) Parallelstructur, z. B. Aiguilles rouges, Finsteraar zum Theil, 

4) Fächerstructur, z. B. Gotthard, Finsteraar zum Theil, Mont Blanc. 
Von 1 bis 4 hat die Denudation zugenommen. 

Immer, ob die Centrallinie des Massives geometrisch einer Synklinale oder 
einer Antiklinale entspreche (Fächer oder Dach), finden wir die am vollkommensten 
krystallinisch ausgebildeten Gesteine, besonders ächter Gneiss und auch granitische 
Gesteine, im Centrum des Centralmassives oder im tiefen inneren Kern und steil 
zu beiden Seiten oder flach auf den Gipfeln folgen die unvollkommen ausgebil- 
deten Gneisse, Amphityolgneisse, die Glimmerschiefer, Talkschiefer, Chloritschiefer, 
Kalkglimmerschiefer, Casannaschiefer, grüne und graue Schiefer mit krystallinischen 



l ) Vergleiche z. B. Jahresbericht der naturf. Ges. Graubündten, neue Folge XI. Jahrgang, Profil 
durch das Disgraziagebirge, ferner „Beiträge" II. Lieferung Taf. I. Rothhorn bei Parpan, ferner Taf. II und 
folgende. 



144 Die Centralmassive als Gewölbe. 

Kalklagen und wie sie sonst noch benannt worden sind, endlich die Kalkthon- 
schiefer und übrigen Sedimente. An und für sich ist schon die Anordnung einer 
Gebirgsmasse, bei welcher die aufliegenden Glieder der Reihe nach symmetrisch 
auf beiden Seiten nach Aussen folgen fiir Gewölbebau im grossen Ganzen be- 
zeichnend. ! ) 

Man möchte verleitet sein, auf den ersten flüchtigen Blick bei Fächerstruc- 
tur die Centralmassive als Mulden in den altern Sedimenten aufzufassen. Allein 
die nach sicheren Horizonten bestimmten Sedimente selbst, welche am Rande unter 
den Fächer einfallen, liegen in verkehrter Reihenfolge, so dass das überlagernde 
krystallinische Silicatgestein geologisch als die ältere Grundlage der Sedimente er- 
scheint. Die Sedimente fallen auf beiden Seiten eines Längsthaies, das zwischen 
zwei Fächermassiven liegt (wie Chamounix, Urserenthal, Bedretto) gegen die Berg- 
masse ein, und doch stehen die jüngeren Gebilde in der Mitte, während die älteren 
zu beiden Seiten die Ueberlagerung bilden. Das Thal ist also kein aufgebrochenes 
Gewölbe, sondern eine Sedimentmulde, welche oben enger zusammengequetscht ist 
als unten. Wie A. Favre bemerkt, ist der Fächer der Centralmassivgesteine durch- 
aus nicht merkwürdiger als der erwiesene umgekehrte, davon abhängende Fächer, 
den zwischen den Centralmassiven die Sedimente bilden. 2 ) 

Fassen wir also die Centralmassive als die Gewölbe eines grossen Falten- 
systemes auf, so bestehen für uns zwischen den verschiedenen Massiven nur noch 
quantitative Unterschiede : 

Wo die Gebirgsketten sich dicht drängen, war die Faltung der Erdkruste 
eine sehr starke. Im Querprofile wurden die Wendepunkte der Schichtenkrümmung 
zwischen Gewölbe und Mulde in Distanzen zusammengepresst, welche kleiner wurden 
als der Durchmesser des Gewölbe- und des Muldenbogens. Die oberen Schichten 
des Gewölbes wurden durch Verwitterung zerstört (vielleicht auch durch Spannung 
bei der Faltung zerrissen), und es entstand der Fächer als obere Ausbreitung der 
unten zusammengepressten Schichten. Wo die sich bildenden Falten der krystal- 
linischen Gesteine nicht so stark zusammengeschoben wurden, drängten sich die 



') Verglichen Studer, ferner Gümbel, Bair. Alpen S. 141. Ceber die Erklärung von scheinbaren 
Ausnahmen verglichen Capitel G dieses Abschnittes. 

*) Vergleiche A. Favre Recherches geologiques dans la Savoie etc. Bd. III. Auf S. 123 und fol- 
genden findet sich eine vollständige Geschichte der Erkenntniss der Fächerstructur and der Ueberkippung der 
Sedimente am Bande der Fächer. Auf S. 133 und folgenden bespricht Favre alle bis damals (1867) aufge- 
stellten Erklärungsversuche für die Fächerstructur. 



Zonenförmige Anordnung der Gesteine. 145 

Ketten weniger dicht, es kam nicht zur Ausbildung eines Fächers, die einfache 
Gewölbestructur blieb vorherrschend, und auf der Höhe sind die flacheren Lagen 
bald noch vorhanden, bald erodirt. 

Nach den Profilen von Sharpe sind im nördlichen Schottland gewöhnlich 
die oberen gewölbeformigen ümbiegungen des Gneiss und der übrigen krystallinischen 
Schiefer noch erhalten, so dass dort derjenige Fall die Regel ist, der in den Alpen 
leider zu den seltenen Ausnahmen gehört. Dort ist es sehr klar, dass das Gebirge 
aus einer Schaar oft über 3 Stunden breiter Falten der krystallinischen Schiefer 
besteht. 

Schon wiederholt ist der Gedanke ausgesprochen worden, dass der Fächer 
aus der vertikalen Schichtenstellung nur durch ein Auseinandersinken der Platten 
gegen die offenen Thäler hin entstanden sei; allein der Fächer ist auch da aus- 
gebildet, wo ihn Sedimente fast vollständig bedecken und ihn keine Thäler begleiten, 
wie z. B. unter dem Tödi (Profil IX, X und XI). 

Es ist eine sehr auffallende Erscheinung der Centralmassive , dass alle Ge- 
steinsvarietäten, selbst die ganz massigen, doch in langgestreckten Zonen erscheinen. 
Bestimmte petrographische Charaktere erhalten sich bei ganz geringer Mächtigkeit 
oft auf grosse Erstreckung in der Streichrichtung unverändert, und ebenso bleiben 
sie oft von hohen Gipfeln bis in die tiefsten Thäler constant. (Beispiele hierüber 
in unserm I. Theil Abschnitt I S. 18 bis 34.) Wenn wir uns die Centralmassive mit 
Studer als erstarrtes Magma denken wollten, so möchte schon für die ausgesprochene 
Längsausdehnung der Gesteinsarten die Erklärung auf unüberwindliche Schwierig- 
keiten stossen, wie Studer dies selbst einigermassen zugiebt. Desgleichen, wenn 
man die ganze Structur der Centralmassive nur als Clivage auffassen wollte. Sind 
aber die Centralmassive Falten oder Faltensysteme, so ergiebt sich daraus mit 
Notwendigkeit eine solche Längsstructur. Das Bild, welches die geologische Karte 
eines Centralmassives bietet, entspricht in dieser Beziehung dem längsgestreiften 
Bilde einer geologischen Karte des Jura; nur sind die Beziehungen von Faltenbau 
und Urographie bei den Centralmassiven verwischt, theils weil die Falten enger zu- 
sammengepresst sind, theils weil die Erosion weiter vorgeschritten ist. Die auf 
weite Erstreckung in der vertikalen und der Streichrichtung sich gleich bleibenden 
krystallinischen und halbkrystallinischen Gesteinsplatten erscheinen dann als die auf- 
gerissenen, früher mehr flachen, vielleicht ganz horizontal ausgebreiteten Schichten 
der Erdrinde, die theils Erstarrungsschalen der Erde, theils deckenförmig ausge- 

19 



146 Die Centxalmassivgesteine am Gontact mit den Sedimenten. 

breitete Eruptivmassen sind, oder sich vielleicht theils „metamorphisch," theils 
sedimentär gebildet haben. Wie weit wir Metamorphiker sind oder nicht, ist auch 
hier glücklicherweise wiederum nicht von Einfluss auf unsere Anschauungsweise. 
So wie so können die Gesteine schon vor der Centralmassivfaltenbildung als 
horizontale Lager vorhanden gewesen sein. 

Es ist unmöglich, die gesammte Structur der Centralmassive als nachträg- 
lich mechanisch entstandenes Clivage aufzufassen, weil in diesem Falle massige 
Gesteine diese zonenförmige Streifenanordnung nicht, zeigen könnten, und in der 
Längsrichtung der Streifen oft plötzlicher Gesteinswechsel anstatt der vorhandenen 
Uebergänge eintreten müsste. Ferner hätten lang hingezogene schmale Gesteins- 
zonen in den Centralmassiven schon deshalb aus früher allseitig gleich unregel- 
mässiger Ausbreitung nicht durch Clivage entstehen können, weil die Möglichkeit 
zum freien seitlichen Ausweichen in der Längsrichtung der Alpen nicht vorhanden 
war, sondern nur das Ausweichen nach oben ungehindert stattfinden konnte. 

Was bis jetzt über die Lage der Structur krystallinischer Gesteine im 
Innern der Centralmassive bekannt ist, stimmt mit der Auffassung der Massive 
als die Gewölbetheile eines Faltensystemes der kristallinischen Kruste vollstän- 
dig überein. 



D. Die Beziehungen in den Lagerungsverhältnissen zwischen krystallinischen 

Gesteinen und Sedimenten. 

Dieses Kapitel wird drei Reihen von Beobachtungen, welche ich grössten- 
theils in unserer Tödi-Windgällen- Gruppe gemacht habe, besprechen. Am Schlüsse 
wird sich ihr Resultat in einen einfachen Satz zusammenfassen lassen. Im später 
folgenden Kapitel G werde ich versuchen, die hier aufgeführten Erscheinungen 
zu erklären. 

Wir können von vornherein erwarten, dass gerade an den Enden der Cen- 
tralmassive die krystallinischen Gesteine und die Sedimente am stärksten ineinander- 
greifen, sei dies nun eine Verknüpfung, welche auf eruptivem Wege erzeugt wurde, 
oder eine solche, die auf ein gleich passives Verhalten beider beim Vorgange der 
Gebirgsbildung hindeutet. Gehen wir an die Untersuchung selbst: 



i 



Kreuzbachschlucht — Maderanerthal. 147 



1) Centralmas8ivgesteine im Contact mit Sedimenten. 

Im Winkel, wo sich das Calfeuserthal in das Taminathal öffnet, taucht der 
Gneiss in nicht sehr schön ausgebildeten Varietäten auf, welche petrographisch und 
nach der Lagerung an manche Gesteine der Sandalp und des Limmernbodens 
erinnern und als deren Fortsetzung aufzufassen sind. Das Centralmassiv zieht sich 
in der Tiefe unter der Sedimentdecke noch weiter gegen Osten bis hierher fort. 
Ueber dem Gneiss streicht die steile gelbe "Wand des Röthikalkes hin. (Siehe 
unsere Uebersichtskarte Taf. II und Profil XVIII.) In der Schlucht des Kreuz- 
baches, eines kleinen Wildwassers, welches vom Drachenberg herunterfliesst und 
wenig unterhalb Vättis sich in die Tamina ergiesst, fand ich den gut entblössten 
Contact von dem undeutlich ausgebildeten Gneiss an die Sedimente. Ich konnte 
hier sehen (Taf. IX Fig. 8), wie der unten steil stehende SSO- fallende Gneiss 
unter den Röthikalk nahe an dessen unterer Grenze durch eine Biegung von nur 
etwa 3 Meter Radius sich flacher stellt, und nach Nord ganz horizontal theilweise 
sich auskeilend oder knickend, den Schichten des Röthikalkes parallel sich an- 
schmiegt. Gleichzeitig mit dem Biegen werden die krystallinischen Massen fein- 
schiefrig, siiberweiss, glimmerig, schuppig, sericitisch, und enthalten vielfach zwischen 
den einzelnen Lagen oder auch in Knollen oder eckigeren Brocken rothbraunen 
bis hellrothen Dolomitmarmor. Solcher Dolomitmarmor bildet in mehreren regel- 
mässigen, dünnen, durch zwischenliegende glimmerblättrige Schieferlagen getrennten 
Bänken die Unterlage der Röthigruppe, darüber folgt eine knollig schiefrige, von 
Clivage durchsetzte Bank aus Dolomitmarmor und Thonglimmerschiefer und endlich 
der compacte Röthikalk. Ganz die gleiche Erscheinung ist weiter hinten in einer 
Seitenschlucht des Kalfeuserthales zu beobachten. 1 ) 

Schon vor einer Reihe von Jahren hat Prof. A. Müller in Basel 2 ) beob- 
achtet, dass die im Maderanerthal steil stehenden (80° Südfall) krystallinischen 



x ) Nachdem der II. Theil meines Buches schon im Drucke war, fand ich in Leonhard, Zeitschrift 
für Mineralogie im ersten Band des Jahrganges 1827 einen Aufsatz von Studer «über einige Theile der nörd- 
lichen Alpenkette. • S. 29 bespricht Studer das Calfeuserthal und hat dort die oben genannte Umbiegung 
ebenfalls irgendwo beobachtet. Er sagt: „Die Schichten (des Talkgneisses) stehen senkrecht, diejenigen des 
Dolomites und Kalkes sind fast horizontal, aber in der Nähe des untersten Dolomites biegen sich die senk- 
rechten Schichten ebenfalls in's Horizontale um, so, dass beide Formationen dennoch in gleichförmiger Lage- 
rung zu einander stehen. 1 * Diese Arbeit von Studer hätte des historischen Interesses halber bei der Literatur 
über das Gebiet der Glarner-Doppelfalte als älteste geologische Untersuchung dieser Gegend aufgeführt werden sollen. 

*) Verhandl. der naturf. Ges. in Basel 1869. 



148 Die Centralmassivgesteine am Contact mit den Sedimenten. 

Schiefer bei den Staffelalpen gegen Norden allmälig eine geringere Steilheit an- 
nehmen (bis auf blos 15 bis 20° sinkt sie), hatte aber keinen Grund zu denken, 
dass man dieselben, bevor man an die Sedimente hinaufgelangt, wieder steil auf- 
wärts geknickt findet. Auch vom Rath hat die gleiche Beobachtung gemacht und 
sagt (S. 394 der oft citirten Abhandlung): „Die Gneissschichten scheinen hier 
wie in der Medelserschlucht in ihrem Emporsteigen flacher umzubiegen." Die Se- 
dimente sind in dem Kamm von den Windgällen bis an's Scheerhorn nördlich über 
sich selbst zurückgelegt, wie wir dies früher auseinander gesetzt haben. Die 
krystallinischen Gesteine stehen unter den Sedimenten im Allgemeinen steil, discor- 
dant zu den letzteren; da aber, wo sie durch die genannte Falte nördlich auf die 
Sedimente übergelegt erscheinen, liegen sie mit ihrer Structur den Sedimenten theils 
vollständig, theils nahezu vollständig parallel auf. Sie machen vom Maderanerthal 
gegen die oberen Staffelalpen den mächtigen Bogen mit (Profil II bis VI, IV b 
und VIb). Wo die Sedimente sich wieder gegen Süden aufrichten, knicken die 
krystallinischen Gesteine, wie dies am Ruchkehlepass vom Tschingelgletscher östlich 
des Gross-Ruchen aus sehr schön zu sehen ist, in scharfem Winkel ebenfalls wieder 
nach oben (vergl. Prof. VI) — viel plötzlicher, als die Sedimente — und schmiegen 
sich den letzteren wiederum parallel an. Ganz in gleicher Weise beachten wir 
dies in der östlichen Fortsetzung der Alpnoverplatten, wo allerdings die Falte nicht 
mehr so gross ist, oberhalb des Hüfiälpli (Prof. VII unter 3397 M.) und am Ab- 
sturz zwischen Ober- und Unter-Sandalp (Taf. IX Fig. 10). Unten im Maderaner- 
thal, wo die krystallinischen Schiefer steil stehen, und selbst noch theiiweise bei 
den Hütten der Alpnov (Staffelalp am Südfuss des Gross-Ruchen) sind sie schön 
und ganz krystallinisch ausgebildet, zum Theil als schöne Hornblendegneisse mit 
gewundener Structur. In dem Theil aber, der als unmittelbar umgebogene Ver- 
längerung betrachtet werden muss, in dem oberen Theil der Alpnoverplatten sind 
sie viel undeutlicher ausgebildet, meist stark sericitisch, oft selbst Talkglimmer- 
schiefer oder durchscheinende felsitische Schieferplatten geworden, ohne dass man 
eine bestimmte Grenze bezeichnen könnte. Sie sind in der Streichrichtung oft von 
Spalten durchsetzt, welche sich nachträglich mit Quarzsekret gefüllt haben und aus- 
keilend, dann in verschobener Richtung wieder fortsetzend, sich in grosser Zahl 
aneinander reihen. Diese Klüfte stehen senkrecht auf der sich ändernden Fail- 
richtung, welche die Richtung des Maximalzuges ist. Die Vermuthung wird sehr 
nahe gelegt, dass diese, so wie manche andere undeutliche Gneisse, Verrucano-, 



Scheidnossli. 149 

" T 

[Casanna- etc. Schiefer durch Biegung und Streckung, überhaupt durch mechanische 
Vorgänge aus echt krystallinischen Schiefern hervorgegangen sind. Dass die Alp- 
noverplatten dennoch jünger sind, als die echten Granitgneisse der centralsten Zone 
geht daraus hervor, dass sie stellenweise eckige Brocken eines grünen, dem "Wind- 
gällengestein sehr nahe verwandten Porphyrs enthalten, was bei den Gesteinen der 
centralsten Zone niemals gefunden worden ist, und dass sie mit der casannaartigen 
Zone des Centralmassives zusammenhängen. 

Die krystallinischen Schiefer am Südabhange des Maderanerthales machen 
die grosse Biegung ebenfalls noch mit; sie sind vom Zusammenhange mit der Um- 
biegung am Nordgehänge nur durch die Thalerosion getrennt (Taf. XI Fig. 1 am 
Seelengrate links vom Oberalpstock absteigend). 

Also auch hier am Nordabhang des Maderanerthales sehen wir, dass die 
krystallinischen Gesteine den Sedimenten parallel sich anlegen und deren Biegungen 
besonders auf den oberen Seiten bei umgekehrter Lagerung theilweise mitmachen 
können. In diesem Gebiete ist nirgends ein Unterschied in den Lagerungsverhält- 
nissen von krystallinischen Schiefern und Sedimenten zu finden und die ersteren 
sind petrographisch ganz identisch mit denjenigen Massen, die an anderen Stellen, 
z. B. im benachbarten Reussthal, am Cambriales, im Sandalpkessel etc. steil unter 
den flach liegenden Sedimenten stehen und die letzteren auf ihren Schichten- 
köpfen tragen. 

Am Scheidnossli (nicht ganz ein Kilometer nördlich von Birtschen bei Erst- 
feld im Reussthale) sind Contacte sehr schön entblösst. Lusser und Escher kannten 
die Stelle seit langer Zeit; ich selbst besuchte sie zuerst in Begleitung von Escher, 
hernach noch sehr oft allein. Stellenweise scheint es, dass der 70° nach Süd 
fallende schöne, glimmerreiche Gneiss unserer „nördlichen Gneisszone u an dem 
aufliegenden, sanft nach Nord geneigten Röthikalk discordant haarscharf abschneide. 
Andere Stellen aber zeigen ein Hinunterbiegen und Hinunterknicken der Schichten- \ 
köpfe des Gneisses (wenn man das Ausgehende der krystallinischen Schiefer so I 
nennen darf) unter die Röthigruppe, ein vollständiges Anschmiegen an die Lagerung 
des letzteren (Taf. IX Fig. 7). Hier beginnt die Röthigruppe statt mit Dolomit- 
marmor mit Quarzitbänken und Dolomit. Im sich biegenden Gneiss finden wir wie 
bei Vättis unregelmässige, verworren krystallinische, zum Theii dolomitische Knollen. 
Dieselben entsprechen nach Structur und Zusammensetzung genau den dolomitischen 
Verrucanolagen, welche am Hausstock und einigen Stellen des Kärpfgebietes un- 



150 Die Centralmassivgesteine am Contact mit den Sedimenten. 

mittelbar dem Röthidolomit anliegen. Sie sind hier die einzigen Repräsentanten 
des Verrucano, der im Allgemeinen zwischen den Kalkformationen und dem Glim- 
mergneiss hier weggeschürft ist. An manchen Stellen wird der Gneiss nahe am 
Contacte enge gefältelt, oft sieht er fast wie Verrucano aus und enthält so viele 
Stücke von Röthikalk und Quarzitmasse, dass eine sonderbar verworrene Reibungs- 
breccie oder ein Conglomerat nicht selten mit Rutschstreifen entsteht, dem man 
deutlich ansieht, dass es auf gewaltsamste Art geknetet worden sein muss. Der 
Anblick ist ein durchaus anderer als derjenige, welchen die vulkanischen Breccien 
an Gangrändern gewähren. Hier sehen wir nichts von krystallinischen Gesteinen, 
welche in die Klüfte der eingeschlossenen Brocken oder gar des anstehenden 
Sedimentgesteines eingedrungen wären, nichts von Contactmetamorphose , nur 
Reibung, Quetschung, Biegung, Ineinanderstossen der schon vorhandenen längst 
festen Gesteine. 

Escher erwähnt von einer anderen Stelle im Gebiete des Scheidnössli (Reise- 
notizbücher), dass sich dort ganz so wie im Berner Oberland ein „ Gneisskeil u in 
eine Biegung der Zwischenbildungen hineinziehe. „Das Gestein ist zwar mehr 
feldspathhaltiger Quarzit als Gneiss zu nennen und undeutlich krystallinisch ausge- 
bildet. Die Schieferung am Contacte bis 150 bis 200 Fuss entfernt davon ist 
undeutlich verworren, erst in grösserer Entfernung wird sie die gewöhnliche steil 
stehende. a 

An einer Ecke hoch über Schtvändiberg, oberhalb der Klus (Erstfeld) sah 
ich, dass wirklich der steile Gneiss scharf an die flach nordfallenden Sedi- 
mente, die hier in Dolomitmarmorlagen beginnen, grenzt. Die Berührungsfläche 
zeigt hier ausgezeichnete Rutschstreifen in der Fallrichtung der Sedimente an der 
Unterseite derselben. 

Von der Westseite des Bockitobels (jenseits der Reuss, gegenüber dem 
Scheidnössli) erwähnen Escher und Lusser ebenfalls einen wohl 50 Fuss langen, 
von den Zwischenbildungen umbogenen Gneisskeil. Auch hier ist die deutliche 
Ausbildung und steil südlich fallende Schieferung des Gneisses erst in einiger Ent- 
fernung von den Grenzen sichtbar, nahe am Contact aber vielfach verbogen und 
den Sedimenten sich anschmiegend. 

Im oberen Ruseinthale und am Sandgrat zeigt sieh in auffallendem Grade 
das gewölbeförmige Anschmiegen der krystallinischen Gesteine an die Sedimente. 
Dasselbe ist Escher schon lange aufgefallen. 1841 schrieb er in sein Notizbuch, 



Schwändiberg, Bockitobel, Val Rusein und Sandgrat. 151 

nachdem er von der Alp Rusein gegen den Stockgron geklettert war: „Offenbar 
muss in de 38 auch hier der Gegensatz der Lagerung zwischen dem Sediment und 
dem sogenannten Grundgebirge aufgegeben werden." Vom Rath beobachtete am 
Abhang von Tödi und Stockgron gegen das Ruseinthal zwischen dem Gneiss und 
den Sedimenten etwa 25 M. talkige grüne und rothe Schiefer, die gleichen, die 
wir schon öfters erwähnt haben, und sagt dann: „An der von mir erreichten Be- 
rührungsstelle zeigen die Gneisstafeln ein so geringes Fallen, dass eine discordante 
Lagerung zwischen Gneiss und Kalk nicht hervortrat, daher ist es schwierig, zu 
entscheiden, welche Schiefer noch zum Gneiss gehören." Derselbe Geognost hat 
das Fallen der krystallinischen Gesteine im mittleren Theil des Ruseinthales zu 80° S, 
am Fu8s des Piz Cambriales zu 75 °S, an der oberen Ruseinhütte noch zu 45° 
und an der Kalkgrenze zu 20° S gemessen. Diese Messungen stimmen mit 
zahlreichen eigenen überein. Im Uebrigen stelle ich hier die Beobachtungen 
anderer, wenn solche vorhanden sind, absichtlich in den Vordergrund, weil 
man meine entsprechenden Angaben schon für Beobachtungsfehler erklären wollte. 
Am Sandgrat selbst wechselt auch die Fallrichtuhg der Schichten ganz wesent- 
lich. Escher mass in der Nähe des obersten StafFels der Alp Rusein h. 5 l / a 
mit 70° Südfall, am Sandgrat h. 12 und 50° Ostfall und glaubte hierin 
„ellipsoidische Umbiegung der Gesteine der Centralmassive nahe ihrem öst- 
lichen Ende" zu erkennen. Er nennt das Gestein in der Sandpasslücke „aus- 
gearteten Gneiss" und setzt hinzu, es könnte unmöglich vom Gneiss selbst ge- 
trennt werden. An der "Westseite des Sandgrates fallen die talkigen grünlichen 
oder schwarz schimmernden Schiefer, in denen Feldspath nicht deutlich zu erkennen 
ist, sanft westlich parallel den Sedimenten (Taf. IX Fig. 5). Im mittleren und 
östlichen Theil des Sandgrates streichen sie h. 6 bis h. 12 und fallen ungefähr 50° 
gegen 0. Escher schrieb 1841 : „Eine Trennung zwischen den östlich und west- 
lich fallenden Schiefern ist durchaus nicht zu sehen, auch bei der Gleichartigkeit 
des Gesteines höchst unwahrscheinlich." Es ist mir selbst gelungen, an einigen 
Stellen bei ausserordentlich kleinem Schneestand im October 1871 die Umbiegung 
von Ost- in West-Fallen auf der Nordseite des Grates zu beobachten (Taf. IX Fig. 6). 
Der Gneiss schmiegt sich dem Sedimente vollständig parallel an, ist aber vom ächten 
Röthikalk durch eine Bank von rauher Quarz- und Verrucanobreccie getrennt. An 
einer andern nahe gelegenen Stelle auf dem Grate selbst ist das Profil von oben 
nach unten folgendes: Brauner Jura, 3 M. grauer grosskrystallinischer Marmor, 



152 Piz Puntaiglas — Böthialp. 

5 M. Röthidolomit, 1 M. Verrucanoschiefer, 1 M. Verrucanobreccie und Conglomerat, 
3 M. dunkelvioletter Verrucanoschiefer, und endlich grauer Verrucanogneiss — alles 
in concordanter Lagerung mit etwa 30° NW- Fall. Wie schon Escher erwähnt, 
stimmen diese Varietäten des Verrucanogneisses mit solchen fiberein, die nahe der 
Alp Robi mit Giltstein in Verbindung gefunden werden. 

Ganz östlich unter dem kleinen Tödi sieht man eine sehr scharfe un- 
vermittelte Discordanz zwischen den Schiefern und dem Röthikalk. Die Schiefer 
fallen dort erst 50°, etwas tiefer aber 85° gegen Süden. Die unterste Bank des 
darauf liegenden horizontalen Röthikalkes enthält sogar an der unteren Seite 
Quarz- und Verrucanobruchstficke eingequetscht und geht stellenweise in eine 
Breccie über. 

Der Sandgrat zeigt als Ganzes in seinen krystallinischen Gesteinen Gewölbe- 
bau, der sich westlich an die Sedimente anlehnt. Nach meinem Dafürhalten ist es 
noth wendig, die Stellen noch besser zu untersuchen. Ich selbst bin trotz mehr- 
fachen Besuchen nicht zu der zu wünschenden klaren Uebersicht gekommen. Die 
Gegend ist rauh und wild, der Zusammenhang der Einzelbeobachtungen nicht ein- 
fach zu übersehen, und die Zeit, welche man hier weilen kann, gewöhnlich zu 
kurz. Gewitter, Sturm und Schneegestöber haben mir mehrmals meine Versuche, 
die Beobachtungen zu vervollständigen, abgeschnitten. 

Unter dem Hz Puntaiglas, dem östlichsten Tumbif hörne, an der steilen 
Wand, welche gegen den Puntaiglasgletscher abfallt, beobachtet man, dass selbst 
die vertikale Zerklüftung des Puntaiglasgranites oben eine Biegung gegen Norden 
an die Sedimentgrenze sich anlegend macht, und dass zwischen dem Piz Puntaiglas 
und dem Piz Frisal sich die krystallinischen Gesteine den Sedimenten vollkommen 
parallel anschmiegen (Taf. VIII Fig. 2 und Profil X). 

Auf der Böthialp am Nordabhang des Tödi finden wir unter dem. Röthi- 
dolomit, kaum merklich discordant mit diesem, verrucanoähnliche Schiefer, die tiefer 
in anthracitische Schiefer übergehen. Die Anthracitschiefer, welche das Vorder- 
Bifertengrätli bis an den Ochsenstock hin bilden, fallen hier schwach nördlich und 
nordöstlich, die gneissartigen Gesteine darunter hingegen fallen südlich. Wo die 
letzteren entblösst sind, nehmen ihre Schichtenköpfe vielfach eine quarzconglome- 
ratische oder quarzbreccienartige Structur an. An manchen Punkten fehlen die An- 
thracitschiefer, wieder an anderen fallen auch verrucanoartige Gesteine steil südlich. 
Der Röthikalk ist an seiner Sohle hier meistens von einer ächten Verrucanoconglo- 



Rothialp — Zusammenfassung. 15$ 

meratbank begleitet. An mehreren Punkten sieht man die letzteren zusammen mit 
Quarziten dem Röthikalk vollkommen parallel und diesen Conglomeraten wiederum 
concordant sich anschliessend die gneissartigen Gesteine stehen. Es ist unmöglich,, 
die Gesteine, welche älter als Röthikalk sind, am Nordabfali des Tödi in steil süd- 
lich einfallende und in den Sedimenten parallele zu scheiden. Die gleichen Gesteine 
nehmen bald die eine, bald die andere Fallrichtung an. Im Allgemeinen aber 
lässt sich auch hier nicht verkennen, dass in der Nähe des Contactes gegen die 
Sedimente hin die krystallinischen Gesteine am meisten Abweichungen von der steil 
südlich fallenden Lage und am meisten Annäherung an die Lage der Sedimente zeigen. 

Von mehreren weiteren solchen Verwicklungen an den Contactgebieten habe 
ich durch Abbildung (Taf. IX Fig. 9, 10, 11 und 12) eine Vorstellung zu geben 
versucht. 

Endlich sei hier, der Vollständigkeit halber, nochmals an die Contactbie- 
gungen der krystallinischen Gesteine im Berner Oberland erinnert. , 

Auf der andern Seite darf nicht vergessen werden, dass es ebenfalls Stellen 
giebt, wo die krystallinischen und halbkrystallinischen Gesteine scharf abbrechen 

und die Sedimente auf ihren steilen Platten liegen, ohne dass die ersteren um- , 

i 

biegen. So habe ich z. B. die gegenseitige Lagerung im Limmernboden an den- 
jenigen Steilen gefunden, wo es mir möglich war, den Contact zu erreichen. 

Unsere angeführten Beobachtungen können wir in die Worte zusammenfassen : 
Die krystallinischen Gesteine sind sehr oft am Contacte mit den Sedimenten 
der Art gebogen, dass sie sich in ihrer Lagerung derjenigen der Sedimente mehr 
oder weniger anschmiegen. 

Allerdings bezieht sich dies zunächst nur auf das Finsteraarmassiv; allein 
wenn sich daraus mit Notwendigkeit Schlüsse auf die wirkliche Natur des 
Centralmassives ergeben, so muss diesen Schlüssen eine allgemeinere Bedeutung zu- 
kommen, da die ganze Natur des Finsteraarmassives nicht anders sein kann, als 
diejenige der Centralmassive überhaupt und Unterschiede der verschiedenen Central- 
massive nur unwesentliche Seiten derselben betreffen können. Studer gab bei Ge- 
legenheit einer Discussion an der Versammlung der schweizerischen naturforschenden 
Gesellschaft in SchafFhausen 1873 zu, dass die Lagerung der Centralraassivschiefer 
am Contacte oft verworren wird, hält aber diese Erscheinungen für unwesentlich 
und glaubt, sie durch den Druck der aufliegenden Sedimente erklären zu können. 
Warum aber, müssen wir fragen, soll die Last gerade auf diese Zone eine solche . 

20 



154 In's Centralmassiv geklemmte Mulden. 

Einwirkung ausüben, während die tieferen noch viel stärker belasteten Theile der 
krystallinischen Schiefer meistens keine gestaute Fältelung zeigen? Und wie ver- 
hält es sich da, wo der Gneiss den Sedimenten annähernd parallel aufliegt? Unter- 
schätzt nicht vielmehr Studer die Bedeutung der oben angeführten Erscheinungen? 

2) In daß Centralmassiv eingeklemmte Sedimentmulden. 

Sind die Centralmassive ein System von mehreren zusammengedrängten 
Falten, von welchen in den inneren Theilen nur noch eine Wiederholung der 
tieferen Lagen, in den äusseren hingegen eine mehrfache Wiederholung der oberen 
halbkrystallinischen Schiefer zu Tage tritt, so müssen am Ende der Centralmassive, 
wo die Falten an Intensität und Gedrängtheit abnehmen, möglicherweise noch inner- 
halb des Fächers, Sedimentmulden dazwischen eingeklemmt zu finden sein. Be- 
stehen die Centralmassive aus einer grossen Falte, so ist es leicht denkbar, dass 
dieselbe sich gegen ihr Ende, wie Sedimentfalten dies so oft thun, in mehrere 
kleinere auflöst. Auch in diesem Falle werden die Sedimente in das Centralmassiv 
eingreifen. Im ersten Theil dieses Kapitels D haben wir gesehen, wie der schein- 
bar qualitative durchgreifende Unterschied in der Lagerung der krystallinischen Ge- 
steine und der Sedimente dadurch sich schon etwas überbrückt, dass die krystal- 
linischen Gesteine oft der Lagerung der Sedimente sich anpassen; im Folgenden 
wollen wir zeigen, dass Sedimente sich oft wie krystallinische Gesteine stellen, sogar 
in der Weise, dass man sagen kann, sie nehmen an der Zusammensetzung der 
Centralmassive selbst Theil. Dadurch wird der Lagerungsunterschied nach meinem 
Dafürhalten als vorwiegend blos quantitativ dargelegt. 

Zählen wir nur die auffallendsten hierher gehörigen Erscheinungen der Tödi- 
Windgällen-Gruppe auf. 

Am Abhänge der Tödimasse gegen das Vai Rusein sehen wir den Köthi- 
dolomit erst unter dem Bleisasverdas (Taf. VI Profil IX und Taf. XII Fig. 1), 
dann noch viel ausgeprägter unter dem Hz Meilen (d. h. der „gelben Spitze a , 3379 M. 
hoch) plötzlich, begleitet von etwas Verrucano und Kohlenschiefer, steil südlich 
zwischen die gneissähnlichen Gesteine einfallen. An einer Stelle steckt sogar, ab- 
gequetscht vom Zusammenhang mit den oberen Schichten, ein Fetzen brauner Jura 
im Röthikalk. Während wir den letzteren am Kiein-Tödi 3000 M. hoch finden 
und er von da gegen den Piz Meilen und Stockgron auf 3300 M. hinauf steigt, 
finden wir einen Lappen davon senkrecht darunter wohl 1 000 M. tiefer im Central- 



Piz Meilen. 155 

massiv dessen Gneissen parallel eingeklemmt. Dabei ist das Gestein des Röthi- 
kalkes wie des braunen Jura, so viel ich beobachten konnte, nicht verändert. Der 
ganze Piz Meilen besteht aus den steil südfallenden, stellenweise fast senkrechten 
Platten des glänzend gelbrothen Röthidolomites. An seinem scharf begrenzten Süd- 
rande steigt, parallel mit seinen Schichten, der Gneiss hoch unter den Gipfel des 
Stockgron 1 ) empor, während zwischen beiden die meist mit Schnee gefüllte Kinne 
der Porta a Spescha sich hinaufzieht. Oben biegt der Röthikalk sammt einigen 
verrucanoartigen Schiefern und schwarzen Schiefern der Steinkohlenformation scharf 
um, setzt über das Kamin, und zieht sich zuerst südlich, bevor er wieder tiefer 
gegen Vai Gliems sinkt, fast horizontal in merkwürdigem Kontraste mit dem be- 
nachbarten Piz Meilen, in geringer Tiefe unter dem Gipfel des Stockgron durch. 
Die jüngeren Gesteine, die oberen Schichten des braunen Jura und der weisse Jura 
greifen nicht in die spitzgequetschte Mulde ein, sondern kamen mit einer leichten 
Einbiegung davon. 

In der Streichrichtung des Piz Meilen gegen Osten liegt Schnee und Eis, 
und wo ob dem Grünhorn und am Fusse des Bifertenstockes der Röthikalk wieder 
zu Tage tritt, ist unsere spitzgequetschte Mulde bald verschwunden. Gegen Westen 
folgt die weite tiefe Lücke des Val Rusein. An dessen rechter Seite, am Süd- 
abhang des Culm Tgietschen finden sich oft feine schillernde braune Thonglimmer- 
schiefer und Sericitschiefer, die denjenigen, welche die Röthimulde begleiten, ent- 
sprechen und ihre Fortsetzung andeuten. Am Tschingelgletscher scheint die gleiche 
Mulde noch vorhanden zu sein, freilich wie rechts am Val Rusein nicht mehr in 
Röthikalk, nur noch in schiefrigen Verrucano-Gesteinen. Sericitische Schiefer, wie 
wir sie an vielen Stellen unmittelbar unter dem Röthidolomit, diesem vollständig 
parallel finden, Gesteine, die von solchen, welche über den Anthraciten liegen, un- 
unterscheidbar sind, und die wir nach ihrer Lagerung andernortes als sichere Se- 
dimente erkennen, bilden mit steilem Südfall als ächte Glieder des Centralmassives 
einen Theil der „Strahlige Stöckli tf am Tschingelgletscher südlich des Düssistockes 
und reichen westlich über das Brunnithal hinüber. Links und rechts folgen krystal- 
linisch besser ausgebildete Gesteine, zunächst undeutliche Gneisse, dann schöne 
Hornblendegneisse, — alles in vollständig gleicher Lagerung (Bd. I. S. 26 und 27). 



*) Der Stockgron heisst auf manchen Karten auch Piz Rusein. Seine Höhe 3418 M. unterscheidet 
ihn am sichersten von dem ebenfalls Piz Rusein genannten 3623 M. hohen Tödigipfel (vergl. Bd. I S. 8). 



156 In's Centralmassiv geklemmte Mulden. 

Eine zweite merkwürdige Mulde können wir auf eine viel grössere Längen- 
erstreckung verfolgen. Ihr westliches, am weitesten gegen den innersten Theil des 
Centralmassives vorgeschobenes noch erhaltenes Ende bildet den Stock Pintga (Taf. XI 
Fig. 3 und Taf. XII Fig. 1 und 2). Der braune Jura liegt als schöne auffallende 
Mulde im Röthikalk, und dieser in den schwarzen Schiefern der Anthracitformation, 
darunter beginnen die steil stehenden gneissartigen Gesteine. Escher kannte, wie 
eine Zeichnung, die sich in seinem Nachlass gefunden hat, zeigt, die Mulde des 
Stock Pintga genau. Hier sitzt sie gewisserroassen dem Centralmassiv auf. Wie 
sie weiter östlich tief in das Centralmassiv hineingreift, ist erst deutlich zu sehen, 
seitdem in den sechziger Jahren dieses Jahrhunderts der Gliemsgletscher so stark 
zusammengeschwunden ist. Vom Stock Pintga westlich (vergi. Taf. XI Fig. 3 und 
Taf. XII Fig. 6 und Prof. IX) sinken die Schichten des Röthikalkes und des braunen 
Jura erst mit steilem Nordfallen unter den Gletscher ein, dann drehen sie sich durch 
die senkrechte Lage zum Südfall um. Das Ausgehende des steilen Röthikalkes steigt 
sodann bis an den Grund des hintern Gliemsthales hinunter, jenseits wieder hinauf 
und umsäumt so den unteren steilen Lappen des Giiemsgletschers. 1874, da ich 
zum dritten Male die Stelle besuchte, war an einigen Punkten zwischen Röthikalk 
und Gletscher noch Quartnerschiefer zu sehen. Zwischen Stock Pintga und Gliems- 
gletscher lässt sich erkennen, dass hier die Mulde eng zusammengepresst ist. Ob 
der braune Jura ebenfalls noch so tief in dieselbe eingreift, dürfte bei fortgehendem 
Schwinden des Gletschers nach wenigen Jahren leicht zu entscheiden sein. Hier am 
unteren Ende des Giiemsgletschers also steht der Röthidolomit wie die Gneisse steil 
südfallend. Südlich lehnen sich Verrucano, Kohlenschiefer und Casannaschiefer an ; 
dann folgt nochmals ein kleiner Fetzen Röthidolomit ohne sichtbaren Zusammenhang 
mit dem übrigen, hernach halbkrystaliinische Schiefer, gneissartige Gesteine und 
endlich der Granit des Piz Ner, alles vollständig parallel als Platten eines Central- 
massives ohne irgend weiche Unregelmässigkeiten aneinander gelegt (vergl. die 
Karte). Der letzte kleine Röthifetzen ist mir allerdings nicht vollständig verständ- 
lich. Am meisten gerechtfertigt erscheint es für diesen Fall an die an manchen 
Stellen schon in den oberen Lagen des Verrucano enthaltenen, grossen, linsen- 
förmigen, an Röthidolomit erinnernden Kalkiager zu denken. 

In der Lücke zwischen Urlaun und Piz Ner (in der Kehle Prof. IX b) 
biegt der Röthikalk wieder südlich um, ganz ähnlich wie oben zwischen Piz Meilen 
und Stockgron. Der Kohlenschiefer unter dem Röthikalk hingegen, der eine ent- 



Stock Pintga — Val Puntaiglas. 157 

sprechende Umbiegung am Stockgron mitmacht, bleibt hier der Centralmassivstellung 
treu. Auf seinen Schichtenköpfen liegt, theil weise horizontal, etwas Verrucano, 
und diesem parallel Röthikalk etc. darüber. Die Grenze der Gesteine, die einer- 
seits wie die jüngeren Sedimente, andererseits wie die krystallinischen Schiefer fallen, 

liegt also bald unter, bald über dem Kohlenschiefer, und sie kann, wie wir durch 

» 

spätere Beispiele sehen werden, noch mehr wechseln. 

Während unsere Pintga-Mulde am unteren Ende des Gliemsgletschers recht 
eigentlich spitz und tief in das Centralmassiv hinuntergreift, wird sie gegen Osten 
breiter und fasst auch höhere Schichten mit. Schon die Schichtenlage des Hoch- 
gebirgskalkes, am obersten Grat des Piz Urlaun lässt die tief greifende Mulde im 
Centralmassiv erkennen. Im Piz Frisal, wo der ganze Jura darin liegt, wird die 
Lagerung des letzteren durch unsere Mulde eine doppelte. In diesem Verlaufe hat 
die Mulde bereits den Charakter einer in's Centralmassiv eingreifenden verloren 
und denjenigen einer gewöhnlichen aufliegenden angenommen. Die Sedimentdecke 
ist allgemeiner geworden und greift nun auch südlich über das ganze Centralmassiv 
hinüber. Eines bleibt auch hier noch auffallend: Wie an der Ostseite des Puntai- 
glasgletschers sichtbar ist, bleibt der Südflügel der Mulde den krystallinischen Ge- 
steinen parallel, der Nordflügel ist flach geworden (Profil X), die Sedimente, welche 
weiter südlich vom südlichen Flügel liegen, sind um eine mächtige Stufe höher ge- 
hoben und gegen den steilen Südflügel der Mulde scharf abgeknickt. Also auch 
hier noch zeigt diese letztere eine tiefe Theilung im Centralmassiv, eine Gabelung 
nahe an seinem Ostende an. Nach unserer Auffassung liegt südlich das höhere, 
nördlich das niedrigere krystallinische Gewölbe. Das erstere besteht wesentlich aus 
gut krystallinisch ausgebildeten, das letztere vorwiegend aus halbkrystallinischen Ge- 
steinen. Ein entsprechendes stufenförmiges Absetzen des Centralmassives wieder- 
holt sich weiter nördlich am Sandbachsturz zwischen Ober- und Unter-Sandalp. 
Der Verwitterungsabtrag hat in dem höheren Niveau westlich die Sedimentmulden 
bis an ihren Grund zerstört, wodurch die Gliederung des Massives in vielleicht 
mehrere zusammengepresste Falten undeutlicher wird. 

Wir begegnen der allermerkwürdigsten spitzgequetschten, in's Krystallinische 
eingeklemmten Sedimentmulde, wenn wir vom Puntaiglasgletscher das Val Puntaiglas 
hinuntersteigen. Erst ziehen sich die Kalkformationen mit etwas verrucanoartigen 
Schiefern in einer Höhe von 2800 bis 2900 M. über dem steil stehenden Puntai- 
glasgranite fast horizontal gegen Süden. An der langgezogenen Südseite des Bri- 



158 In'8 Centralraassiv geklemmte Mulden. 

gelserstockes finden wir sie nirgends in einer geringeren Höhe als bei etwa 2400 M. 
Unter dem Piz Tumbif aber sinken sie plötzlich in enger Mulde gegen das Val 
Puntaiglas hinunter. Bis zu etwa 2300 M. Meerhöhe besteht die Mulde aus beider- 
seits von Verrucanogesteinen begleitetem Röthidolomit zwischen welchem Eisenoolith 
und etwas schiefriger Hochgebirgskalk stecken. Tiefer abwärts verschwinden die 
jurassischen Gesteine, während der Röthidolomit, im Ganzen (beide Muldenflügel 
zusammengerechnet) etwa 12 bis 15 Meter mächtig, mit 70 bis 80 ° Südfallen noch 
600 Meter tiefer bis auf etwa 1700 M. in Gestalt eines auffallenden gelben Fels- 
bandes hinuntersteigt (Taf. VIII Fig. 3, Taf. XI Fig. 3 und Profil X). Dieser 
Röthikeil setzt auf die Westseite des Thaies über, geht aber dort nicht so tief, 
und ist im Yal Rabius schon nicht mehr zu finden. 

Vom Röthidolomit, der seine Beschaffenheit unverändert behalten hat, finden 
wir, denselben concordant bedeckend, thalauswärts folgende Gesteine: 

1 bis 6 M. mächtig wellige, grüne, glänzende, von zahllosen Rutschflächen 
durchsetzte Talkglimmerschiefer und Chloritschiefer scharf gegen den Röthidolomit 
abgegrenzt. Die gleichen begleiten auch hoch oben am rechten Thalgehänge den 
Röthikalk und finden sich unter der auffallenden Röthikalkwand im Puntaiglas- 
gletscher, welche sich südlich vom Urlaun gegen Gliems fortsetzt. Es enthalten 
dieselben hier im Yal Puntaiglas oft in den Kluftflächen Krusten von Manganeisen- 
erzen, früher sind dieselben zum Theil ausgebeutet worden. Talkquarzite und 
andere verrucanoartige Gesteine begleiten diese grünen Schiefer. Dann folgen feste 
Hornblendegneisse, deren ausgeprägte Structur etwas steiler steht als ihre platten- 
förmigen Absonderungen und so gegen die Röthimulde einen ganz flachen Winkel 
bildet. Sie gehen in prachtvolle, grosskörnige Hornblendegesteine über. Diese 
letzteren sind es, welche in unzusammenhängenden Nestern eine Menge von Erzen 
fuhren. Magneteisen ist am häufigsten, dann werden Eisenglanz, Schwefeleisen, 
Markasit, Manganerze, Kupferkies, Malachit, Kupferlasur hier neben Hornblende, 
Quarz, Feldspath, Apatit etc. gefunden. Die alten, seit 1848 verlassenen Eisen- 
gruben befinden sich in diesen Hornblendegesteinen. Die nun thalauswärts fol- 
genden dunkelgrünen, chloritischen Schiefer trennen sieh von den Amphibolge- 
steinen nicht scharf ab und enthalten noch solche in Gestalt grosser Linsen einge- 
schlossen. Höher oben am Gehänge folgt gneissartiger sericitischer Verrucano, im 
Thale unten massiger Diorit, dann Sericitgneiss und wieder Verrucano. 

Thaiaufwärts im Liegenden des Röthidolomites finden wir zunächst die 



Vai Puntaiglas. , 159 

gleichen Gesteine wie thalauswärts, nämlich grünen talkigen Schiefer, gneissähnliche 
Gesteine, Quarzitschiefer und andere Gesteine der Verrucano- und Casannagruppe. 
Escher hat 1840 das Val Puntaiglas besucht und schon damals, wie ich nachträg- 
lich in seinen Reisenotizbüchern fand, die zusammengequetschte Röthidolomitmulde 
freilich ohne ihren Zusammenhang mit den Kalkformationen in der Höhe zu finden, 
beobachtet. In diesen eben genannten verrucanoartigen Gesteinen, welche nördlich 
die Röthimulde unterteufen, fand er aber noch weitere Kalkmassen: „Zu meiner 
grossen Verwunderung", schreibt er, „fand ich eine ebenfalls steil südfallende, circa 
40' mächtige Masse graulichen und weisslichen, etwas krystallinischen Kalkstein, 
nicht selten auch mit dem Ansehen des dolomitischen Kalksteines a (d. i. Röthi- 
dolomit) „und mit gelblich bestaubter Oberfläche, dieser keilt sich aber nach unten 
und oben deutlich im Talkquarzit aus und bildet blos ein 1500 bis 2000 Fuss 
langes und 40 Fuss dickes Nest. Hundert Schritte weiter nördlich liegt im näm- 
lichen Quarzitschiefer abermals ein 50 Fuss mächtiges und ebenso langes, dito nach 
oben und unten sich auskeilendes Kalklager, in welchem ich zu meiner Freude 
auch die späthigkörnige, dunkelgraue Lage (Lias) mit zahlreichen Pentacriniten und 
deutlichen Pecten fand." (Im Profil X ist dies mit blauer Farbe bezeichnet.) 
Dann folgen nördlich grüne Verrucanoschiefer, gneissartige Gesteine, sogar Granit- 
gneiss. Die Schiefer sind an einigen Stellen gangförmig von feinkörnigem weissem 
Granit durchsetzt. Dann folgt Puntaiglasgranit, theiiweise in schiefrigen Varietäten 
und von oft chloritischem Dioritschiefer noch einmal unterbrochen, endlich die grosse 
Hauptmasse von Puntaiglasgranit. Es ist mir leider bisher nicht möglich gewesen, 
die Kalklage mit den Pentacriniten aufzufinden, doch kann gewiss an der Richtig- 
keit der Escher'schen Beobachtung nicht gezweifelt werden. 

Studer würde diese Kalklappen als ein vom Eruptivgneiss umhülltes, wahr- 
scheinlich losgebrochenes Schichtstück betrachten, entsprechend dem Vorkommniss 
im Hintergrund des Urbachthales ; allein er ist beiderseits normal von Verrucano- 
schiefer, der sicher nicht teigartig ausgebrochen ist, begrenzt und den Gneissplatten 
genau parallel. Warum sind solche scheinbar losgetrennte Sedimentfetzen dem 
Gneisse parallel eingelagert so oft bekannt, während bis jetzt aus den Alpen noch 
kein einziges Beispiel von einem losgetrennten schief im Gneiss liegenden Stück 
gefunden worden ist? Warum sind es nur grössere Platten, die eine kleine Schich- 
tengruppe darstellen und nicht Brocken von allen Formen und Dimensionen wie 
bei den silurischen Kalkbrocken im postsilurischen Granite bei Christiania? Sind 



160 In'8 Centralmassiv geklemmte Mulden. 

solche Fetzen in den Alpen nicht vielmehr die innersten Kerne von eng gepressten 
Mulden, die sie umhüllenden verrucano- und gneissartigen Gesteine ebenfalls noch 
Bestandteile der Mulde, während die sie mit dem übrigen gleichen Gesteine ver- 
bindenden Gewölbebogen verschwunden sind und der Zusammenhang mit den höher 
oben liegenden Sedimenten abgequetscht ist? Sind es nicht die untersten Lagen 
der Kalkformationen, welche durch die Bewegungen der Centralmassivbildung in 
Fetzen abgeschürft und von den Centralmassivgesteinen eingeklemmt worden sind? 
Endlich können wir auch daran erinnern, dass ganz ähnliche, fast unbegreifliche 
Verquickungen innerhalb sicher bestimmbarer Sedimente vorkommen. Wir brauchen 
nur an die von Lias eingeschlossene Nummulitenlage unterhalb der Alp Robi, an 
Kärpfgebiet und Panixerpass etc. zu denken. 1 ) 

Auf der rechten Thalseite von Puntaiglas, am Südgrat des Piz Mut, wo 
südlich neben dem Punkt 2388 M. der Röthikalk durchstreicht, fehlen zu beiden 
Seiten desselben die welligen grünen Schiefer, auch die Hornblendegesteine mit den 
Eisenerzen auf der südlichen Seite nicht, auf der Südseite folgt dann sogar Granit- 
gneiss, Gneiss und erst tiefer am Rheinthalgehängc Verrucano. Hier ist die Kalk- 
mulde noch viel vollständiger mitten in die Gesteine des Centralmassives, 
deren Streichen und Fallen vollständig parallel, eingequetscht als dies auf der linken 
Thalseite sichtbar ist. 

Bei all' diesen spitzen Mulden des Röthikalkes und der unteren Juraschichten 
muss noch hervorgehoben werden, dass diese Formationen gar nirgends discordant 
an die jüngeren Sedimente grenzen, sondern die letzteren die spitzen Mulden immer 
durch leichtere Einbiegungen nachzeichnen. An eine Aufrichtung der älteren 
Schichten etwa zwischen der Ablagerung des Röthikalkes und des Jura kann daher 
nicht gedacht werden. 

Weiter östlich im Brigelserhorn , Piz Dedent (2772) und Piz Dedo (2702) 
greift unsere Kalkmulde Schritt für Schritt weniger tief — wir kommen in ein 
Gebiet, wo die Falten des Centralmassives gesunken, milder geworden sind, und 
in Folge davon die Sedimente, hier in Gestalt mächtiger Verrucanomassen, gefaltet 
aufliegen. 



') Baltzer kennt ans dem Berner Oberland nicht nnr Kalkfetzen im Gneiss, sondern anch Gneiss- 
fetzen im Kalk. Bei eruptiver Entstehung des Gneisses wäre dieses Verhältniss unerklärlich, es macht einen 
Altersschlnss zwischen den. beiden Gesteinsgrnppen unmöglich nnd beweist, dass gegenseitige Verknetung 
am Contact, aber kein eruptives Einhüllen des einen durch das andere stattgefunden hat. 



Inschi- und Meyenthal. 161 

Bei Inschi, eine gute halbe Stunde oberhalb Amstäg, fand Lusser in einem 
Bachtobel ein Lager graulichen Schieferkalkes zwischen talkigen Schiefern, die denen 
des Kärpfstockes entsprechen, in die gneissartigen Gesteine mit etwa 50 ° Fall 
gegen SSO concordant eingeklemmt. Dies Lager setzt gegen Osten über die 
Reu88 und keilt sich in der Anthracitmulde des Bristenstockes aus. Gegen Westen 
setzt es in's Gornerenthal hinauf und bildet im Meyenthal bei Fernigen die bekannte ] 
Kalkmasse, welche aus gequetschte m Eisenoolit h, Schiltkalk und hauptsächlich Hoch- 
gebirgskalk b esteht. Ob der Zusammenhang der Inschikalke mit denjenigen des 
Meyenthales ununterbrochen, oder die Mulde stellenweise verquetscht ist, ist bisher 
nicht genau untersucht worden. Die gewaltigen mechanischen Umformungen, welche 
dieser Kalklappen, rings eingeklemmt von enormen Gneissmassen, die noch heute 
seine tiefsten sichtbaren Theile um fast 3000 M. überragen, erlitten hat, sind in 
dem Kalkstein selbst durch die zahlreiche n enorm gestre ckten_Belemniten zu erkennen. 
Bei Fernigen liegt der Kalk vom Rande des Massives gemessen 6 Kilometer tief 
im Innern des krystallinischen Gebirges. 

Das Wesentliche fiir uns in allen diesen Beispielen ist folgendes: 
Die Sedimente, in ihrer Lagerung oft ganz unerwartet krystallinischen Platten 
vollkommen gleich, begleiten nicht nur Centralmassive an den Flanken, sondern greifen 
tief in dieselben ein und nehmen an deren Aufbau Theil, ohne dabei irgend welche 
andere als Mos mechanische Metamorphose erkennen zu lassen. Diese Sedimentfetzen 
sind Beste von eng gequetschten, stellenweise verquetschten tiefen Mulden, nicht aber 
losgebrochene umhüllte Stücke. 

3) Sedimente als Centralmassivgesteine. 

Sehr viele Partien der Centralmassive sind, wie ich nachzuweisen versuchen 
werde, aus Sedimenten gebaut, ohne dass diese mit den darüber liegenden Sedi- 
menten in einer solchen Verbindung stehen, welche ihre Natur als spitze tiefe 
Mulden ohne weiteres nachweisen Hesse. 

Am Nordabhang des Bristenstockes, der ganz und gar mitten im Finster- 
aarmassiv liegt und mit jedem Partikelchen an der allgemeinen Structur desselben 
theilnimmt, und dessen äussere Gestalt das Ideal der scharfkantigen Pyramidenform 
krystallinischer Gebirgsmassen zur Verwirklichung bringt, finden wir eine Zone sedi- 
mentärer Gesteine. Eingeschlossen zwischen Gneissen und gneissartigen Gesteinen 
liegen helle talkig glänzende Thonschiefer, in welchen in zwei schmalen Zonen 

21 



162 Sedimente als Centralmassivgesteine. 

schwarze Thonschiefer mit von glänzenden Rutschflächen ganz durchwobenen An- 
thracitlagen enthalten sind (Bd. I S. 49). In der Verlängerung dieses Zuges gegen 
Osten kommen kalkige Lagen vor, und dort, am rechten Ausgang des Etzlithales 
bei der Herrenlirami hat Prof. Alb. Müller in Basel, freilich nur in Blöcken, deut- 
liche Spuren von Crinoidenstielgliedern gefunden (Bd. I S. 23). In der westlichen 
Verlängerung des Anthracitzuges gegen das Reussthal haben Lusser und Escher 
grauliche Kalkschiefer ob Riet und besonders deutlich in einer Bachrinne 5 Minuten 
südlich von Inschi gefunden. Dass diese beiden Stellen der gleichen Zone an- 
gehören, ist nicht wahrscheinlich, die Zone von Inschi scheint nördlicher zu liegen. 
Endlich folgt noch weiter westlich in der gleichen Streichlinie das von Escher ge- 
fundene und von A. Müller in Basel beschriebene Belemniten haltende oberjurassische 
Kalklager von Fernigen im Meyenthale, das wir schon besprochen haben. 1 ) 

In dem ganzen Centralmassiv, so weit wir dasselbe auf unserer Karte mit 
helirothem Grundton bezeichnet haben, sind bis jetzt die Müller'schen Crinoiden- 
glieder die einzige Spur von organischen Resten. 

Gleich hinter den Häusern von Amstäg hatte Lusser einst Graphit den 
Glimmer in den Glimmerschiefer und Gneiss ähnlichen Gesteinen vertretend ge- 
funden und ein Stück davon in seiner Sammlung aufbewahrt. Später, als er mit 
Escher die Stelle besuchte, ist es ihm aber nicht mehr gelungen, wieder Graphit 
zu entdecken. Ich selbst bin weit entfernt, jede Spur von Graphit und Kalk als 
Beweis für sedimentären Ursprung anzusehen, allein da diese Ansicht doch weit 
verbreitet ist, mag die Lusser'sche Beobachtung manchen für unsere Untersuchungen 
über die Natur der Centralmassive bedeutungsvoll erscheinen. 

So unsicher wir auch über die Entstehung und das Alter mancher Gesteine 
unseres Centralmassives sein mögen, so können wir doch sagen, dass zum mindesten 
paläozoische, wenn nicht noch jüngere Sedimente einen nicht unbedeutenden Theil 
des Centralmassives selbst bilden. Genau gleiche rothe und violette quarzfreie Serni- 
fitschiefer, wie sie im Weisstannenthal normal unter Lias liegen, am Kärpfstock vor- 
kommen, über den Klausen ziehen und auf Vorab und Sardona wie an den schon 
genannten Punkten weit ausserhalb des Centralmassives den Sedimenten parallel liegen, 
wie wir sie am Nordabhang des Piz Dedo concordant zwischen jüngeren Gesteinen 
finden, treffen wir hingegen am Sandgrat, ferner zwischen Sandgietscher und Ober- 



*) A. Favre hat ganz entsprechende Beobachtungen über carbonische Schichten im Centralmassiv 
der Aignilles ronges gemacht. Rech. öeol. II. 360 oben. 



Gesteine bald sedimentisch bald centralmassivisch liegend. 163 

sandalp und im Limmerntobel steil südfallend als Glieder des Centralmassives selbst. 
Die Anthraeitschiefer und die begleitenden talkigen und serieitischen Schiefer, 
Breccien und Sandsteine liegen am Vorder-Bifertengrätli discordant über dem Gneiss 
und fast vollständig concordant unter dem Röthidolomit, sie liegen normal sediment- 
artig. Das gleiche ist der Fall unter dem Stockgron und Stock Pintga und ferner 
südlich von der grossen Windgäile, wo sie an der Umkehr der Lagerung der 
jurassischen Schichten Theil nehmen. An der Kehle südlich vom Piz Urlaun fallen 
die Kohlenschiefer centralmassivisch steil südlich und der Röthidolomit liegt dis- 
cordant darüber. Dort fallt die Discordanz zwischen Gneissgesteine und Kohlen- 
schiefer, hier zwischen Kohlenschiefer und oberen Verrucano mit Röthidolomit. 
(Verglichen Bd. I Abschn. II A, besonders S. 50.) Am Bristenstock endlich gehören 
die Anthraeitschiefer zum Centralmassiv, an zahlreichen anderen Orten fehlen sie. 1 ) 
Sehr viele Verrucano Varietäten , besonders ältere, feldspathhaltige , die in den Um- 
gebungen von Brigels, an den Brigeiserhörnern , auf dem Piz Dartgas, Hausstock, 
Vorab, Kärpfstock echt sedimentartig liegen und die zum Theil auch den Alpnover- 
platten ähnlich sind, finden wir als wahre Glieder des Centralmassives am Tschingei- 
gletscher südlich des Düssistockes, am Cambriales, im obersten Ruseinkessel, im Val 
Gliems, im Gebiet der Sandalpen, besonders der unteren und im Limmernboden. 
An den letzteren Lokalitäten stehen sogar die jüngeren breccienartigen und sand- 
steinigen Sernifite, die jüngeren Gesteine vom Kärpfstock und die Gesteine von 
Ilanz wie der Gneiss nahezu vertikal, während blos einige Quarzitbänke den Röthi- 
dolomit begleiten und auf den Schichtenköpfen des anderen Verrucano's discordant 
liegen. 2 ) 

Als ob der Verrucano die Nähe der Centralmassive scheuen würde, finden 
wir ihn überall in den schweizerischen Ostalpen nur da concordant den Sedimenten 
als deren tiefstes Glied stark, oft massenhaft entwickelt, wo kein Centralmassiv 
vorhanden ist. Bei Vättis, vom Tödi bis weit in's Berner Oberland hinein bildet 
der Röthidolomit anstatt des Verrucano die erste Sedimentschale um den Central- 
massivkörper herum. Die wenigen Verrucanolagen, die ihn hier stellenweise begleiten, 



! ) VergL Lory Bullet, d. 1. Soc. Geol. de France 1873 S. 400. 

*) Dr. Baltzer berichtet in einem eben im Nenen Jahrbuch für Min. und Geol. erschienenen Auf- 
satze über ähnliche Erscheinungen im Berner Oberland im Gadmenthal. Gneiss und „Zwischenbildungen" 
liegen dort meistens discordant, stellenweise concordant; der Verrucano hält sich in der Lagerung im All- 
gemeinen zu den Sedimenten, stellenweise aber zum Gneiss. 



164 Sedimente als Centralmassivgeateine. 

stehen in keiner Beziehung zu den gewaltigen Massen, die er entfernt von Central- 
massiven bildet. Dies hat ohne Zweifel seinen Grund darin, dass der Verru- 
cano, wo starke centralmassivische Bewegungen stattgefunden haben, 
von der Sohle der Kalkformationen abgeschürft und in das Central- 
massiv selbst hineingerissen worden ist. Er kommt dadurch nur gelegent- 
lich discordant mit seinem jüngeren Gliede, dem Röthidolomit in Berührung, 
während dieser oft unmittelbar auf Gneiss liegt. Dadurch hat er gleichzeitig eine 
mechanische Structurveränderung erlitten, welche besonders geeignet war, conglo- 
meratische Structuren zu verwischen und in schiefrige zu verwandeln. Viele Ge- 
steine der casannaartigen Zone mögen gequetschter Verrucano sein. 

Je älter Gesteine sind, desto häufiger finden wir sie central- 
massivisch gestellt. Wir finden die Grenzen in unserer Gruppe einer- 
seits in den obersten jurassischen Sedimenten, welche gleich den noch 
jüngeren niemals mehr centralmassivisch stehen; andererseits liegt sie bei 
den Granitgneissen der Centralzone, welche niemals echt sedimentartig 
liegen. Alle Gesteine, welche zwischen die genannten Endglieder fallen, 
können sowohl jüngeren Sedimenten sich parallel legen, als auch Mulden 
von centralmassivischem Charakter bilden. 

Bis jetzt ist es an vielen Stellen unmöglich geblieben, zu erkennen, ob 
manche undeutliche Gneisse oder verrucanoartige Gesteine jünger, gleich alt, oder 
älter als die Anthracitbildung, ob sie Sedimente oder mechanisch veränderte alte 
krystallinische Schiefergesteine sind. Sollte einst eine ganz scharfe Abgrenzung 
dieser verschiedenen Verrucano- und Gneissvarietäten möglich werden, und an Stelle 
unserer schwankenden und vielfach mangelhaften Bezeichnung Sicherheit treten 
können, so Hessen sich diese Beziehungen noch detaillirter auffuhren, was ihren 
Werth noch bedeutend erhöhen würde. Der wie vielte Theii von den Centrai- 
massiven in aufgerichtete Falten gepresste Sedimente, und wie viel plutonisches Ge- 
stein ist, das können wir nicht sagen, dennoch haben wir den Satz gewonnen: 
Ein Theil der Gesteine der Centralmassive sind Sedimente. 

Studer glaubt die von ihm angenommene active Einwirkung der Central- 
massive auf die Sedimentketten, wie wir oben wiederholt erwähnt haben, aus der 
von ihm behaupteten gänzlichen Verschiedenheit beider Gesteinsmassen in ihrer 
Lagerung folgern zu können. Dass diese Verschiedenheit eine blos scheinbare ist, 
glaube ich in diesem Kapitel nachgewiesen zu haben. Gümbel hingegen betont 



Die Centralmassive von den Sekundärformationen bedeckt. 165 

gerade umgekehrt wie Studer die Gleichheit im allgemeinen Einfallen bei beiden 
Gesteinsgruppen und will hierin die active Einwirkung der Centralmassive sehen: 
„Die in dem Randgebirge zur Durchbildung gekommene Schichtenstellung, tf fahrt 
er fort, „ist nur ein Ausfluss der Gestaltungskräfte, die im Centralstocke thätig 
waren, und sekundär anf das Randgebirge wirkten* 4 (Alpengeb. S. 855). Studer 
und Gümbel kommen hierin durch entgegengesetzte Beobachtung zum gleichen 
Schlüsse. Mit welchem Rechte aber, müssen wir fragen, fasst Gümbel, weil die 
Lagerungen gleichartig sind, den einen Theil als Erzeuger des anderen auf und 
nicht viel mehr beide als gleich passive Folgen einer gemeinsamen Ursache; denn 
auch filr seinen erzeugenden Theil, das Centralmassiv, muss er wiederum nach einer 
anderen Ursache suchen? 



E. Beweis gegen die vermuthete Lateralwirkung der Centralmassive. 

So lange man die Centralmassive als irgendwie activ bei der Alpenbildung 
gegenüber den passiven Sedimenten auffasst, so steht die enorme Faltung der Kalk- 
alpenketten als unwiderleglicher Beweis dafür da, dass diese Activität in einem 
Bei-Seite-Schieben der Sedimente bestanden habe. Ein solches wird dann auch an- 
genommen. Geologen sogar, weiche sich Ausbrüche von weichem Material denken, 
glauben, dass dasselbe auf viele Stunden Breite die Tausende von Füssen mäch- 
tigen, längst viel steiferen Kalkformationen in Falten zusammenzuschieben vermocht 
habe! Es erfordert viel Zeit, bis die letzten Reste und Consequenzen eines Irr- 
thumes, wie die sogenannte Erhebungstheorie der Vulkane, vollständig aus den Vor- 
stellungen der Geister ausdränirt sind. Die Folgen einer unrichtigen Theorie über- 
dauern, durch ihre Inertie die Ursache. Es ist die Aufgabe dieses Kapitels, die 
genannte verbreitete Anschauung durch Beobachtung der Lagerungsverhältnisse zu 
widerlegen. 

Zunächst müssen wir mehr Achtung vor den Wirkungen der Verwitterung 
und Erosion fordern, als sie diesen constanten Veränderungen gewöhnlich gezollt 
wird. Man behauptet, fast ohne einen Beweis für nöthig zu halten, die krystalli- 
nische Centralzone der Alpen, d. h. die Centralmassive, hätten schon in den meso- 
zoischen Meeren als Festland aus dem Wasser emporgeschaut und malt das Meer 
in den kleinen Landkärtchen der Vorzeit, selbst der neuesten Bücher trefflicher 



166 Die Centralmassive von den Sekundärformationen bedeckt. 

Forscher von der Trias- bis zur Eocenzeit nur als eine nördlich der Alpen sich 
hinziehende Meerenge. Viele gehen fast so weit, die Farbgrenzen der geologischen 
Karten nahezu als die Ablagerungsgrenzen der Formationen anzunehmen. 1 ) Man 
verwechselt die Mulden, in welchen jüngere Gesteine erhalten geblieben sind, 
mit Buchten der betreffenden alten Meere. Die im folgenden Kapitel ausgeführten 
Erscheinungen von Discordanzen und Transgressionen, welche ein Erzeugniss erst 
nachträglicher Lagerungsstörungen sind, beeinflussen die Anschauungen hierüber 
nicht unwesentlich. Im Uebrigen erinnern wir hier nur kurz an folgende Punkte: 

Sehr viele Sedimente nehmen, wenn man sie von Norden gegen das Innere 
der Alpen vorschreitend beobachtet, mehr und mehr pelagischen (Tiefmeer-) Cha- 
rakter an. Es gilt dies z. B. im Gebiete unserer Gruppe in ausgezeichnetem 
Grade für oberjurassische Gesteine, in den Ostalpen für manche triasische 2 ) etc. 
Von den Süsswasserbildungen, welche sich in der Jurakette zwischen Jura und 
Kreideforraation einschalten, finden wir in den entsprechenden Zonen der Alpen 
nichts mehr, hier ist der Uebergang durch lauter Tiefmeerbildungen vermittelt. 
Jede Spur von Uferfacies verliert sich, wenn wir vom Jura gegen die Alpen hin 
und über dieselben schreiten. Das südliche Ufer vom Jurameere findet sich erst 
in Afrika. Die einzige Andeutung alpinen Festlandes zur Sekundärzeit bestand in 
Gerollen von schwarzem, anscheinend aus den Alpen stammendem Kalkstein, welche 
in den Purbeckschichten der Jurakette liegen. Im Sommer 1876 hat indessen 
Paul Choffat diesen schwarzen Kalkstein in der Jurakette selbst anstehend und 
Schalen von Planorbis enthaltend, aufgefunden. Sein Stammort ist somit nicht 
in den Alpen gelegen. 

Am Nordrande der Centralmassive angelangt nimmt nicht etwa die Mäch- 
tigkeit der Sedimentformationen ab, es lehnen sich ihre Schichten nicht wie an ein 



l ) Verglichen z. B. Gümbel Bairisches Alpengebirg S. 847, S. 849 und 850 einerseits, S. 139 ande- 
rerseits und ferner Pfaff, Mont Blanc-Studien Zeitschrift der deutsch, geol. Gesellsch. Jan. bis Man: 1876 S. 18. 
In dem zuletzt genannten Aufsatze, besonders im zweiten Theile, finden sich sehr viele mit unserer Anschauung 
und unseren Beobachtungen nicht übereinstimmende Annahmen und Aussprüche. Auf eine systematische Ent- 
gegnung können wir indessen nicht eintreten, weil seine Annahmen und Aussprüche nicht aus der Natur be- 
gründet werden, sondern mehr als eine Probe des Geistes dastehen, wie weit man mit Auslangung und Ein- 
senkung von einer blos willkürlich eigenmächtig angenommenen Grundlage ausgehend, die Erklärung treiben 
könne. Ich halte diese Methode der Forschung für unrichtig und bemühe mich einen ganz anderen Weg 
einzuschlagen. Verglichen ferner die zutreffenden Bemerkungen von Laspeyres in der Zeitschrift der deutsch, 
geol. Ges. 1876 S. 402 — besonders in der Anmerkung. 

8 ) Suess Entstehung der Alpen S. 98 und 99. * 



Die Centralniassive von den Sekundärformationen bedeckt. 167 

Ufer an das Centralmassiv an, sondern sie brechen in steilen Verwitterungsprofilen 
ab. In einiger Entfernung weiter oben auf dem Centralmassive findet man 
meistens noch vereinzelte Fetzen, Reste der früher weiter südlich gehenden Be- 
deckung. Jenseits des ersten Centralmassives, zwischen diesem und dem zweiten 
und manchmal weit im Inneren der Centralzone liegen oft wieder Mulden der 
gleichen Sedimente, die sich sogar nicht selten durch gleiche Facies als Fortsetzung 
der J ursprünglich mit den äusseren zusammenhängenden Schichtmassen erweisen. 
Oft sogar stehen die Sedimentmulden zwischen den Centralmassiven um das Ende 
des Centralmassives herum in ununterbrochener Verbindung mit den ausserhalb in 
den Kalkzonen gelegenen Schichten. Die Triasmassen des Vorarlberg z. B. lassen 
sich um das Silvrettamassiv herum bis zu den gewaltigen Triasbergen der Orteler- 
gruppe am Südabhang der Alpen verfolgen. Die Massive des Mont Blanc und der 
Aiguilles rouges kann man fast vollständig auf jurassischen Gesteinen umkreisen, 
ohne die leisesten Andeutungen von Uferbildungen gegen das Massiv hin zu ent- , 



decken. Die älteren Gesteine zu beiden Seiten der Westalpen in Frankreich und 
der Lombardei zeigen nach Lory bis in den Lias hinauf so absolut übereinstimmende 
Facies, dass sie nur in einem ununterbrochenen Becken abgelagert worden sein 
konnten. Der Jura am Nord- und Südrand der Centralalpen zeigt viel grössere 
Uebereinstimmung als westlich und östlich des Rheines. Zur Triaszeit verhielten 
sich Ost- und Westalpen wesentlich verschieden, während die Ablagerungen an den 
beidseitigen Gehängen der Ostalpen auf vielfach zusammenhängende Meerbecken 
hinweisen. In der Triaszeit theilt eine wichtige geographische Grenze das Alpen- 
gebiet in Ost- und Westhälfte, während Nord- und Südabhang der Ostalpen viel- 
fach die gleichen Bedingungen zeigen und zusammenhängende Meere nachweisen 
lassen. 1 ) Zur Keuperzeit hatten sich die Folgen dieser Trennung eher zu noch 
schärferen Facies unterschieden zugespitzt, welche sich im Verlaufe der Jurazeit 
nur allmälig verwischen oder ausgleichen. Die eocenen Bildungen der Tödi-Wind- 
gällen-Gruppe greifen in den Windgällen und besonders am Bifertenstock etc. noch 
in mächtigen Massen auf den Scheitel des Centralmassives und an seinem Ostende 
auf dessen Südseite über, ohne dabei auch nur die geringsten Andeutungen von der 
Nähe eines Ufers im Süden erkennen zu lassen. Gehört gar ein Theil des Bündt- 



l ) Mojsisovics, Beitrage zur topischen Geologie der Alpen, Jahrbach der k. k. Reichsanstalt 
1873 S. 138. 



168 Die Centralmassive von den Sekundärformationen bedeckt. 

nerschiefers zum Flysch, so hat wohl das eocene Meer die Centralzone der Alpen 
auf weite Erstreckung als Tiefmeer bedeckt. Wir kennen nur für die miocenen 
Gebilde blosse Randablagerungen. Es ist für die Centralalpen sehr bezeich- 
nend, dass die wenigen Gerolle der Miocennagelfluh, deren Stammort in den 
nahe gelegenen Alpen gefunden werden kann, jungen, meist eocenen Gebilden 
angehören, während solche der K reide- und J ura- oder Permschichten (Sernifit) 
der Centralalpen in der Miocennagelfluh sich noch nicht finden, sondern erst 
in der quartären. In den Centralalpen waren somit diese sekundären Gebilde im 
Anfang der Miocenzeit noch gar nicht entbiösst, während allerdings in den Ost- 
alpen die "Entblössung mesozoischer Gesteine schon etwas früher stattgefunden zu 
haben scheint. Dass das Alpengebiet einst vollständig mit einer gleichförmigen 
Decke aller mesozoischen^ und eocenen Sedimente überzogen war, wollen wir selbst- 
verständlich nicht behaupten. 1 ) So viel aber ist doch schon jetzt sicher gestellt, 
dass die Vertheiiung von Land und Meer, so oft sie während Trias, Jura, und 
besonders während der Kreidezeit, deren Schichten die grösste Zahl lokaler Facies 
aufweisen zu können scheint und während der Eocenzeit gewechselt hat, dennoch 
vom Verlauf der heutigen Alpen noch ganz unabhängig war. Die Be- 
deckung der alpinen Centralzone mit Sedimenten war eine nach den verschiedenen 
Formationen und ihrer Mächtigkeit ungleichmässige, vielleicht auch eine stellenweise 
für einzelne Formationen lückenhafte, den verschiedenen Hebungen und Senkungen 
der verschiedenen Gebiete in verschiedenen Zeiten entsprechend, aber sie war doch 
so zu sagen allgemein. Zu welcher Zeit die Alpen, ihre jetzige Gestalt vor- 
zeichnend, zuerst als zusammenhängende Landenge aus dem Wasser ragten, ob 
schon während der Kreidezeit, oder erst während der Tertiärzeit, bleibt noch zu 
erforschen. Es ist selbst noch nicht einmal nachgewiesen, ob die Alpen wirklich 
beim Beginne ihrer Entstehung aus Bedeckung mit Meer emportauchten, oder ob 
sie nicht vielmehr (verglichen den folgenden Abschnitt) auf den Küstengebieten 
eines schon bestehenden Continentes sich aufstauten. Für das letztere spricht 
wenigstens das Vorwiegen der Süsswasserablagerungen in den Randgebilden der 
Nordseite, dasjenige von gleichalten marinen Schichten am Südfusse, während ein 
gleicher durchgreifender Faciesunterschied von Nord- und Südabhang bei allen For- 
mationen, welche älter als die miocenen Randablagerungen sind, nicht vorkommt. 
Für unser Finsteraarmassiv endlich ergibt die Gestaltung des nördlichen 

! ) Vergl. Mojsisovics im oben citirten Aufsätze. 



Sedimentdecke des Finsteraarmassives. 169 

Randes der Kalkformationen an jeder Stelle Belege dafür, dass diese letzteren einst 
das ganze Massiv bedeckt haben 1 ) (vergl. I. Theil Seite 93 und Abschnitt V B). 

Mit der Anschauung vom Seitendruck der Centralmassive steht natürlich 
die weitere Vorstellung in gebundenem Zusammenhang, dass beim Auftauchen eines 
Centralmassives die Sedimente über demselben zerrissen wurden. Wenn auf der 
Höhe der Centralmassive noch Fetzen der Sedimente geblieben sind, so denkt man 
sich dieselben als sitzen gebliebene Zerreissungsstücke. Wickelt man im Geiste diej 
Kalkkettenf alten dann wieder ab, so müssen sie die Centralmassive decken. Wenn 
wir nun untersuchen wollen, ob die Sedimente über dem Centralmassive wirklich 
eine Streckung, ein Zerreissen erfahren haben, so dürfen wir nur die echten Kalk- 
formationen in's Auge fassen und müssen die zweifelhaften Schieferbildungen ausser 
Acht lassen. Die Lateralwirkung der ganzen Centralzone der Alpen kann nur 
nach der Menge, nicht nach der Art von derjenigen eines einzelnen typischen Com- 
ponenten derselben, eines einzelnen Centralmassives verschieden sein. Hierin finden 
wir das Recht, aus den Erscheinungen unseres Finsteraarmassives Antwort auf die 
allgemeinere Frage zu ziehen. 

Unter dem Stockgron, am Piz Ner etc. steigt das Centralmassiv noch auf 
3000 bis 3300 M. Meereshöhe, also so hoch als die höchsten Gipfel des Gott- 
hardmassives. Es hat dabei 12 bis 15 Kilometer an der Oberfläche entblösste 
Breite. Hier müsste es somit noch in seiner vollen Lateralwirkung zu beobachten 
sein, und dieselbe müsste von der genannten Stelle noch viel weiter östlich sich 
verfolgen lassen. Dilatation auf dem Centralmassive, Compression an seinen Flanken, 
das sind die von der gewöhnlichen Vorstellung verlangten Erscheinungen. Sehen 
wir zu, wie es damit steht: 

Die Sedimentdecke in den Profilen IX, X und XI reicht allerdings vom 
Nordabfall bis an den Südabfall des Centralmassives hinüber, zeigt aber dabei 
mehrere Unterbrechungen. Eine solche findet sich z. B. im Gebiet des Sand- 
gletschers. Die Kalkmassen des Spitzälplistockes einerseits, des Tödi andererseits 
scheinen auseinander gerissen zu sein. Allein der scheinbare Riss ist schon 
2 Kilometer weiter nördlich durch einen Grat, der vom Sandgipfel 3418 M. zur 
Sandalp hinuntersteigt und zusammenhängend aus Jura und Röthikalk besteht, voll- 



x ) Verglichen die trefflichen Bemerkungen von A. Favre, Recherches geol. II 360 nnd 361, ferner 

III 151 und 297, die sich auf das Mont-Blanc-Massiv beziehen, ebenso Lory, Bullet, de la Soc. geol. de France 

T. 19, S. 857. 

22 



170 Die Gliederung des Kalkrandes ist nicht Zerreissung. 

ständig überbrückt. Wir gelangen ferner vom Tödi erst südlich nach dem Piz 
Urlaun, dann östlich, später nördlich über die Scheibe und den Selbsanft, endlich 
westlich und südwestlich über den Sandbach durch Gemsälpeli und über den Zu- 
treibistock zuletzt nach dem Spitzälpelistock auf einer ununterbrochenen, mehrere 
hundert Meter starken Brücke oberjurassischer Sedimentschichten. Auf dieser 
Kletterreise finden wir anstatt klaffende Risse nur gedrängte Falten. Die Sediment- 
lücke zwischen Tödi und Spitzälpeli ist somit nicht durch Zerreissen entstanden, 
sondern die Verwitterung hat ein Stück zerkleinert und weggespült, die Unter- 
brechung und das Sichtbarwerden des Centralmassives an seinem Grunde ist Resul- 
tat der Denudation. 

Der sonderbare isolirte Gipfel des kleinen Tödi besteht, wie der grosse Tödi, 
aus weissem Jura. Sollte ihn ein Zerreissen von diesem getrennt haben? Un- 
möglich! Denn unter beiden Gipfeln folgt eine Platte von braunem Jura als ge- 
meinschaftlicher, ununterbrochen zusammenhängender Sockel beider ; der Klein- und 
Gross-Tödi sind nur die Reste, welche die Verwitterung von der früher allgemeinen 
Bedeckung mit weissem Jura übrig gelassen hat. Denken wir uns in nicht allzu- 
ferne Zukunft, da auch der gemeinschaftliche Sockel derart durchfurcht sein wird, 
dass die krystallinische Grundlage zwischen beiden Tödi zu Tage trete, so wäre 
der Gegenbeweis gegen die Zerreissungstheorie schon nicht mehr lokal für diesen 
Fall zu fuhren. So steht es z. B. jetzt mit dem Röthikalkköpfchen auf dem Nord- 
gipfel des Piz Cambriales. Wenn aber für Gesteinsmassen, die der gleichen 
Zone auflagern, der Beweis gegen die Zerreissung durch Dilatation der Unterlage 
geliefert ist, wie könnte man solche für die ganz isolirten Sedimentgipfelchen noch 
aufrecht erhalten? 

Wären die isolirten Sedimentbrocken, die auf dem Centralmassive liegen, 
durch Zerreissung von einander und von dem zusammenhängenden Sedimentrande 
getrennt, so müssten, entsprechend der Dilatation des Centralmassives, in seiner 
Querrichtung Zerreissungen nach Längsspalten weit vorherrschen. Was in der 
Natur stattfindet, ist das Gegentheil hievon. • Die mächtigen Trennungen des Sand- 
alpkesseis, des Limmernbodens, des Val Puntaiglas verlaufen in der Querrichtung, 
und bei den Umrissformen der Sedimente auf dem Centralmassiv ist kein Vor- 
herrschen irgend einer bestimmten Richtung zu erkennen. 

Die Art, wie die, auf die Höhe des Centralmassives an seinem Ende vor- 
geschobenen Posten der Sedimente in ihrem Bücken zum Theü zusammenhängen, sowie 



Belege aus der Sedimentdecke des Finsteraarmassives. 171 

deren Umrissformen beweisen^ dass sie nicht Zerreissungsreste, sondern Denudations- 
reste der früher zusammenhängenden Sedimentdecke sind. 

Man könnte nun nach unserem vorigen Abschnitte denken, dass die Sedi- 
mente über dem Centralmassiv gedehnt seien. Dagegen spricht, dass die einzelnen 
Bänke, z. B. des Röthikalkes im Inneren durchaus massig sind, während Streckung 
eine Clivageschieferung erzeugt hätte. Streckung des ganzen Formationencomplexes 
der Sedimente in diesem Sinne hätte zu Zerreissung, nicht zu Dehnung fähren 
müssen. Wo wir Gesteine gestreckt finden, ist dies ja immer Folge von einseitig 
überwiegendem Druck, nicht von Zug. Die Sedimente bilden über dem Central- 
massiv auch keineswegs ein weites scharf gespanntes Gewölbe. Selbst an den 
einzelnen auf dem Rücken gebliebenen Stücken erkennt man ganz ähnliche auf- 
fallende Stauungsbiegungen , wie sie so äusserst schön an den zusammenhängenden, 
gegen das Massiv aufsteigenden Sedimenträndern entwickelt sind. Misst man die 
Röthikalkbank auf der Strecke, auf welcher sie über das Centralmassiv eine Brücke 
bildet, ausgestreckt gedacht, ab, so erhält man, schon wenn man alle weg erodirten 
Stücke nicht mitrechnet, eine Linie, welche die Breite des Centralmassives 
an Länge übertrifft. Misst man die durch Denudation abgetragenen in andern 
Profilen in ihrer Fortsetzung noch vorhandenen Stücke mit hinzu, so erfahrt man, 
dass hier auf der Breite des Centralmassives eine Zone von Sedi- 
menten gefaltet aufsitzt, welche früher mehr als 3 / 2 ma ^ ^ ast doppelt 
so breit war, als das Centralmassiv ist. Das Centralmassiv hat also nicht 
dilatirend im Alpenkörper gewirkt, sondern stellt im Gegentheil eine Zone dar, welche 



wie die Kalkketten selbst Zusammenschub erlitten hat. 

Für die jüngeren Formationen wird es schwieriger, einen solchen Vergleich 
der jetzigen mit der früheren Zonenbreite anzustellen, indem durch die vorgeschrittene 
Denudation in den oberen Schichten das Messen sich unzuverlässiger gestaltet. 

Wir haben aus unserem Gebiete hier noch einen weiteren, sehr schla- 
genden Beweis gegen eine von den Centralmassiven ausgehende Lateralpression 
vorzuführen : . 

Grosse, zum Theil liegende Falten der Sedimente zu beiden Seiten der Cen- 
tralmassive haben die Theorie vom Seitendruck der Centralmassive hervorgerufen. 
Wenn nun aber eben solche Falten, welche einen gewaltigen Zusammenschub der Erd- 
rinde bezeugen, anstatt an den Flanken, in der fortgesetzten Streichrichtung der Cen- 
tralmassive als Fortsetzung derselben auftreten, so widerspricht dies der genannten 



172 Das Centralmassiv die Glamer-Doppelfalte vertretend. 

Theorie vollständig. Klaffende Längsrisse in den Sedimenten, nicht Falten, sollten 
nach derselben' die Ausläufer der Centralis assive sein. Wäre gar noch die Theorie 
von der Thalbildung durch Spalten richtig, so müssten die Hauptlängsthäler nicht 
zwischen die Centralmassive fallen, sondern hier müssten wir die am höchsten ge- 
stauten Sedimentkämme finden ; die Längsthäler aber müssten am Ende des Central- 
massives beginnen, und in der Fortsetzung ihrer Kückenlinien streichen; tnEfein 
Beispiel anzuführen : das Yorderrheinthal und der Kamm vom Kistenpass nach dem 
Calanda müssten ihre Lage vertauschen. 

Das Ostende des Finsteraarmassives wird von der grössten Schichtumwälzung, 
unserer „Glarner-Doppelfalte" (siehe I. Theil Abschnitt IV) umspannt. Nirgends 
im fortgesetzten Streichen des Centralmassives zeigt sich irgend ein Aufreissen der 
Schichten, wohl aber enorme Stauung und feine Fältelung. Von beiden Seiten 
schlagen oben die gegen diese Linie hin übergelegten enormen Falten wieder fast 
zusammen, so dass die Sedimente fast in dreifacher Lagerung das in der Tiefe ge- 
bliebene Krystallinische bedecken. Am stärksten ist die Stauung und Faltung der 
Sedimentrinden östlich von den Grauen Hörnern und dem Ringelkopf an bis zum 
Hausstock. Dann schiebt sich beim Hausstock und Kistenpass unten das Centralmassiv 
zwischen beide Flügel der Doppelfalte ein ; damit nimmt die Intensität der Doppel- 
falte sofort um mehr als die Hälfte ab. Weiter östlich nimmt der Nordflügel der 
Glarner-Doppelfalte nochmals rasch an Betrag der Ueberschiebung an einer Stelle 
ab, wo das Centralmassiv eben so rasch gegen Osten durch Zutreten einer neuen 
Zone sich verstärkt. Der Nordflügel zieht sich noch, sehr reducirt, bis unter den Titlis 
dem Rande des Centralmassives entlang, die Südfalte hingegen greift in das Central- 
massiv selbst hinein und wird hier rasch auf kurzer Strecke von demselben voll- 
ständig absorbirt. Es besteht also eine gewisse Gegenseitigkeit zwischen dem Cen- 
tralmassiv und der grossen Doppelfalte, sie vertreten sich theilweise. l ) Der Ueber- 
fhiss von Erdrinde, welcher östlich die Doppelfaite gestaut hat, verzehrt sich west- 
licher im Centralmassiv, und dadurch kann die erstere rasch abnehmen. Wenn ein 
Seitendruck vom Centralmassive aus die Sedimente gefaltet hätte, so müssten 
Doppelfalte und Centralmassiv sich steigern, während sie sich umgekehrt ablösen. 
Am Westende des Finsteraarmassives in dessen Verlängerung finden sich ebenfalls 
umgekehrte Lagerungen, auch dort fallen Nummulitep südlich unter älteres Gebirge 



l ) Verglichen den detaillirten Nachweis im I. Theil Abschnitt IV F, 8. 236 und folgende. 



Das Alter der Centralmassive reicht in die Tertiärzeit hinein. 173 

ein. *) Dort sind die Ueberschiebungen nicht genügend untersucht, sie erreichen 
indessen nicht das hohe Maass wie am Ostende. Die fast unglaublichen Faltungen 
der Sedimente, die uns zwischen Vorderrhein und Walensee entgegentreten, sind, 
wie ich glaube, die Folge davon, dass auf dem entsprechenden Querprofil der 
Alpen auf 83 bis' 84 Kilometer gradlinige Breite von der äussersten Antiklinale in 
der Molaßse bis gegen die Rofna am Hinterrhein hin und von den Ausläufern des 
Finsteraar- und Gotthardmassives bis an's Silvrettamassiv hin kein einziges Central- 
massiv sich findet. Wie aber könnten gewaltige Sedimentfalten einerseits und Cen- 
tralmassive andererseits einander ersetzen, wie könnten die ersteren die letzteren 
fortsetzen, was so^greifbar in unserem Gebiete der Fall ist, wenn das eine Folge 
von Compression, das andere im Gegentheil ein Dilatationsprinzip wäre? Viel- 
mehr folgt daraus, dass auch die Centralmassive, durch Zusammenschub der Erd- 
kruste gebildet, nur eine etwas verdecktere Faltung derselben sind. Im Kapitel F 
des Abschnittes IV im I. Theil haben wir die Beziehungen der Sedimentfalten 
zum Centralmassiv genau untersucht und sind dort sogar dazu gelangt, den Zu- 
sammenschub im Centralmassive zu messen (S. 239 bis 241). 
Centralmassive und grosse Falten vertreten sich. 



F. Das Alter der Centralmassive. 

Das Alter der Centralmassive wird von manchen (Lory, Gümbel etc.) als 
bedeutend höher angenommen, als dasjenige der Sedimentfalten; von den anderen 
werden beide Prozesse, Entstehung der Centralmassive und Faltung der Sedimente 
als gleichzeitige Vorgänge angesehen. Schon dasjenige, was wir oben über die 
frühere Bedeckung der Centralmassive mit Sedimentgesteinen gesagt haben, spricht 
theilweise gegen ein höheres Alter der Centralmassive. Dass die Faltung der 
Centralmassive nicht älter als diejenige der Steinkohlenformation und des Ver- 
rucano und Röthidolomit sein kann, glauben wir im Obigen vielfach bewiesen 
zu haben. Der Röthidolomit und die Sekundärformationen liegen stets einander 
concordant. Zwischen den Centralmassiven im Urserenthal, Chamounix etc. und 
im Gebiet der spitzgequetschten in das Centralmassiv eingreifenden Mulden sind 



*) Vergl. Studer Geol. der Schweiz II 8. 3. 



174 Die Centralmassive sind Jungtertiär. 

Gneiss und jurassische Sedimente in gleicher Weise dislocirt; da in den Randketten 
der Alpen zwischen Jura und Tertiärbildungen keine Discordanz liegt, welche auf 
eine ältere Aufrichtung hindeuten würde, so müssen auch die Centralmassive erst 
gegen Ende der Tertiärzeit entstanden sein. Dieser Altersnachweis ist nicht ganz 
scharf, weil er aus einer zu breiten Zone zusammengesucht werden muss, auf 
welcher kleine, der Lokalbeobachtung leicht entgehende Discocdanzen sich schon 
beträchtlich summiren können. Ueberall nun, wo der Röthikalk etwas breit mul- 
denförmig in's Centralmassiv eingreift, senken sich alle jüngeren Schichten, die 
darüber noch vorhanden sind, entsprechend gegen die Mulde ein. Am Biferten- 
stock ist dies selbst für die Nummulitenbildungen sichtbar, es kann somit die Bil- 
dung der Muldenfalte im Centralmassiv nicht älter als höchstens miocen sein. Die 
gewaltigen Faltungen der sämmtlichen Juraschichten im Windgällenkamm, welcher 
die Gesteine des Centralmassives an dessen Rande (Alpnoverplatten und Wind- 
gällenporphyr) sich concordant überlagernd anschmiegen, können nicht älter sein 
als eocen, denn die Nummuliten machen die Falte ebenfalls genau mit (vergl. 
Profil I bis V). Die Faltung des Centralmassives selbst kann also nicht älter sein 
als mittele oder spättertiär. 

Die genannten Belege für das junge Alter der Centralmassive sind alle 
nicht ganz durchschlagend. Es folgt aus obigem nur, dass die Faltung der Cen- 
tralmassive, noch in die Tertiärzeit hinein fortdauerte, nicht aber, dass sie wesent- 
lich jener späten Periode der Erdgeschichte angehöre. 

Die Glarner-Doppelfalte gibt uns zur Aufklärung dieser Frage neue Mittel 
an die Hand. Wir Behen hier, dass eine ungeheure Faltung, welche die Eocen- 
bildungen ganz und voll nuterfasst, der östliche Vertreter des Centralmassives ist, 
und dass nach Westen Stück um Stück dieser Falte vom Centralmassiv absorbirt 
wird, bis sie da ganz verschwindet, wo das Centralmassiv seine volle Breitenent- 
wicklung erlangt hat. Ein solches Verhältniss ist nur möglich, wenn das Central- 
massiv nicht nur in seiner letzten Ausbildung, sondern in seiner ganzen Entwick- 
lung der nacheocenen Zeit angehört. Wir haben ausserdem noch nirgends irgend 
einen Beweis dafür finden können, dass die Centralmassive schon voreocen aufge- 
taucht wären. Gerolle ihrer Gesteine fehlen selbst noch den eocenen Bildungen 
vollständig. 

Aus dem vollständig ähnlichen Gepräge der verschiedenen Centralmassive 
und aus dem gleichartigen Verhalten derselben gegen die Sedimentgesteine der^ 



Die Anschauung von Lory. 175 

zwischengeklemmten Mulden, sowie aus dem einheitlichen System, das die Alpen 
bilden, müssen wir auf gleiches geologisches Alter der meisten Centralmassive schliessen. 
Dass die verschiedenen Falten der Alpen in einer bestimmten Reihenfolge und 
nicht im gleichen Momente ihre Bildung begonnen haben, werden wir später noch 
darlegen; allein die Bildung aller Alpenketten, seien sie Centralmassive oder Sedi- 
mentzonen, fällt doch in ein und dieselbe geologische Periode, in die zweite Hälfte 
der Tertiärzeit. 

Die Faltung der Centralmassive ist Jungtertiär, also gleich alt mit der Fal- 
tung der Sedimentgesteine. 

Lory denkt sich eine ganz allgemeine Faltung und Aufrichtung der älteren 
Schichten bis zur vertikalen Stellung mit nachheriger Denudation der Oberfläche 
nach der Steinkohlenzeit und vor der Triaszeit, dann Senkung, Ablagerung der 
Trias erst in den Mulden des gefalteten Steinkohlenterrain , dann allgemeine Ab- 
lagerung der übrigen Sedimente und endlich letzte Hauptfaltung. Lory bezeichnet 
jedoch auch Gebiete, in welchen die Steinkohlenformation wie die jüngeren Sedimente 
liegt. Ein altes Gebirge der Permzeit kann selbstverständlich eine ganz andere 
Ausdehnung, vielleicht auch eine andere Richtung als die jetzigen Alpen gehabt 
haben. In den Westalpen kann die Erklärung Lory's zutreffen, indem dort die 
Alpen ein solches altes Gebirge decken, während sie für unser specielles Unter- 
suchungsgebiet nicht im Einklang mit den Lagerungsverhältnissen steht. Es handelt 
sich hier nicht um etwas Allgemeines, wie die mechanische Wirkung der Central- 
massive oder ähnliches, was überall nur ein Gleiches sein kann, sondern um eine 
lokale Erscheinung. Ich muss der Lory'schen Erklärung für die Lagerungsdiscor- 
danzen mesozoischer gegenüber paläozoischen Gebilden in ihrer Anwendung auf 
unser Gebiet und in ihrer Verallgemeinerung zur Erklärung der Steilstellung der 
Centralmassivschiefer überhaupt entgegentreten, während ich kein Recht habe, in 
Abrede zu stellen, dass die Westalpen ein altes permisches Gebirge bedecken. 
Ueber das letztere können nur Lokaluntersuchungen, wie sie Lory ausgeführt hat, 
entscheiden. Wenn die Faltung der älteren Gesteine mit folgender Denudation der 
Ablagerung der mesozoischen und tertiären Sedimente vorangegangen ist, so können 
wir erstens die Form der Begrenzungsfläche des Krystallinischen an die Sedimente 
nicht begreifen und dies am Allerwenigsten, wenn wir mit Lory uns während der 
zweiten Faltung die krystallinischen Schiefer und die paläozoischen Gebilde als 
steif, die jüngeren als mehr plastisch vorstellen würden. Es würde das die wunder- 



176 Die Centralma88ive sind Jungtertiär. 

lichsten späteren Lokalbewegungen in den schon vorher gebildeten Centralmassiven 
voraussetzen, Bewegungen, die unnat ürlich sind. Zweitens sind die spitzen Mulden, 
bei welchen ein vollständiger Parallelismus von secundären mit paläozoischen und 
krystallinischen Gebilden vorhanden ist, ein sehr bestim mter Beweis dagegen. Ein 
solches tiefgreifendes Mitschleppen des Röthidolomites, stellenweise auch des untersten 
Jura hätte niemals stattfinden können, wenn vor deren Entstehung die älteren Ge- 
steine sich aufgerichtet hätten. Dass wir auch nicht an eine Aufrichtung gleich 
nach Absatz des Röthikalkes denken können, haben wir schon früher begründet. 
Endlich müsste eine so weitgehende vorsekundäre Aufrichtung der älteren Gesteine, 
wie sie Lory annimmt, eine conglojneratische Structur der ältesten Sekundärbildungen 
erzeugt haben. Bis jetzt sind aber in den Central- und Westalpen meines Wissens 
nirgends Gerolle der Centralmassivgesteine in der Trias- oder Röthigruppe ge- 
funden worden. 

Es ist nach den mir bekannten Thatsachen unseres Gebietes möglich, dass 
eine schwache Faltung der älteren Gebilde vielleicht mit etwas Denudation schon 
vor Ablagerung des Röthikalkes stattgefunden hat. Eine solche würde daß unregel- 
massige Vorkommen der Kohlenformation und_ des Verrucano als der obersten 
Glieder der älteren Gesteine erklären, und müsste die spätere Hauptfaltenbildung 
der alten Gesteine unter den Sedimenten, weil sie dieselbe vorgebildet hatte, wesent- 
lich erleichtert haben. Koch eine weitere Erscheinung Hesse sich durch die An- 
nahme einer schwachen vorsekundären Vorfaltung erklären : Die Streichrichtung der 
krystallinischen Schiefer ist nicht immer ganz genau gleich derjenigen der Sedi- 
mente und nicht selten etwas constanter als diese. Wenn eine Schichtmasse ge- 
faltet ist, un4 aufs Neue zusammenschiebende Kräfte in einer Richtung auf die- 
selbe einwirken, welche nicht zu viel von der Querrichtung der bestehenden Falten 
abweicht, so bilden sich keine neuen Falten in der wenig abweichenden neuen Rich- 
tung, sondern die alten steigern sich. In dieser Weise können alte, vorsekundäre 
schwache Vorfalten richtungsbestimmend für die Falten der alten Schiefergesteine 
geblieben sein, während die Falten in den oberen, jüngeren Lagen, weil ohne Vor- 
gänger gebildet, sich freier senkrecht zur Richtung des neuen Zusammenschubes 
aufstauen konnten. Hierin liegt möglicherweise die Erklärung für das häufige Ab- 
weichen der Streichrichtung der Centralmassivgesteine von demjenigen der Sedimente 
um wenige Grade. Die Haupt faltung, welche die alten Gesteine steil gestellt 1 ) und 

') Also vielleicht 90% der Gesammtdislocation der krystallinischen Schiefer. 



Schwache vorsekundäre Faltung der Centralmassive. 177 

die jetzigen Centralmassive erzeugt hat, kann aber nach dem Vorangegangenen, 
das steht fest, nicht schon vorsekundär eingetreten sein, sondern erst in sehr später, 
in spättertiärer Zeit. Sie hat die sekundären Gesteine theilweise mitgeschleppt^ 
theilweise mechanisch Discordanzen erzeugt, oder diese wesentlich gesteigert. Auf 
Tafel XVI stellt die Figur 9 schematisch dar, wie wir uns im Falle einer schwachen 
älteren Faltung die Lagerung vor der eigentlichen Hauptfaltung im Querprofile vor- / 
zustellen hätten; Fig. 10 würde der Lagerung nach der Hauptfaltung, also demj 
gegenwärtigen Zustande entsprechen. Unsere obigen Resultate stehen aber voll- 
ständig im Widerspruch mit der Ansicht von Lory, welcher die Hauptfaltung der 
Centralmassive als vormesozoisch und nur den letzten Theil als jünger annimmt. 

Schon allein der Nachweis, dass die Centralmassive Zonen der Erdrinde 
sind, welche Zusammenschub erlitten und somit nicht die Nebenzonen im Sinne 
Studer's seitlich gestaut haben können, wäre nach meiner Ansicht genügend, jede 
active Thätigkeit der Centralmassive als unwirklich aus unsern Reflexionen aus- 
zuschliessen. Es wäre auch nicht schwierig, denjenigen zu widerlegen, der auf den 
Einfall käme, sich die Centralmassive als das activ Zusammengeschrumpfte vor- 
zustellen. 

Für alle in den drei letzten Kapiteln D, E und F aufgeführten Beobach- 
tungsreihen können wir an anderen Centralmassiven leicht Beispiele finden. Ganz 
ausgezeichnet hierzu geeignet sind die durch das tiefe Querthal der Rhone auf- 
geschlossenen Ostenden der Centralmassive, der Aiguilles rouges und des Mont 
Blanc. Aus der Karte von Renevier Alpes vaudoises in 1:50000, ferner aus 
Favre's Recherchcs geol. dans le Mont Blanc etc., ist es leicht, Beweise für 
alle oben aufgestellten Sätze herauszulesen. Die ganze Tendenz meiner Arbeit hat 
es mir aber als nothwendig erscheinen lassen, mich vorerst in der theoretischen 
Verwerthung nur an Beobachtungen zu halten, für deren Richtigkeit ich persön- 
lich einstehen kann und es andern zu überlassen, meine Resultate an ihren speciellen 
Forschungsgebieten zu prüfen. 



G. Erklärung der Centralmassive durch die gewonnenen Resultate. 

In den vorangegangenen Kapiteln dieses Abschnittes haben wir eine Reihe 
von Erscheinungen der Centralmassive nachgewiesen, deren erklärenden Zusammen- 

23 



178 Erklärung der Centralmassive. 

hang wir zum Schlüsse zu finden versuchen wollen. Vorerst recapituliren wir in 
ihren Hauptsätzen die bisherigen Resultate: 

Die Erhebung des Alpensystemes ist nicht durch Eruptivgesteine bewirkt; die 
Eruptivgesteine der Alpen sind älter und nur passiv an ihre jetzige Stelle gebracht 
worden. Eruptivgesteine können keine Kettengebirge erzeugen. Was bis jetzt über 
die Lage der Structur krystallinischer Gesteine in den Centralmassiven bekannt ist, 
stimmt mit der Auffassung der Centralmassive als die GewölbetheUe eines Falten- 
systemes der krystalliniscJien Kruste vollständig überein. Die krystallinischen Gesteine 
sind sehr oft am Contaete mit den Sedimenten der Art gebogen, dass sie sich in 
ihrer Lagerung derjenigen der Sedimente mehr oder weniger anschmiegen. Die Sedi- 
mente, in ihrer Lagerung manchmal krystallinischen Hatten vollkommen gleich, be- 
gleiten nicht nur das Centralmassiv an den Flanken, sondern greifen tief in dasselbe 
ein und nehmen an seinem Aufbau wesentlichen Antheil. Diese eingreifenden Sedi- 
mente sind Beste von enggequetschten, stellenweise verquetschten Mulden, nicht aber 
losgebrochene umhüllte Stücke. Die Centralmassive Jiaben nicht durch active Lateral- 
wirkung die Sedimentketten gefaltet, sondern sie sind Zonen der Erdrinde, welche 
früher von Sedimenten bedeckt waren, dann Zusammenschub erlitten haben, und von der 
Verwitterung, und Erosion blosgelegt worden sind. Grosse Falten und Centralmassive 
vertreten sich; die Faltung der Centralmassive ist Jungtertiär, also gleich alt wie die 
Faltung der Sedimentgesteine, eine ältere Faltung kann nur sehr schwach gewesen sein. 

Diese Untersuchungen flihren uns zu dem Resultate, die Centralmassive als 
Faltensysteme aufzufassen, wie wir dies von Zeit zu Zeit schon im Laufe der Unter- 
suchung ausgesprochen haben. Dass wir uns wahrscheinlich unter einem Central- 
massiv nicht ein einziges grosses Gewölbe, sondern ein System von zusammenge- 
pressten Gewölben vorstellen müssen, folgt aus den Wiederholungen gewisser Ge- 
steine, aus dem damit verbundenen wiederholten Schwanken des Fallwinkels in 
manchen Centralmassiven und endlich aus den Beobachtungen, die wir in Ka- 
pitel D, 2 und 3 aufgeführt haben. 

Bis jetzt haben wir noch immer die Schwierigkeiten ungelöst gelassen, 
welche sich der Erklärung für den Fall entgegen stellen, wo die Sedimente flach 
discordant auf den steilen Schiefern der Centralmassive liegen. Wir müssen zu- 
nächst daran erinnern, dass wir eine Menge von Erscheinungen an den Contact- 
flächen kennen, welche auf eine stattgefundene Verschiebung der krystallinischen 
Schieferköpfe an der Unterfläche der Sedimente hindeuten. Reibungsbreccicn, 



Faltung der krystallinischen Schiefer unter den Sedimenten. 179 

Rutschstreifen sind häufig; ferner müssen wir wohl das scharfe Umbiegen, Knicken 
der Gneisse, ihre verworrene Structur und Fältelung am Contacte als Spuren von 
Bewegungen unter hohem Druck deuten. Es gibt Stellen, wo echter Gneiss nahe 
am Contact mehr wie Verrucano wird und viele Stücke von Verrucano, Quarzit und 
Dolomitmarmor eingequetscht enthält, so dass eine unklar verworrene Breccie ent- 
steht, der man ansieht, dass sie unter gewaltigem Druck geknetet worden sein 
muss. Sedimente und krystallinische Schiefer sind in zahlreichen keilförmigen 
kleinen und grossen Gebilden am Contact ineinandergeknetet. Der Horizontaldruck, 
der die Alpen thürmte, wirkte wohl am stärksten in den krystallinischen Schiefern. 
Es folgt dies schon aus der grossen Rolle, welche die Centralmassive spielen und 
ganz besonders, wie wir in diesem Kapitel noch begründen werden, aus der gleich- 
förmigen Stellung ihrer Schiefern und Schichten. Den krystallinischen Schiefern 
gegenüber verhielt sich die Sedimentdecke nur wie die leichte, oberste, und stellen- 
weise unterbrochene Epidermis der sich zusammenschiebenden und runzelnden Rinde. 
Die krystallinischen Schiefer, ursprünglich mehr oder weniger horizontal gelagert, 
begannen sich zu falten und unter den Sedimenten aufzurichten, während diese 
darüber wohl anfangs noch mehr ihre Steifheit behielten, oder dem Druck in ganz 
an deren Ge stalten auswichen. Die krystallinischen Gesteine mussten dadurch an 
den Sedimenten eine rutschende Bewegung annehmen. Ihre Gewölbe, bei immer 
stärkerer seitlicher Compression und dicht aneinander geschlossen, mussten tinter den 
Sedimenten aufbrechen, und ihre Schieferköpfe wurden von dem Druck der Sedi- 
mente und der Reibung am Contact gekrümmt, zu dün nschiefrige n Massen ausg e- 
quetscht oder abgeschliffen. Dadurch entstanden Con ta etbreccien , Knickungen etc., 
ein Wechsel von angeschmiegter und discordanter Stellung. Die Umbiegungen der 
Schichtenköpfe sind oft Reste der Gewölbetheile. An anderen Stellen sanken die 
Sedimente gegen die nicht immer ganz sich schliessenden Mulden des Krystalli- 
nischen ein, wurden in verschiedenen Gestalten eingeklemmt und mitgeschleppt, 
oder zuerst eingeklemmt und später theilweise wieder ausgequetscht. Dadurch sind 
die spitzen Mulden entstanden, welche in die Centralmassive eingreifen, sowie die- 
jenigen zwischen den Massiven. Nach den gemachten Beobachtungen scheint mir 
ein Aufrichten der krystallinischen Schiefer unter den weniger stark oder anders- 
förmig sich faltenden Sedimenten die einzig richtige, und in jeder Beziehung mit 
den Beobachtungen stimmende Erklärung für die bald concordante, bald discordante 
Lagerung von Krystallinischem und Sedimenten zu sein. 



180 



Nachträglich mechanisch entstandene Discordanzen. 



■ '.. -7. 






s *£* 



Hier müssen wir noch einen Augenblick verweilen. Wir haben nichts 
geringeres behauptet, als dass aus der Discordanz älterer und jüngerer Gebilde nicht 
mit Sicherheit auf eine Aufrichtung der älteren und Denudation ihrer Schichten- 
köpfe vor Ablagerung der jüngeren geschlossen werden darf, sondern Discordanzen 
auf ausgedehnten Gebieten nachträglich auf blos mechanischem Wege entstehen 
können. Dafür haben wir aus unserem Gebiete ein unzweideutiges Beispiel: 

Zwischen dem Nord- und Südflügel der gewaltigen Glarner-Doppelfalte finden 
wir die Thäler und die unteren Gehänge der Berge überall aus eocenen Schichten 
gebildet. Diese fallen im Allgemeinen ziemlich steil südlich, oft mit lokalen Varia- 
tionen und Biegungen, oft wieder auf weite Erstreckung ganz gleichmässig. Sie 
bilden (vergl. Abschn. IV, E), eine Schaar von parallel zusammengequetschten, 
nördlich übergelegten Falten. Am Kärpfstock, Foostock, den Grauen Hörnern etc. 
liegt darüber ganz eben, regelmässig gegen Nord sanft abfallend eine jurassische 
Kalkbank und endlich in grossen Massen der überschobene Sernifit des Nordflügels. 
(Vergl. I. Theil Abschnitt IV, ferner: Taf. II und Profile XII bis XX.) Die 
eocenen Schiefer biegen meist oben gegen den Kalk und Verrucano hin flacher um, 
oft in weiteren Bogen, oft schärfer sich knickend und schmiegen sich so der Lage- 
rung des Verrucano an. An anderen Stellen ist dies gar nicht oder nur in ge- 
ringerem Grade der Fall, indem der Kalk und Sernifit discordant auf den Schichten- 
köpfen der eocenen Schiefer liegen. Allerlei Reibungsstreifen, Reibungsbreccien, 
Unregelmässigkeiten in der Schichtung fehlen am Contacte nicht. Die steile Stel- 
lung des Eocenen nahe der discordanten Berührung ist bald Schichtung, bald Cli- 
vage nach den I. Theil S. 216 aufgeführten Fällen. Die Lagerung des Eocenen 
der Doppelfalte ist Folge der gleichen Zusammenschiebung, welche den Verrucano 
als belastende Decke darüber hinauf geschoben hatte. Die Lagerungsstörungen 
waren für beide Gesteinsgruppen fast gleichzeitig und zusammenhängend, und haben 
dennoch eine auffallende weit sich erstreckende Discordanz erzeugt. Hier lässt sich 
nicht behaupten, dass die steilen eocenen Schichten unten schon gefaltet, schief 
aufgerichtet und erodirt worden seien, bevor der Kalk und Verrucano sich darüber 
abgelagert hatten, weil ja hier die bedeckenden Formationen viel älter sind. Die 
Berührungsfläche von Kalk und Verrucano mit dem Eocenen im Gebiete der Glarner- 
Doppelfalte ist ein zweifelloses Beispiel einer auf mehrere D Stunden ausgedehnten 
Discordanzfläche, welche nicht Folge von alter Hebung, Denudat ion und späterem 
Absatz ist. Der Faltungsprozess des Eocenen war hier jünger, als die Ablagerung 



Parallele mit der Glarner-Doppelfalte. 181 

der nicht, oder doch ganz anders gefalteten Deckengesteine. Eine in bestimmter 
Richtung zusammenschiebende gebirgsstauende Kraft kann gleichzeitig verschiedene 
Gesteinsschichten eines concordanten Complexes in ganz anderer Weise dislociren 9 so 
dass atisgedehnte Discordanzen entstehen. 

Die Parallele zwischen diesen Erscheinungen der Doppelfalte und denjenigen 
der Centralmassive springt in die Augen. Dem Eocenen entsprechen bis in die 
meisten Lagerungseinzelheiten hinein die Gesteine der Centralmassive, dem auf- 
liegenden Kalk und Verrucano die sekundären Sedimente. Die Schiefer der Cen- 
tralmassive konnten sich ebensogut wie die eocenen der Doppelfalte erst nach Ab- 
lagerung der sie bedeckenden Sedimente unter denselben faltend aufrichten, während 
die Sedimentdecke unter dem Einfluss der gleichen Kräfte ganz andere dazu dis- 
cordante Faltenformen bildete. Da wie dort sind einzelne Fetzen der Deckenge- 
steine abgeschürft und in die steil stehenden Falten der Unterlage eingehüllt worden; 
da wie dort liegen stellenweise die gleichen Gebilde concordant, die im Allgemeinen 
die Discordanz bilden. 

Wenn die Centralmassive Falten sind, die sich im Wesentlichen gleichzeitig 
und aus gleichen Ursachen wie die Falten in den sekundären Sedimenten bildeten, 
so ist der auffallende, in die Augen springende Lagerungsunterschied von krystal- 
linischen Schiefern und sekundären Sedimenten genetisch nur ein quantitativer. 
Wir wollen noch auf einige Punkte zur Erklärung dieses Contrastes, der in der 
Lagerungseinförmigkeit der krystallinischen Gesteine seine auffallende Seite hat, auf- 
merksam machen. Auch hiefür finden wir in der Lagerung des Eocenen in der 
Doppelfalte manche Analogie. 

Die Schenkel der Falten eines Faltensystemes werden um so mehr in pa- 
rallele Stellung zusammengequetscht sein, je stärker die Seitenpressung war, welche 
die Faltung erzeugt hat. Wenn die Erdrinde für das Erdinnere zu gross wird 
und demselben nachsinken muss, wenn dadurch eine Zone Erdkruste tangential 
heftig gepresst wird und sich zusammenschieben muss, so wird der Druck stets in 
derjenigen Gesteinsmasse am stärksten wirken, welche die Hauptmasse des rings ge- 
schlossenen -Rindengewölbes der Erde bildet. Die der Oberfläche nahen Sedimente 
hatten freieren Raum, um in verschieden geformten Gewölben nach oben auszu- 
weichen und sich zu überschieben, weil sie nur die oberste, nicht mehr genügend 
belastete Haut in nicht überall geschlossener Decke bildeten. Das Maximum des Tan- 
gentialdruckes aber wirkte auf die tieferen Theile, auf die krystallinischen Schiefer, 



I 



182 Erklärung der Einförmigkeit in der Centralmassivstructur. 

die den Grundstock der Erdrinde bilden. Diese konnten zudem, oben mit mächtigen 
Sedimenten bedeckt und seitlich rings um die Erde viel vollständiger geschlossen, viel 
weniger leicht ausweichen. Somit waren die Bedingungen für andere Faltenformen 
in der Tiefe als in der oberen Kruste bei ein und derselben activen Kraft gegeben. 

Im vorigen Abschnitte haben wir in Kapitel D gezeigt, dass durch den 
Gebirgsdruck die tieferen Schichten in einen plastischen Zustand gebracht sind, 
während die oberen sich viel mehr spröde verhalten. Der faltenbildende Horizon- 
talschub muss deshalb die tieferen Massen, zu welchen vor Allem die krystallinischen 
Schiefer gehören, ganz anders, stärker, homogener, gedrängter falten, als die oberen, 
und es müssen dadurch Discordanzen zwischen den unteren und oberen sich bilden. 
Die mechanischen Umstände sind für die Sedimente und die krystallinischen Schiefer 
in Folge des verschiedenen Tiefendruckes sehr verschieden ; die Grenze aber ist 
nicht scharf und deshalb werden die Grenzschichten bald mehr von der tieferen, 
bald mehr von der oberen Bewegung mitgeschleppt. Das Centralmassiv ist also 
blos eine den andern mechanischen Bedingungen entsprechende andere mechanische 
Facies, eine Tiefenfaäes der Faltung durch Horizontalschub. 

Die einförmige Structur der Centralmassive ist übrigens nicht nur auf- 
gerichtete alte Horizontalstructur, Horizontalschichtung etc., sie ist an einzelnen 
Stellen ivohl auch Clivage. 1 ) Wo unter den Sedimenten vielleicht die flachen Ge- 
wölbedecken der krystallinischen Gesteine stellenweise geblieben sind, hat die Com- 
pression ein Clivage erzeugt, das sich nothwendig den Faltenschenkeln parallel stellen 
musste und die Gewölbebiegungen selbst für unser Auge verwischt. An Stellen, wo die 
ächte alte Schieferung oder Schichtung des krystallinischen Gebirges nicht durch Ge- 
steinswechsel sicher zu erkennen ist, werden wir sehr oft nicht zu entscheiden ver- 
mögen, ob wir alte, später steil gestellte Structur oder Clivage, d. h. neue Structur vor 
uns haben. Das eine macht das andere undeutlich, und erzeugt die so häufige Ver- 
worrenheit der Structur am Contacte. Gerade diejenigen Stellen, wo Umbiegungen 
des krystallinischen Gebirges möglicherweise ungebrochen geblieben, sind diejenigen, 
an welchen Clivage am vollkommensten entstehen und die Schieferungseinförmigkeit 
wieder herstellen musste (vergl. S. 71 dieses Theiles das 14. Erscheinungsgesetz). Es 
ist nicht schwierig, im Centralmassive Stellen zu finden, wo zwei sich schneidende 



') Das obige Manuscript war schon in der Brüskere], als mir eine neneste Arbeit von Baltzer aas 
dem Jahrbuch für Mineralogie 1878 im Juni zuging, in welcher ich ebenfalls den Nachweis finde, dass Schich- 
tung und Schieferung zusammen vorkommen. 



\ 



Clivage im Centralmassiv. 183 

Stnicturrichtungen vorkommen ; die eine mag ein Rest der alten Schieferung, die andere 
die neue Druckschieferung sein. In den Gestalten der Mineralkörner entdecken wir oft 
die Folgen von Compression und seitlichem Ausweichen. Granite können in Gneisse 
und Gneisse können in verrucanoartige Gesteine durch Compression tibergehen 
(vergl. IL Theil S. 69). Gerade diese Veränderungen und dieses Schwanken des 
petrographischen Charakters macht unsere Gesteinsbezeichnungen und die Gesteins- 
grenzen in der geologischen Karte so unsicher. Im norwegischen Gebirge, wo 

keine so gewaltigen Faltungen wie in den Alpen vorkommen, wo die alten Gneisse, 

> «% 

wenn auch discordant mit den paläozoischen Gesteinen, doch ziemlich flach liegen, 
sind Granit, Gneiss, Hornblendeschiefer die azoischen verrucanoähnlichen Sparagmit- 
gesteine, Thonschiefer etc. immer klar petrographisch geschieden. Der Gneiss geht 
nicht durch undeutliche Abänderungen in die Talkquarzite etc. über, er ist wie 
aus einem Guss. Structurübergänge, bei welchen man zwischen den petrographischen 
Bezeichnungen Gneiss und Granit schwankt, sind selten. Ist es nicht am Ende 
die mechanische Gesteinsmetamorphose, das Clivage, welches in den Alpen alle 
diese Grenzen so peinlich verwischt hat? Gibt es in den Centralmassiven noch 
Gesteine, welche nicht eine Texturveränderung durch Quetschung erfahren haben? 

Lassen wir uns indessen nicht zu weit reissen L . Dafür, dass die Central- 
massivstructur, entgegen Sharpe, Daubröe und anderen, nicht als Ganzes blos Clivage 
sein kann, liest man sich leicht aus dem Früheren eine Anzahl Gründe zusammen : 
die massigen Gänge in den krystallinischen Schiefern könnten nicht allein massig 
geblieben sein; sie können auch nicht jünger als die Entstehung der Schieferung 
sein, weil die letztere mit der Hebung der Alpen zusammenfallen müsste, nach 
unseren früheren Beobachtungen aber die Gänge viel älter als das Alpengebirge 
sind. Ferner könnte, wenn die Centralmassivstructur als Ganzes nur Clivage wäre, 
nicht eingesehen werden, warum die Schieferung gewöhnlich mit den Centralmassiv- 
gesteinen scharf abschneidet und nur selten nach oben noch etwas in die Sedi- 
mente hineingreift, um sich dort allmälig zu verlieren; endlich widerspricht der 
Auflassung aller Schieferung des Ccntralmassives als Clivage die zonenförmige Ver- 
theilung der Gesteinsarten. 

Was wir zeigen wollten, ist blos, dass Clivage wohl dazu beigetragen hat, 
die Schieferungseinförmigkeit der Centralmassive und damit den Contrast gegen die 

Sedimente zu steigern, sowie die Faltenstructur dem Auge zu verbergen. Die Dis- 

* 

cordanz am Contacte kann nun durch die gleichen 3 Fälle erzeugt werden, wie 



184 Centralmassive sind Falten. 

wir sie für das tiberlagerte Eocen bei der Doppelfalte I. Theil S. 216 aufgeführt 
haben. Die Umbiegung der krystallinischen Schiefer am Contacte kann ein Rest 
der Gewölbeumbiegungen oder auch Clivage sein, welches nachträglich verschleppt 
durch noch weitere Fortsetzung der Bewegungen gekrümmt worden ist. 

Centralmassive, welche ausnahmsweise eine andere Streichrichtung als die- 
jenige der Alpen überhaupt haben (verglichen Kapitel C dieses Abschnittes), können 
uns nicht in mehr Verwunderung setzen als Sediraentfalten, die vom allgemeinen 
Streichen abweichen. Wenn sich eine Faltenschaar durch allgemeinen Zusammen- 
schub bildet, so entstehen immer durch ungleiche Bewegungen in geringer Ent- 
fernung Zwischenspannungen, welche schiefe Falten hervorrufen. Der Faltennatur ent- 
sprechend ist hingegen bisher meines Wissens noch keine Kreuzung von Centralmas- 
siven beobachtet werden, so wenig als eine wirkliche Kreuzung ganzer Kettengebirge. 

Der Theorie von der Faltennatur der Centralmassive ist endlich noch der 
Einwurf entgegengehalten worden, dass die erwartete Symmetrie in den Gesteins- 
abänderungen an beiden Flanken eines Centralmassives nicht vorhanden sei. Im 
ersten Abschnitte unseres Buches haben wir gezeigt, dass symmetrische Wieder- 
holungen, so weit wir sie überhaupt bei der horizontalen Abänderungsfähigkeit der 
krystallinischen Schiefer erwarten können, wirklich vorhanden sind. Weil aber 
Falten und Aufbrechen der Falten der Centralmassive zum Theil unter den noch 
nicht mitgeschleppten Sedimenten stattfand , so fällt durchaus nicht nothwendig die 
orographische Mittellinie eines Centralmassives mit der geologischen Mittellinie zu- 
sammen. Die beiden Seitenlinien des Centralmassives an der Grenze der Sediment- 
bedeckung, welche Grenze überdies zum Theil blos ein vorübergehender Abwitterungs- 
rand ist, sind geologisch ganz unsymmetrisch. Es fanden am Contacte Verschie- 
bungen statt. Diejenigen Gesteine, welche den südlichen Randschiefern eines Cen- 
tralmassives geologisch entsprechen, liegen im einen Fall vielleicht in der Mitte des 
Massives, im anderen nördlich weit unter den überlagernden Sedimenten verborgen. Da 
die verschiedenen Faltcntheile bei aller geologischen Symmetrie schief und verschieden 
hoch sein können, ist die orographisch wirksame und als Centralmassiv denudirte 
Zone bald nur eine halbe^ Falte, bald eine ganze, bald l l / 2) lVa? 2 oder noch 
mehr Falten. Bei den inneren Centralmassiven wird die orographische Mittellinie 
häufiger mit der geologischen zusammenfallen als bei den äusseren. Endlich ist 
nochmals zu betonen, dass die ursprüngliche Entfernung der beiden Randzonen 
eines Centralmassives oft .zu gross war, als dass nicht petrographische Aenderungen, 



SchluBs. 185 

und Facieswechsel bedeutende ursprüngliche Verschiedenheiten ergeben, welche 
durch ungleiche Quetschung noch gesteigert werden konnten. 

Die Schwierigkeit der Favre'schen Theorie der Centralmassive (vergleiche 
die Einleitung zu diesem Abschnitte) bestand in den discordanten Lageru ngen. 
Durch den Nachweis der Möglichkeit und Wahrscheinlichkeit, dass die Falten der 
Centrahna8sivgesteine unter der Sedimentdecke aufgebrochen sind, scheinen mir diese 
Bedenken vollständig gehoben, und die Theorie: Centralmassive sind Falten, aus- 
gearbeitet und bestätigt. 1 ) . 

So haben sich denn die Centralmassive als Falten oder Faltengruppen er- 
kennen lassen. Sie sind die intensiveren Wellen des Kettengebirges, die zuerst 
hoch auftauchend, am frühesten von der Verwitterung angegriffen und bis zu den 
innersten Schichten entblösst worden sind. Sie sind diejenigen Falten, in welchen 
die alten Gesteine am höchsten nach oben ausgewichen sind und von welchen die 
Decke jüngerer Sedimente schon am vollständigsten weggewittert ist. Diese tiefsten 
Gesteine, welche wir beobachten können, stehen den Kräften, die das Kettengebirge 
erzeugten, genau ebenso passiv gegenüber wie die jüngeren Sedimente. Gümbel 
sagt in seinem „bairischen Alpengebirge tt (S. 855), und die meisten Geologen 
stimmten ihm hierin bei: „Die hebende Kraft zerfallt in eine vertikal empor- 
hebende, und in eine nach der Seite hin wirkende und lateral drückende. Die 
letztere übte besonders auf die Randgebilde ihren Einfluss aus. a Allein seitdem 
wir erkannt haben, dass auch die Centralmassive ein Resultat seitlicher Pressung 
sind, ist die letzte festgehaltene Vertikalhebung widerlegt. Was als Kettenhebung 
oder Senkung erscheint, sind nur die nach oben oder nach unten ausgewichenen 
Falten der horizontal zusammengeschobenen Erdrinde. Es ist bis jetzt in den 
Alpen nirgends eine Dislocation entdockt worden, welche die Annahme einer anderen 
ursächlichen Bewegungsrichtung verlangen würde, so sehr man früher an vertikal 
emporpressende Prinzipien dachte. Man wollte selbst die Alpen durch Auslaugung 
und Senkung erklären, allein hier wird behauptet ohne jemals einen einzigen wirk- 



*) Die Einwürfe, welche Pfaff in seiner „Allgemeinen Geologie als exacte Wissenschaft" dagegen 
macht, entspringen- einem blossen Missverständnisse. Wenn Favre seine Gründe dafür angab, dass das Central- 
massiv in fester Form a ufgestiegen sei, so denkt er sich dies Auftauchen in Gestalt einer von Sedimenten be- 
deckten Falte, deren krystallinische Partien allmälig durch Denudation entblösst wurden, aber nicht, wie Pfaff 
l ihm unterschiebt, wie ein von unten eingeschlagener Keil. Diese wie so viele andere Rechnungen von Pfaff 

sind allerdings „exact", aber sie schneiden doch nicht, weil die Prämissen keine „Wissenschaft 14 sind. Wir 
halten diese Methode der Prüfung überhaupt für sehr gefährlich. 

24 



186 Centralmassive sind Falten. 

liehen Beweis zu geben. Mit jeder Falte, mit jedem Kamme weisen die Alpen 
immer auf Horizontalschub als allgemeine und alleinige mechanische Ursache ihrer 
Entstehung hin. Die eigentliche Ursache der Faltung der uns zugänglichen Erd- 
rinde haben wir mit Notwendigkeit in einer Contraction noch tieferer, uns nicht 
zugänglicher Theile der Erde zu suchen. 

Im folgenden Abschnitt wollen wir noch den Betrag dieser Contraction aus 
den Kettengebirgen abzumessen versuchen. Bis hieher haben wir in unserem Ge- 
dankengang nirgends eine Hypothese einfliessen lassen, sondern nur die uns zu- 
gängliche Erdrinde beobachtet. Wir müssen für die zahlreichen verschiedenen 
Hypothesen über die Beschaffenheit des Erdinnern von vorne herein als ein Postulat 
aufstellen, dass sie die Möglichkeit einer solchen Contraction in der Tiefe für die 
vergangenen Perioden, bis und mit der Gegenwart und bis in die Zukunft hinein 
einschliesse. Wir haben keinen einzigen Beweis, nicht einmal einen Wahrschein- 
lichkeitsgrund dafür, dass die Kettengebirge bildenden Bewegungen jetzt aufgehört 
haben, wohl aber viele Wahrscheinlichkeitsgründe dagegen. Ob jene Hypothesen 
die Contraction in der Abkühlung eines flüssigen oder festen Erdkernes, oder tieferer 
Schichten einer festen Schale, oder in anderen Vorgängen suchen wollen, dies zu 
entscheiden ist zunächst nicht unsere Aufgabe. 

Die Alten haben die Alpen als ein Gebirgssystem mit einem Centralknoten 
betrachtet, von dem aus nach allen Richtungen die Wasser strömten. In unserem 
Jahrhundert folgte in der Anschauungsweise der Gelehrten eine übermässige Decen- 
tralisation. Jedem Centralmassive wurde eine gewisse Selbstständigkeit als Hebungs- 
axe zugeschrieben. Heute stehen die Alpen vor meinen Augen wieder als ein 
zusammengehörendes Ganzes da. Alle Centralmassive, alle Kalkketten der 
Alpen haben sich gebildet, weil sie zusammenwirkend in der Summe 
ihrer Faltung einen bestimmten Tangentialschub neutralisiren mussten. 
Wäre eine Falte enger geblieben, so hätte dafür eine andere sich weiter 
wölben müssen. Alle die zahllosen, herrlichen, reichgestalteten Kämme 
und Gipfel, sie sind die Leistung der gleichen Kraft und der gleichen 
^Zeit, so verschieden alt ihr Material sein mag; sie sind vielleicht die 
Leistung der Schwerkraft, welche die Festigkeit der Gesteine zu über- 
winden vermochte und hier Falten aufstaute, während sie die übrige 
Erdrinde dem Erdmittelpunkte um kaum einen Hundertstel näher rückte. 



Abschnitt III. 



Ueber den Bau und die Entstehung der Kettengebirge. 



A. Einleitung. 

Die grösseren Unebenheiten an der Erdoberfläche, welche wir Berge und 
Gebirge nennen, bestehen niemals aus losen unzusammenhängenden erdigen Massen, 
sie haben zum Mindesten einen Kern von festem Gestein. Der anatomische Bau 
einer solchen Bergmasse ist eine nothwendige Folge der Entstehungsart, eine Folge 
der geologischen Vorgänge, welche das Gebirge zum Gebirge gemacht haben. Wir 
finden vier Arten von Bergmassen: 

1) Vulkane. 3) Plateau- oder Massengebirge. 

2) Kwppeng ebirge. 4) Kettengebirge. 

Die Vulkane sind meist einzelne, in Linien angeordnete kegelförmige 
Berge, der Hauptmasse nach durch Aufschüttung von Eruptionsprodukten um 
einen Punkt herum als geschlossener Kegel gebildet. Die Kuppengebirge (Typen 
sind : böhmisches Mittelgebirge, Siebengebirge, vulkanische Eifel, Höhgau, ungarisches 
Trachytgebirge etc.) sind aus einzelnen Berge? zusammengesetzte Gebirge; sie sind 
eine Anhäufung von alten Vulkanen — theils vielleicht homogenen (wie der 
Ausbruch auf Santorin 1866) grösserentheils aber von gewöhnlichen Vulkanen, 
welche im Laufe der Zeit durch Denudation Krater und Tuffmassen so weit ver- 
loren haben, dass der innere Stock compacteren vulkanischen Gesteines als resistenz- 
föhigere Masse gipfelbildend zu Tage tritt. Ganz anders ist es mit den beiden 
letzteren, den Plateau- und den Kettengebirgen: Da sind nicht die einzelnen 
Berge das ursprüngliche, aus dem das Gebirge sich zusammengesetzt 
hat, sondern da ist das Gebirge das ursprüngliche, aus dem erst nach 
und nach die einzelnen Berge und Thäler immer individualisirter durch 



188 Die verschiedenen Arten der Gebirge. 

die Verwitterung herausmodellirt worden sind. Massen- und Kettengebirgen 
liegen grösstenteils Bewegungen der scheinbar festen Erdkruste zu Grunde, und 
zwar wiegt bei den Massengebirgen (Typus: Schwarzwald) Vertikalbewegung 
der Erdkruste vor, die Kettengebirge (Typen: Jura, Alpen, Himalaja), wie wir das 
erst noch genauer darlegen werden, sind durch eine Horizontal bewegung, ein 
in sich Zusammenschieben der äusseren Erdrindenschichten entstanden. Eruptiv- 
gesteine treten bei Massen- und Kettengebirgsbildung gleichzeitig mit der Hebung 
entweder gar nicht auf, oder sie sind ganz sekundäre passive Erscheinungen in der 
Hebungsgeschichte. Die beiden ersten, Vulkane und Kuppengebirge, sind der 
Hauptsache nach durch Aufthürmen von neuem Material aus dem Erdinnern auf 
der alten, oder seither nur wenig gehobenen Oberfläche, die beiden letzteren durch 
relatives Aufsteigen des alten Grundes ohne sichtbare Neubildung von Gesteinen aus 
schon vorhandenen Gesteinen entstanden. Die Entstehung der ersteren ist eine Neubil- 
dung von Gesteinen, die der letzteren eine Ortsveränderung schon vorhandener Gesteine. 

Diese Eintheilung ist orographisch ebenso gerechtfertigt wie anatomisch und 
genetisch. Schon der erste Blick auf eine Karte mit getreuer Terrainzeichnung 
lässt uns selten Zweifel über den Charakter des Gebirges. Vulkane sind aus Kegel 
und Trichtergestalten gebildete Einzelberge. Wir können sagen, ihre Culminationen, 
die Kraterränder, erscheinen auf der Karte als kleine vereinzelte Kreise. Kuppen- 
gebirge sind zusammengesetzt aus einer Menge von oft schön regelmässig und kühn 
gestalteten Kegeln oder domförmigen Kuppen ; ihre Gipfel haben je einen höchsten 
Punkt, und auf einer Karte bestehen die Culminationen eines Kuppengebirges aus 
einem wie hingesäeten Haufen von Punkten. Die Kettengebirge zeigen lang- 
gestreckte, freilich manchmal vielfach zerstückelte gekerbte Kämme, und das geo- 
metrische Bild ihrer Culminationen zeigt eine Schaar ungefähr paralleler und 
gerader, oder wenig gekrümmter Linienstücke. Beim Massengebirge haben wir 
an Stelle der scharfen Punkte und Linien als Culminationen breite wellige Flächen 
mit schwacher Wölbung, und in diese sind die tiefen schmalen Thäler eingeschnitten. 

Es kann vorkommen, dass zwei dieser Gebirgsarten sich decken; so ent- 
stehen Gebirge von gemischtem Charakter. So viel wir bis jetzt wissen, lässt sich 
aber in der Mehrzahl solcher Fälle nachweisen, dass die Bewegungen, welche die 
Schichtenstellungen, die der einen Gebirgsart entsprechen, hervorbrachten, nicht 
gleichzeitig mit denjenigen Vorgängen waren, welche die Erscheinungen erzeugten, 
die der anderen Gebirgsart angehören. Zwischen beiden können weite geologische 



Geschichte der Anschauungen über die Entstehung der Gebirge. 189 

Perioden liegen. In den südamerikanischen Anden scheint jetzt Kettenbildung 
gleichzeitig mit der Thätigkeit von Vulkanen zu sein. 

Schon heute wäre es möglich, über jede der vier genannten Gebirgsarten 
einen dicken Band zu schreiben, das ist aber nicht die Aufgabe, die wir uns ge- 
stellt haben. Eine nähere Betrachtung wollen wir nur den Kettengebirgen widmen. 

Der erste, welcher die Entstehung der Gebirge von der schiefen und ver- 
tikalen Schichtenstellung der ursprünglich horizontal gebildeten Sedimente ableitete, 
war der Däne Steno (1669). Das Active bei der Aufrichtung der Schichten wurde 
in den „Erdbeben und vulkanischen Kräften a gesucht. Die Hauptarbeiten hierüber 
bis etwa zum Jahr 1770 entstanden .in. Italien unter dem die Phantasie erregenden 
Einflüsse der dortigen vulkanischen Erscheinungen. Pallas (1777) unterschied zuerst 
mit aller Bestimmtheit bei den Kettengebirgen eine Centralzone, welche aus „krystal- 
linischen" Gesteinen (Granit, Porphyr, Gneiss etc.) besteht und auf beiden Seiten 
Nebenzonen, welche im Wesentlichen die aufgerichteten Ränder der Sedimentgesteine 
sind. Die Periode der biblischen Geologie, welche noch in dieses Jahrhundert 
hineinragte, vermochte für die Fragen über die Entstehung der Gebirge keinen 
neuen Gedanken und keine neue Beobachtungen zu erzeugen. Werner kannte 
keine Hebungen, keine senkrechten, keine umgebogenen Schichten, sein System war 
nur die Geologie von Sachsen, Reisen machte er keine. Die sanft geneigten 
Schichtungen, die er in Sachsen beobachtete, waren für ihn ursprünglich schief- 
schichtiger Absatz, die Gebirge nur durch Abspülung der Umgebung als solche 
entstanden, Granite, Syenite, Gneisse waren sein „Urgebirge." Sein Geist be- 
herrschte seine Zeit, die vulkanischen Theorien der Gebirgsbildung verstummten. 
Saussure, der ein grosser Beobachter, aber viel weniger Theoretiker war, vermochte 
seine eigenen Beobachtungen nicht mit Nachdruck gegen die Werner'sche An- 
schauungsweise zu deuten, obschon ihm zur Erklärung in erster Linie, freilich nur 
„comme un r6ve, tt der Gedanke an seitlichen Zusammenschub („refoulement") der 
Erdrinde vorschwebte, und zur Beweisführung sein Material sehr reichhaltig ge- 
wesen wäre. Aus Schottland brachen endlich (1795 bis. 1821) Hutton, Play fair, 
Macculloch mit der vulkanischen, nun plutonisch geheissenen Theorie der Italiener 
des vorigen Jahrhunderts in neuer Auflage hervor. Die Italiener stützten sich auf 
die jetzigen Vulkane, die Schotten auf die alten Eruptivgebilde: Gangartiges Auf- 
steigen des Granits und Trapp's hat die Sedimente gehoben, gefaltet und am Con- 
tact umgewandelt. Nun folgte der an Missverständnissen reiche Streit der Neptunisten 



190 Geschichte der Anschauungen über die Entstehung der Gebirge. 

und Vulkanisten. Man verwechselte fortwährend die Entstehung des Gebirges mit "\ 

der Entstehung seiner Gesteine. Im grellsten Widerspruch mit dem thatsächlich 
an den Vulkanen zu beobachtenden wurde die Erhebungstheorie der vulkanischen 
Krater durch Humboldt, Leop. v. Buch, Elie de Baumont etc. aufgestellt und be- 
hauptet Elie de Baumont stellte die einfachen Principien fest, nach welchen durch 
Discordanzen das geologische Alter der Gebirge gefunden werden kann, verlor aber 
später in phantastischen Speculationen den Boden der wissenschaftlichen Unter- 
suchung. Die Kettengebirge wurden von den genannten Forschern und ihren zahl- 
reichen Anhängern als Linearhebungen mit den vulkanischen Kegeln als punkt- 
förmigen Hebungen, die Centralzone der Kettengebirge mit dem inneren Lava und 
Schlackenkegel verglichen ; dem vulkanischen Schlotp oder der Bocca entsprach beim 
Kettengebirge eine lange Spalte. Jeder Beweis für das Vorkommen eines Eruptiv- 
gesteines in der Centralzone wurde als Beweis für die plötzliche vulkanische Hebung 
der Kette angesehen. Als Broch ant de Villier^ zu erst entdeckte, dass an manchen. 
Stellen in den Alpen Gneiss über Sedimentgesteinen liege, schloss man, dass der 
erstere jünger wäre. Die Theorie der Erhebungskrater ist schon vor der Mitte 
dieses Jahrhunderts durch Hofmann, Escher v. d. Linth, Scrope etc. gefallen, der 
"Nachweis ist geleistet und tausendfach bestätigt, dass die Vulkane Aufschüttungs- 
kegel sind, dass die Laven wohl durch Spalten aufbrechen, aber nicht die Schichten 
aufrichten und dass die oft eintretende Hebung des Untergrundes eine ausgebreitetere 
Erscheinung ist, die niemals einen Bergkegel nach Art der Vulkane zu bilden ver- 

/ mag. In ihrer Uebertragung auf die Entstehung der Kettengebirge ist aber die 
Erhebungstheorie durch vulkanische Eruption bis auf den heutigen Tag noch theil- 

\ weise haften geblieben, obschon ihr die Wurzel abgeschnitten worden ist. Dies ist 
eine Folge der Inertie des menschlichen Geistes, der wir alle mehr oder weniger unter- 
worfen sind. Die Anschauung, dass die plutonische Axe, d. h. die Centralmassive, 
Gebirge gehoben hätten, ist nur wenig modificirt worden. Früher nahm man eine 
Eruptivspalte an — jetzt so viele als Centralmassive; früher dachte man sich 
entweder beide Ränder der Spalte gehoben oder bloss der eine gehoben, der andere 
gesunken etc. ; darnach schematisirte man die Querprofile durch die Kettengebirge — 
jetzt erkannte man die Mannigfaltigkeit der Kettenbildung und der Biegungen in den 
Nebenzonen, man sah jetzt, dass diese nur als Resultat eines Zusammenschubes denk- 
bar sind, man schrieb nun den plutonischen Centralmassiven Lateralpression zu, und 
dachte sich dieselben nicht mehr als ganz plötzlich, sondern als andauernder wirksam. 



Geschichte der Anschauungen über die Entstehung der Gebirge. 191 

Als man endlich noch später einsehen musste, dass es auch Kettengebirge ohne C en- 
tralmassive gibt, wurden dieselben als Nebenprodukte der grösseren Ketten mit 
Centralmassiven aufgefasst und ebenfalls dem von der Dilatation der Centralmassive 
herrührenden, in grössere Entfernungen fortgepflanzten Seitendruck zugeschrieben. 
Diesen Standpunkt theilen mit Studer gegenwärtig noch eine grosse Zahl von Geo- 
logen. Es scheint mir sehr wahrscheinlich, dass die Theorie von der Hebung durch 
die plutonischen Centralmassive überhaupt niemals entstanden wäre ohne die nun 
zu Grabe getragene Theorie der Erhebungskrater. Der erste, welcher neben seinen 
übrigen Theorien von einer Runzelung des zu grossen Kernes gesprochen hat, war 
Hu mboldt. Nach der Andeutung Saussure's haben ,vor Allen Const. Prevost, dann 
DanOj A. Favre, Lory und Suess m eines Wissens zuerst die Kettengebirge als eine 
von den Vulkanen fundamental verschiedene Erscheinung aufgefasst. Andere, z. B. 
Giordano, Renevier, Rolle 1 ) etc. sind ganz oder theilweise beigetreten. 

Auf die Geschichte der Formationsbestimmungen in den Alpen einzutreten, 
ist nicht unsere Aufgabe; doch will ich noch erwähnen, dass das erst in den letzten 

drei Jahrzehnten geschwundene Vorurtheil für das hohe Alter der alpinen Hebung 

• 

heute noch theilweise fortdauert. Zwischen dem hier angedeuteten Entwicklungs- 
gang, welchen die Vorstellungen über die Entstehung der Gebirge von Steno bis zu 
unserem Standpunkte gemacht haben, tauchten hie und da noch einzelne abseits 
liegende Gedanken, oft in mehreren verschiedenen Modificationen auf. Es gab und 
gibt noch heute solche, welche die Gebirge durch ungleichförmiges Einsinken der 
Erdkruste von oben nach unten theils in Folge Contraction bei der Erhärtung der 
tieferen Schichten, theils in Folge unterirdischer Auswaschungen durch Sickerwasser 
entstanden denken (J. A. Deluc, Volger, Mohr, Stutz). Das Kapitel C dieses Ab- 
schnittes allein genügt, diese Anschauung gänzlich zu widerlegen — übrigens ist 
es leicht, aus dem vorangegangenen I. wie II. Theil und den übrigen nachfolgen- 
den Kapiteln beliebig viele Beweise dagegen zusammenzulesen. Die richtige Beob- 
achtung, dass manche Unebenheiten der Erdoberfläche durch Einsenkungen entstehen 
können, ist einseitig verallgemeinert worden, oder es ist bei manchen die Theorie 
der Gebirgsbildung durch Einsenkung zum Gegensatz der Ultravulkanisten unter 
dem Einflus8 einer gewissen, allerdings die Objectivität vernichtenden Polarisation 
des Geistes erfunden worden. 



*) Dr. Fr. Rolle über die Landschaft Chiavenna S. 9. 



192 Geschichte der Anschauungen über die Entstehung der Gebirge. 

Alle Gebirgsbildungstheorien nach Werner erkennen einstimmig, dass eine 
Dislocation, d. h. eine Bewegung der Bindentheile eingetreten ist. Die einen nehmen 
die bewegende Kraft von unten nach oben wirkend an: Hebungstheorie. Andere 
lassen die Dislocationskraft von oben nach unten wirken: Senkungstheorie; noch 
andere lassen die Kraft von der Seite wirken: Theorie vom Horizontalschub. In 
der lokalen Wirkung ist der Unterschied dieser drei Theoriengruppen nicht ganz 
scharf, denn jede kann beiderlei: lokale Hebungen und lokale Senkungen erklären. 
Fundamental verschieden sind sie aber in der Kraft, welcher sie die Dislocation 
zuschreiben : Bei der Hebungstheorie expandirt das Erdinnere activ, bei der Theorie 
vom Horizontaldruck erscheint es als contrahirend, die Senkungstheorie will alles 
auf die Einwirkungen des Wassers, oder überhaupt auf Vorgänge zurückführen, 
welche nur nahe der Oberfläche, aber nicht in grosser Tiefe ihren Sitz haben. 
Erheben wir uns über die ganz lokale Wirkung zur allgemeinen Wirkung, welche 
diese drei verschiedenen vermutheten Ursachen haben müssen, dann sehen wir 
mit voller Klarheit ein, dass allein die Theorie vom Horizontalzusam- 
menschub ein ausgedehntes Faltensystem wie die Alpen es in der 
That sind zu erklären vermag, und dass die beiden anderen Theo- 
rien in vollem Widerspruch mit dem thatsächlich zu beobachtenden 
inneren Bau der Kettengebirge stehen. Wir haben im vorliegenden 
Werke keine Veranlassung gefunden, eingehend diese beiden absterbenden anderen 
Theorien noch besonders zu widerlegen. Unser Abschnitt über die Centralmassive 
war gegen die angedeutete Combination der Hebungstheorie mit der Theorie vom 
Horizontalschub gerichtet, welche die Ursache im Aufbrechen von Eruptivgestein, 
das dann an den Sedimenträndern als Seitenschub gewirkt haben soll, sucht. 
Arnold Escher v. d. Linth schwankte zwischen der Anschauung von Studer und 
derjenigen von Favre; er äusserte sich aber gegen seine Schüler in folgenden 
Worten: „So lange wir die Bedeutung und Entstehung der Centralmassive nicht 
mit Sicherheit erkannt haben, so lange ist es noch gar nichts mit unserer Mechanik 
der Alpen. a Im zweiten Abschnitt dieses Theiles haben wir versucht, nicht durch 
allgemeine Betrachtungen, sondern durch Detailbeobachtung die Frage zu lösen. 
Wir sind zu dem Resultate gekommen, dass die Centralmassive Falten der Erdrinde 
sind, welche durch Zusammenschub entstanden sind, und dass die Eruptivgesteine, 
die man in den Alpen beobachtet, wie schon Suess und andere hervorgehoben 
haben, nur passiv mitgeschleppt wurden. Wir gelangten zu dieser reinen Durch- 



Aufgabe dieses Abschnittes. 193 

fiihrung der Theorie vom Horizontalschub durch den Nachweis, dass Bau und Ver- 
halten der eruptiv vermutheten Centralmassive qualitativ gleich ist derjenigen Zone 
der Alpen, von welcher man unmittelbar sieht, dass nur Zusammenschub sie gestaut 
haben kann. Dadurch, sowie durch die vorangegangenen und noch folgenden in* 
diesem Werke niedergelegten Untersuchungen ist der Beweis, dass Kettenge- 
birge durch keine andere Kraft, als durch einen Horizontalschub in der 
Erdrinde gestaut worden sind, mit grösserer Vollständigkeit geleistet, 
als dies bisher der Fall war. 

Wenn wir dem Bau und der Entstehung der Kettengebirge hier noch einen 
Abschnitt widmen, so fassen wir für uns die Aufgabe nicht in dem weiten Sinne, 
wie Suess sich dieselbe in seiner „Entstehung der Alpen 44 gestellt hat. Es steht 
mir nicht im Entferntesten diese Ausdehnung des Beobachtungsgebietes und bei 
weitem nicht diese Literaturkenntniss zu Gebote, welche die Grundlage für ein so 
umfassendes Werk bilden muss. Unsere Untersuchungen erweitern den Rahmen 
der Suess'schen Darstellung und Auffassung nicht, sondern sie sind nur genauere 
Einzelausführungen mechanischer Probleme; sie sind nur Detailmalerei innerhalb 
des von Suess nach der Natur entworfenen und umrahmten Bildes. Wenn ein so 
grosses Bild in den Hauptzügen entworfen und in manchen Theilen schon ausge- 
arbeitet ist, wird es niemals für dasselbe ein Vorwurf, sondern gewiss ganz selbst- 
verständlich sein, wenn noch manche einzelne Beobachtungen sich ergeben, welche 
bisher nicht aufgezeichnet worden sind, hie und da auch durch Detailbeobachtung 
einzelne Veränderungen in der Auffassung noth wendig werden. In der Haupt- 
sache, dass die Kettengebirgsstauung mit einer Verkleinerung des Erdradius zusam- 
menhängt, wie in noch vielen Einzelheiten gehen wir vollständig einig. Ich stelle 
hier noch Resultate zusammen, die ich bei Gelegenheit unserer bisher mitgetheilten 
Beobachtungen gewonnen habe, ohne dort zu ihrer Besprechung passende Stellen 
zu finden. Um diese Gedanken aber nicht allzu zerhackt einzeln hinzustellen, 
verbinden wir sie in diesem Ergänzungsabschnitt durch die Darstellung zum Theil 
allgemein bekannter Erscheinungen der Gebirge — freilich in einer Form, welche 
in dieser Allgemeinheit meistens ebenfalls neu ist. Unsere Untersuchungen be- 
treffen vorwiegend den Nordabfall der Centralalpen. 



25 



194 Die Dißlocation. 



B. Die Dislocationen in den Kettengebirgen. 

Im Inneren der Continente finden wir marine Sedimente oft in bedeutender 
Höhe. Es ist leicht, Stellen in den Alpen zu nennen, wo eine bestimmte Sediment- 
schicht auf hohem Gipfel sich findet, während wir in kaum 2 bis 3 Kilometer 
Horizontaldistanz die gleiche Schicht mit den gleichen Petrefacten die derselben 
marinen Tiefenzone (Facies) angehören 2000 M. tiefer treffen. Es hat also nicht 
nur Vertikalhebung stattgefunden, sondern die Niveauschwankungen haben auf ge- 
ringe Entfernungen gewechselt. Die ursprünglich fast horizontalen Schichten sind 
nicht nur gehoben, sie sind schief aufgerichtet, vertikal gestellt, übergekippt und ver- 
bogen, geknickt oder gebrochen. Alle derartigen Lagerungsstörungen bezeichnet man 
als Dislocationen. Die Dislocation einer Sedimentschicht ist jünger als ihr 
Absatz, ihre Entstehung. Man ist nach diesem zuerst von Elie de Baumont 
angewendeten Principe im Stande, das relative Alter der Gebirgshebungen zu be- 
stimmen. Die meisten Gebirge scheinen sich jedoch nicht durch einmalige Hebung 
gebildet zu haben, es kann die Hebung periodisch in verschiedenen Zeiten einge- 
treten sein. Es gelten dann folgende Sätze: 

1) Die jüngste Lagerungsstörung ist älter als die ältesten nicht mehr 
gestörten Schichten, und jünger als die jüngsten noch gestörten Schichten. 

2) Die älteste erste Lagerungsstörung ist älter als die älteste mit 
der Grundlage discordante Schicht, und jünger als die jüngste mit der ursprüng- 
lichen Grundlage parallele Schicht. 

3) Während Ablagerung paralleler Schichten ist keine Lagerungsstörung 
erfolgt. 

Auf der Discordanzfläche selbst lassen sich am älteren Gestein häufig Ver- 
witterungsabbrüche und Erosionsformen erkennen. Solche beweisen, dass auf die 
ältere Hebung und vor der Ablagerung der jüngeren Schichten eine Festlandszeit, 
eine Denudationszeit gefolgt war. Als Beispiel hiefiir mögen die Klüfte und Spalten 
der Kalke der oberen Juraschichten im Jura gelten, welche mit eocenem und mio- 
cenem, knochenreichem Material gefüllt sind, während die dazwischenliegenden 
Kreidebildungen fehlen. Das Uebergreifen einer jüngeren Bildung über ältere bei 
gleichzeitigem Fehlen der mittleren Bildungen bezeichnet man mit dem Ausdruck 
Transgression. Jede Transgression mariner Sedimente zeigt eine ausgedehnte Sen- 
kung an, welche auf eine Festlandepoche gefolgt ist. 
J 



Transgression — Niveauschwankungen. 195 

Die obigen drei Sätze gelten freilich nur für Dislocationen, welche die 
Schichten aufrichteten, nicht aber für langsame Hebung oder Senkung mit Beibe- 
haltung der ungefähr horizontalen Lage. Im letzteren Falle können wir uns oft 
auf andere Weise helfen: 

1) Das wirkliche Fehlen einer Schichtenstufe zwischen zwei vorhandenen 
beweist, dass die Gegend entweder zur Zwischenzeit dieser Stufe selbst dauernd 
zum Festland gehoben war, oder dass eine Festlandsperiode mit Denudation (Ver- 
witterung und Erosion), welche die jetzt fehlende Stufe zerstörte, der Ablagerung 
der ersten jüngeren vorhandenen Stufe unmittelbar vorangegangen ist. Hiebei 
muss freilich betont werden, dass Zeit und paläontologische Stufe sich nicht immer 
nothwendig decken und aus einer Lücke in den Petrefacten nicht ohne weiteres auf 
eine Lücke in den Ablagerungen geschlossen werden darf. 

2) Der Wechsel der Facies (Seichtmeer, Tiefmeer, Uferfacies, Süsswasser, 
Brack wasserfacies etc.), wie er in den Gesteinsschichten erkennbar ist, lässt uns oft 
Niveauschwankungen ohne Schichtaufrichtungen nachweisen (so liegt z. B. Stein- 
kohle aus Landpflanzen in China, Rheinpreussen und England oft tiefer als die 
Meerfläche, an zahllosen Orten liegen Süsswassergebilde unter Marinen etc.). 

Die älteren Gesteine sind meistens mehr dislocirt als die jüngeren. Dies 
wurde früher als Abnahme der Dislocationskräfte im Laufe der Zeit gedeutet, ist 
aber wohl anders zu erklären : Die Dislocationen entstehen durch Kräfte, die jeden- 
falls meistens tiefer liegen als die Stellen, an denen wir beobachten. Die meisten Dis- 
locationen, die ein jüngeres oberes Gestein treffen, müssen auch die alten durchkreuzen. 
Die Dislocationen in den alten Gesteinen haben sich seit vielen Perioden summirt, 
bei den jüngeren aber sehen wir nur diejenigen Dislocationen, die seit ihrer weniger 
weit zurückliegenden Entstehung die Erdkruste betroffen haben. 

Wir sehen in den Kettengebirgen die Schichten der Erdrinde stellenweise 
muldenförmig einsinken, an anderen Stellen sind sie gewölbeartig aufgestaut. Die 
nach oben hohlen Krümmungen der Felsschichten nennen wir Mulden, die nach 
unten hohlen, nach oben convexen Gewölle. Ein Gewölbe und eine Mulde, die 
sich aneinander schliessen, bilden eine Falte. Jede Falte hat somit einen Mittel- 
schenkel mit einer Umkehr der Krümmungsrichtung, zwei einfach gekrümmte 
Umbiegungen und zwei Seitenschenkel. (Vergl. Taf. XVI Fig. 2.) Mulden 
und Gewölbe wechseln im Querprofil durch das Kettengebirge wiederholt mitein- 
ander ab und stellen eine Reihe von Falten der Erdrinde dar. Diese Falten sind 



196 Die Falten der Kettengebirge. 

alle lang gestreckt, länger als breit. Zwischen den Gewölben in der Längsrichtung 
der Falten liegen häufig Längsthäler, während die Falten stellenweise von Quer- 
thälern durchschnitten werden. Dieser Unterschied von Längsthälern und Quer- 
thälern fehlt bei den anderen Gebirgsarten. Dass die Längsthäler in ihren An- 
fangen die gleichen Bildungsursachen haben wie die Ketten, folgt aus ihrer gleichen 
Lage. Die Längsthäler sind manchmal gewissermassen negative Ketten. — Die 
Querthäler hingegen werden wir von anderen Kräften ableiten müssen. 

Es gibt Linien im Kettengebirge, von denen aus nach beiden Seiten die 
Schichten abfallen, vergleichbar mit einem halboffenen Buche, dessen Rücken nach 
oben gewendet ist, — man heisst sie Anticlinallinien ; und andere Linien, zu denen 
hin auf beiden entgegengesetzten Seiten die Schichten einfallen (halb offenes Buch, 
Rücken nach unten) — die Synclinallinien. Bei einfachen, unter nicht allzu hoher 
Intensität der faltenden Kräfte gestalteten Kettengebirgen liegen die Anticlinallinien 
auf dem höchsten Rücken der Gewölbekämme, die Synclinallinien in der Tiefe der 
Muldenthäler. Bei engem, gedrängtem Kettenbau und starker Denudation kann 
auch eine Anticlinale in ein Thal, eine Synclinale mit einer Kammlinie zusammen- 
fallen. Ein Thal kann ferner zwischen Synclinale und Anticlinale fallen; dann sind 
beidseitig die Schichten in gleichem Sinne geneigt. Solche Thäler nennt man Isoclinal- 
thäler, entsprechende Kämme Isoclinalkämme. Synclinalthäler sind bei wenig inten- 
siver Faltung breit, muldenförmig, beidseitig oft quellenreich. An den Gehängen 
von Anticlinalthälern sind die Felsenschichten terrassenförmig abgebrochen mit pfei- 
lerförmig vorragenden Schichtenköpfen, und die Thäler sind quellenarm. Isoclinal- 
thäler haben die eine Thalwand der einen, die andere der anderen der genannten 
Thalarten entsprechend. 

Durch die Faltung entstehen somit folgende (Taf. XVI Fig. 12 im Quer- 
profil dargestellte) Typen von Längsthälern und Längskämmen: Antidmalkamm 
und Synclinalthal. 

Durch die Zusammenwirkung von Faltung und Erosion, wobei Zerreissen 
der Gewölbe manchmal noch hinzutritt: Anticlinalthal, Synclinalkamm, Isoclinalthal 
und Isoclinalkamm. 

Nicht durch die Faltung, sondern durch die Erosion der Faltung zum Trotze 
modellirt sind (verglichen I. Theil V. Abschn.) Querthal und Querkamm. 

Eine Thallinie oder Kammlinie kann auch schief zu einer Falte verlaufen 
und so streckenweise isoclinalen, streckenweise anticlinalen und sogar synclinalen 



Form der Falten und Yerhältniss zu Thal und Eamm. 197 

Charakter annehmen. Solche schiefe Thäler und Kämme sind vorwiegend ein Re- 
sultat der Denudation und stehen den Querthälern und Querkämmen näher als den 
Längsthälern und Längskämmen. Die Quergliederung ist in den Alpen häufig, im 
Jura seltener. 

Die Gewölbe selbst können vertikal gestellt, nach einer Seite geneigt, oder 
sogar ganz horizontal übergelegt sein, und so unterscheiden wir stehende, ge- 
neigte und liegende Falten. Endlich können die Falten zusammengequetscht 
sein, 60 dass alle Schichten der parallelen Stellung sich nähern (Taf. XVI Fig. 12), ' 
und die Mulde nicht an und für sich ein Thal bildet. Alle Thäler und Kämme 
erhalten dadurch Isoclinalcharakter. Wenn, wie dies sehr häufig der Fall ist, die 
oberen Umbiegungen durch Verwitterung zerstört, die unteren im Boden verborgen 
sind, können wir die Faltung nur durch die Identität mehrerer wieder durch andere 
Schichtencomplexe von einander getrennter Schichten nachweisen, oder mit anderen 
Worten durch die mehrmalige Wiederholung der gleichen Schichte. Eine jüngste 
Schicht, auf deren beiden Seiten ältere in symmetrischer Reihe folgen, ist der Kern 
einer Mulde; eine älteste Schicht, von welcher aus symmetrisch nach beiden Seiten 
jüngere folgen, ist ein Gewölbekern. Solche mehrfache Faltung mit paralleler 
Stellung der Schichten ist im Inneren grosser Kettengebirge bei älteren Schichten- 
complexen häufiger zu beobachten als an den äusseren Randfalten: hier äusserten 
sich die faltenden Kräfte mit grösserer Intensität. In solchen Gebieten zusammen- 
gepresster Faltung sind durch den Schichtenbau die Gewässer gerne in die Streich- 
richtung gewiesen und durch Erosion bilden sich isoclinale Längsthäler. Solche sind 
sehr häufig in den jüngeren Schichten ausgehöhlt, was wohl daraus zu erklären 
ist, dass die Zusammenquetschung sich oft nur langsam und ailmälig vollzieht, so 
dass sich die späteren Erosionsisoclinalthäler leicht aus den anfanglichen, ailmälig 
sich zusammenquetschenden Muldenthälern entwickeln. 

Wenn die Zusammenschiebung der Erdrinde noch weiter geht, so dass die 
isoclinalen Mittelschenkel noch zusammengequetscht werden, weichen die Gewölbe- 
theile nach oben, sogar die Muldentheile manchmal nach unten aus, es entstehen 
die Fächerfalten (Taf. XVI Fig. 12). Je nach dem Grade der Zusammenschie- 
bung haben wir: Normalfalten, Isoclinalfalten und Fächerfalten zu unterscheiden. 
Im Jura und den äusseren Alpenkämmen herrschen die ersteren, in den inneren 
Alpentheilen die beiden letzteren vor. Längsthäler, welche über die Gewölbe von 
Fächerfalten hinweggehen, haben synclinalen Schichtenfall, obschon sie geologisch 



198 Die Verwerfungen. 

auf einer Anticlinallinie liegen (Geschenenthal etc.), solche, welche in den Mulden 
von Fächerfalten liegen (Urserenthal) haben anticlinalen Schichtbau, obschon sie 
geologisch synclinal sind. Entsprechend gibt es denn auch synclinale Anticlinal- 
kämme und anticlinale Synclinalkämme. 

Weitere Dislocationsformen in Kettengebirgen, welche von den angegebenen 
Typen sich durch graduelle Unterschiede als Zwischenglieder ableiten, sind die Falten 
(meist liegend) mit ausgewalzten Mittelsehenkeln, die in Faltenverwerfungen übergehen 
(verglichen I. Theil S. 220 etc.). Zwischen den letzteren und den Ueberschiebungen } 
welche wirklich Verwerfungen sind, ist wiederum keine Grenze. In manchen Ge- 
bieten der Erdrinde sind die Verwerfungen gewöhnlicher als die Biegungen und er- 
setzen diese theilweise; in anderen umgekehrt (verglichen II. Bd. S. 43 etc.). Das 
erstere scheint besonders da der Fall zu sein, wo die zu beobachtenden Schichten 
zur Zeit der Dislocation nicht tief unter der damaligen Oberfläche standen, das 
letztere da, wo das zu beobachtende Gebirge erst durch mächtige Denudation von 
den oberen Schichtmassen entblösst worden ist. Ferner beobachtet man nicht selten 
an den Abhängen der Alpenthäler in den höheren Schichten kleine Verwerfungen, 
die sich nach der Tiefe allmälig ausgleichen oder in Knickungen und zuletzt in 
Biegungen übergehen. Bei der Dislocation bricht die Erdkruste leichter in ihren 
oberen Schichten, biegt sich aber lieber in den belasteten tieferen Lagen. Wo Bie- 
gungen und Verwerfungen neben einander vorkommen, sind sie entweder durch den 
gleichen Dislocationsprozess entstanden, oder sie sind ungleich alt. Im NW- Jura 
gibt es lange sich hinziehende Yerwerfungen von bedeutender Sprunghöhe, welche 
älter als die Faltung sind: Die Faltenketten, welche unter etwas spitzem Winkel 
auf eine Verwerfung stossen, setzen jenseits derselben nicht mehr fort, was nur 
dadurch erklärt werden kann, dass die mechanische Continuität zwischen den beider- 
seits der Verwerfung liegenden Rindenstücken schon vor der Faltung hier gebrochen 
war, wodurch die stauende Kraft beiderseits der Verwerfung sich in ganz ver- 
schiedenen Wirkungen äussern konnte. Ganz grosse Verwerfungslinien kreuzen 
sich ebenfalls nicht, sondern die jüngere setzt, wo sie auf eine ältere trifft, ab; 
jenseits tritt eine andere Verwerfung, eine Biegung oder irgend eine andere Form 
der Dislocation meist erst in verschobener Richtung auf, oder es fehlt gänzlich jede 
Stellvertretung des diesseitigen Rindenbruches. 

Eine weitere wichtige Gruppe von Dislocationen sind die Horizontalver- 
schiebungen. Suess hat nachgewiesen, dass in den Alpen eine Reihe S-N laufender 



Beispiele des Jura. 199 

Horizontalverschiebungen vorkommen, bei welchen jeweilen die östliche Seite weiter 
gegen N vorgeschoben ist. Am Südabhang der Alpen sollen dieselben sehr deut- 
lich ausgebildet sein, gegen den Nordabfall hin sich abschwächen und verlieren. 
Der Betrag der Verschiebung soll oft viele Kilometer gross sein. Die Richtung 
derselben bleibt auf eine viel grössere Ausdehnung gleichförmig, als die Richtung 
der Falten. Erdbeben, welche quer zu den Alpen sich ausbreiten (Belluno etc.), 
haben ihren Sitz in der Weiterausbildung solcher Verschiebungen, während durch 
die fortgesetzte Stauung der Falten Längsbeben entstehen. Als Beispiele für solche 
Horizontalverschiebungen nennen wir die Thermen-Linie, welche WSW — ONO 
laufend die Alpen südlich von Wien begrenzt ; es gehört hierher vielleicht die alte 
Rheinlinie in den Alpen, eine Bruchlinie am Südabhang der Karpathen, mehrere 
solche Hofizontalverschiebungen im Jura, die Krinnen im Sentisgebiet etc. Da ich 
selbst über diese Art der Horizontaldislocationen noch kein eigenes Beobachtungs- 
material habe, muss ich es hier bei dieser Citation der Beobachtungen von Suess 
bewenden lassen. 

Die Faltung eines Kettengebirges ist wahrscheinlich niemals die erste und 
letzte Bewegung der Erdkruste an der betreffenden Stelle gewesen. 1 ) In allen mir 
näher bekannten Fällen sind ausgedehnte continentale Hebungen und Senkungen 
der Faltenbildung vorangegangen und häufig auch nachgefolgt. Die beiden Be- 
wegungsarten der Erdrinde: Faltung und ausgedehnte Vertikalschwankungen 
scheinen sich an ein und derselben Stelle weder gegenseitig zu bedingen, noch aus- 
zuschliessen ; in ihrer Wirkung haben wir sie aber klar als FestlandsbUdende und 
als Kettenbildende von einander zu unterscheiden. Einige Beispiele aus der Geschichte 
gebirgiger Gegenden wird diesen Unterschied am besten kennzeichnen. 

So beobachten wir z. B. im Jura viele continentale Niveauschwankungen 
während der jurassischen und cretacischen Periode. Der östlichste Theil hatte sich 
am Ende der Jurazeit schon aus dem Meer -emporgehoben, der mittlere stieg erst 



') Auf eine Widerlegung der Ansichten über die Bildung von Kettengebirgen, wie wir sie bei 
Mohr nnd Volger finden, trete ich hier nicht ein. Ich darf annehmen, dass meine Leser bereits so weit mit 
dem (iebirgsbau der Alpen vertraut sind, dass sie die Widersprüche jener Theorien schon entdeckt haben. 
Wenn Volger die Falten an den am mindesten belasteten Stellen durch eine stärkere Belastung daneben ge- 
presst auftauchen lässt, so wird Jedermann selbst finden, dass es nach Volger's Theorie nur Anticlinalthäler 
geben könnte, dass dann die Richtung der Ketten durch den Lauf der Flüsse mit ihren baumförmigen Ver- 
zweigungen bestimmt werden musste und dass zur Bildung ganzer Faltenschaaren, wie wir sie in den Ketten- 
gebirgen finden, eben solche unerklärliche Systeme streifenförmiger Belastung müssten angenommen werden. 



V-. 



200 



Wiederholte Dislocationen in derselben Gegend. 



nachher. Während im Ostjura die Kreidebildungen ganz fehlen, finden wir von 
Biel an westlich die untersten und alhnälig noch einige weitere Kreidestufen vor- 
handen. Die mittlere und obere Kreide scheint überall zu fehlen. Die Continental- 
hebung begann also im Osten und schritt westlich vor. Aus der Eocenzeit finden 
sich Festland- und Süsswasserbildungen. In dieser Epoche erfolgt die erste aber 
noch schwache Faltung. Continentalschwankungen etwas verschieden in den ver- 
schiedenen Theilen gehen parallel daneben, indem Süsswasser- und Meeresbildungen 
in den Molasseschichten abwechseln. Die Hauptfaltung, welche aus den ersten 

j 

sanften Wellen das Kettengebirge thürmte, folgte der Oehn inger-Molasse erst nach 
und richtete diese um einen bedeutenderen Winkel auf als der Discordanzwinkel 
zwischen Molasse und Jurabildungen beträgt. Leider ist trotz den vielen Unter- 
suchungen einer grossen Zahl von Forschern der Jura noch viel zu ungenügend 
bekannt, um eine auch nur annähernd vollständige Tabelle der Niveauschwankungen 
geben zu können, die sich nicht nur auf einen einzigen Theil des Jura bezieht. 

Für die Alpen stösst dies natürlich auf noch grössere Schwierigkeiten. In 
ganz allgemeinen von lokalen UngleichfÖrmigkeiten absehenden Umrissen, gibt die 
folgende Tabelle einen kurzen Ueberblick über die Hebungsgeschichte der Alpen : 

Schematische Uebersicht Ober die allgemeineren grosseren Bewegungen der Erdrinde im Gebiete der jetzigen Alpen. 



Zeit und 
Ablagerung. 


West- und Centralalpen. 


Zustand. 


Ostalpen. 


Zustand. 


Vorgänge, Bewegungen der Erd- 
rinde. 


Quartär 


Alluvionen , Schuttkegel, 
erratische Bildungen. 


Festland 


Alluvionen , Schuttkegel, 
erratische Bildung. 


Festland 


Delta- und Schuttkegelbildung. 
Ausbreitung der Gletscher. 
Fortentwicklung der Thäler in 


Pliocen 


fehlt am Nordabhang 


Festland 
Haupt- 
Faltung. 

Festland 

Beginn der 
Faltung. 


fehlt am Nordabhang 


Festland 
Faltung 

Festland 


die tieferen Terrassen und 
Thalstufen, Bildung der Rand- 
seen. Einheitliche Hauptfal- 
tung, grosse Continuität der 
Molassefalten. Successive Stau- 
ung der äusseren Falten. 


Miocen 


bald Süsswasser, bald ma- 
rin, blos am Rande der 
Alpen. Innere Ketten 
bleibend Festland. 


bald Süsswasser bald ma- 
rine Bildungen in Rand- 
seen und Randmeeren 
der Alpen. Innere Ket- 
ten bleibend Festland. 


Gleichzeitig dauern Continental- 
schwankungen fort. Entstehung 
der Glarner-Doppelfaltc und des 
Finsteraarmassives. Die Fal- 
tung wird kraftig, die inneren 
Alpen zusammenhängend. 




| 







Die Alpen. 



201 



Zeit und 
Ablagerung. 



Eocen 



West- und Centralalpen. 



Obere 



a> 



Mittlere 



Untere 



Malm 



Dogger 



Lias 



Rhätien 



Trias 



Perm 



Carbon 



Devon 
Silur 



Cambrisch 



erratische Bildungen im 
Flysch, stark meist pe- 
lagiech bis in die inne- 
ren Ketten, die noch 
keine zusammenhängen- 
den Inseln bilden. 



Centralalpen: Marine Ab- 
lagerungen 



nach Verbreitung u. Mäch- 
tigkeit stark entwickelt. 



Corallenfacies. 
Mächtige pelagische Ge- 
bilde (Hochgebirgskalk) 

ziemlich gleichförmig. 



Ungleichförmige marine 
Niederschläge. 



Fehlt Centralalpen. 
Westalpen mariner Nieder- 
schlag. 

Fehlt westlich vom Rhein 
in den Centralalpen. 

Westalpen Gyps, Dolomit 
etc. 



Sernifit, Yerrucano. Erup- 
tionen von Porphyr, Me- 
laphyr, Spilit etc. 



Anthracitschiefer, Yerru- 
cano, zum Theil 



graue und grüne Schiefer, 
Casannaschiefer etc.? 



Zustand. 



Beginn der 
Faltung 

Meer 



Meer 



Meer 



Meer 



Seichtmeer 
Hebung 
Tiefmeer 

Senkung 

Meer 
Senkung 

Meer 

Senkung 

Festland 

und Meer 

Festland 
Binnen- 
meer 
Senkung. 



viel Ufer 
und Fest- 
land 



Festland 

Hebung 
Meer? 



Ostalpen. 



Starke marine Bildung nicht 
bis in die innersten Ket- 
ten. 



N- Abdachung lokale, S- Ab- 
dachung allgemeinere 
Ablagerungen, Cenoma- 



men marin. 



Fehlt. 



N-Abdachung lokale, S- Ab- 
dachung stärkere u. all- 
gemeinere Sedimentbild. 



wenig mächtige, meist 
nicht pelagische marine 
Sedimente 



mächtige marine Ablage- 
rungen an beiden Ab- 
hängen 



mächtige, petrefactenreiche 
marine Niederschi, vom 
N- bis S-Abhang. 



Eruptionen von Quarz- 
porphyr, Angitporphyr 
etc. 



Denudation von Silur. An- 
thracitschieferbild. Koh- 
lenkalk, Culm. 



wechselnde Facies, marine 
Niederschläge mit Pe- 
trefacten. 



Zustand. 



Faltung 



Meer 



Meer 
Hebung 

Meer 
Senkung 

Festland 

Hebung 
Meer 



Meer 

Meer 
Hebung 



Tiefmeer 



Tiefmeer 



Senkung 

viel Ufer 
u. Festland 



Festland 
Meer 

Hebung 
Meer 



Eruptionen von Granit, Eurit, Syenit, Qabbro, Diorit etc. gangförmig in den 

krystallinischen Schiefern. 



Vorgänge, Bewegungen der Erd- 
rinde. 



Kettenbildung in den Ostalpen 
etwas früher, als in den Cen- 
tralalpen. 

Erstes Auftauchen von Inseln 
im Gebiet der inneren Ketten? 
Lokalere Bodenschwankungen 
Cenomantransgression in den 
Ostalpen. 

Westhälfte noch tiefer als Nord- 
theil der Osthälfte, der Süd- 
theil der Osthälfte bewegt sich 
mehr mit der Westhälfte. 



Westhälfte versenkt, Osthälfte 
gehoben, Grenze am Rhein. 
Centralalpen ganz von Tief- 
meer überfluthet. Keine Inseln 
im Inneren. 

Ostalpen wechselnde Facies, ar- 
chipelisch. 



Westalpen ganz überfluthet. Trans- 
gression des Jura in den Cen- 
tralalpen. 

Osthälfte versenkt, Westhälfte 
gehoben, Grenze am Rhein. 

Ostalpen ganz vom Tiefmeer über- 
fluthet. Keine Inseln im Inne- 
ren, — Centralalpen Festland 
— Westalpen binnenmeerisch. 
Transgression des Trias in den 
Ostalpen, 



Uferland, altvulkanische Decken 
und Kuppen, durch Verwitte- 
rung ausgeglichen. Erste Fal- 
tung und Aufrichtung der 
Schichten in den Westalpen 
(Lory) 

auf vielen flachen Inseln oder 
Theilen eines Continentes fan- 
den Torfbildungen statt. 



26 



202 



Wiederholte Dislocationen in derselben Gegend. 



Diese Tabelle steht im Widerspruch mit den meisten Kärtchen über' die 
frühere Verbreitung der Meere wie man sie oft in Lehrbüchern und Sammelwerken 
findet. Einiges hierüber und über die Unterschätzung der Erosion durch viele 
Geologen haben wir schon im I. Bd. S. 93 und im II. Bd. S. 165 und 
folgende aufgeführt. Betreffend die Niveauschwankungen der Tertiärzeit sind noch 
die merkwürdigen Resultate zu erwähnen, welche Prof. Dr. K. Mayer in 
Zürich 1 ) durch seine langjährigen Untersuchungen über die Tertiärbildungen am 
Nord- und Südrand der Alpen und im Appennin gewonnen hat. Er fand, dass am 
Nordrand und Südrand der beginnenden Alpen stets Land oder Süsswasserfacies 
mit mariner Facies abwechselt, und zwar so, dass jeweilen der eine Fuss tief liegt, 
wenn der andere etwa 1000 M. höher steht, wie folgt: 

Stufe. I Schweiz. I Appennin N. v. Genua. 



Ober-Aquitanien 


— Hebung. — 


— Senkung. — 


Langhien 


Graue Molasse , Süsswasser- 
bildung. 


Tiefmeerbildungen. 




— Senkung. — 


— Hebung und Ausfüllung. — 




Marine Molasse von St. Gal- 




Helvetien 


len, Luzern und bis an 
den Jura. 


Brackwasserbildungen. 




— Hebung. — 


— Senkung. — 




Rothe Geröllmergel , lokale 




Tortonien 


Flussbildungen. (Winkeln 
etc.) 


Tiefseebildung. 


MpssiniPTi 


Obere Süsswassermolasse und 


Meistens marine Ablagerun- 


.lXft.V/901JUAC/l_L 


Landfacies. 


gen. 


Pliocen 


Festland. 


Marine blaue Mergel und Sand. 



Es ist unmöglich, anzugeben, welches die ersten Niveauschwankungen der 
Erdrinde im Gebiet der Alpen waren. Wichtiger als diese Frage ist für uns die 
Zeit der ersten faltenden Erdrindenbewegung. Lory glaubt bestimmt, für die 
Westalpen eine solche am Schlüsse der paläozoischen Zeit annehmen zu müssen. 
Wenn eine erste Faltung in den Centralalpen überhaupt schon damals aufgetreten 
ist, war sie jedenfalls noch sehr gering und wurde von einer späteren Senkung 



l ) Notizen nach einem Vortrag gehalten in der Naturf. Gesellsch. Zürich im Febr. 1878. 



Schaaren der Falten. 203 

wieder so sehr in ihrer Wirkung geschwächt, dass in der Sekundärzeit Nord- und 
Südabhang der Ostalpen nur ein Meer-Becken zusammen bildeten und ebenso Nord- 
und Südrand der Westalpen, während die geographische Grenze zwischen Ost- und 
Centralalpen quer zur jetzigen Gebirgskette verläuft. Für die Erscheinung der jetzigen 
Alpen als Gebirge war eine permische oder doch vor-mesozoische Faltung ohne 
Ein flu ss. Die Faltung zum jetzt noch vorhandenen Gebirge begann erst, nach- 
dem die mesozoischen Gebilde sich concordant übereinander abgelagert hatten. 
Trennung in Faciesbecken zwischen Ketten soll in der Kreide der Ostalpen schon 
deutlich sein, in den Centralalpen ist die erste nachweisbare Faltung nach-eocen 
und nach-eocen ist auch die Faltung des Finsteraarmassives. 

Alpen und Jura sind Beispiele für sehr späte Faltung der Erdrinde. Wir 
kennen auch ältere Faltungen, z. B. die Alleghanys in Nordamerika, wo die Faltung 
noch die Steinkohlen mitbetrifft, aber älter als die Ablagerung der Kreideformation 
ist, und die Kohlenmulde bei Aachen, wo der Faltung eine lange Denudationsperiode 
folgte, auf deren ebener Erosionsfläche sich erst später die Kreideschichten ablagerten. 
Ganz alte Faltungen, die jetzt noch als Gebirge orographische Bedeutung hätten, 
sind offenbar selten. Jene alten Kettengebirge sind von der Denudation zum 
hügeligen Hochland (Rheinische Schiefer und Grauwackengcbirge) oder gar wie bei 
Aachen zur Tiefebene heruntergehobelt, so dass die einstige Existenz eines Ketten- 
gebirges sich nur noch aus der inneren gefalteten Structur des Bodens ersehen lässt. 

Es sind kaum Kettengebirge bekannt, die aus einer einzigen Falte beständen, 
sondern wir haben meist eine ganze Schaar von Falten vor uns. Die Längs- 
richtung der einzelnen Falten ist mehr oder weniger gleich derjenigen des ganzen 
Kettengebirges. Keine Falte durchzieht ein grösseres Kettengebirge seiner ganzen 
Länge nach; der einzelne Erhebungsrücken taucht auf, hat einen beschränkten 
Längsverlauf und taucht wieder unter. In der directen oder verschobenen Fort- 
setzung vertritt ihn eine neue Falte, durch die gleiche Kraft gebildet. So entsteht 
im Grundriss ein Bild, das den Falten entspricht, welche ein ausgebreitetes und 
dann zusammengeschobenes Tuch wirft. Für den Jura ist es heutzutage nicht mehr 
schwierig, solche Grundrisse zu entwerfen; für die Alpen, der kolossalen Zusammen- 
drängung und Uebereinanderschiebung der Falten halber, in manchen Gebieten wohl 
fast unmöglich. Während das Juragebirge im Ganzen etwa 320 Kilom. lang ist, 
finden wir, wenn wir die Länge der einzelnen Falten messen, beispielsweise 
folgende Zahlen: 12, 27, 28, 31, 45, 14, 51, 92, 48 und in einem Falle sogar 



204 Kettengebirge sind Faltenschaaren. 

162 (?) Kilom. Die Längenerstreckung einiger grösserer Falten der Alpen beispiels- 
weise gemessen ergibt folgende Zahlen : 4, 12, 45, 21, 11, 17, 21, 30, 84, 160, 
258, 122, 61, 42 etc. Kilom. Die Länge der Falten steht in keiner Beziehung 
zu ihrer Höhe. Während die höchsten Gipfel häufig durch die längsten Falten 
gebildet werden, ist z. B. der Sentisgipfel die höchste und kürzeste der sechs ge- 
waltigen Gewölbefalten der Sentisgruppe. In der Querrichtung zählen wir im Jura 
im Gebiete seiner Hauptentwicklung gewöhnlich 10 bis 12 Parallelfalten. In den 
Alpen, selbst wenn wir nur die grossen, wirklich kettenbildenden rechnen, steigt 
ihre Zahl in einem Querprofil meistens auf 20 bis 30. Thurmann zählte für das 
Juragebirge im Ganzen ungefähr 160 Falten, für die Alpen ist es zur Stunde noch 
unmöglich, ihre Zahl auch nur annähernd anzugeben, geschweige für andere noch 
grössere Kettengebirge. 

Die Schichten aller Formationen, die in Faltengebirgen vorkommen, machen 
die grosse Faltenbildung in ähnlicher Weise mit, sobald sie älter als die Gebirgs- 
hebung sind. Wir finden Faltengebirge, deren Falten aus alten, und ganz ähnliche, 
deren Falten aus jüngeren Schichten bestehen. Wenn innerhalb eines Kettenge- 
birges eine Formation ihre Facies ändert, so hat das auf die Faltenbildung wiederum 
keinen wesentlichen Einfluss. Die Faltung ist somit ein mechanischer Vorgang, 
der unabhängig von dem Alter und im Wesentlichen auch unabhängig von der 
Beschaffenheit der Schichten eingetreten ist, und alle bisher vorhandenen Schichten 
in ähnlicher Weise erfasst hat. Die Ursache der Faltenbiidung selbst muss somit 
in etwas grösserer Tiefe gesucht werden, sie kann nicht in den gefalteten Schichten, 
die wir beobachten, selbst liegen. Modificationen in der Faltung, die von der Ge- 
steinsbeschaffenheit abhängen, sind den grossen Kettenfalten ganz untergeordnete 
Detailerscheinungen (vergleiche I. Theil S. 40 etc.). 

Grössere Kettengebirge sind gewöhnlich nach folgendem Schema gebaut: 
An den Rändern steigen die jüngeren Schichten gegen das Gebirge auf: sie bilden 
einen Isociinalkamm. Gegen das innere Gebirge weisen sie einen durch Abwitte- 
rung entstandenen Steilabfall. Darunter steigen die älteren Schichten auf. Je 
weiter wir in das Innere vordringen, um so älter sind die entblössten Gesteine, 
an der mittleren Zone tritt die krystallinisch schiefrige Schale der Erde, das eigent- 
liche Grundgebirge zu Tage. Von Aussen nach Innen folgen also in der Streich- 
richtung des Gebirges Zonen stets älterer Gesteine. Jede dieser Zonen ist wiederum 
gefaltet. Jede Formation treffen wir von Aussen nach Innen zuerst an vereinzelten 



Die Einseitigkeit des Baues. 205 

Stellen durch tiefe Erosionen entblösst, dann als zusammenhängende mehrere Ketten 
bildende aber im Allgemeinen ansteigende Zone, später gelangen wir an ihren aus- 
gefetzten Verwitterungsrand, endlich finden wir nur noch einzelne Fetzen auf den 
älteren Gesteinen aufsitzen oder als in deren Mulden eingeklemmte Zonen. Die 
äusseren aus jüngeren Gesteinen bestehenden Zonen bilden die niedrigeren Ketten, 
nach Innen nehmen die Ketten an Höhe ihrer Culminationspunkte zu. Wenn auch 
durch Gedrängtheit und Ueberliegen der Falten die Schichten gegen das Gebirge 
einfallen und bald hoch ansteigen, bald tief untertauchen, steigen im Ganzen die 
Formationen doch gebirgseinwärts an. 

Die amerikanischen Geologen, mit besonderer Intensität Dana, haben schon 
lange betont, dass die Gebirge einseitig, nicht symmetrisch gebaut seien; dass die 

-r» . 

zu beiden Seiten einer Zone aus krystallinischen Silicatgesteinen sich hinziehenden 
Zonen jüngerer Sedimentgesteine nicht gleichwerthig in ihrem Bau und ihrer Ent- 
wicklung seien, und dass besonders die Falten eines Kettengebirges durch das ganze 
Gebirge hindurch in gleichem Sinne, also nicht beiderseits symmetrisch zu einer 
Mittellinie einfallen. Suess dehnt den Nachweis des einseitigen Baues auch auf 
das Alpensystem und alle anderen Kettengebirge, über die bis jetzt Beobachtungen 
gemacht worden sind, aus. Er hebt hervor, dass bei allen zum Alpensystem ge- 
hörigen Ketten (Alpen, Appennin, Jura, Karpathen, ungarische Mittelgebirge, Dal- 
matien und noch weiter im Norden bis gegen Norddeutschland) die äussere Seite 
echte ausgedehnte Faltung mit nach aussen allmälig niedrigeren Faltungsstufen zeigt, 
die innere concave hingegen durch Abreissen meist an einem Senkungsgebiete cha- 
rakterisirt ist. An den inneren Abrissverwerfungen treten dann oft ganze Reihen 
von Eruptivkegeln secundär auf (Karpathen, italienische Vulkanreihe etc.), während 
die Faltenabdachung solcher entbehrt. Wir sind von der Allgemeinheit dieser Er- 
scheinung insofern vollständig überzeugt, als auch wir bis jetzt keine Kettengebirge 
kennen und von keinem solchen gelesen haben, dessen beide Gehänge vollkommen 
symmetrisch ausgebildet sind. Allein die Asyfnmetrie bezieht sich , wie mir scheint, 
durchaus nicht immer auf die gleichen Erscheinungen und nicht immer auf die- 
jenigen, welche Suess als die für unsymmetrischen Bau wesentlichen angibt. 

Beim Jura, den Suess für ein Muster einseitiger Gebirgsbildung hält 
(„ Entstehung der Alpen" S. 31), gibt es in der That an der Innenseite keinen 
„steilen Bruchrand," der den Alpen zugekehrt wäre (verglichen Taf. XIII Profile 
10, 11 und 12). Der Jura ist einseitig gebaut, indem in einem Querprofil ge- 



206 Allgemeiner Bau der Kettengebirge. 

wohnlich die südlicheren Ketten die höheren sind, die nördlicheren stufenförmig an« 
Höhe abnehmen; dann indem nach Thurmann's Zählung auf 100 Falten, welche 
.; nach Norden übergelegt sind, nur 20 vorkommen, welche südlich überhängen; ferner 
I indem bei den grossen, verschiedenen Plateaustufen bedingenden Knickungen und 
Verwerfungen stets der nordwestliche Theil tiefer liegt als der südöstliche; endlich 
indem an die Ketten auf der NW -Seite des ganzen Jura die Plateaux sich an- * 
lehnen, an der SO- Seite fehlen. Allein die südlichen inneren Ketten sind genau 
gleich gebildet, wie die centralen und viele der nördlicheren; sie steigen unter der 
Molasse meistens als normale Gewölbefalten auf, es begrenzt sie südlich x ) kein Bruch- 
rand. Am Nordrande des Kettenjura finden wir eine Kette, die vom Bötzberg- 
tunnel durchstochen wird und sich über den Mont terrible nach Westen zieht an 
vielen Stellen als nach Norden über den Plateaujura übergelegte Falte oder Falten- 
verwerfung, vielleicht auch hie und da als eine Ueberschiebung ausgebildet — als 
eine Dislocation, durch die oft auf einen Streifen von 400 bis 500 M. Breite ter- 
tiäre Schichten von jurassischen überlagert werden (Taf. XIII Prof. 12). Einseitig- 
keit kann also auch dem Jura nicht abgesprochen werden, aber von einem inneren 
Bruchrand und denselben begleitenden Eruptionen ist nichts zu finden. 

Bei den Alpen liegt wie beim Jura der Steilabfail auf der concaven süd- 
lichen Seite. Die Poebene, die sich zudem im östlichen Theil fort und fort 
senkt, ist fiir die Alpen, was die schweizerische Hochebene für den Jura. Bei den 
Alpen sind wie beim Jura die nördlicheren Ketten stufenweise niedriger. Wie beim 
Jura überwiegen auch bei den Alpen die nördlich überliegenden Falten an Zahl, 
südlich überliegende sind indessen nicht selten zerstreut zwischen denselben. Wie 
der Jura so dachen sich auch die Alpen am Nordrande in Hochflächen stufenförmig 
ab. Der ganze Jura selbst kann als eine den Alpen ähnliche Bildung auf den 
nördlich an dieselben angelehnten Hochflächen betrachtet werden. Wie beim Jura 
die nördlichste scharf ausgeprägte Kette den südlichen Rand des Plateau überschiebt, 
so überlagert auch die nördlichste Kreidekette der Alpen die Tertiärbildungen des 
Plateau. Jura und Alpen zeigen also, trotz vieler Unterschiede, eine vollständige 
Analogie in der Asymmetrie ihres Baues. Suess zeigt (S. 32) dass die südliche 
sedimentäre Nebenzone der Alpen in ihrer Architektur der nördlichen nicht äqui- 
valent sei, indem dort mehr blosse Abdachung und Verwerfungen vorkommen, 



') Mit ganz lokalen seltenen Aasnahmen, z. B. bei Aarburg, die sich in nördlichen Ketten und am 
Nordrande von Ketten ebenso wiederholen. 



Die Einseitigkeit der Bewegung. 207 

welche zu der grossartigen Faltung der nördlichen Abdachung in schlagendem 
Gegensatz stehe. 

Die asiatischen Hochgebirge verhalten sich aber anders. Da liegt der Steil- 
abfall auf der convexen Seite, die stufenförmigen Hochebenen hingegen an der 
Innenseite der Ketten. Im Gebiet der Hochebenen kommen Vulkane vor, sie 
fehlen aber am südlichen Steilabhang des Himalaja. Legen wir die Hand auf ein 
ausgebreitetes Tuch und stossen wir gegen N, so erhalten wir das Bild des Alpen- 
systemes ; breiten wir zwei Tücher übereinander aus und ziehen am unteren in der 
Mitte gegen Süden, so faltet, das obere wie der Himalaja. 

Die bestehenden oder alten Vulkane, die „am steilen Abrissrande" vor- 
kommen sollen, fehlen dem Jura, bei den Alpen sind sie nur durch ältere Eruptiv- 
gesteine angedeutet, die aus einer Zeit stammen, welcher die alpenstauende Bewe- 
gung der Rinde vielleicht noch fremd war. Am Innenrande der Karpathen und 
des Appennin hingegen sind sie trefflich entwickelt. 

Die Merkmale des einseitigen Baues sind also verschieden und die gleichen 
verschieden vertheilt bei den verschiedenen Kettengebirgen. 

Suess zieht aus dem einseitigen Bau der Kettengebirge den Schluss auf 
eine einseitige Bewegung der Erdrinde, welche die Gebirge gestaut haben 
müsse. Von allen angegebenen Merkmalen, in welchen die Einseitigkeit im Bau 
sich ausspricht, kann nach meiner Ueberzeugung nur die Krümmung der ganzen 
Gebirgskette und vielleicht noch die Lage der Vulkane zur Bestimmung der 
Richtung der Bewegung verwendet werden, niemals aber — hier kann ich mit 
Suess nicht vollkommen übereinstimmen — die Richtung, nach welcher die 
Falten überliegen und niemals die Abstufung der Höhe der ver- 
schiedenen Ketten eines Gebirges. Wir sind auf diesen Punkt schon im 
I. Bd. S. 229 bis 236 eingetreten. 

Wie es kommt, dass in den meisten Kettengebirgen die Mehrzahl der Falten 
nach einer bestimmten Richtung übergelegt sind und wodurch diese Richtung be- 
stimmt wird, endlich dass sie nicht von der Richtung einer einseitigen Bewegung 
des Zusammenschubes herrührt, haben wir dort ausgeführt und verweisen hier auf 
jenes Kapitel, das ebenso gut auch hierher gehört. 

Es gibt Kettengebirge mit Centralmassiven (Alpen, Cevennes, Ural, Ost- 
Pyrenäen etc.) und solche ohne Centralmassive (Teutoburger Wald und Wesergebirge, 
Taunus, Jura, dalmatische Gebirge, West-Pyrenäen, Cantabrisches Gebirge, grösster 



208 Kettengebirge mit und ohne Centralmassive. 

Theil des Appennin). Der Unterschied ist blos ein quantitativer. Bei den Ketten- 
gebirgen mit Centralmassiven waren die Falten grösser, tiefer greifend, höher sich 
stauend ; vielleicht wirkte der Zusammenschub in den tieferen Gesteinen, den krystal- 
linischen Schiefern am kräftigsten. Die Denudation ist so weit vorgeschritten, dass 
sie einzelne hoch aufgestaute Fpltengruppen bis auf die krystailinischen Schiefer und 
alten Eruptivgesteine entblösst hat, so dass diese an der Oberfläche als Central- 
massive sichtbar werden. In der Tiefe hangen die Centralmassive mit einander zu- 
sammen, ähnlich wie die Juraschichten, die als Falten aus der Kreide auftauchen, 
in der Tiefe zusammenhängen. Oberflächlich werden die Centralmassive gegenseitig 
durch die zwischen dieselben muldenförmig eingeklemmten jüngeren Gebilde getrennt, 
welche noch nicht von der Erosion ausgespült sind, gerade so, wie z. ß. einzelne 
Falten der Kreideschichten durch eocene Mulden umgrenzt werden. Die Central- 
massive haben wie die anderen Falten sedimentärer Gesteine je eine gewisse begrenzte 
Länge, entsprechend ihrer grösseren Wölbung sind sie durchschnittlich länger als 
die Falten näher am Rande der Sedimentzonen. 1 ) Da diese höchsten Falten, bei 
welchen die krystailinischen Gesteine über das Erosionsniveau hinausragen, gewöhn- 
lich die inneren Ketten sind, die äusseren tiefer stehen und weniger gross sind, so 
entsteht eine Mittelzone aus Centralmassiven und Nebenzonen ohne solche (ver- 
glichen stets Taf. XIII Fig. 10, 11, 12 und 13). Bei den Kettengebirgen ohne 
Centralmassive sind die Falten gewöhnlich etwas kleiner, sie haben sich nicht so 
hoch gestaut, vielleicht lag der Hauptzusammenschub nicht gar so tief. Die krystal- 
linische Unterlage ist nirgends bis in das Niveau der Thäler als Gewölbe hinauf- 
gepresst und deshalb nirgends biosgelegt. In den tiefen Einschnitten und im Kern 
der Gewölbe sind die ältesten entblössten Schichten nur ältere Sedimente. 

Kettengebirge wie die Pyrenäen, welche in ihrer Verlängerung aus einem Ge- 
birge mit Centralmassiven (östlicher Theil) in ein solches ohne Centralmassive über- 
gehen (westlicher- Theil und Cantabrisches Gebirge) , oder das Wesergebirge, das 
aus dem Harz hervorgeht, waren nach der älteren Anschauung nicht zu verstehen, 
während sie uns jetzt als einfache Fortsetzung der Faltung unter Abnahme ihrer 



') Der „Contrast", den Suess (S. 13) „zwischen dem unregelmässig zerrissenen Auftreten" der Central- 
massive und „dem stetigen Hinstreichen der Falten in dem äusseren Theile der Gebirgsketten 1 * findet, ist mir fremd. 
In den Centralalpen wenigstens findet das umgekehrte Verhaltniss statt Wenn man eine geolog. Karte der Alpen 
ansieht, erhält man allerdings den von Suess bezeichneten Eindruck, allein innerhalb der gleichförmigen Zonen 
jüngerer Gesteine am Eande der Alpen streichen die einzelnen Falten selten so lange hin, wie ein Centralmassiv, 
sondern eine ganze Schaar kürzerer Falten tauchen auf und tauchen unter: sie lösen sich ab. 



Zusammenschub bildete die Kettengebirge. 209 

Intensität erklärlich sind. Kettengebirge mit Centralmassiven sind die inten- 
siver gefalteten Stellen, solche, ohne Centralmassive die etwas weniger 
hochgradig gefalteten Stücke der Erdrinde. Manchmal beruht der Unter- 
schied nicht einmal in der Intensität der Faltung, sondern blos darin, 
ob die Verwitterung die krystallinischen Kerne der Ketten schon ent- 
blösst habe, oder nicht. 

Unsere Berichte über die Querprofile von aussereuropäischen und zum Theil 
selbst von europäischen Kettengebirgen sind leider sehr, sehr mangelhaft. So lange 
die Biegungen und Falten mehr als komische Nebenerscheinungen, anstatt als das 
wesentlichste Knochengerüste des Gebirges angesehen werden, können wir kaum 
auf Besseres hoffen. Die Paläontologie und Stratigraphie macht in bisher unbe- 
kannten Gegenden jetzt viel raschere Fortschritte als die Geotektonik. Alleghany, 
Jura und Alpen sind bis jetzt die am genauesten durch Profile in ihren Lagerungs- 
erscheinungen bekannten Kettengebirge und auch hier fehlt noch Vieles. Von 
anderen Gebirgen kennen wir nur Stücke und diese Stücke wiederum in den meisten 
anderen Richtungen besser und objectiver als gerade in Beziehung auf den 
inneren Kettenbau. Suess hat in seinem Buche das Bekannte zusammengestellt. 
Unsere Anschauung über Bau und Entstehung der Kettengebirge ist vorwiegend 
aus den Alpen und dem Jura geschöpft, und somit wird ihr gewiss noch manches 
lokale nicht allgemeine anhaften. Allein das Wesentliche : Kettengebirge sind durch 
Zusammenschub gefaltete Gebiete der Erdrinde, ist doch wohl allgemeiner Natur, 
denn die Kettengebirge sind in ihrer äusseren und inneren Gliederung eine so 
typische immer wieder ähnliche Erscheinung, dass auch die Ursache für ihre Ent- 
stehung nur eine im Wesentlichen einheitliche sein kann. Die Hebungen und 
Senkungen, welche zonenförmig in den Kettengebirgen mit einander abwechseln, 
sind nur durch Ausweichen der Erdrinde auf einen Tangentialschub ent- 
standen, sie sind primär keine Vertikalbewegung, sondern Horizontalbe- 
wegung. Die amerikanischen Geologen haben hierauf das richtige Gewicht gelegt, 
als in Europa, namentlich in Deutschland die Faltung noch als eine ganz neben- 
sächliche Erscheinung unterschätzt wurde. 



27 



210 Ztuammenschub der Erdrinde. 



C. Der Zusammenschub 'der Erdrinde. 

Wenn . wir uns in Gedanken die Falten und Ueberschiebungen der Erdrinde 
wieder glatt ausgestrichen denken, so erhalten wir ein Zu-viel von Erdrinde. Damit 
die Erdrinde sich falten konnte, musste sie vorher für den Kern, oder wenigstens 
für die tieferen Theile zu gross, zu weit geworden sein. Dieser Zustand konnte 
nur entstehen, indem entweder die Rinde tangential wuchs und die innere 
Masse sich gleich blieb, oder indem die Rinde ihre Grösse beibehielt 
und die innere Masse zusammenschwand. Dass das erstere nicht der Fall war, 
lässt sich leicht einsehen. Wenn die sich faltende Rinde in dem Maasse wachsen 
würde, dass dadurch Gebirge entstehen müssten, so würde ein solches Schwellen auch 
in den Formen sowohl der eingeschlossenen Versteinerungen, als auch der Biegungen 
selbst zu erkennen sein. Dass dem entgegen nur die Wirkungen, welche einer von 
aussen herangetretenen Pression entsprechen, beobachtet werden, haben wir im Ab- 
schnitt über Gesteinsumformung (z. B. S. 48) nachgewiesen. Höhlen und Klüfte müssten 
rasch sich schliessen; die feste Sedimentrinde zeigt nirgends Spuren dayon, dass 
sie schwellend, dehnend, activ bei der Faitenbildung wirkte. Die Ursache der 
Faltung muss tiefer, muss im Schwinden der Kernmasse der Erde liegen. 

Man könnte vielleicht noch die ' Vermuthung aufstellen, dass nur ßiagelne 
Stücke der Erdrinde sich in einzelnen Richtungen bewegt und dadurch einerseits 
allerdings Stauungen zu Falten, andererseits aber grosse klaffende Zerreissungen ent- 
standen seien. Die Weite der letzteren müsste dem Zusammenschub der ersteren 
gleich sein. Allein solche ungeheure klaffende Zerreissungen der Erdrinde, welche 
die Stauung der Ketten compensiren könnten, gibt es auf der festen Erdoberfläche 
nicht und am Grunde des Meeres sind ebenfalls bis jetzt keine ausgeprägten Formen 
beobachtet worden, welche irgendwie als die Ketten compensirende Zerreissungen 
aufgefasst werden dürften. Wir beobachten in der Erdrinde nur lokal die Wir- 
kungen von Streckung, hingegen sehr allgemein bei Falten wie bei Verwerfungen 
die Folgen von Stauung. 

Es bleibt uns somit nichts anderes übrig als zuzugeben, dass der Erdum- 
fang vor der Stauung der Gebirge um denjenigen Betrag grösser gewesen sei, welcher 
sich aus dem Ausglätten der Kettengebirge im Vergleich zur jetzigen Breite der Ge- 
birgszone ergibt Wie die Haut eines austrocknenden Apfels allmälig für denselben zu 
gross wird und feine Falten bildend auf den schwindenden Kern nachsinkt, so musste 



MeB8ung des Zusammenschubes im Juragebirge. 211 

sich auch die Erdrinde verhalten. % Suchen wir nun den Betrag des Zusammenschubes, 
welcher zur Stauung der Kettengebirge führte und dadurch das Maass zu be- 
stimmen, um welches gleichzeitig die Erde in ihrem Umfang kleiner geworden ist. 
Ich benutze hierzu- zuerst die ^Profile durch den Jura, welche auf unserer 
Taf. XIII gezeichnet sind. Die Breite vom Gebiet des Genfersee bis nach St. Claude 
(Profil Fig. 10) beträgt jetzt 16800 M. Diese Zone misst nach ausgeglätteten 
Falten etwa 22000 M. Die Faltung des Kettenjura hat somit hier einen Streifen 
Erdrinde von etwa 5200 M.. absorbirt, die jetzige Zonenbreite beträgt nur noch 

22ö == etwa 7« der ursprünglichen. Genf und St. Claude liegen einander jetzt 

um 5200 M. näher, als diese gleichen Stellen vor der Faltung des Jura. 

Die Breite von Biel bis über die nördlich übergelegte Jurafalte nördlich von 
St. Ursanne beträgt jetzt 24000 M. Die Zone misst nach ausgeglätteten Falten 
etwa 29300 M. Die Faltung des Kettenjura hat somit hier einen Streifen Erd- 
rinde von etwa 5300 M. absorbirt. Die jetzige Zonenbreite beträgt hier nur noch 

gög = ungefähr 4 / 5 der ursprünglichen. (Profil Fig. 11.) 

Die Breite des Kettenjura im östlichen Theile in unserem Profil 12 beträgt 
jetzt etwa 7000 M. Diese Zone misst nach ausgeglätteten Falten ungefähr 12000 M. 
Seine Faltung hat somit hier einen Streifen Erdrinde von etwa 5000 M. absorbirt. 
Die jetzige Zonenbreite beträgt hier blos 7 / tJ der ursprünglichen. 

Die erstere Zahl, welche bei allen drei Profilen nahe übereinstimmt, 5000 
bis 5300 M., misst den wirklichen Zusanimenschub , der das Juragebirge staute. 
Erst östlich unseres letzten Profiles nimmt derselbe allmälig stärker ab, durch den 
mittleren Theil bleibt er sich fast gleich. Bei nahe gelegenen Profilen wird sich 
diese Zahl niemals stark ändern. Die letztere Zahl, die Bruchzahl 7 / 12 bis 4 / 5 gibt 
uns ein Maass für die Gedrängtheit und Intensität der Falten. Je sanfter und 
gleichmässiger die Falten sind, desto weniger von 1 verschieden wird diese Zahl, 
auf eine desto breitere Zone hat sich der Zusammenschub in milde Falten vertheilt; 
je kleiner aber dieser Bruch wird, desto gedrängter sind die Falten, desto mehr 
treten gequetschte Falten, liegende Falten, Fächerfalten, Ueberschiebungen etc. auf. 

Die erstere der oben gewonnenen Zahlen — 5000 bis 5300 für den Jura — 
ist eine absolute Zahl, sie ist das Maass für den absoluten Zusammenschub der 
Erdrinde, sie bezeichnet die Breite der durch die Gesammtfalten eines Gebirges ab- 
sorbirten Zone Erdrinde, deren Längserstreckung mit dem Gebirge zusammenfallt, 



212 Zusammenschub der Erdrinde. 

sie ist das Maass Tür die Bedeutung des ganzen Gebirges, wir nennen sie den ab- 
soluten Zusammenschnb. 

Die zweite Zahl — 7 /» bis V» für den Jura — ist eine relative Zahl, sie 
gibt das Verhältniss der Breite der Zone an, auf welcher der bestimmte Zu- 
sammenschub compensirt wurde, indem sie die Breite der jetzigen Zone mit der 
Breite der früheren vergleicht. Sie misst die mehr oder weniger grosse Gedrängt- 
heit oder Zerstreuung der Falten, wir nennen sie den relativen Zusammenschub. 

Eine dritte Zahl, welche den Charakter eines Gebirges angeben kann, er- 
halten wir, wenn wir den absoluten Zusammenschub durch die Zahl der Ketten 
oder der Falten^ theilen. Wir erhalten so das Maass für die durchschnittliche In- 
tensität der einzelnen Kette oder Falte, dies ist der durchschnittliche Zusammen- 

* 

schub einer Kette, oder die Stärke der einzelnen Falten. Wir können diese dritte 
Zahl natürlich auch durch directe Messung erhalten. Im Profil Fig. 10 durch 
den Jura wird der ganze Zusammenschub von 5200 M. durch 4 Falten compen- 
sirt. Es fallt auf jede Falte die Compensation von einer 1300 M. breiten Zone. 
Im mittleren Jura werden 5300 M. in 9 Falten vertheilt, was eine durchschnitt- 
liehe Falte von blos 590 M. Zusammenschub ergibt. Im östlichen Jura werden 
5000 M. durch zwei grössere Falten compensirt, es fallt auf die Falte durch- 
schnittlich 2500 M. Die Falten im mittleren Jura sind weniger intensiv, aber 
dafür zahlreicher , als im westlichen Jura, diejenigen im östlichen am intensivsten. 
Dem letzteren entsprechend steigt dort Trias hoch hinauf, im mittleren und west- 
liehen bleibt sie fast immer in der Tiefe verborgen. 

Zur Bestimmung des Zusammenschubes, welcher die Alpen erzeugte, benutzte 
ich das auf Taf. XIII Fig. 13 reproducirte, s chon früher in g rösserem Maassstabe 
publicirfe Profil durch den Nordabfail der Centralalpen. 

Im Gebiet der nördlichen Nebenzone von der sich aufrichtenden Molasse 
bis an das krystallinische Gebirge hin messen wir: 

Breite der ausgeglätteten Zone: 78200 M. 

Jetzige Breite der gefalteten Zone : 45000 M. 
Absoluter Zusammenschub: 33200 M. 

Wenn wir weiter südlich gehen und die zwischen den Centralmassiven des 
Finsteraarhorn, Gotthard und Tessin liege nden Juram ulden gewölbeförmig über die 
Massive verbunden denken, wie dies unserer Anschauung entspricht, und wenn wir 
ferner die damit sehr genau übereinstimmende Zahl berücksichtigen, welche wir 



Messung des Zusammenschubes der Alpen. 213 

früher über den Zusammenschub im Centralmassive aus der Glarner-Doppelfalte ge- 
wonnen haben, so erhalten wir vom Maderanerthal bis südlich von Campo lungo : 

Breite der ausgeglätteten Zone: 80000 M. , 

Jetzige Breite der gefalteten Zone: 37000 M. 



Absoluter Zusammenschub: 43000 M. 

Fassen wir beide Messungen zusammen, so erhalten wir für die Centralalpen 
nördlich des Campo lungo: 

ßreite der ausgeglätteten Zone: 158200 M. 

Jetzige Breite der gefalteten Zone : 82000 M. 

Absoluter Zusammenschub : 76200 M. 

R9fiflO 

Der relative Zusammenschub beträgt : 15820Q = 0,52 oder fast x j % , er ist also 

viel intensiver als beim Jura. 

Der durchschnittliche Zusammenschub e iner Kette, beträgt : 

a) in der Nebenzone = -jj- = 3018 M. 

b) in der Mittelzone = — 5-^= 86Q0 M. 



4St" 



c) im Durchschnitt = -^- = 4760 M. 

Aus dem Vergleich dieser letzteren Zahlen mit den entsprechenden des Jura 
ergibt sich die viel kräftigere Faltung der Alpen. 

Für den Südabfall und die hier allerdings sehr schwache südliche Neben- 
zone der Alpen genügen die beobachteten Profile noch nicht zur Abmessung. Der 
Südabhang der Alpen zeigt viel breitere, sanfter wellenförmige Faltung als der 
Nordabhang, nur steht das Erosionsniveau im Vergleich zu den Falten höher, die 
Falten tiefer. Mit der obigen Zahl haben wir schon weit an den Südabfall hin- 
übergegriffen. Wir werden nicht weit von der Wahrheit stehen, wenn wir für 
die ganze Breite der Alpen als absoluten Zusammenschub höchstens 
120000 M. annehmen. 

Der Erdumfang, gemessen im Meridian, welcher die Centralalpen 
schneidet, wpr somit vor Bildung der Alpen — es ist dies ein Resultat 
3irecter Beobachtu ng — um höchstens 120000 M. länger als nachher. 
Während er jetzt 40 023 512 M. beträgt, muss er damals 40 143 512 M. gemessen 
haben. Er hat sich ßomit durch die Alpenbiidung um 0,2998 % oder 
um das 0,00 3 fache verkleinert, und es muss sich der Radius des Kernes 



214 Beobachtung fortschreitenden Zusammenschubes. 

um einen gleichen Faktor verkürzt haben. Dieser für die ganze Kugel verschwin- 
dend genng^ Betrag genügte, die Alpen zu stauen. Die Gebirge sind eben nur 
verschwindend kleine Runzeln der Erdrinde, deren Grösse im Vergleich zur Erde 
wir leicht überschätzen. 1 ) 

Auf dem Meridiane, der die Alpen schneidet, finden sich noch einige andere 
Gebirge und zwar nach Norden: Schwarzwald, Taunus, Teutoburgerwald, Skandi- 
navisches Hochgebirge; nach Süden: Appennin, Sardinien und Atlas. Vielleicht 
sind noch einige erloschene Gebirge, d. h. Faltensysteme, die von der Erosion zur 
Ebene oder zum sanften Hügelland abgehobelt nicht mehr als Bergmassen vertreten 
hinzuzurechnen. Wir möchten die Umfangsveränderung der Erde kennen, welche 
der Gebirgsbildung überhaupt entspricht. Die genannten, im Meridian der Alpen 
liegenden Gebirge sind alle viel weniger grossartige Faltensysteme, als die Alpen, 
sie sind zum Theil mehr Plateaugebirge. Wir thun gewiss mehr als genug, wenn 
wir die säramtlichen übrigen älteren wie jüngeren Falten auf unserem Meridiane 
gleichwerthig mit zwei Alpensystemen ansetzen. Wir erhalten dann als Umfangs- 
verkürzung durch die gesammte Gebirgsbildung absolut etwa 360000 M., 
das macht 0,89 °/ > oder das 0,009 fache des Umfanges. Der mittlere Erdradius 
betrug vor jeder Gebirgsfaltung 6 427 000 M., jetzt nur noch 6 370 000 M. Wäh- 
rend die Gebirge sich aufthürmten, sank gleichzeitig die übrige Erdrinde im Durch- 
schnitt dem Erdmittelpunkte um 57000 M. näher. Wenn diese Zahlen auch eine 
blos ungefähre Schätzung sind, wenn spätere Forschungen sie vielleicht halbirea 
oder verdoppeln sollten^^sö erfüllen sie dennoch vollständig und mit Sicherheit ihren 
Zweck, unsere Vorstellungen über das Quantum der Gebirgsfaltung im Vergleich 
zur Grösse des Planeten bestimmter und der Wahrheit annähernder zu gestalten, 
als dies bisher möglich war. 

Ueber Hebungen und Senkungen des Untergrundes haben wir viele unmit- 
telbare Beobachtungen aus Küstengebieten, wo das Meer wie der Index an einem 
Messapparat immer auf ziemlich gleich bleibende Entfernung vom Erdmittelpunkte 
weist. Die Stauung der Gebirgsfalten müsste durch Horizontaldistanzen gemessen 
werden. Wenn man die circa 100 Kilometer betragende Entfernung von einem 
Punkt am Nordrande der Alpen und einem solchen am Südrande so genau, als 



') Wenn Ffaff in seiner „ Allgemeinen Geologie als exacte Wissenschaft" die Verkürzung des Radius 
durch Faltenbildung anf die Hälfte berechnet S. 246, so denkt er sich den ganzen Meridian gedrängt voll 
Alpen und Himalaja, was der Natur widerspricht. 



Theoretische Betrachtung. 215 

es die heutigen Methoden erlauben, misst, so beträgt der wahrscheinliche Fehler 
1 Meter. l ) Eine Annäherung der beiden Punkte durch fortgehende Gebirgsstauung 
könnte schon mit Sicherheit gemessen werden, sobald sie wesentlich über 1 M. 
steigen würde. Dass die Gebirgsstauung noch fortdauere, ist für die Südamerika- 
nischen Anden viel wahrscheinlicher als für die Alpen. Dort aber würde durch 
die viel grössere zu messende Breite der Gebirgszone der wahrscheinliche Fehler 
für eine Querlinie bei Quito auf 2 bis 2 1 /, M., für eine solche durch den Titicaca- 
see auf 5 M. bis 6 M. steigen, und dem entsprechend die Beobachtungszeit aus- 
gedehnt werden müssen. 

Da Nivellements viel genauer ausgeführt werden können als eine Horizontal- 
messung, so werden solche vielleicht früher zur Erkenntniss noch fortdauernder 
Faltungen führen. Ein Nivellement, nach längeren Zeiträumen quer durch ein 
Kettengebirge wiederholt, müsste ungleiche wechselnde Niveau Veränderungen, Hebun- 
gen und Senkungen für die verschiedenen Zonen angehörenden Punkte ergeben, 
während die Niveauveränderung eines Plateaugebirges sich weit gleichförmiger 
zeigen würde. 



D. Verbreitung und Vertheilung des Horizontalschubes in der Erdrinde. 

Wenn die Erdrinde für den Kern zu gross wird, so wirkt die Schwere auf 
die Rinde ein und zieht dieselbe gegen den Kern. Die Rinde oder Schale verhält 
sich nun wie ein allseitig geschlossenes Gewölbe. Die Last, die es zu tragen 
hat, ist das Gewicht der einzelnen Gewölbetheile selbst. Wir können uns durch 
beliebig viele durch den Schwerpunkt der Erde gehende Ebenen die Erdschale 
in lauter pyramidale Gewölbesteine zerlegt denken. Das centripetal wirkende 
Gewicht wird sich an den Fugen der Gewöibesteine stets in einen zu den Fugen 
senkrechten Druck, d. h. in einen tangentialen Druck umsetzen. Die Last der 
Schale wi rkt injier fichalz ah Hnrirnnta l*. uider. TangentiuldriLGk^ Nun steht die 
Schale in labilem Gleichgewicht. Die Last, welche dieses geschlossene Gewölbe 
zu tragen hat, nämlich seine eigene Last ist grösser als seine Steifheit oder Festig- 
keit. An der schwächsten Stelle wird Zerquetschen oder Auswärtsweichen in Form 



l ) Briefliche Mittheilungen des Herrn J. Wild, Professor an der Ingenieurschule des eidgenössischen 
Polytechnikum in Zürich. 



216 Verbreitung und Yertbeilung des Horizontalschubes in der Erdrinde. 

einer Falte eintreten. Sobald dies begonnen hat, steigert sich die Falte. Sie ist 
die schwache Stelle geworden, an welcher die ganze Last der betreffenden Zone 
der Erdschale sich nun als Horizontaldruck äussert. Es thürmt sich nach 
aussen eine erste, dann eine zweite, dritte etc. Kette auf, während das 
gesammte Niveau der Oberfläche ein wenig sinkt. 

Da der Horizontaldruck sich in einem grossen Theil der Erdrinde gleich- 
förmig verbreiten muss, kann er gleichzeitig an verschiedenen ziemlich fern 
von einander gelegenen Stellen Faltung erzeugen. Ob eine Falte da, oder ob eine 
gleich gerichtete Falte etwas weiter nach der einen oder anderen Seite hin ver- 
schoben entstehe, wird Mos von Zufälligkeiten abhängen : ob da oder dort die Rinde 
etwas schwächer, etwas leichter zum faltenförmigen Ausweichen geneigt sei. Die 
Ketten stellen sich annähernd senkrecht auf den stärksten Tangentialschub. Also 
streichen Ketten, welche durch den gleichen Tangentialschub ungefähr gleichzeitig 
in nicht zu grosser Entfernung von einander entstanden sind, im grossen Ganzen 
einander parallel, können aber im Einzelnen mehr oder weniger abweichen. 

In dieser theoretischen Betrachtung liegt die Erklärung für eine Reihe von 
beobachteten Erscheinungen der Kettengebirge. 

Bei dem gleichen absoluten Zusammenschub können sich die Falten des 
Kettengebirges bald gedrängter schaaren, bald weiter auseinander treten, 
sich zerstreuen. Wir zählen hiefür einige Beispiele auf: 

Im mittleren Jura zerstreuen sich die Falten auf eine 25 Kilometer breite 
Zone, im östlichen Jura drängen sie sich auf eine Zone von 7 l / a Kilometer zusam- 
men. Da lag nördlich das alte Gebirge des Schwarzwaldes, welches als ein ver- 
steiftes Stück Erdrinde sich nicht zur jurassischen Faltung entschliessen konnte; 
alle Falten mussten in die schwächere Zone am Südrande des Schwarzwaldes treten. 
Hier wo nach Norden der Faltung Hindernisse entgegenstanden, bildeten sich süd- 
lich von der südlichen Hauptkette des Jura abgetrennt noch einige kleinere Falten, 
z. B. die sehr bemerkenswerthe des „Sälischlössli", die von Aarburg bis Ölten von 
der Aare durchbrochen wird; ferner eine ähnliche kleine Nebenfalte bei Solothurn. 
Der Jura als Ganzes fallt in seiner letzten Hauptfaltung der Zeit nach mit den 
Alpen zusammen und verschmilzt im Osten allmälig mit denselben. Er ist als 
Ganzes nur als eine divergirend abgezweigte seitlich gestaute Faltenschaar der Alpen 
aufzufassen, als ein Stück des Zusammenschubes, der sich möglicherweise deshalb 
dort absolvirt hat, weil dort die Bedeckung mit Tertiärschichten (Eocen fehlt) nicht 



•Il- 



Parallelismus benachbarter Ketten. 217 

so schwer drückte und schon früher, bereits vor der Bohnerzbildung, durch einige 
wellenförmige Dislocationen die Steifheit der Rinde gebrochen war. In dem Winkel, 
wo die Juraketten wie eine Tangente an den Alpen beginnen, liegen noch einige 
Falten, welche gewissermassen zwischen Jura und Alpen schwanken. Die auffal- 
lendsten sind Sateve und Voirons, von denen der erstgenannte mitten aus der Mo- 
lasse, 18 bis 20 Kilometer von den Alpenketten und ebenso weit von den Jura- 
ketten entfernt auftaucht. 

Die Alpenketten, welche in den Centralalpen und im Rhätikon noch dicht 
gedrängt sind, divergiren nach Osten immer weiter auseinander; zuletzt spalten sie 
Fi: sich in die Ausläufer der norischen Alpen (das Kahlengebirge), in das Warasdiner- 

i. I 1 gebirge, die Julischen Alpen, das Capella- und Vellebithgebirge. Entsprechend der 

1 Vertheilung auf so grosse Breite, welche nichts anderes als eine Zersplitterung des 

V absoluten Zusammenschubes darstellt, ist die Zahl der Falten grösser, die Intensität 

Gij der einzelnen Falten viel geringer, der relative Zusammenschub sehr stark vermin- 

dert. Von den Rhätischen gegen die Norischen Alpen hin treten an Stelle der 
fcv Fächerfalten in den Centralmassiven die Normalfalten mit einfach dachförmigem 

Abfall der Schichten nach aussen. Die Fächerfalten entwickeln sich nur da, wo 
die Falten am dichtesten sich drängen. Der ungefähre Parallelismus und ähnliche 
Verlauf der sämmtlichen zum Alpensystem im weitesten Sinne des Wortes gehören- 
den Ketten erklärt sich ebenfalls blos dadurch, dass sie alle vom gleichen Zu- 
sammenschub geschaffen worden sind. 

Als Parallelismus in Folge von Stauung durch den gleichen Tangentialschub 
an wenig entfernten Stellen ist wohl der gleichartige Verlauf der beiden Anden- 
gebirge von Peru und Bolivia zu deuten, zwischen welchen die breiten Hochflächen 
des Titicacasee's und von Guamonga liegen, ferner der Parallelismus der Ketten 
von Neu-Mexico und llexico, der sehr auffallende Parallelismus der Rocky Moun- 
tains mit den beiden westlicheren Kettengebirgen und andere mehr. Der natür- 
liche Parallelismus der einzelnen Falten innerhalb eines grösseren Kettengebirges 
fuhrt die gleiche Erscheinung im Kleinen vor. Der Behauptung Elie de Beaumont's, 
dass gleich gerichtete Ketten gleich alt sein müssen, liegen richtige Beobachtungen 
wie die obigen zu Grunde, welche aber durch Uebertreibungen im Dienste der 
Theorie getrübt worden sind. 

Wenn ausgedehnte Gebirgssysteme, welche aus einer Hauptkette und ver- 
schiedenen parallelen oder abgezweigten Nebenketten bestehen, harmonische Faltung 

28 



er 



•!''L 



218 Verbreitung und Yertheilung des Horizontalschubes in der Erdrinde. 

zeigen, so ist das ein Beweis für eine weit ausgedehnte einheitliche Verschiebung 
in der Erdrinde. Ausgedehnte Gebiete, ganze Continentalmassen haben oft an ein 
und demselben Zusammensehub Theil genommen. 

Wie sich die Faltenschaaren im Grossen zertheilen können, so auch die 
einzelnen Falten im Kleinen. Wir erinnern an das schöne Beispiel der Art, welches 
uns die nördliche Randfalte der Tödi-Windgällen-Gruppe gegeben hat. Auf lange 
Erstreckung (I. Th. S. 105 bis 107) bleibt der absolute Zusammenschub, der sich in 
dieser Falte äussert, gleich, aber diese Falte selbst, die westlich eine eiiizige breite lie- 
gende Falte ist, löst sich unterdessen gegen Osten in eine Sehaar kleinerer Falten auf, 
die zusammen eine Gruppe bilden, um nach und nach weiter auseinander zu treten. 

Wenn eine Falte rasch aufhört, wird sie durch eine andere neue abgelöst 
oder eine schon bestehende nimmt im Verhältniss an Intensität zu. 

Die meisten Geologen sind zu der Ansicht gekommen, dass in den Alpen 
die Intensität der tektonischen Störungen in den inneren Ketten grösser sei, als in 
den dem Rande näher gelegenen. Mojsisovics ! ) bestreitet auf Grund einiger Er- 
scheinungen der tyrolischen Kalkalpen die Richtigkeit dieser Behauptung. Aus der 
Anschauung, welche wir über die Entstehung der Kettengebirge gewonnen haben, 
erklärt sich der Widerspruch ganz einfach. Der Horizontaldruck pflanzt sich in 
der Erdrinde als in einem geschlossenen Gewölbe fort, er ist in den Schichten im 
inneren Theil des erst werdenden Gebirges so gross wie im äusseren Theil. Es kommt 
nun wiederum blos auf Ungleichheiten in den Widerständen an, in welcher Weise 
sich der Zusammenschub auf die verschiedenen, theils gleichzeitig, theils nach ein- 
ander entstehenden Falten vertheilt. Die Denudation zu Beginn der Faltung wird 
hierbei ein Wort mitreden, besonders aber die Dicke der Rinde, die Dicke der 
Schichten, die schon gebrochene oder noch ungebrochene Steifheit etc. etc. Je 
nachdem kann die tektonische Störung sich ungleich auf die verschiedenen Falten 
vertheilen. So ist es auch erklärlich, dass oft verhältnissmässig intensive Falten 
noch entfernt in den Randketten auftreten. Wir erinnern z. B. an die intensiven 
jurassischen und bis zur Trias entblössten Falten, welche von Gruyferes über 
Gabenerfluh und Stockhorn bis an den Thunersee streichen, und von den inneren 
Kreide-Jurakämmen durch eine 20 Kilom. breite Zone von Eocen getrennt sind. 
Wo hingegen die Widerstände gleichförmig sind, wird sich auch eine gewisse Ge- 
setzmässigkeit in der Intensität der Falten nach ihrer Aufeinanderfolge in Zeit und 

') Jahrbuch der k. k. geol. Reichsanstalt 1873 XXIII. Bd. 2. Heft S. 161. 



./ 



Ort und Richtung der Kettengebirge. 219 

Raum geltend machen. Die häufigste Gesetzmässigkeit scheint nun darin zu liegen, 
dass sich an einige erste Falten, welche die stärksten werden, allmälig weitere, 
weniger intensive anschmiegen. In den Centralalpen nimmt im Allgemeinen die 
Intensität der Falten ziemlich regelmässig mit der Entfernung von der Mittelzone 

gegen Norden ab. Eine sehr auffallende Erscheinung ist das nicht seltene Zu- \c$ß>r sm^ £• t&£t4* 
sammenfallen der orographischen Grenze eines Gebirges mit einem aus- / &&C4 f €*t&i ****- 
geprägten Facieswechsel, der aber viel älter i s t, als d ie Stauung. Auffallende/ £v/g£ \££it^{{+t/s + < 
Beispiele der Art bieten der Jura, wo er sic h den Alpen ') anschmiegt, sowie die rtfot ?C*t tfflfff* 
^^Stockhomkettenj t die, durch eine andere Facies des Unter- Jura oder Trias ausge- 
zeichnet, getrennt von den übrigen jurassischen Alpenketten mit mehr als gewöhn- 
licher Selbstständigkeit aus der Eocenzone auftauchen. Diese Erscheinungen sind 
wohr'so zu erklären, dass Facieswechsel ungleiche Steifheit und diese ungleiches 
Ausweichen auf den Zusammenschub bedingt. Facieswechsel hingegen, deren Grenze 
quer zu den Ketten geht, können den Bau der Ketten weniger beeinflussen. JTnm 
der Ost- und Centralalpen.) 

Unwillkürlich hat man lange nach grossen Gesetzen in der Anordnung der 
Gebirgsketten gesucht, in letzter Form nach einem geometrischen Gesetze. Man 
behauptete, die Gebirge müssten alle auf grössten Kreisen der Erdkugel liegen; aus 
ihrer Richtung wollte man ihr Alter erkennen. Oft wurde den phantastischen 
Theorien zu Liebe der Natur Gewalt angethan. Heute wissen wir, dass Gebirge 
von gleicher Richtung verschieden alt und gleich alte Gebirge von verschiedener 
Richtung sein können, sowie dass wahrscheinlich kein erkennbares einfaches 
allgemeines Gesetz die Richtung der Gebirge bestimmt, dass dieselbe viel- 



mehr das Resultat verschiedener zusammenwirkender Ursachen ist. Diese lassen 
sich zum Theil gar nicht auf einfache Gesetze zurückfuhren, sondern sind, wie z. B. 
die ungleiche Festigkeit der Rinde an verschiedenen Stellen, als „ Zufall, u d. h. als 
eine nicht von einem einfachen uns erkennbaren Gesetze regierte Erscheinung zu 
bezeichnen. 

Die Richtung der Kettengebirge wird von umliegenden älteren 
Gebirgen beeinflusst und abgelenkt. Man beobachtet, dass Kettengebirge, 
deren Richtung gegen ein älteres Plateaugebirge zielt, biegend dasselbe ausweichen 
und sich um seinen Fuss herumziehen, anstatt es zu durchkreuzen. Denken wir 
uns in dem früher genannten Vergleiche mit dem sich faltenden Tuche dem älteren 

') Lory, Alpes da Dauphinä, und Choffat. 



220 Verbreitung und Vertheilung des Horizontalschubes in der Erdrinde. 

Plateaugebirge entsprechend eine Stelle desselben versteift oder beschwert, so 
werden die Falten um diese Stelle herumbiegen, sie ausweichen. Die Erscheinungen 
dieses Experimentes entsprechen denjenigen, die wir in der Natur beobachten. Wo 
der Jura sich ungehindert entwickelt hat (in Neuenburg, Bern, Frankreich), ist 
seine Richtung SW — NO^ Gegen aber treten ihm die älteren Plateaugebirge 
Vogesen und Schwärzwald in den Weg, mit dem ihnen vorgelagerten und mit 
ihnen dynamisch zusammengehörenden Plateaujura (Kanton Basel und Aargaü im 
Nordtheil und Schaffhausen), der nur den verstärkten Rand des Schwarzwal des bildet. 
Der Jura drängt seine Falten enger aneinander, die dynamischen Verwicklungen 
werden entsprechend stärker (vergl. Taf. XIII Fig. 10, 11 und 12), in den Anti- 
clinallinien treten tiefere (triasische) Schichten zu Tage, was im Westjura nicht der 
Fall ist; die Richtung der nördlichen Kämme wird W — 0. F. J. Kaufmann hat 
in seiner Arbeit über die schweizerische Molasse zuerst gezeigt, dass die Formen 
der Falten am Nordrande der Centralalpen von der verschiedenen Steifheit beein- 
flusst worden sind, welche durch die sehr verschiedene Mächtigkeit der vorgelagerten 
und theilweise doch bezwungenen Nagelfluhmassen in der Molasse gegeben waren. 
Die Falten der Randzone sind gedrängter hinter den vorgelagerten Nagelfluhstöcken, 
sie biegen sich freier nördlich aus, wo keine solche voranzustossende Lasten im 
Wege stehen. 

Die österreichischen Geologen haben schon lange erkannt, dass in ähnlicher 
Weise die nördlichen Züge der Ostalpen durch das alte mährische Granitmassiv 
abgelenkt sind, und dass die Karpathen ohne dieses mährische Gebirge viel v voll- 
ständiger und wahrscheinlich mit den Centralalpen ganz geradlinig verbunden 
w T ären. Das alte permische Porphyrgebirge zwischen Merän, Trient und Predazzo 
ist von den Alpen, die es allseitig umfassten, überwältigt worden, * allein die Ein- 
wirkung, welche diese versteifte, vernarbte Stelle der Erdrinde auf die Falten aus- 
übte, ist doch sehr auffallend zu beobachten. Die Ketten setzen nicht ungestört 
durch und sind in den Umgebungen, besonders westlich der Etsch stark abgelenkt. 1 ) 

Kettengebirge kreuzen sich niemals. Die sogenannten „Gebirgsknoten* sind 
nur durch die Erosion modellirte Gestalten, die nicht in der Faltung der Rinde 
begründet sind. Die alte Theorie der Gebirgsbildung durch Austritt von Eruptiv- 
material auf Spalten suchte überall nach sich kreuzenden Ketten, denn solche 



') Verglichen ferner Suess S. 63. 



Yertheilung der Gebirge. 221 

mus8ten sehr leicht entstehen, weil Spalten oft sich kreuzen oder von einem Stoss- 
punkt aus radial gehen. Man fand aber keine solchen. Die genannte Thatsache 
erklärt sich als eine einfache Nothwendigkeit aus unserer Anschauung über die 
Entstehung der Kettengebirge. An jeder Stelle der Erdrinde wird der tangentiale 
Maximaldruck eine bestimmte Richtung in einer bestimmten Periode annehmen. 
Nur annähernd senkrecht auf diese Richtung können dann Falten und Ueberschie- 
bungen gestaut werden, aber unmöglich gleichzeitig an der gleichen Stelle solche 
von einer zweiten anderen Richtung. Im Laufe der Zeiten kann für eine bestimmte 
Stelle der Erdrinde die Richtung der zusammenschiebenden Kraft ändern. Allein 
die Beobachtung zeigt, dass selbst ungleich alte Kettengebirge sich nicht kreuzen, — 
wenigstens ist bis zur Stunde noch kein solcher Fall bekannt gemacht worden. 
Kettengebirge, wenn einmal fertig gebildet, sind Verstärkungsrippen der Erdrinde. 
Die gefaltete Erdrinde wird einem später vielleicht in der Längsrichtung des vor- 
handenen Kettengebirges hinzutretenden Horizontalschub viel grösseren Widerstand 
entgegensetzen, als nicht schon gefaltete Gebiete. Der Horizontalschub in der 
neuen Richtung wird deshalb viel eher ein neues Gebirge ausserhalb der schon, 
vorhandenen stauen. Kettengebirge weichen sich lieber aus, als dass sie sich durch- 
kreuzen. Deshalb finden wir auch kaum Stellen, wo von verschiedenen Seiten 
her Ueberschiebungen stattgefunden haben. Wenn durch verschiedene Richtung 
des Horizontalschubes in benachbartem Gebiete ungleich gerichtete Ketten entstehen, 
so schmiegen sie sich durch Umbiegung aneinander an, wo sie nahe auf ein- 
ander treffen. 

Wenn die Erde früher grösser gewesen ist und später die Rinde dem schwin- 
denden Kern nachsank, so musste jeder vorher grösste Kreis der Erdkugel auf einen 
jetzigen grössten Kreis zusammengestaut werden, gleichgültig wie sich die Stauung 
in verschiedene Gebirge oder continentale Hebungen und Senkungen vertheilte. 
Es wäre somit zu erwarten, dass auf jedem beliebigen grössten Kreise der Erde der 
absolute Zusammenschub, der sich aus der Abwicklung aller auf diesem Kreise be- 
findlichen Dislocationen ermessen lässt, gleich gross ist Leider ist es nicht allein 
heute unmöglich, diese Frage zu prüfen, sondern wird es, weil leider viele alte 
Dislocationen der Beobachtung entrückt im Meergrunde liegen, auch noch dann 
bleiben, wenn die Lagerungsstörungen der Continente ganz genau bekannt sein 
werden. Wenn sich dieses oder ein ähnliches Gesetz nachweisen Hesse, hätte da- 
mit die Theorie der Gebirgsbildung wohl eines ihrer allgemeinsten Gesetze gefunden. 



222 Die Umbiegungen der Kettengebirge. 

Die einzige induetive Stütze, welche ich heute der oben ausgesprochenen Hypo- 
these, — oder Frage, wie wir jenen Gedanken richtiger nennen, — geben kann, 
liegt in der bestehenden Richtung der Gebirgsketten. In dem alten Continent 
herrschen W — 0, im neuen N — S gerichtete Ketten vor. Ein Meridian enthält 
dem Quantum nach ungefähr gleich viel Querprofile durch Ketten wie ein grösster 
Kreis, dessen Ebene wenig von derjenigen des Aequators abweicht. Alle grössten 
Kreise, deren Ebene zwischen derjenigen des Aequators und eines Meridianes liegen, 
schneiden die — W- Ketten wie die N — S- Ketten schief, für sie wird theilweise 
der Zusammenschub der einen, theilweise derjenige der anderen Kettengruppe fühl- 
bar. So fallt in jeden grössten Kreis ein anscheinend ähnliches Quantum von Fal- 
tung. Wenn man um einen Globus beliebige grösste Kreise zieht und aus der 
Zeichnung der Gebirge etwa ihre Bedeutung abwiegt, so gelangt man für sehr 
verschiedene grösste Kreise bei Summirung der quer geschnittenen Kettengebirge 
auf eine auffallend gleichmässige Grösse. Auf der anderen Seite müssen wir schon 
rein theoretisch zugeben, dass bei ungleichförmiger Contraction die Erdaxe, der 
Schwerpunkt, die Abplattung der Meerfläche etc. sich verändert haben kann, und 
dass die Horizontalverschiebungen ungleiche Faltung auf verschiedenen grössten 
Kreisen auszugleichen vermochten. 

Allerlei Versuche, durch Zusammenschieben eines Tuches die den Ket- 
tengebirgen ähnlichen Faltengruppen zu erhalten, haben mich auf ein weiteres, 
meines Wissens bisher nicht erkanntes Gesetz über die Richtung der Gebirgsketten 
geführt : 

Wenn auf weite Erstreckung in der Erdrinde der gleiche Zusammenschub 
gleichmässig wirkt, so wird ein langes Kettengebirge entstehen, dessen Richtung 
nur durch Zufälligkeiten abgelenkt im Ganzen sonst geradlinig sich hinzieht. 

Wenn aber in geringer Entfernung der Zusammenschub in der Erdrinde bei 
gleicher Richtung im Quantum stark verschieden ist, so entsteht ein Drekungsmoment, 
die Ketten entstehen nicht mehr senkrecht auf die Richtung der grössten Bewegung, 
sie bleiben auf der Seite geringerer Bewegung zurück, es entsteht eine in der Be- 
wegungsrichtung nach vorwärts convexe Krümmung der Ketten. 

Da aber mit dem Betrag des absoluten Zusammenschubes auch die Inten- 
sität des Gebirges abnimmt, so gewinnen wir den Satz: 

Je allmäliger ein Kettengebirge an Intensität in seinem Längsverlaufe ab- 
nimmt, oder je gleichförmiger seine Intensität bleibt, desto geradliniger bleiben seine 



Umbiegung der Alpen. 223 

Ketten. Je rascher ein Kettengebirge in seinem Längsverlaufe an Intensität abnimmt, 
desto stärker krümmen sich seine Ketten um. 

Die Alpen erlangen ihre kräftigste Entwicklung in den Centralmassiven der 

» _ 

Penninischen Alpen (Mont Blanc, Mont Colon — Weisshorn) und des Finsteraar- 
horn. Von hier an nehmen sie ganz gleichmässig und allmälig langsam gegen 
Osten ab. Sie streichen in dieser Richtung fast geradlinig fort, während ihre 
Ketten langsam etwas divergiren und an Kraft verlieren. Noch 500 Kilometer 
östlich des Mjont Blanc erreichen die Gipfel einzelner Ketten die Schneeregion. 
Die Denudation hat dort in ähnlichem Maasse gewirkt wie weiter westlich. Das 
Alter der Ketten ist gleich oder doch nicht wesentlich verschieden. Auch die 
Meeralpen sind wesentlich gleich alt, wie die Penninischen Alpen, auch hier sind 
am Rande die Tertiärschichten gefaltet. Vom Mont Blanc durch die Cottischen 
Alpen und die Meeralpen nimmt aber die Intensität und die Zahl der Falten rasch 
ab, ebenso der absolute Zusammenschub, und damit tritt eine starke Umdrehung 
in der Streichrichtung ein: Mont Blanc NO — SW, Oisons N — S, Meeralpen 
NW — SO, Ligurische Alpen WO. Die Umbiegung der Streichrichtung beträgt 
vom Mont Blanc zu den Meeralpen 90° und von den Centralalpen bis in die Ligu- 
rischen Alpen 180°. Hier hören die Alpen auf. Theils tauchen sie an der Ri-. 
viera di Ponente mit ihren letzten Ausläufern 250 Kilometer Kettenlänge vom 
Mont Blanc entfernt unter das Meer, theils verflechten sich diese mit dem Appennin 
der sich hier anknüpft — oder richtiger ausgedrückt: hier berührt sich das umge- 
bogene Westende der Alpen mit dem Westende des Appennin, sie verschmelzen 
zusammen. Die äussere Seite der Alpen verbindet sich mit der inneren Seite des 
Appennin, die innere Seite der Alpen geht im südlichen Hintergrund der Poebene 
in die äussere convexe Seite des Appennin über. Bei Gelegenheit der scharfen 
Umbiegung der Ketten vom Mont Blanc zu den Meeralpen splittern einzelne der- 
selben etwas weit westlich ab, allein der Drehung können sie nicht entgehen, die 
Spannung überwindet sie in demjenigen Theil der Dauphin^, welcher zwischen der 
Rhone und der oberen Durance liegt, weiter südlich sind sie vollständig in die 
umgekehrte Richtung, in W — O-Lauf umgedreht. Der Radius der fast genau halb- 
kreisförmigen gewaltigen Umbiegung der Westalpen beträgt für ihre centralmassi- 
vische Zone etwa 100 Kilometer, der Mittelpunkt des Bogens liegt nahe bei Turin. 
Der Jura verläuft etwa von dem Querprofil, welches Genf trifft, bis über 
die Aare hinaus wenigstens in den inneren Ketten ziemlich geradlinig SW — NO 



224 Umbiegung des Jura, Appennin, der Karpathen und des Himalaja. 

oder ist nur sanft gegen Norden convex gebogen. In dieser Strecke bleibt auch, wie 
sich durch Abwickeln der Dislocationen ergibt, der absolute Zusammenschub ziemlich 
gleichmässig oder er nimmt allmälig gegen Osten ab. Von dem bezeichneten Pro- 
fil aus gegen SW reducirt sich aber die Intensität des Jura als Kettengebirge be- 
deutend und ziemlich rasch. Wo die Rhone den Jura durchschneidet, laufen seine 
inneren Ketten schon N — S, die äusseren westlichen haben sich schon bis N N W — 
SSO gedreht. Südwestlich von Chambßry ist der Kettenjura auf eine ganz schmale 
Zone beschränkt, welche, wo sie an die Is£re trifft, kaum noch mehr als eine 
einzige Kette bildet. Von Cbamb£ry über St. Laurent-du-Pont schmiegt sich die 
letzte innerste Jurakette immer dichter an die dortige äusserste Alpenkette an, um 
endlich als solche aufzuhören. Im südwestlichsten Theile des Jura beobachten wir 
also wiederum die Verbindung von rascher Abnahme der Intensität mit einer Um- 
krümmung d er Streichr icht ung. 

Der Appennin ist in den Abruzzen und im Quellengebiete der Tiber am 
stärksten entwickelt und streicht ziemlich geradlinig SO — NW. In der Toscana 
und im ligurischen Appennin beobachten wir gegen W eine ziemlich starke Abnahme 
des Gebirges nach Höhe und Zahl der Ketten. Gleichzeitig biegt sich der Appennin 

« 

in S — W N W und nördlich von Genua, wo er noch rascher abnimmt, noch in 
seinen letzten Theilen in 0— W und NO — SW um. In ähnlicher Weise krümmt 
sich der Appennin am anderen Ende um , wo er an Stärke . abnehmend , aus dem 
Centralappennin in die calabrischen Berge übergeht. 

Die Karpathen biegen an ihrem östlichen Flügel, wo sie in die „kleinen 
Karpathen a auslaufen, in auffallender Weise um und zwar harmonisch den Alpen, 
dem Jura, dem Appennin, ebenfalls mit der concaven Seite nach Süden gekehrt. 

Die gewaltigsten Umbiegungen von Ketten finden sich an beiden Enden des 
Himalaja. Westlich gegen die Ketten des Hindukoh und das Hochland von Af- 
ghanistan, östlich im Gebiete von Sine Schan gegen die N — S streichenden Ketten 
Hinterindiens. An beiden Stellen fallt die scharfe Umbiegung mit einer fast plötz- 
lichen Abnahme der orographischen Entwicklung des Gebirges zusammen. Sonder- 
bar ist aber, dass hier die Umkrümmung in entgegengesetztem Sinne vor sich geht, 
wie die Krümmung der mächtigen Hauptketten des Himalajagebirges selbst. Indus 
und Brahmaputra sammeln das Wasser am Nordabfall des Himalaja. Der erstere 
fliesst hinter dem Kettencomplex gegen NW und durchschneidet denselben gerade 
an seiner scharfen östlichen Umbiegung, der letztere fliesst hinter dem Kettencom- 



Krümmung in der Mitte des Gebirges. 225 

plex gegen und durchschneidet denselben gerade an seiner scharfen westlichen 
Umbiegung. Beide treten dann in die Ebene. Es sieht aus, als hätte sich der 
ganze Boden von Asien nördlich der Indus-Ganges-Ebene gegen Süden geschoben, 
in der Mitte stärker als an den Seiten. In den gegen S offenen concaven Winkeln 
der beiderseits am Ende der Himalajakette vorhandenen Umbiegungen waren feste 
Punkte, welche sich der Verschiebung entgegenstellten. Um dieselben herum trat 
Beugung und Zerstreuung der Ketten ein, die Beugung wurde durch die gleichzeitige 
Abnahme der Ketten vermehrt. Wir gewinnen aus der Betrachtung der Himalaja- 
ketten noch einen neuen Gesichtspunkt. Die Kette ist im Gebiete ihrer vollen Ent- 
wicklung convex gegen S gekrümmt, an ihren Enden convex gegen N. Die all- 
gemeinq nicht selten vorhandene Krümmung einer Gebirgskette ist also, wenigstens 
bei ganz langen Ketten, in ihrer Richtung nicht nothwendig gleich der durch Ab- 
nahme des Zusammenschubes bedingten Umkrümmung an den Enden. Sollten wir 
entscheiden, ob aus der einen oder anderen Krümmung auf Einseitigkeit der Bewe- 
gung im Sinne von Sijess geschlossen werden muss, so bleiben wir in Verlegenheit, 
aus welcher von beiden. Es ist mir bisher nicht gelungen, durch Faltungs-Ex- 
perimente mit ausgebreiteten Tüchern klare Resultate oder auch nur Gesichtspunkte 
zu gewinnen. Hier lid&t noch ein grosses Feld offener Fragen vor uns. Was 
speciell die Hochgebirgsketten Asiens betrifft, so wird es wohl noch lange Zeit un- 
möglich bleiben, die asiatischen Ketten und ihre Verwicklung zu begreifen. Die 
Grundlage: gute topographisch- orographische Karten und geologische Querprofile 
werden nur sehr langsam geschaffen^ werden. So viel nur können wir aus den 
vorhandenen Karten lesen: Mit rascher Abnahme der Kraft der Ketten ist auch 
rasche Umbiegung der Streichrichtungen verbunden. 

Wohlverstanden kann unter der Bezeichnung „rasche Abnahme der Kraft u 
der Ketten hier nicht einfach die orographische Bedeutung des Gebirges nach Höhe 
und Breite verstanden sein, sondern die Dislocation durch Zusammenschub. Bei 
den sehr alten Gebirgen wird es schwieriger sein, unser Gesetz zu erkennen, weil 
hier erst durch genaue Lokalbeobachtung festzustellen ist, wie viel der Abnahme 
wirklich auf geringere Faltung, wie viel hingegen nachträglicher, ungleich auf die 
Kette vertheilter Denudation zugeschrieben werden muss. 

Wenn wir einzelne Falten innerhalb eines Kettengebirges betrachten, beob- 
achten wir die gleichen Erscheinungen. Wir haben schon im I. Theil gezeigt, 
dass wo die Glarner-Doppelfalte fast plötzlich an Breite gegen Osten stark abnimmt, 

29 



226 Umbiegung einzelner endigender Falten. 

jeweilen Umbiegungen der Streichrichtungen eiirtreten (Sichelkamm-Kammegg-Kette, 
Fläscherberg , Calanda). Die sonderbaren liegenden Falten der Kreideschichten, 
welche Baltzer am Glärnisch nachgewiesen hat, endigen östlich auffallend rasch. 1 

Nach meiner Ansicht steht damit eine Abweichung von der normalen Streichrichtung I 

in Verbindung, welche vom Fluhbrig bis zum Pragelpass bemerkbar ist. Schon 
Escher kannte diese „sonderbare unerklärte lokale Abweichung von der normalen 
Streichrichtung a recht wohl. In Graubündten finden sich viele lokale Abweichungen 
von der Normalstreichrichtung innerhalb der Alpen, desgleichen hie und da in den 
meisten anderen Theilen der Alpen. Ein nicht geringer Theil derselben mag auf die 
Torsionsspannungen zurückführbar sein, welche dadurch zwischen der Kettenschaar 
lokal entstehen, dass die verschiedenen Kettenzonen in ihrem Längsverlauf nicht 
immer den gleichen Zusammenschub neutralisiren. Wenn eine Kettenzone durch 
intensive Falten an einer Stelle einen grossen Zusammenschub, in geringer Entfer- 
nung in der Verlängerung hingegen nur noch einen viel geringeren neutralisirt, so 
muss, soll nicht die ganze Faltenschaar sich krümmen, eine nebenliegende Ketten- 
zone entsprechend an Intensität zunehmen. Der Uebertrag eines grösseren Theiles 
des Zusajnmenschubes von der einen in die andere Zone kann nicht ohne einige 
Ablenkung in der Streichrichtung, nicht ohne abweichend gerichtete Zwischenfalten 
eintreten. Ich will damit aber keineswegs alle Abweichungen von der Streich- 
richtung im Inneren der Alpen erklären. Manche, besonders ausgedehntere, wie 
wir sie im Adulagebirge beobachten, mögen vielleicht darauf beruhen, dass früher 
die betreffende Stelle der Erdrinde schon einmal etwas gefaltet worden war. Beim 
neuen Schub, der das jetzige Kettengebirge bildete, entstanden nicht dem nun- 
mehrigen Schub entsprechende neue Ketten quer durch die älteren hindurch, sondern 
die alten Falten stauten sich in ihrer alten Form* stärker auf und die neuen 
schmiegten sich denselben so gut wie möglich an. Auf Ablenkung durch versteifte 
Stellen der Rinde haben wir schon früher aufmerksam gemacht. Die Ursache, 
warum oft nicht eine Kettenzone den in ihr neutralisirten Zusammenschub auf 
ihrer ganzen Längserstreckung beibehält, kann sehr oft wiederum in Unregelmässig- 
keiten in der Steifheit der zu faltenden Rinde seine primäre Ursache haben. 

Man beobachtet in den Alpen oft eine erstaunliche Gleichförmigkeit im 
Streichen der centralmassivischen Schiefergebilde auf bedeutende Erstreckung. Wenn 
auch Abweichungen nicht gar selten vorkommen, so sind sie doch meistens viel 
geringer, als die Unregelmässigkeiten im Streichen der Sedimentgebilde, welche 



Theoretische Erörterung. 227 

* 

unmittelbar an diese Centralraassive anlehnen oder auf dieselben hinaufsteigen. Die 
grössten Ungleichförmigkeiten in der Entwicklung kommen in den jüngeren Bil- 
dungen vor. Je tiefer wir in die krystallinischen Schiefer hinabdringen, desto 
gleichförmiger werden auf weite Erstreckung die Schichtschalen der Erdrinde, desto 
gleichförmiger wird auch die durchschnittliche Belastung, welche auf den Schichten 
zur Zeit der Faltung ruhte. Die oberen Schichten enthalten also in sich mehr 
Ungleichförmigkeiten, sie sind zudem, weil weniger belastet und freieren Ausweichens 
fähig, von Ungleichförmigkeiten viel beeinflussbarer, als die tieferen, selbst gleich- 
förmigeren und unter gleichförmigeren Bedingungen stehenden Rindenschichten. Da- 
durch erklärt sich die oben genannte Erscheinung vollständig. In den tieferen Schich- 
ten können wir die reinere Wirkung des allgemeinen Horizontalschubes in seiner allge- 
meinen Richtung, in den oberen Schichten die lokalen Einflüsse lokaler Unregelmässig- 
keiten daneben beobachten. 



E. Stauungsreihenfolge der Falten eines Kettengebirges. 

Eine Frage, welche schon oft aufgeworfen worden ist, betrifft das relative 
Alter der verschiedenen Ketten eines Gebirges. Nach dem früher Erörterten muss 
zugegeben werden, dass, zunächst rein theoretisch betrachtet, sobald ein Tangential - 
druck gebirgsstauend in Wirkung tritt, gleichzeitig die Bedingungen zur Bildung 
von Falten für verschiedene Stellen gegeben sind. Allein eine wird doch meistens 
die erste sein. Diese erhebt sich aus der ebenen Schichtung zuerst in Gestalt 
eines einfachen Gewölbes empor. Geht der Zusammenschub weiter, so wird der 
eine Gewölbeschenkel stärker gedreht als der andere, dadurch muss die bisher ebene 
nebenliegende Rinde auf der einen Seite unter das Niveau der anderen Seite hinab- 
biegen, es entsteht auf der einen Seite des Gewölbes die erste Mulde. Der Mul- 
dentheil wird nach unten, der Gewölbetheil nach oben gepresst. Sobald dies erste 
Ausweichen eingetreten ist, so sind die mechanischen Bedingungen auch abgesehen 
von lokalen Festigkeitsungleichheiten nicht mehr in allen Theilen der Erdrinde, 
welche den Tangentialdruck fühlen, die gleichen. Die Richtung des letzteren fallt 
allerdings in den weiten Umgebungen stets noch in die Schichtplatten hinein, in 
der Nähe der neuen Falte aber nicht mehr, sondern nun schneidet er den ab- 
steigenden Muldenschenkel wie auf der anderen Seite den aufsteigenden Gewölbe- 
schenkel in schiefer Richtung. Auf der Gewölbeseite wird dadurch die Erdrinde 



228 Die Stauungsreihenfolge der Ketten eines Kettengebirges. 

gehoben, der Gewölbeschenkel wird flach und geht allmälig in den noch nicht 
dislocirten Theil Erdrinde über. Der Muldenschenkei sollte in gleicher Weise sich 
hinunterdrücken und die ganze Muldenseite sinken, allein so leicht ein Ausweichen 
nach der freien Höhe ist, so sehr erschwert ist das Ausweichen nach unten durch 
die dort den Raum erfüllenden Gesteine. Auf der Muldenseite kann also nicht 
die ganze Erdrinde als ein flacher Muldenschenkel einsinken, sondern die Erdrinde 
muss im Allgemeinen horizontal bleiben und ein Muldenschenkel sich von derselben 
abbiegen. Im Muldenschenkel stehen ' die Schichtplatten schief zum Tangentialschub 
der Erdrinde; derselbe wird deshalb gedreht. Seine Abbiegung gegen die noch 
nicht dislocirte Rinde wird zu einer neuen Gewölbebiegung, denn /in dieser Stelle 
ist nun die . Steifheit schon gebrochen. Der sich zum Gewölbeschenkel einer neuen 
Falte drehende Muldenschenkel der ersten hebt den einstossenden Rand des ebenen 
Rindentheiles auf, und so erzeugt fort und fort auf der Seite der ersten Mulde 
eine Falte die andere — eine schmiegt sich an die andere an — leichter und 
eher, als dass in grösserer Entfernung aus der ebenen Rinde eine ganz neue Falte 
aufgestossen würde. Jede Falte bricht beim weiteren Zusammenschub schon auf 
eine gewisse Entfernung hin die Steifheit in der Randzone des noch nicht gefal- 
teten Theiles, indem sie diese entweder etwas hebt oder etwas senkt, der Art, 
dass je weilen der Tangentialdruck schief zur Schichtrichtung wird und desshalb 
aufs Neue einen Streifen um die Streichrichtung als Axe dreht. Nach derjenigen 
Seite des ersten Gewölbes hin, auf welcher die erste Mulde entstand, schmiegen 
sich leichter die neuen Falten an, als nach der Seite des ersten Gewölbeschenkels. 
So lange der Horizontalschub anhält, wird er leicht schon gebildete Falten noch 
weiter wölben, weil dort die Steifheit der Rinde schon überwunden ist. Es 
kann dies zunächst nur so weit gehen, bis die Zonen zwischen den Falten durch 
die Falten aufgezehrt sind — vielleicht kann selbst eine Falte die andere auf- 
zehren. Jedenfalls wird aber dadurch erzeugt, dass innerhalb eines Gebirges die 
ältesten Falten die stärksten, die "jüngeren die schwächeren sind. 

Aus dieser rein theoretischen Reflexion über die mechanischen Erscheinungen 
beim Zusammenschub gehen folgende Punkte hervor: 

1) Das erste Gewölbe bildet sich da, wo die Erdrinde am wenigsten 
steif ist, senkrecht auf den grössten Tangentialdruck. 

2) Die erste Mulde schmiegt sich auf derjenigen Seite an das erste 
Gewölbe an, wo die Erdrinde weniger steif ist oder tiefer liegt. 



Untersuchung derselben für die Alpen. 229 

3) Die durch weiteren Zusammenschub erzeugten Falten schmiegen 
sich am leichtesten successive nach aussen an die erste Falte auf der- 
jenigen Seite an, auf welcher die erste Mulde entstanden ist. 

4) Die Falten nehmen meist von den ersten nach den jüngeren 
an Grösse ab. 

Zu diesen theoretischen Resultaten gelangen wir aber nur unter der Vor- 
aussetzung einer ursprünglich ganz ebenen Erdrinde. Die gebirgsstauenden Kräfte 
werden meistens keine solche vorfinden. Ferner werden oft statt einer mehrere 
erste Falten an verschiedenen Stellen entstehen. Dann stauen sich an dieselben 
mehrere ähnliche zu einem System zusammengehörende Gebirge an (wie Jura, 
Alpen, Karpathen etc.). Die Faltung eines Gebirges kann aufhören und später 
aufs Neue fortgehen, doch wird die Wahrscheinlichkeit dafür nicht gross sein, 
sondern im Allgemeinen die verschiedenen Falten eines Kettengebirges, wenn auch 
verschieden alt, doch der gleichen geologischen Periode angehören. Der Fal- 
tungsprozess aber kann lange andauern und durch Erneuerung neue Falten an die 
bestehenden anschieben. 

Verlassen wir diese rein theoretischen Betrachtungen. Die Erdrinde hat da, 
wo ein Horizontalschub seine Ausgleichung sucht, früher schon so viele Verände- 
rungen erlebt, dass die Ungleichmäs^igkeiten das mechanische Verhalten in einem 
Grade zu modificiren im Stande sein werden, dass das theoretisch abgeleitete Gesetz 
über den Bau der Erdfaltensysteme vielleicht gänzlich verhüllt werden kann. 
Suchen wir, ob die directe Beobachtung uns über das relative Alter der Ketten 
Aufschluss geben kann: 

Wir erwarten, dass gerade hierin verschiedene Gebirge sich sehr verschieden 
verhalten können. Wenn wir hier die entsprechenden Verhältnisse der Alpen und 
besonders des Nordabhanges der Centralalpen untersuchen, so wollen wir von vorne 
herein betonen, dass wir den Resultaten keine allgemeinere Bedeutung 
für andere Gebirge zuzuschreiben für gerechtfertigt halten. 

Die höchsten Kämme der Alpen gehören den mittleren und südlicheren 
Centralmassiven an. Je weiter wir von hier nach Norden gehen, um so niedriger 
werden im Allgemeinen die Gipfel, und, so bald wir die Centralmassive verlassen, 
um so jünger die Gesteine, aus denen sie bestehen. Die tiefsten Schichten bilden 
die innersten höchsten Kämme, die höchsten die äusseren niedrigeren Ketten. Die 
Denudation ist in den inneren Kämmen viel weiter vorgeschritten, als in den 



230 Die Stauungsreihenfolge der Ketten eines Kettengebirges. 

äusseren. Da gegenwärtig in den noch weniger denudirten äusseren Kämmen die 
Gefalle keineswegs zu gering sind, um eine vollkräftige Hochgebirgsdenudation in 
Gang zu erhalten, so können wir als Ursache der genannten Erscheinung nur noch 
die verschiedene Zeit ansehen, seit welcher die Denudation in den verschiedenen 
Zonen wirken konnte. In den inneren Alpenkämmen sind die Beziehungen zwischen 
innerem Bau und äusserer Gestaltung schon viel verwischter, als in manchen 
Theilen der dem Rande der Alpen nahe gelegenen Zone. In den letzteren (z. B. im 
Sentisgebirge) sind die grossen Züge der Formgestaltung noch viel mehr durch die 
Faltung bedingt, über welche die Denudation, der constante Factor, offenbar noch 
nicht die Oberhand zu gewinnen vermocht hat. Diejenigen Ketten, in welchen 
die Denudation am weitesten vorgeschritten ist, müssen zuerst gehoben 
und der Verwitterung preisgegeben worden sein, die äusseren Ketten 
müssen erst später eine nach der anderen bis in diejenige Höhe gestaut 
worden sein, welche zu einer lebhaften Verwitterung und Erosion gegen 
die Erosionsbasis hin genügendes Gefälle bot. 

Die miocenen Nagelfluh- und Sandsteinschichten, welche als jüngste gehobene 
und gefaltete Gebilde die äusserste niedrigste Kammzone der Alpen bilden, sind 
reine Randgebilde einer Zeit, da die inneren Alpen schon halb gestaut und der 
Thalbildung und Denudation preisgegeben waren. Dass zur Eocen- und Kreidezeit 
die innersten Alpen schon ein gehobenes Faltensystem bildeten, wird fast allgemein 
angenommen, kann aber nur in verschiedenen Gegenden mehr oder weniger wahr- 
scheinlich gemacht, aber bis jetzt nicht bewiesen werden. Dafür, dass zur Jurazeit 
das ganze Alpenland von Tiefmeer überfluthet war, haben wir früher (I. Theil 
S. 166 etc.) Belege angeführt. Aus der Vertheilung der Formationen an den 
Abhängen der Alpen und ihrer vergleichsweisen Facies geht somit 
hervor, dass die äussersten Alpenketten sich erst nach-miocen, die 
weiter einwärts gelegenen jedenfalls schon vor- miocen, die innersten 
vielleicht schon zur Eocen- oder Kreidezeit zu stauen begonnen hatten. 
Im westlichen Theil der Alpen fehlt fast ganz die südliche Zone der Kalkforma- 
tionen, die hohen denudirten Gneissketten tauchen rasch in die Alluvionen der 
Poebene. , Erst weiter östlich stellt sich eine südliche Nebenzone ein, in welcher 
sich die ähnlichen Verhältnisse wie in der nördlichen zu wiederholen scheinen. 

Wir haben früher (I. Theil S. 319) die Seen als Aufstauungen in alten 
Thalböden kennen gelernt. Die Aufstauung kann oft eine solche durch Bergstürze, 



Untersuchung derselben für die Alpen. 231 

durch Schuttkegel seitlicher Bäche oder Ströme, oder durch Moränen gewesen sein; 
bei den tieferen grösseren Seen war es aber, wie die stauende Barriere oft deutlich 
zu erkennen gibt, eine Rückstauung durch die Hebung der Gebirgsketten, die zeit- 
weilig schneller Vorschrift als die Erosion, oder die durch Bergstürze momentan unter- 
stützt wurde. Die Seen sind alle vorübergehencTe kurze Phasen in der Geschichte 
des Thaies. Sobald sie durch Geschiebe ausgefüllt sind, beginnt die Durchsägung 
des Querriegels, und damit tritt allmälig wieder die Vertiefung auf den alten Boden 
ein. Eine vorübergehende Erscheinung wie durch Ketten gestaute grössere Seen 
über alten Thalböden, werden wir deshalb je nur hinter den zuletzt gestauten 
Ketten finden, aber nicht mehr hinter den älteren Kämmen. Durch Gebirgsfal ten 
gestaute Seen finden wir gegenwärtig in den inneren Hajiptthälfirp der ^ Ip^n nioht 
mehr. " Die vielbewunderten Seen der Alpen liegen mit seltenen Ausnahmen alle 
unmittelbar hinter den äussersten Randdislocationen, hinter den Miocenketten, welche 
die Barrieren bilden. Von der Staukette weg verlängern sie sich dann oft 
weit in die alten Thäler hinauf. Schuttkegel schneiden sie dort oft entzwei 
und stauen den oberen Theil noch höher, so dass es dann aussieht, als ob sie 
durch eine innere Kette gebildet wären (Brienzersee, Sarnersee etc.) während 
sie ebenfalls noch dem Steigen der äussersten Kette ihr Dasein verdanken. Wo 
die Thäler, wie z. B. beim Rheine, bereits die Molassekette überwunden haben, 
fehlen auch fast ausnahmslos im ganzen alpinen Lauf die Thalseen, welche von 
anstehenden Barrieren gestaut werden. Die Frage, ob und wie weit bei der 
Stauung der äussersten Kette jeweilen die anliegenden inneren ebenfalls noch sich 
verändern, wird wohl durch Untersuchungen über den Verlauf der Terrassen 
und durch genauere Seetiefenuntersuchungen einst beantwortet werden können — 
gegenwärtig sind wir hievon noch weit entfernt. Die fast ausschliessliche 
Stauung der noch vorhandenen Thalseen durch die äussersten Dislo- 
cationszonen der Alpen und die grosse Seltenheit von durch anstehende 
innere Kettenzonen gestauten Thalseen beweist, wie mir scheint, seiner- 
seits wiederum, dass die inneren_Ketten_ zuerst, die äusseren zuletzt 
gpstauf* worden sind. Dieses Gesetz haben wir zunächst nur aus den Verhält- 
nissen in der nördlichen Abdachung der Alpen abgeleitet. Die südliche Ab- 
dachung ist in den Centralalpen viel schmaler, aber auch hier wiederholt sich 
das Gleiche. Die grossen Thalseen am Südabhang der Alpen sind in ihrem 
Niveau ausser durch die Moränen der Poebene durch die äusseren Ketten 



232 Die Stauungereihenfolge der Ketten eines Kettengebirges. 

gestaut. Wie ihre Tiefe und wie die südliche Randzone der Alpen im fest- 
lichen Theil zu erkennen gibt, ist die ganze Südseite dieses Gebirges längs der 
Poebene stark gesunken und dadurch die sedimentäre Bandzone von Schuttkegeln 
der Poebene vergraben. 

Die älteren höheren Terrassen in den inneren Alpenthälern und die damit 
zusammenhängenden höheren Thalböden in den kleineren Seitenthälern (I. Theil 
Abschn. V) smcTjedenfalls viel älter als die tieferen Thalböden der gleichen Alpen- 

* _ 

thäler. Die Rückstauung des Wassers zu einem See über den tiefsten TEaIBo3en 
durch die Molassedislocationen ist jedenfalls wiederum jünger, als die Ausspülung 
der tieferen Thalböden und des Seeuntergrundes. Somit sind jedenfalls die Reste 
der alten Thalböden an den Gehängen und in den Seitenthälern, also die höheren 

Terrassen, viel älter, als die Stauung der äussersten Dislocationszonen am Rande 

* 

der Alpen. Damit jene höheren Thalböden in dem Gebirge Bich ausspülen konnten, 
musste der innere Theil der Alpen schon vorher als Gebirge gestaut gewesen sein. 
Es folgt hieraus mit Notwendigkeit, dass die Stauung der inneren Ketten 
um lange Abschnitte der Erosionsgeschichte älter ist, als diejenige der 
äusseren Falten, wenigstens als der Abschluss der letzteren. 

Noch mehr: So weit bis jetzt meine Beobachtungen reichen, finden wir 
z. B. -im Reussgebiet die Terrasse von 1300 bis 1600 M., diejenige von 1000 bis 
1200 M., ferner diejenige von 600 bis 700 M. Meerhöhe — besonders sicher die 
beiden letzteren — tiberall nach einem einheitlichen Erosionsniveau ausgebildet, 
d. h. wenn wir die nocl* vorhandenen Reste einer dieser Stufen alle unter einander 
verbinden, erhalten wir ein System von Thalböden, die alle ganz gesetzmässig als 
Gleichgewichtslagen zu ihrer gemeinschaftlichen Erosionsbasis fertig ausgebildet sind, 
ohne dass irgendwo dazwischen ein scharfer Gefallsbruch fiele. Die Reste dieser 
alten Thalbodensysteme sind seit ihrer Entstehung in ihrer gegenseitigen Niveaulage 
in den inneren Thälern nicht mehr gestört und durch die neue Stauung der äusseren 
jüngeren Ketten nicht mehr alterirt worden. Bei der Stauung der äussersten, also 
zunächst der Molassefalten, können sich die inneren Zonen der Alpen als Ganzes 
wohl noch gehoben haben, aber ihre einzelnen Falten sind untereinander im Wesent- 
lichen starr geblieben. Die inneren Falten sind nicht nur in ihrem Anfang älter 
als die äusseren, sondern sie waren längst fertig und unveränderlich geworden, 
als in den äusseren sich die Stauung noch fortsetzte. Eine spätere genaue 
Untersuchung, wie weit die alten Terrassen der inneren Thäler sich nach Aussen 



Resultat für die Alpen. 



233 



verfolgen lassen, wird vielleicht bestimmte Beziehungen zwischen je einem Terrassen- 
niveau und der Stauung einer der äusseren Ketten lehren. Wir verweisen hier 
ferner noch auf I. Th. S. 229, wo wir aus der Richtung, nach welcher die Eocenfalten 
übergelegt sind, schliessen mussten, dass die innere, d. h. die S-F alte der Glarner-Doppel- 
falte früher begonnen hat, als die weiter gegen den Alpenrand gelegene Nordfalte. 
Die grössere Denudation in den inneren Kämmen, die Tertiärbil- 
dungen, indem sie mehr und mehr Randgebilde werden, ferner der Um- 
stand, dass die noch vorhandenen grösseren Thalseen durch die äusser- 
sten Dislocationszonen aufgestaute Flussläufe sind, endlich die That- 
sache, dass die alten Thalbodensysteme der inneren Alpen älter sind 
als die Vollendung der Stauung der äusseren Ketten, sind Erscheinun- 
gen, welche uns alle die Ueberzeugung aufdrängen, dass in den Alpen im 
Allgemeinen die innersten Falten die ersten waren, die äusseren sich nach und nach 
angestaut haben. Es gilt dies aber nur von dem Nordabfall der Alpen. Wenn 
einseitige Bewegung gegen Norden die^ stau ende Ursache ist , so kann man sich 
vorstellen, dass den neuen Falten am Nordrand auch neue. Bewegungen (Verwer- 
fungen, Senkungen etc.jam Südra nde ent sprechen . 



Im Nordabfall der Centralalpen, wo weniger Ausnahmen vorkommen, als in 
manchen anderen Theilen, stimmt die Erscheinung noch darin mit der theoretischen- 
Erörterung überein, dass die Falten an Grösse im Allgemeinen von Innen nach 
Aussen abnehmen, und in der Molasse in sanften Wellen auslaufen (Taf. XIII 
Fig. 13). Dass in Kettengebirgen die Falten in bestimmter Reihenfolge sich an 
einander anschmiegen ist aber selbstverständlich nur eine Regel, schon die Theorie 
lässt die Möglichkeit vieler Ausnahmen erkennen. 

Beim Appennin scheint die Beweglichkeit jetzt noch am grössten an der 
inneren Seite zu sein, ebenso wiederholt sich in der Senkung der Poebene am 
S- Rande der Alpen eine ähnliche Erscheinung. Wenn aber Dana die inneren 
Ketten als die zuletzt gestauten, die äusseren als die ersten bezeichnet, irrt er 
wenigstens in der Verallgemeinerung, die mit den Centralalpen entschieden im 
Widersprach steht (verglichen ferner Suess S. 59 und 60). 

Gegenwärtig sind die innersten, von der Denudation am stärksten erniedrigten 
Alpenkämme die höchsten, die äusseren, weniger denudirten, die niedrigeren. Von 
dem 4275 M. hohen Finsteraarhorn sind wenigstens 1000 M. Sedimente und noch 
eine nicht zu bestimmende Höhe von kristallinischen Schiefern abgewittert; auf 

30 



234 Schnelligkeit der Hebung und Denudation verglichen. 

dem 3239 M. hohen 15 Kilometer weiter randwärts gelegenen Titlis fehlen etwa 
600 M. jüngere Sedimente; der 1920 M. hohe, um eine 30 Kilometer breite Zone 
vom Finsteraarhorn randwärts entfernte Niederbauenstock wäre etwa 300 M. höher, 
wenn die Denudation ihn nicht erniedrigt hätte; und vom Gipfel des Hohe Rhonen 
1223 M., der um eine 50 Kilometer breite Zone vom Finsteraarhorn getrennt ist, 
sind nur einige Schichten abgewittert. Eine ähnliche? Reihe würde sich ergeben, 
wenn wir statt für ihre Zone charakteristische Gipfel, Thalpunkte auslesen würden. 
Es geht hieraus hervor, dass die allgemeine Höhe der Culminations- 
punkte der verschiedenen Alpenzonen noch mehr von der Hebung durch 
die Faltung als von der Verwitterung bedingt ist, so sehr wir inner- 
halb jeder einzelnen Zone die Uebermacht der Denudation in der Ober- 
flächengestaltung wahrnehmen. Wenn wir also nicht die einzelne Kette 
betrachten, sondern das ganze Gebirge in seinen Hauptzonen, so müssen wir sagen, 
dass die Hebung der Falten rascher gearbeitet hat, als die Denudation. Die Hebung 
hat die Culminationen höher gestossen, als die Denudation sie bisher zu erniedrigen 
vermochte. — Deshalb überhaupt stehen die Alpen heute noch als ein Hochgebirge 
vor uns. Eine weitere Frage, über welche ich allerdings noch kein zuverlässiges 
Beobachtungsmaterial besitze, ist diejenige nach der Reihenfolge der Falten- 
stauung in der Längsrichtung des Gebirges. Es ist denkbar, — sogar wahr- 
scheinlich, dass meistens keine absolute Gleichzeitigkeit stattfand. (Einige Andeu- 
tungen hierüber enthält die Tafel S. 200.) 

Ist die Ketteribildung der Alpen jetzt in Stillstand gekommen? Ein Theil 
der Antwort liegt schon in den obigen Erörterungen. In den inneren Zonen ist, wie 
die Continuirlichkeit der alten Thalbodensysteme zeigt, die eigentliche Faltung längst 
zum Stillstand gekommen. Ein Gleiches wird dadurch bewiesen, dass bei den meisten 
Querthälern die Schichten der einen Seite wenigstens in den tieferen Theilen ohne Ver- 
schiebung auf der anderen Seite wieder fortsetzen. Wo eine früher zusammenhän- 
gende ebene Schichtplatte, wie z. B. der Verrucano der Nordfalte (Glarner-Doppelfalte), 
durch tiefe Thalbildung zerstückelt ist, stehen auch heute noch die verschiedenen ge- 
bliebenes. Stücke in ihrer gegenseitigen Lage un verschoben da, es sind nicht etwa 
einzelne Zonen seither gehoben, andere gedreht oder gesenkt. Für die inneren 
Theile der Centralalpen dürfen wir schon jetzt mit Bestimmtheit sagen: Die Fol- 
t ung hat aufgehört. Für die äussersten Kämme, namentlich die dislocirte Molasse- 
zone ist die Antwort heute noch nicht zu geben. Die ausgedehnten Alluvions- 



Abschluss der Alpen- und Jurafaltung. 235 

flächen, wie z. B. diejenige die zwischen dem oberen Linththal, dem Walensee und 
Zürichsee liegt, und diejenige des Rhein von Chur bis in den Bodensee haben 
sich noch zu sehr bis in die letzten Jahre stets durch frische Alluvionen erneuert, 
als dass eine zonenförmige Schwankung des Untergrundes durch Nivellement dieser 
Flächen in Gestalt zonenförmiger Aufbauchungen oder Einsenkungen wahrnehmbar 
wäre. Erst seit den Correctionen dieser Ströme ist die Möglichkeit gegeben, später 
solche Niveauschwankungen zu erkennen, wenn sie noch vorkommen. Ebenso 
können die Nivellements und Höhenbestimmungen auch unserer trefflichsten Karten, 
weil sie noch zu jung sind, noch kein Resultat durch neues Nachmessen an's Licht 

m 

fördern. Wir wissen nicht, ob auch jetzt noch unter unseren Füssen die Falten- 
stauung fort geht und auch jetzt noch neue Falten an die bestehenden sich an- 
schmiegen, oder ob die Faltung der Alpen jetzt als vollständig abgeschlossen zu 
betrachten ist. 

Wenn ein Gebirge quer durch einen Flusslauf hindurch sich faltet, so wird 
das entstehende Querthal, in welchem der Fluss, seinen Lauf behauptend, sich 
einsägt, so lange noth wendig im ersten Stadium der Thalbildung (Bd. I S. 293 
und 321) bleiben, als die Stauung des Gebirges anhält. Erst wenn das Gebirge 
in Ruhe gekommen ist, wird die Querthalbildung in Stadium II oder III vor- 
schreiten können. Da wo die Aare den Jura durchbricht ist das Thal meistens 
schon nach Art des zweiten Stadiums ausgespült (Aarburg — Ölten, Wildegg bis 
oberhalb Altenburg bei Brugg), an einigen Stellen aber schneidet sich die Aare 
auf's Neue in den ebenen Thalboden ein, so bei Brugg und von da thalabwärts ; 
ähnlich die Limmat bei Baden. Da wir aber die Terrassenfläche von Brugg weiter 
abwärts bis ausserhalb des Kettenjura bis an den Schwarzwaldrand verfolgen können, 
finden die neuen Einschnitte wohl ihre Ursache in einer ausserhalb des Kettenjura 
eingetretenen Erniedrigung der Erosionsbasis, so dass wir aus den Thalformen der 
Aare, wo sie den Jura durchbricht, den Schluss gewinnen, dass wahrscheinlich die j 
Faltung des Jura gegenwärtig in diesem Theile stille steht. ^ 

Von der Frage, ob die Faltung zum Stillstand gekommen sei, oder nicht, 
ist die Frage ganz verschieden, ob überhaupt jetzt die Alpen im Gleichgewicht 
stehen, oder nicht. Die Faltung kann aufgehört haben, continentale Schwan- 
kungen des ganzen fertigen Faltensystemes können aber noch fortdauern. Das 
letztere ist für uns sogar wahrscheinlich, denn die Wechsel in der Belastung 
der Erdrinde, welche jede Gebirgsstauung und jede damit sich verknüpfende 



ji" 



236 Die Kettengebirge im Verhältnisa zu den Continenten. 

Denudation und ausserhalb des Gebirges Alluvion rait sich bringen, können sich 
nicht so schnell ausgleichen. Directe Beobachtungen .fehlen und lassen sich 
nicht in kurzen Zeiträumen anstellen; indirecte sind meines Wissens bisher auch 
nicht entdeckt worden. 



F. Verhältnis der Kettengebirge zu den Continenten und anderen Gebirgen, — 

letzte Ursachen. 

Je weiter wir von den gewonnenen Resultaten aus mit Fragen eindringen 
wollen, um so unsicherer oder um so seltener werden die Antworten. Wir haben 
bisher die Kettengebirge nur als solche untersucht. Eine ganz neue Fragengruppe 
tritt an uns heran, wenn wir das Verhältniss der Kettengebirge zu den Continental- 
massen betrachten. Im Bewusstsein, zur Lösung dieser Fragen nichts wesentliches 
beitragen zu können, treten wir nicht näher auf dieselben ein als nothwendig ist, 
um ihren jetzigen Stand zu bezeichnen. 

Die älteren Geographen und Geologen betrachteten die Gebirge als das 
Gebälk oder Skelett der Continentalmassen, die neueren (Dana, Peschel etc.) fassen 
die Kettengebirge als die sekundäre mit Vorliebe an den Rändern der Continente 
eintretende Erscheinung auf. Abgesehen von allen theoretischen Anschauungen 
sind wohl schon die Volumenverhältnisse allein genügend, um uns zu überzeugen, 
dass die Kettengebirge eine den Continenten untergeordnete Erschei- 
nung sind: 

Wir kennen Kettengebirge nur auf Continenten, im Meere nur da, wo ein 
gebirgiger Continent versunken ist. Das Volumen der Alpen gleichmässig über 
ganz Europa ausgebreitet, würde diesen Continent nur um 6,5 M., dasjenige der 
Pyrenäen würde Frankreich nur um 3 M. zu erhöhen im Stande sein. ! ) Die mittlere 
Erhebung von Europa beträgt aber 296 M. 2 ) Das Volumen der Kettengebirge 
Europa's verschwindet somit gegenüber dem Volumen der Continentmasse so weit 

sie über die Meerfläche ragt, das Volumen der Alpen beträgt nur etwa ^ desjenigen 
ihres Continentes. Aehnlich stellen sich die Volumina anderer Kettengebirge zu 



l ) Berechnung von Humboldt. 
*) Nach Dr. G. Leipoldt. 



Die fünf Gebirgsarten, ihre Abhängigkeit. 237 

ihren Continenten. Die mittlere Erhebung der Continente beträgt etwa 350 M., 1 ) 
die mittlere Tiefe des Meeres wenigstens 3500 M. Danach erscheinen die 

Continente als mächtige breite Sockel, auf welchen, nur etwa ^ des 
Volumens ausmachend, die Kettengebirge als kleine Rippen sich erheben. 
Es ist einleuchtend, dass diesem ^ nicht die Gestaltung und Aufthürmung der 

j^ÖQ der aus dem tiefen Meergrund aufsteigenden Continentalmassen zugeschrieben 
werden kann. 

Peschel hebt hervor, dass Südamerika, Afrika und Australien eine ganz 
ähnliche Umrissgestalt haben, obschon die orographische Gliederung ganz verschieden 
ist. Es müsse somit diese gleiche Form, wenn auch durch ganz unbekannte Ur- 
sachen, so doch jedenfalls nicht durch die Gebirgsketten bedingt worden sein, 
woraus wiederum hervorgeht, dass die Continentformen primärer sind, als die Ketten. 

Die Bewegungen der Rinde, welche Continent und Ocean von 
einander scheiden, sind also wohl andere, als diejenigen, welche auf 
den grossen Plateaux der Continente die Rinde noch gerunzelt haben, 
wenn auch vielleicht die Kräfte nicht verschieden sind. 

Wir wissen, dass die russische Ebene, Skandinavien, manche Gebiete von 
Mitteleuropa als Festlandmassen älter sind, als die Alpen, dass ein grosser Theil 
der südamerikanischen Anden und des nordamerikanischen Felsengebirges jünger 
ist, als die Trockenlegung des bedeutendsten Theiles von Nordamerika und eines 
ziemlichen Theiles von Südamerika, dass die Himalajakette ebenfalls sehr jung ist, 
jünger als ein grosser Theil Asiens. Die Hauptformen der Festlande scheinen viel- 
fach älter, als ihre Gebirge. Diese bilden sich am leichtesten an den Rändern der 
schon vorhandenen Festlande ; sie steigen häufig mit ihrem Steilabfall aus dem 
Meere oder einer jungen Tiefebene auf. 

Zu den vier verschiedenen Arten von Gebirgsmassen, die wir früher auf- 
gezählt haben, können wir noch eine fünfte hinzurechnen, nämlich die Continente. 
Sie sind breite ebene Plateaux, welche über den allgemeinen Meergrund sich circa 
4000 M. erheben. Zwischen unseren fünf Gebirgsarten bestehen folgende Be- 
ziehungen : 

Die Continente scheinen diejenigen Erhöhungen der Erde zu sein, deren 
Gestaltung von den anderen unabhängig, selbstständig und meistens zuerst auftritt. 



*) Berechnung von Humboldt 



238 Die Kettengebirge im Verhältniss zu den Continenten. 

Die Kettengebirge stauen sich nicht ausschliesslich, aber vorwiegend nahe den Rän- 
dern oder ganz an den Rändern der Continentalmassen. Die Vulkane umkränzen 
in Reihen die Continente. Kuppengebirge, d. h. alte Vulkane und thätige Vulkane 
brechen gerne auf den Dislocationslinien am inneren Rande gebogener Kettengebirge 
auf. Zwischen Ketten- und Massengebirgen können wir keine scharfe Grenze ziehen, 
die letzteren erscheinen als breite, sanft wellenförmige, die ersteren als gedrängte 
Falten. So zeigen sich die sämmtlichen Gebirgsmassen in gewissem 
Grade abhängig von einander, wie sie auch genetisch wenigstens inso- 
fern zusammenhängen, als ihre Ursache unter der Oberflache liegt. 

Die meisten Aussagen aber, welche über die weiteren Beziehungen der con- 
tinentbildenden und der kettengebirgsbildenden Kräfte, sowie der Vulkanreihen 
von zahlreichen Forschern meist aus geographischer Vergleichung, bald auf Grund 
feiner Beobachtungsgabe, bald auf Grund blosser Phantasie geschöpft, gefolgert 
worden sind, müssen wir bis heute als blosse Fragen, nicht als „gefundene Gesetze* 4 
wie sie die meisten zu bezeichnen belieben, entgegennehmen. Gestehen wir zu- 
nächst ein, dass wir den Grund der sogenannten „ geographischen Homologien a 
heute mit gerade so grosser Unsicherheit tastend suchen, als da BufFon 1774 und 
Kant zuerst diesen Problemen nachdachten, 1 ) und dass wir auch heute noch nicht 
wissen, ob die anscheinende Gesetzmässigkeit eine ursächliche oder eine zufallige 
ist. Die meisten Versuche, die Gestaltung der Festländer zu erklären, gehen von 
Spalten aus, welche die erste erstarrte Rinde in Schollen zerlegten ; sie suchen also 
die Ursache in einer Zeit, welche sämmtlichen Sediraentformationen voranging. 
Allein unsere Beweise für den gänzlichen "Wechsel der in der Vertheilung von 
Land und Meer im Laufe der Ablagerung der Sedimente stattgefunden hat, 2 ) be- 
ziehen sich nicht nur auf Ufergebiete, sondern sie erstrecken sich über ganze Con- 
tinente und wir finden ebenso (z. B. in den Atollen des indischen und stillen 
Oceans und in manchen Erscheinungen der Thier- und Pflanzengeographie) die 
Belege für Versenkungen ganzer Continente. Jede Erklärung der Continent- 
gestaltung, welche nicht die Möglichkeit zur beständigen Veränderlich- 
keit gibt, steht im Widerspruch mit dem thatsächlichen Aufbau der 
Continente, der beweist, dass diese letzteren einst ganz anders vertheilt waren 
und die Vertheilung vielfach gewechselt hat. Die grössten Kettengebirge sind eben- 



') Verglichen Peschel, Probleme der vergleichenden Erdkunde. 
*) Z. B. Transgression der Cenomanstufe, Sness Abschnitt VL 



Die letzten Ursachen der Gebirgsbildung. 239 

falls wie die meisten jetzigen Continente junge Gebilde, so dass sich hier die Ab- 
hängigkeit der ersteren von den letzteren, die wir früher gefolgert haben, als mög- 
lich erweist. Die Continentalschwankungen sind viel mannigfaltiger, viel häufiger 
und viel ausgedehnter als diejenigen Bewegungen der Erdrinde, welche Gebirge 
erzeugen. Wir können die Continentalschwankungen im Allgemeinen auch in weiter 
zurückliegende Vergangenheit zurückverfolgen, während Gebirgsfaltungen in den zu 
beobachtenden Theilen in den jüngeren Zeiten stärker gewesen zu sein scheinen 
und bis über die Quartärperiode hinausdauern. 

Mir will es scheinen, dass bevor genauere Beobachtungen über die conti- 
nentalen Schwankungen der Vorzeit gemacht sind, so dass es möglich wird, über 
ausgedehntere Landstrecken als bisher Karten alter Perioden zu entwerfen, und 
bevor wir vollständigere Messungen über die Beträge des ausgeglichenen Zusammen- 
schubes der meisten Gebirge haben, kaum ein wesentlicher sicherer Fort- 
schritt in der Erkenntniss des ursächlichen Zusammenhanges von Ge- 
birgen und Continenten und der Form der letzteren untereinander zu 
erwarten sein wird. Suess bespricht einlässlich die Beziehungen von Ketten- 
gebirgen zu Senkungsgebieten und zu Vulkanreihen. Wir verweisen auf sein Buch, 
ohne hier den Gegenstand zu erörtern, da wir neue Gesichtspunkte nicht beifugen 
könnten. Suess lässt aber und wohl aus guten Gründen die Reflexionen über die 
Gestaltung der Continente unberührt. 

Endlich gelangen wir zur Frage nach den letzten Ursachen. Wir wieder- 
holen was wir schon früher gesagt haben: Die Kettengebirge sind durch einen 
Zusammenschub der Erdrinde entstanden, dies ist Thatsache; jede Erdtheorie, welche 
einen solchen nicht erklären kann, rauss verworfen werden. 

Verkleinerung des Erdkernes führt zu einer Stauung, welche Kettengebirge 
bilden muss. Ist eine solche Verkleinerung denkbar? 

Denken wir uns die Erde als ursprünglich feuerflüssiges Magma. Die erste 
Bildung einer Kruste wird mit Contraction der erstarrenden Schichten verbunden 
sein. Diese werden fort und fort zerreissen, theilweise auch etwas sinken, doch 
nicht zu tief, denn tiefer folgen Massen von höherem specifischem Gewicht. In die 
Contractionsrisse tritt Magma ein und giesst dieselben wieder zu. Sobald einmal 
eine zusammenhängende erstarrte Rinde entstanden ist, die sich bis auf einen ge- 
wissen Punkt abgekühlt hat, kehrt sich die Sache um: Bei fortschreitender 



240 Verkleinerung des Erdkernes. 

Abkühlung zieht sich die Rinde wenig mehr zusammen, wohl aber die 
erst jetzt erstarrenden tieferen Theile — Theile des Kernes. Jetzt be- 
ginnt die Kruste für den Kern zu gross zu werden, sie sinkt stellenweise ein, 
es entsteht durch diese Gravitation ein Tangentialdruck, der bald weite Gewölbe 
(Plateaugebirge, Continente), bald engere Runzeln wirft. Durch weitere Erstarrung 
des Magma werden Dämpfe aus demselben frei. Diese finden am ehesten da Aus- 
weg, wo Knickung und Faltung durch den Tangentialdruck die Rinde geschwächt 
haben, also am Rand der Continente. Sie reissen Magma mit hinaus und bilden 
Vulkanreihen. 

Wir kennen zwei Arten, durch welche der Kern im Laufe der Zeit für die 
Kruste zu klein wird: 

1) Durch Contraction bei fortschreitender Abkühlung und Er- 
starrung. 

2) Durch Verlust an Material durch die vulkanischen Eruptionen. 
Diese letzteren sind wahrscheinlich (ich schliesse mich hierin Angelot und Tscher- 
mack vollkommen an) selbst ebenf alls ein Res ultat der Erstarrung . 

Suchen wir zunächst eine genauere Vorstellung über die Folgen weiterer 
Abkühlung zu gewinnen. 

Nach Deville ist der Linearcontractionscoefficient der Silicate im Durch- 
schnitt für 100° Abkühlung 0,0015. Es gilt diese Zahl für schon erstarrte Sili- 
cate. Jedenfalls ist die Contraction für ein Magma, aus welchem beim Erstarren 
flüchtige Bestandteile ausgestossen werden, und iunerhalb des flüssigen Agregat- 
zustandes noch sehr wesentlich grösser; ebenso ist sie noch grösser für metallische 
Massen, wie wir sie in grösserer Tiefe im Erdinnern nach dem hohen speeifischen 
Gewicht der Erde annehmen müssen. Aus Mangel an Messungen hierüber, wollen 
wir uns an obige Zahl halten. Denken wir uns beispielsweise, die ganze Kern- 
masse kühle sich durchschnittlich um 100° ab, gleichgültig ob dieser Kern noch 
zum Theil flüssig oder schon längst fest sei. Die äusseren Theile -werden 
sich viel stärker, die inneren viel schwächer abkühlen müssen um die gleiche Ge- 
sammteontraction zu ergeben, wie 100° im Ganzen. Umfang und Radius müssen 
sich dieser Abkühlung und Contraction des Kernes entsprechend verkürzen. Für 
den Umfang, denselben rund zu 40 000 000 M. angenommen ergibt sich 60000 M. 
als Verkürzung. Das Doppelte, also eine durchschnittliche Abkühlung des Kernes 
um 200° wäre mehr als genügend, um die Alpen zu stauen, das fünffache, also 



Wirkung fortschreitender Abkühlung. 241 

eine Abkühlung um durchschnittlich 500° genügend, um auf einem grössten 
Kreise drei Gebirge wie die Alpen aufzuthürmen, oder was das Gleiche ist, um 
ziemlich alle vorhandene Krustenfaltung der Erde erzielt zu haben. 

Denken wir uns, dass eine so eben erstarrte mächtige innerste feste Rinden- 
schicht durch Contraction nur an einzelnen Stellen Risse bilde, in welche der 
flüssige Kern eindringe, und vielleicht zum Theii an der Oberfläche als Eruptiv- 
gestein ausfliesse, so wird sie an anderen durch ihre Contraction eine Faltung der 
aufliegenden, längst abgekühlten oder sedimentären Schichten erzeugen, welche bei 
Abkühlung der untersten, schleppenden, festen Schicht um 2000° schon auf einen 
einzigen Erdquadranten dreifache Alpen erzeugen könnte, ohne dass der tiefere Kern 
sich um ein Wesentliches abzukühlen brauchte. Die Schrumpfung der tieferen Erstar- 
rungslagen würde in diesem Falle eine einseitige Bewegung der oberen Schichten der 
Erdkruste ergeben, welche hinter sich einen Abriss und wohl in Folge davon auch 
ein Senkungsfeld zurücklassen würde, so wie dies namentlich der Anschauungsweise 
von Dana und besonders von Suess über den Bau der Kettengebirge entspricht. 

Wie diese Rechnung, obschon wir sie unter Zugrundelegung eines zu un- 
günstigen Contractionscoefficienten ausgeführt haben, zeigt, genügt schon ein geringer 
Fortschritt in der Abkühlung des Kernes vollständig zur Erklärung der Kettengebirge. 
Es handelt sich dabei zunächst nur um Abkühlung, nicht einmal um Erstarren. 
Diese Contraction wird aber fort und fort andauern und so im Laufe der Zeit neue 
Ketten in neuen Richtungen stauen, in denen der Rindenzusammenschub sich noch 
nicht ausgeglichen hat. Es müssen deshalb verschieden gerichtete Ketten entstehen. 
Da aber Ketten sich nicht kreuzen, war nichts natürlicher, als dass sie sich nach ihrer 
Richtung auf ganz verschiedene Gebiete vertheilten, — dass also die meisten S-N gehen- 1 
den Ketten in Amerika, die W-0 - Ketten im alten Continent entstanden. Wie die' 
Haut eines eintrocknenden, d. h. im Fleisch sich contrahirenden Apfels faltenfor- 
mige Runzelsysteme bildet, weil sie für den schwindenden Kern zu weit wird, so 
auch verhält sich die in ihrer Weite unveränderlicher gewordene Erdkruste. Dadurch 
müssen ferner grössere EinSenkungen entstehen, welche die Vertheilung der Con- 
tinente bedingen und verändern. Eine Contraction des ganzen Kernes um 0,0015 
linear wie er 100° Abkühlung entsprechen würde, würde zugleich eine Verkürzung 
des Radius um durchschnittlich 9550 M., eine solche von 500° durchschnittlich um 
etwa 50000 M. ergeben — eine Zahl, welche durch ungleichförmiges Ein- 
sinken einen vielfachen Wechsel in Vertheilung der Continente, die im Allge- 

31 



s 



242 Die Rechnungen von Thomson und Hopkins. 

meinen 4000 M. sich über den Meergrund erheben, nach sich zu ziehen im 
Stande wäre. 

Man wird uns vielleicht den Vorwurf machen, dass eine derartig fortschrei- 
tende Contraction des Erdkernes und Nachsinken der Kruste nicht mehr gedacht 
werden dürfe, nachdem Thomson und Hopkins berechnet haben, dass die Rinde 
schon längst, wohl schon vor der Faltung der Alpen wie heute ausserordentlich 
dick sei. Abgesehen davon, dass ein warmer schon fester Körper durch Abküh- 
lung sich noch weiter contrahirt, halten wir aber die Thomson'schen Re- 
sultate für durchaus falsch, weil die Grundlagen seiner Rechnungen mit der 
Natur ganz in Widerspruch stehen. Der Einfluss der Belastung auf die tieferen 
Erdschichten und die dadurch erzeugte Beweglichkeit ihrer Theilchen, der Einfluss 
von Druck auf den Agregatszustand und die Eigenart des gasreichen Magma's 
sind einfach unberücksichtigt gelassen. Wir wissen nicht, wie weit die unter ge- 
wöhnlichen Verhältnissen beobachteten Gesetze gültig sind; jedes Experiment, das 
so gewaltige Kräfte in Wirkung bringt, fehlt. Thomson berechnet den Stoss der 
Fluth und Ebbe eines supponirten flüssigen Kernes auf eine starr angenommene 
Schale und findet dann, dass eine solche, wenn sie nicht mehr als halb so dick 
wie der Radius wäre, die Stösse nicht auszuhalten vermöchte. Allein er vergisst 
gänzlich, dass Reactionsstösse in keiner Weise so wie er sie annimmt eintreten 
können, weil die „feste" Erdrinde selbst noch lange plastisch genug ist, um selbst 
Fluth- und Ebbewellen zu bilden. Es ist nichts Starres da, das mit dem Flüssigen 
in Collision gelangen könnte, und der eintretende Stoss könnte nur auf der unbe- 
deutenden Differenz der Fluthwelle der „ festen u Schale und derjenigen des vielleicht 
noch etwas leichter beweglichen Kernes beruhen. So lange die gewiss vorhandene 
Fluth- und Ebbewelle der „festen starren tt Erdrinde nicht gemessen werden kann, 
hängt das Thomson'sche Resultat, das an eine solche nicht denkt, in der Luft. 1 ) 

Von anderer Seite ist behauptet worden, dass der Schmelzpunkt der Silicate 
sich durch den Druck der darüber liegenden Schichten schneller nach dem Erd- 
innern erhöhe, als die Temperatur, so dass den Verhältnissen entsprechend stets 
die Temperatur unter dem Schmelzpunkt liege. Als Ausgangspunkt für diese Be- 



') Der Astronom Delaunay ist durch ähnliche Rechnungen zu Resultaten gekommen, welche denen 
von Thomson gerade entgegen stehen. Das Nichtstimmen einer Reihe von astronomischen Messungen der 
besten Sternwarten, wie es in neuester Zeit entdeckt worden ist, spricht ebenfalls für die „Beweglichkeit" der 
„festen" Erdrinde. 



Volumverminderung durch Eruptionen. 243 

trachtung ist nicht Erdmagma, sondern unflüchtiger Silicatrest, nicht flüssiges Erd- 
inneres sondern erstarrtes Eruptivgestein benutzt worden. Die ganze Grundlage zu 
diesem Schlüsse ist somit vollständig falsch. Solche Rechnungen sind stets gefahr- 
lich. Die Zahlen imponiren und man gibt sich leicht in denselben gefangen. Mag 
die Rechnung auch geistreich und genau durchgeführt sein, die Grundlagen derselben 
sind ganz ungenügend und durch keine Beobachtungen gestützt. Wenn auch der 
Weg des Geologen: Studium der Erscheinungen der zugänglichen Erdoberfläche, 
weniger als „exacte Wissenschaft" erscheint, ist er doch der exactere sicherere, 
der uns endlich dem Ziele nähert. So nahe die Versuchung liegt, ist hier doch 
nicht der Ort, auf eine Kritik der Theorien über das Erdinnere einzutreten, denn 
in unserer obigen Rechnung soll keine Theorie ausgesprochen sein, sondern wir 
wollten nur sehen, inwiefern etwa die Contraction des Erdinnern durch Abkühlung 
sich mit der factischen aus den Faltengebirgen abzumessenden Contraction reime, und 
finden, dass hierin wohl kein Widerspruch mit der Beobachtung besteht. 

Die zweite Volumverminderung, weiche nothwendig das Erdinnere erfahren 
muss, ganz gleichgültig was für Vorstellungen wir uns über seinen Zustand machen, 
besteht in dem Materialverlust durch vulkanische Eruptionen. In den letzten Jahr- 
hunderten hat man durchschnittlich etwa 20 grössere Eruptionen per Jahr beob- 
achtet. Das Volumen der Laven, Schlacken und Aschen mit Einschluss der später 
frei werdenden, im Magma unter Druck absorbirten flüchtigen Bestandteile einer 
derselben kann im Durchschnitt auf höchstens 100 000 000 Cubm. angenommen wer- 
den. Auf die ganze Erdoberfläche vertheilt würde dies eine Verkleinerung des Erd- 
radius um 0,0002 Mm. ergeben. Die jährliche Erdradiusverkürzung betrüge 
hiernach 1 Mm. in 250 Jahren, oder 1 M. in 250000 Jahren. Die Gebirgsstauung 
entspricht aber einer Verminderung um über 50000 M., wie sie erst nach etwa 
12 500 000 000 Jahren eintreten könnte! Diese Zahl ist so gross, dass wir ein- 
sehen, durch die jetzige eruptive Thätigkeit der Erdrinde nicht die- 
jenige Volumverminderung des Kernes gewinnen zu können, welche in 
der Stauung von Kettengebirgen sich geäussert hat. Viel wichtiger mag 
das vulkanische Leben der Erde dadurch für die Faltenstauung werden, dass es 
ein wesentliches Mittel ist, dem Erdinnern Wärme zu entziehen. 

Ein anderer Weg, den wir einschlagen können, um die durch Eruptionen 
erzeugte Kernverminderung zu berechnen, ist folgender : Das Volumen eines mitt- 
leren Vulkanes beträgt 113 076 000 000 Cubm. Man kennt etwa 700 ganz aus 



244 Die Bewegungen der Erdrinde bei fortschreitender Erstarrung und Abkühlung. 

Eruptivmaterial aufgebaute Vulkane. Diese haben zusammen etwa 79 000 000 000 000 
Cubm. Inhalt. Die Oberfläche der ganzen Erde beträgt etwa 509 885 700000000 
D M. Unter diese vertheilt, ergibt sich, dass vor Aufthürmung der Vulkane der 
Radius der allgemeinen Erdoberfläche etwa 155 Mm. grösser war als jetzt — eine 
Zahl, welche wiederum viel zu klein ist, um auf die Faltengebirge einen 
wesentlichen Einfluss ausüben zu können. 

Denken wir uns nicht nur die jetzigen Vulkane, sondern alle Eruptivgesteine, 
alte wie junge, im Erdinnern anstatt aussen in Bergmassen auf der Rinde ange- 
häuft, so erhalten wir jedenfalls eine viel bedeutendere Zahl. Um eine Rechnung 
kann es sich hier freilich nicht handeln, es fehlt selbst zu einer Schätzung das 
Material. Nehmen wir nicht nur 10 oder 100 Mal, sondern gar 1000 Mal so viel 
Eruptivmassen überhaupt an als jetzige Vulkane, so erhalten wir erst 155 M. 
Radiusverkürzung, also immer noch lange nicht denjenigen Volumenverlust 
des Erdinnern von etwa 50000 M. Radiusverkürzung, der die Faltung 
der Rinde erklären könnte. Wenn der Erdradius durch Eruptionen sich um 
50000 M. verkleinert hätte, so müssten wir durchschnittlich aussen auf der Erde 
eine 50000 M. dicke vulkanische oder durch Verwitterungsprozesse zum Theil in 
Sedimente umgewandelte Masse finden. Das ist keineswegs der Fall. 

Es ist somit wahrscheinlich, dass Contraction durch Abkühlung viel 
wesentlicher für die Faltenstauung der Rinde war, als Verlust durch Eruptionen, 
und ich muss hier nochmals betonen, dass es dabei zunächst ganz gleichgültig ist, 
' ob das Erdinnere fest oder noch flüssig sei. 

Denken wir uns nun einen sich contrahirenden, gleichgültig ob festen oder 
flüssigen Kern. Die Kruste sinkt nach demselben ein. Sie ist zu gross geblieben, 
kann also nicht gleichförmig nachsinken, sondern zwischen den nachsinkenden 
grossen Stücken bleiben einzelne Stücke in der Höhe zurückgestaut — die Con- 
tinente. Die continentalen Niveaudifferenzen, die durch das ungleichförmige Nach- 
sinken entstehen, sind jedenfalls zunächst etwas grösser als die Radiusverkürzung — 
es kann nicht nur ein Einsinken, sondern es muss auch ein Aufstauen eintreten. 
Nun entsteht besonders innerhalb der zurückgebliebenen Continente und an deren 
Rändern ein starker Zusammenschub durch die Tendenz dieser Gewölbe, auch ein- 
zusinken. Er fuhrt zur Stauung von Falten, d. h. Kettengebirgen auf den Conti- 
nenten, oder mit Vorliebe an deren durch Biegung schon geschwächten Rändern. 
Diese Stauung gibt hie und da Veranlassung zu Bruch der Erdrinde, — jedenfalls 



Die Bewegungen der Erdrinde bei fortschreitender Erstarrung und Abkühlung. 245 

schwächt sie den Widerstand der Rinde gegen die durch Erstarren im Inneren 
frei werdenden Dämpfe des Magma, es brechen vorwiegend am Rande der Conti- 
nente und auf Bruchlinien längs den Dislocationen der Kettengebirge die Eruptiv- 
gesteine aus. Die Stauung der Kettengebirge vermindert den Betrag, um den die 
Rinde zu weit geworden war, sie ermöglicht ein Einsinken der Continente; was 
früher den Continent staute, staut jetzt das Kettengebirge, das mächtige continen- 
tale Plateau sinkt langsam tiefer (Poebene, Gangesebene, etc.), endlich unter die 
Wasserfläche (Gebiet zwischen Neu-Guinea, Neuseeland und Australien etc.) bis 
die Ketten nur noch schmale Inseln oder Atollreihen bilden. Während der Zeit 
ist aber die Abkühlung schon wieder weiter vorgeschritten, die Stauung neuer 
Continentmassen hat gleichmässig fortgearbeitet — es sind gleichzeitig neue Con- 
tinente entstanden, oder alte sinkende wieder auf's Neue aufgestaut worden. So 
erscheinen uns die sämmtlichen, nicht durch Erosion erzeugten Vertikalgliederungen 
als Resultat der gleichen Contraction. So wird es auch erklärlich, warum sich zur 
Steinkohlenzeit fast gleichzeitig an vielen Stellen eine so bedeutende vorher nicht 
dagewesene Landmasse einstellte, warum ferner deren Verminderung der Zeit nach 
zusammenfallt mit den ältesten zahlreicheren ,Gebirgsfaltungen (Alleghany und viele 
andere, gefaltete Kohlenmulden mit ungefaltet transgredirenden mesozoischen Schich- 
ten etc. und mit den vielen permischen Eruptionen). Wenn wir auch bis jetzt 
erst einen kleinen Theil der Erdrinde kennen, ist doch auffallend: dass auf dem 
ganzen Untersuchungsgebiete vor-carbonische Faltungen zweifelhaft sind oder ganz 
fehlen, dass die Allgemeinheit des Festlandes sich in keiner späteren Periode an- 
nähernd in dem Maasse findet, wie zur carbonischen Zeit, dass sehr viele Faltungen 
und Eruptionen an den Schluss der paläozoischen Zeit fallen, und dass wieder von 
der Mittel- Tertiärzeit bis zur Gegenwart mit ausgedehnteren Landbildungen auch 
vulkanische Eruptionen an Häufigkeit sehr zunehmen, gleichzeitig wie viele grosse 
Kettengebirge entstehen und sich fortbilden. Da Kuppengebirge nur eine Anhäufung 
alter verwitterter Vulkane, Plateaugebirge nur engere Continentstauungen oder 
breitere Kettenfalten sind, so stehen nun alle fünf Gebirgsmassen : Continente, Pia- 
teaugebirge, Kettengebirge, Kuppengebirge und Vulkane als Erscheinungen vor uns, 
welche durch die fortschreitende Contraction des Erdkernes entstanden sind. Con- 
tinente verhalten sich zu Kettengebirgen wie eine weite Schichtbiegung zu 
enger Fältelung. In den Continenten behauptete die Erdrinde in grösseren Schollen 
noch einen gewissen Grad von Steifheit. In den Kettengebirgen ist diese Steifheit 



246 Die Bewegungen der Erdrinde bei fortschreitender Erstarrung und Abkühlung. 

überwunden, weil der Horizontaldruck sich nun in einzelne Rindengebiete vor- 
wiegend concentriren konnte. Die Eruptionen sind gelegentliche Erscheinungen 
auf den Brüchen oder schwachen Stellen der Rinde, sie helfen sekundär zur Ver- 
kleinerung des von der Rinde umschlossenen Kernes mit, sie vermehren selbst 
wieder Abkühlung und Erstarrung, sie sind der Ausweg der durch Erstarrung aus- 
geschiedenen Gase. 

So erscheint uns das ewige Schwanken der Erdrinde, die grosse vertikale 
Gliederung durch ungleichförmiges Nachsinken und dadurch bewirkte Stauung der 
Erdrinde gegeben. Während der Zeit, da der Erdradius sich um 50000 M. ver- 
kleinerte, hat der durchschnittliche Niveauunterschied von Meergrund und Festland 
in dieser Zahl mehr als 10 Mal in je wieder ganz anderer Gruppirung Raum genug 
gefunden. Ruhe, Gleichgewicht, Abflachung wird erst dann eintreten, wenn die 
Contraction aufhört. Die Alpen, deren reichen Erscheinungen unsere Untersuchungen 
vorwiegend gewidmet waren, sind selbst nur durch eine lokale Phase des allge- 
meinen Contractionsprozesses der Erdkugel gestaut — unermesslich gross und reich 
für uns und unser Erfassen, verschwindend klein im Vergleich zur Erdkugel. 
Ihre Stauung war gleich einer Minute, ihre Abspülung wird gleich einer zweiten 
Minute in der Geschichte des Planeten sein, der selbst nach Raum und Lebens- 
dauer unter den anderen Sternen zwischen der Ewigkeit der Vergangenheit und 
der Ewigkeit der Zukunft verschwindet. 



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